Teil 13
Lois Blick war ein wenig unsicher. "Oh-oh. Diese Frage deutet irgendwie an, dass das Letzte schon eine Weile her sein könnte. Aber okay, was ist passiert, bevor wir beide uns hier in meinem Apartment auf den Boden gesetzt haben? Hm, du hast mich nach Hause gebracht, nachdem wir bei diesem Thomas gewesen waren, du weißt, dieser Vampir-Typ. Und was bitte soll diese Sorgenfalte auf deiner Stirn bedeuten?"
"Lois, das war am Dienstag Abend - heute ist Freitag, inzwischen schon Samstag." Clark sah sie mitleidig an. "Das heißt dann, ich muss es dir jetzt erzählen?" Bei diesen Worten sah er so aus, als täte er sich selber leid.
Lois nickte. "Ich fürchte, ja, aber bitte eine Kurzfassung, ich bin schrecklich müde. Ich habe das Gefühl, als hätte ich tagelang nicht geschlafen."
Clark strich ihr sanft die Haare aus der Stirn. "Wenn es stimmt, was ich vermute, hast du seit Tagen nicht geschlafen. Aber das ist nur dein kleinstes Problem..."
Und Clark erzählte ihr eine fantastische Geschichte, wie sich ihre Mord-Ermittlungs-Story nach und nach in eine Story mit echten Vampiren entwickelt hätte und dass sie, Lois Lane, von einem Vampir gebissen wurde, dass sie sich immer weiter von Clark abgewandt hätte und heute Abend sei eben dieser Vampir wieder erschienen, um sie erneut zu beißen. Doch damit wäre sie auch zu einem Vampir geworden und so hätte er das eben verhindern müssen...
"Clark! hast du dir zugehört? Vampire? In Metropolis?" Lois sah ihn entsetzt und fast etwas belustigt an.
Doch Clarks Miene blieb ganz ernst. Er stand auf und zog sie auch nach oben. "Komm, ich zeig dir etwas." Er führte sie zu ihrem Spiegel. Lois stand vor dem Spiegel und Clark stand hinter ihr. Er drehte sie ein wenig zur Seite und zeigte auf ihren Hals. Und dort konnte sie deutlich Bissstellen sehen, Zwei, um genau zu sein. Peinlich berührt fuhr sich Lois mit der Hand über die Stelle an ihrem Hals. Clark hatte Recht.
Und als wenn diese Erkenntnis eine Schleuse geöffnet hätte, fielen ihr jetzt zu der Geschichte, die ihr Clark gerade erzählt hatte, die Bilder ein. Alles, was er gesagt hatte, war wahr. Jedes einzelne Wort. Alles was er erzählt hatte, war genauso passiert. Bis zu diesem Augenblick hatte sie gedacht, diese merkwürdigen Bilder wären ein Traum gewesen, zugegeben, eher ein Albtraum und ein sehr realistischer noch dazu, aber jetzt wusste sie, es war alles so passiert. Und was noch viel schlimmer war, da gab es noch einiges, was Clark ihr nicht erzählt hatte, was er nicht wissen konnte, weil es sich nur in ihrem Kopf abgespielt hatte. Und diese Dinge waren fast das Schlimmste - diese Visionen, dieses Begehren nach einem fremden Mann, nach einem Toten! Und nach dem Tod selbst! Lois schüttelte sich, wie um diese Erinnerung zu verscheuchen. Aber dafür reichte ein Schütteln nicht aus. Sie konnte sich kaum selbst im Spiegel betrachten.
Zaghaft drehte sie sich zu ihm um. "Clark, ich hätte dich fast verloren." Mit einer tief empfundenen Trauer sah sie ihn an, "und ich hätte mich selbst fast verloren. Wie konnte das nur passieren?"
Clark, der scheinbar einfach nur glücklich war, dass dieses Drama ein Ende gefunden hatte, zog sie an sich und nahm sie fest in den Arm. "Erst mal ist jetzt nur wichtig, dass es vorbei ist. Laut Thomas gibt es dafür eine ganz einfache Erklärung. Du warst einfach... nun ja, wie sag ich das jetzt? Du warst einfach so gespannt, was dich erwarten würde, wenn wir verheiratet sind, dass du einfach den Kopf verloren hast. "
Auch wenn Lois eben gerade beim Blick in den Spiegel beschlossen hatte, Clark auf keinen Fall mitzuteilen was sich bei dieser Geschichte in ihrem Kopf abgespielt hatte, aber 'gespannt' war so maßlos untertrieben, dass sie das nicht so stehen lassen konnte. "Ich weiß, wovon du sprichst, aber 'gespannt' trifft es nicht so ganz... Er muss sich irgendwie in meinen Kopf geschlichen und mich manipuliert haben. Ich habe Dinge gesehen, von deren Existenz ich bis dahin nichts wusste! Ich weiß gar nicht, warum ich mich dagegen nicht wehren konnte." Langsam wurde Lois etwas panisch. Jetzt hatte sie doch schon so viel über dieses Visionen angedeutet, wie sie ihm niemals mitteilen wollte. Außerdem wurde ihr selbst immer klarer, wie sehr Vadim sie tatsächlich unter Kontrolle gehabt hatte. "Eigentlich sollte man doch meinen, dass es niemals jemandem möglich sein sollte, sich zwischen uns zu stellen. Clark! Warum habe ich nicht geschafft, das zu verhindern?" Zögernd hob sie ihren Blick und sah ihm in die Augen.
Doch Clark sah sie weder enttäuscht, noch entsetzt oder abschätzend an. Er lächelte verständnisvoll. "Laut Thomas sind Vampire Meister im Verführen, mit irdischen Maßstäben nicht zu messen. Ich denke, du hattest keine Chance. Es hat nichts mit dir oder mit mir zu tun." Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Warte mal, mir fällt gerade eine Stelle ein, aus einem der Bücher, die ich gelesen habe in Thomas Büro... 'Der Ruf war süß und betörend, er hüllte mich ein, liebkoste mich, schob mich, es war unmöglich, absolut unmöglich, sich ihm zu widersetzen. Bald klang er wie Musik, bald wie ein Lied, bald wie ein Flüstern - und in jeder Form war er vollendet, ein Abbild meiner eigenen Seele.' Und dann an einer anderen Stelle: 'Mit einem Mal ging mir mit aller Klarheit auf, warum Opfer von Vampiren diesen ihren Hals mit einem Lächeln auf den Lippen hinhalten. Wenn der Ruf erklingt, sind sie glücklich. Ihr ganzes Leben lang haben sie sich auf diesen süßen Augenblick zubewegt, und ihr Leben ist im Vergleich zu ihm leer und grau - wie die Welt im Zwielicht. Der Ruf ist eine Art Geschenk. Eine Befreiung'."
Ja, das beschrieb ihren 'Zustand' recht treffend, wie sie sich schweren Herzens eingestehen musste.
Lois schmiegte sich in seine Arme und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust als könnte sie dem Erlebten damit entfliehen. Sie wollte das alles hinter sich lassen. Genussvoll schloss sie die Augen und gab sich für einen Augenblick einfach nur diesem Gefühl hin, die Zärtlichkeit zwischen ihnen, die so normal schien, dieses Gefühl von Vertrauen, das sich einfach nur gut anfühlte. "Was für ein Glück für mich, dass mein Retter auch nicht ganz irdisch ist..." Doch durch die geschlossenen Augen wurde sich Lois plötzlich wieder ihrer Müdigkeit bewusst. Schlagartig hatte sie das Gefühl, sie könnte im Stehen einschlafen. "Clark, ganz gleich, was es ist, oder womit es zu tun hat... Ich will jetzt einfach nur noch schlafen." Er nickte. "Aber..."
"Ja?" Clark sah sie gespannt an.
"Ich... ich möchte jetzt auf keinen Fall... alleine bleiben. Nicht heute Nacht, nicht nach diesen Ereignissen. Bleibst du bei mir?"
Clark lächelte verständnisvoll und strich ihr sanft über die Wange. "Ich bin froh, dass du mich darum bittest. Ich würde dich jetzt nur sehr ungern alleine lassen. Ich schlafe einfach hier auf dem Sofa."
Lois traute sich nicht, Clark ins Gesicht zu sehen. "Würdest du, wenn ich dich... darum bitte", nervös ließ sie ihren Blick durch Zimmer wandern, "statt auf dem Sofa... auch bei mir schlafen?" Erst nachdem sie die Worte, die ihr so auf der Seele brannten, ausgesprochen hatte, traute sie sich, ihm direkt in die Augen zu sehen. "Ich brauch jetzt einfach eine Schulter, um mich daran anzulehnen."
Und Clark lächelte immer noch. "Lois, alles, was du willst."
Tag 6, Samstag 4. Mai 1996, 10:17 am
Selbst durch die geschlossenen Augenlider konnte Lois sehen, dass es bereits taghell war. Sie erwachte langsam und schwerfällig aus einem bösen Traum, unheimliche Bilder von fliegenden Personen oder vogelartigen Wesen, die ständig um sie herum flogen. Sie selbst hatte scheinbar ihre ganze Persönlichkeit verloren und wusste nicht, wo sie hin gehörte. Lois fühlte sich in ihrem Traum kalt und leer und irgendwie so wenig lebendig an. Was für ein Albtraum?
Doch auch wenn sie diesem Traum entfliehen wollte, hatte sie noch nicht die Kraft aufzustehen und so wollte sie die Augen noch nicht öffnen. Da bemerkte sie plötzlich etwas Ungewöhnliches - sie spürte den Atem einer weiteren Person in ihrem Nacken, gleichmäßig und ruhig atmete jemand neben ihr ein und aus.
Vorsichtig öffnete sie erst ein Auge und dann das andere und drehte langsam den Kopf nach hinten - es war Clark! Er lag in ihrem Bett! Er hatte sich an ihren Rücken geschmiegt, einen Arm um sie gelegt und schien ruhig und entspannt und mit einem Lächeln auf den Lippen zu schlafen. Und er schien nichts an zu haben! Sein Oberkörper war nackt. Oh nein! Sie hatten doch wohl nicht womöglich... Lois konnte sich an nichts erinnern! Das war fast schlimmer als wenn sie ihn mit falschem Namen angesprochen hätte. Was war bloß passiert? Es ärgerte Lois maßlos, dass sie sich nicht besser erinnern konnte. Vielleicht war es gut und sie wusste es nicht. Vielleicht war es schlecht und sie wusste es nicht. Das Eine war so schlimm wie das Andere.
Abrupt setzte sich Lois auf, was dazu führte, dass auch Clark jetzt wach wurde.
Mit einem leicht zerknautschten Gesicht, aber doch sichtlich entspannt, lächelte er sie an. "Lois. Guten Morgen! Wie geht es dir?"
"Gut.", stieß sie hastig hervor. Aber sie konnte doch nicht gute Miene zum bösen Spiel machen. "Clark, was bitte machst du hier?"
Er rieb sich verschlafen die Augen. "Du hast mich gebeten zu bleiben, du wolltest nach gestern Abend nicht alleine schlafen..."
"Clark, das habe ich auch geträumt, aber sag mir nicht, dass alles Andere, was ich noch geträumt habe, auch wahr ist! Dieser Traum in dem ich dich gebeten habe, bei mir zu bleiben, weil ich gerade von dir erfahren habe, dass ich von einem Vampir gebissen wurde, dass ich dabei war, selber zu einem Vampir zu werden, dass ich dabei war zu sterben... dass ich dabei war, dich zu verlieren... Sag mir, dass das nur ein Albtraum war, ein sehr böser, ein sehr realistischer und einer, den ich nie wieder träumen möchte..." Lois flehte ihn an und doch wusste sie die Antwort selber. Mit jedem Wort, das sie gesagt hatte, fiel ihr der gestrige Abend wieder ein. Das war kein Albtraum, das war die Wirklichkeit gewesen!
Clark lächelte immer noch, während er jetzt aufstand und in ihre Küche ging. Dabei stellte sie erleichtert fest, dass er ja noch seine Boxershorts trug. "Lois, ich mach dir erst einmal Frühstück, so kannst du doch überhaupt nicht denken.", rief er aus der Küche. Er setzte Kaffee auf. "Und ich fürchte, wenn ich dir wieder erzählen muss", er stellte alle möglichen Sachen auf ein Tablett, "was du nicht mehr weißt, oder was du vielleicht verdrängt hast - nun ja, dafür brauchst du erst mal Kaffee. Bleib liegen. Ich mach das schon." Immer noch mit diesem strahlenden Lächeln brachte er ihr das Tablett ans Bett. "Der Kaffee braucht noch etwas."
Lois konnte während der ganzen Zeit ihren Blick nicht von ihm abwenden, von ihm und seinem Oberkörper... Sie genoss seine Aufmerksamkeit und mit einem Lächeln sagte sie: "Oh Clark, dafür, dass ich heute Morgen in deinen Armen erwacht bin, du mir das Frühstück machst, Kaffee ans Bett - das war es fast wert."
Clark atmete einmal tief durch und schüttelte den Kopf. "Nein, Lois. Ganz sicher nicht. Das war es nicht wert. Ich wäre fast gestorben vor Angst um dich. Ich möchte soetwas nie wieder erleben. Und das mit dem Kaffee ans Bett hättest du auch anders haben können."
Lois sah ihn verschmitzt an. "Du würdest mir in Zukunft das Frühstück ans Bett bringen?"
Doch Clark bekam keine Zeit mehr für eine Antwort. Es klopfte an Lois' Apartmenttür. Beide sahen sich fragend an, wer das wohl sein konnte. Clark zog sich auf dem Weg zur Tür noch ein T-Shirt an, setzte seine Brille auf und Lois hörte, wie er die Tür öffnete. Während Lois sich gerade über das Müsli hermachen wollte, sie hatte einen Bärenhunger, erkannte sie die Stimme von Thomas Bynecky. Schnell warf sie sich ihren Bademantel über, schnappte sich ihre Müslischüssel und ging zu den beiden.
"Lois!", Thomas sah ausgesprochen abgespannt und müde aus und seine Kleidung war völlig derangiert, aber sein Gesichtsausdruck drückte eine tiefe Zufriedenheit aus. "Ich bin so froh, dass es Ihnen gut geht... wieder gut geht. Sie sind noch ein wenig blass um die Nase, aber das geht schnell vorbei. Danken Sie Clark. Dafür dass er keine Erfahrung in diesem Geschäft hat, hat er den Vampir sehr fachmännisch niedergestreckt." Thomas war auf Lois zugetreten. Sie wollte ihm zur Begrüßung die Hand geben, doch Thomas lehnte ab und zeigte auf seine völlig verrußten Hände.
Lois löffelte ihr Müsli. "Ich weiß sehr wohl, wem ich zu danken habe - keine Sorge. Aber wahrscheinlich war es doch nicht nur der eine... den Clark...?" Sie sah Thomas ernst an.
"Es waren vier." In diesem Moment bekam Thomas einen ganz ruhigen, sachlichen Tonfall. "Drei habe ich erledigt und den vierten - Vadim..." Mit Nennung dieses Namens beschlich Lois ein sehr unangenehmes Gefühl, ein kaltes Schaudern lief ihr über den Rücken. Den 'Vampir' konnte sie fast noch ertragen, nachvollziehen, auch vor sich selbst. Aber 'Vadim' gab den Ereignissen der letzten Tage, auch der Tatsache, dass sie sich von Clark abgewandt hatte, eine sehr persönliche Note, eine zu persönliche Note. Sie würde ganz sicher noch eine Weile brauchen, das alles zu verarbeiten, zu verstehen und sich selbst zu verzeihen.
Doch Thomas fuhr fort: "Vadim war ihr Anführer. Und ehrlich Lois, machen Sie sich nicht zu viele Gedanken, Sie hatten keine Chance. Es hat nichts damit zu tun, wie sehr Sie Clark lieben, was Sie ja offensichtlich tun...", bei diesen Worten ließ er seinen Blick vielsagend zwischen den beiden hin und her wandern. "Vampire sprechen im Menschen eine Seite an... und sie sind wahre Meister darin..." Lois spürte, wie sie rot wurde und sie wünsche, dass Thomas dieses Thema nicht weiter vertiefen würde. Sie hatte gar kein Bedürfnis mit ihm, einem Fremden, über die Tatsache zu sprechen, dass sie erotische Bedürfnisse und Fantasien hatte, die sie für diese ganze Geschichte so empfänglich gemacht hatten. Wie von selbst versuchten ihre Hände ihren Bademantel noch höher zu schließen. Sie wollte nur noch möglichst schnell das Thema wechseln.
Während Clark mit Kaffee für sie alle aus der Küche kam, beeilte sie sich, das Wort an sich zu reißen, bevor Thomas im Plauderton noch mehr zu diesem heiklen Thema zum Besten gab. "Ich habe da noch so ein paar Fragen an Sie..."
Thomas lächelte sie erwartungsvoll an, während er seinen Kaffee umrührte. "Ja gerne, was möchten Sie denn wissen?"
"Sie und Ihre Vorfahren haben schon seit Urzeiten mit Vampiren zu tun, gegen sie gekämpft - das hätten Sie uns bei unserem Besuch ruhig sagen können."
Beide Männer saßen ruhig da und hielten sich an ihren Kaffeebechern fest. Clark sah sie sehr gespannt an, während Thomas selbstzufrieden lächelte. "Ja, das hätte ich tun können. Aber Sie hätten mir beide an jenem Abend nicht geglaubt. Doch wie haben Sie herausgefunden, wer ich bin?"
Lois lehnte sich zufrieden zurück. "Der Name natürlich. Wahrscheinlich haben Ihre Vorfahren, als sie nach Amerika kamen, den Namen 'Van Helsing' - 'Von Halse' ins englische übertragen - By-Neck-y."
Thomas nickte und grinste. "Lois, alle Achtung. Sie werden Ihrem Ruf gerecht. Ich hätte mir denken können, dass Sie darüber stolpern. Was wollen Sie noch wissen?"
Lois merkte förmlich, wie ihre Lebensgeister erwachten und das war ganz sicher nicht nur dem Kaffee zuzuschreiben, da war sie sich ganz sicher. "Okay, als wir begonnen haben zu recherchieren, da hatten wir noch einen Überfall im Centennial Park. Eine Frau wurde überfallen und der Angreifer verschwand völlig überraschend in dem Moment, wo er ihr den Schal weggenommen hatte, in dem Moment also, wo er ihren Hals sah. Vielleicht trug sie ein Kruzifix um den Hals... Und ihr Angreifer konnte diesen Anblick nicht ertragen."
"Sie meinen, das wäre auch ein Angriff eines Vampirs gewesen? Denkbar wäre das. Manche Vampire reagieren entsprechend auf so ein starkes Symbol wie das Kruzifix, besonders am Hals... Warum ist das so wichtig, der Frau scheint doch nichts passiert zu sein?"
Lois bekam diesen triumphierenden Gesichtsausdruck. "Ich wusste es." Sie sah Clark an. "Der Überfall im Park und die Morde - die beiden Fälle gehörten zusammen."
Clark lachte. "Oh ja Lois, du hast es gewusst. Ich werde niemals wieder dein Gefühl anzweifeln. Deinen Reporterinstinkt."
"Gut so. Aber jetzt zu der wichtigsten Frage..." Clarks Vertrauen ehrte sie, aber diese Frage stellte sie wieder an Thomas. "Was von alledem können wir schreiben? Und können wir mit Ihrer Unterstützung rechnen?"
Thomas rührte gedankenversunken in seinem Kaffee, ehe er mit gesenktem Blick antwortete: "Nein. Ich werde meinen Namen nicht zur Verfügung stellen, zu viele schlechte Erfahrungen damit in der Vergangenheit." Er hob seinen Blick und sah Lois ernst und fast etwas betrübt an. "Was Sie davon schreiben können? Letztlich müssen Sie beide das alleine entscheiden. Ich kann Ihnen nur einen Rat geben. Wird man Ihnen glauben? Die Vampire sind glücklicherweise vernichtet, es gibt also keinen einzigen Beweis. Mit einer Ausnahme, die noch nicht ganz verheilten kleinen Löcher an Ihrem Hals. Aber Lois, wollen Sie wirklich vor der Welt eingestehen, was mit Ihnen passiert ist in den letzten Tagen? Fragen Sie sich, ob die Menschen dafür reif sind, ob sie es verstehen werden. Sie gehören nicht zu der Sorte Reporter, die nur auf eine Titelstory aus sind, Sie suchen die Wahrheit. Sie haben die Wahrheit gesehen und bei diesem Fall sicher weit mehr davon als Ihnen lieb war. Aber meinen Sie, dass die Massen diese Wahrheit verstehen werden?"
Lois sah Thomas entsetzt an. "Wir sollen nichts schreiben - gar nichts?" Sie traute ihren Ohren nicht. Da hatte sie ihren Einsatz bei dieser Geschichte fast mit dem Leben bezahlt und der Lohn dafür sollte eine vollkommene Null-Runde sein? Keine Story, keine Sensation, kein Preis? Aber Thomas hatte natürlich Recht, sie hatten keinen Beweis. Und es war nicht ihre Art, ohne Beweise etwas zu veröffentlichen.
Clark sagte daraufhin: "Ich weiß auch nicht, wie überzeugend es uns gelingen würde, die Vernichtung Vadims als 'Notwehr' zu erklären." Betreten sah er Lois an.
Lois' Stimme gehorchte ihr fast nicht, als sie daraufhin entgegnete: "Eine Woche Angst und Schrecken - und keine Story." Das war so niederschmetternd.
12:45 pm
Jimmy war etwas nervös, als er aus dem Fahrstuhl im fünften Stock trat. Er hatte drei Blätter Papier bei sich, drei Blätter weißes Papier, aber natürlich nicht unbeschrieben. Diese Blätter waren beschrieben! Es war 'seine' Story, die auf diesen Blättern geschrieben stand. Seine Story über den Einbruch in die Computerfirmen. Und er musste mit jemandem darüber reden, sonst drehte er noch durch. Perry war nicht in der Redaktion am Wochenende, Clark war schon seit gestern nicht auffindbar. Seine letzte Hoffnung war nun Lois. Ob es ihr besser ging inzwischen? Ob er nicht doch vielleicht hätte anrufen sollen? Lois hatte am Freitag nicht besonders viel Aufmerksamkeit für die Computerstory übrig gehabt. Ob sie ihm überhaupt zuhören würde? Aber er musste mit jemandem reden!
Jimmy hob die Hand, um an der Tür des Apartment 501 zu klopfen und hielt noch einmal inne. Was, wenn sie nicht da war? Nun, das wäre nicht so schlimm, in dem Fall würde niemand sein Klopfen hören. Was, wenn sie da wäre? Lois war seine Freundin, sie würde ihm nicht den Kopf abreißen, sie doch nicht. Jimmy schloss die Augen. Sie würde in der Luft zerreißen, was er geschrieben hatte.
Er klopfte. Sicher war sie gar nicht da. Doch gleich darauf hörte Jimmy auch schon, wie sich hinter der Tür jemand bewegte. Was für ein Glück, sie war da.
Die Tür öffnete sich und vor ihm stand Clark; das war nicht wirklich verwunderlich. Nur sein Aufzug ließ Jimmy etwas stocken. Clark trug nur ein Paar Boxershorts und ein T-Shirt, aber das trug er links herum, so als hätte er es sich in aller Eile über geworfen, ohne noch einen Blick darauf zu werfen. Hoffentlich hatte er Clark nicht gestört. Und plötzlich tauchte Lois im Türrahmen auf, sie trug nur einen Bademantel. Jimmy ließ seinen Blick von Lois zu Clark wandern und wieder zurück - oh nein! Er hatte sie gestört - unterbrochen. Das war so offensichtlich. Sie würden ihn beide in der Luft zerreißen.
"Hi Jimmy, komm doch rein." Clark wirkte auf Jimmy vollkommen locker.
Jimmy trat in Lois' Apartment. "Hi Clark. Lois. Hey, du siehst viel besser aus heute."
Lois lächelte. "Ja, es geht mir auch sehr viel besser heute. Was gibt es, was können wir für dich tun?" Sie machte auf Jimmy einen ausgeruhten und entspannten Eindruck und er war wirklich froh, dass sie nicht sauer waren, weil er hier so einfach hereinplatzte.
"Ich... ich habe hier meine Story...", dabei zog er die beschriebenen Blätter aus der Innentasche seiner Jacke, "ich habe sie ganz alleine geschrieben, es war niemand da. Ihr wart nicht da und sonst auch niemand, den ich fragen konnte oder wollte. Aber bevor ich sie Perry auf den Tisch lege, wäre es mir sehr recht, wenn einer von euch sie noch mal ansieht..."
Clark nahm ihm die Blätter ab und setzte sich aufs Sofa. "Ja natürlich, lass sehen." Lois setzte sich neben ihn und las auch. Jimmy stand einfach nur da und wusste nicht wohin mit seinen Händen. Diese paar Minuten, die Jimmy viel länger erschienen, herrschte eine gespannte und konzentrierte Stille.
Nachdem Clark geendet hatte, gab er die Blätter Lois in die Hand. "Es waren also drei Informatik-Studenten, die sich die Zutaten für einen Super-Computer zusammen geklaut haben. Und der eine ist ein Sohn von Jacky Jack, dem Genius der Einbruchsszene. Kein Wunder, dass sie die Alarmanlagen so gut umgehen konnten. Jacky Jack war zu seiner Zeit unschlagbar."
Auch Lois hatte inzwischen alles durchgelesen. "Und der andere war ein Sohn eines Vorstandsvorsitzenden der S.T.A.R. Labs und wusste somit bestens über deren geheime Projekte Bescheid. Aber wie bist du darauf gekommen, ihnen zusammen mit Henderson genau bei dieser Firma Com Tech eine Falle zustellen?"
Jimmy wunderte sich noch kurz, dass gerade Lois ihm diese Frage stellte. Er hatte ihr das in der Redaktion erzählt! Aber das war, als sie wirklich nicht gut drauf war. Nun merkte er, wie er immer entspannter wurde, scheinbar war er von 'in der Luft zerrissen werden' ein ganzes Stück weg. "Es lag auf der Hand, es ging ja die ganze Zeit um Geschwindigkeit. Und Com Tech, eine Firma, die Prozessoren als Mikromaschinen auf molekularer Ebene konstruieren, war da irgendwie der nächste logische Schritt. Es war auch gar nicht schwer Henderson zu überreden. Allerdings habe ich dazu behauptet, ich hätte das mit euch abgesprochen..." Dieses Geständnis tat Jimmy fast weh, aber er musste ihnen einfach die Wahrheit erzählen.
Doch Clark antwortete ihm amüsiert. "Kein Problem. Wenn ich da gewesen wäre und deine Informationen gehabt hätte, hätte ich Henderson genau das Gleiche geraten. Ich steh hinter dir. Super Fall, super recherchiert, super gelöst und super Artikel."
Lois stimmte in Clarks Lobgesang ein. "Seh' ich genauso. Dein Artikel ist wirklich klasse. Er ist packend und spannend, sachlich, aber auch sehr persönlich. Sag Perry, wir haben ihn beide abgesegnet und er streicht nicht ein einziges Wort." Sie lächelte Jimmy aufmunternd an und gab ihm die Blätter zurück.
Jimmy nahm sie ihr ab und fühlte, wie er Stück für Stück wuchs, 'packend'... 'spannend'... 'wirklich klasse'. Diese Worte gingen ihm runter wie Butter. "Danke, aber ich hatte die besten Lehrer. Was ist mit eurem Fall, was ist mit der mysteriösen Mordserie?"
Lois und Clark sahen sich an, als müssten sie sich abstimmen und hätte Jimmy es nicht besser gewusst, hätte er behauptet zwischen ihnen flogen Gedanken hin und her. So sah es jedenfalls aus und als nächstes antwortete Lois trocken: "Die Mordserie ist beendet. Aber es gibt keinen Täter. Und deswegen gibt es auch keine Story."
"Oh, das tut mir leid. Eine Woche Arbeit und keine Story?", fragte Jimmy betreten.
"Ja, so ist das manchmal. Man kann nicht immer eine preisverdächtige Story abliefern." Auch dies sagte Lois vollkommen gelassen.
Jimmy erstaunte das. Er hätte sich bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorstellen können, dass gerade Lois Lane, Mad Dog Lane, so gelassen reagieren würde, wenn sie eine Story nicht schreiben konnte. Ob sie nicht doch noch krank war? Wenn Jimmy es nicht besser wüsste, würde er behaupten, dass sie sich verändert hatte in den letzten Tagen. Natürlich hatte sie sich verändert; ganz besonders seit Clark und sie ein Paar waren, war aus der ehrgeizigen, besessenen, über Leichen gehenden Workaholic-Frau jemand geworden, die sehr viel sympathischer war. Jemand, die mal Fünfe gerade sein lassen konnte. Jemand, die auch mal das Leben genießen konnte. Das trieb Jimmy ein Lächeln ins Gesicht. Aber noch mehr schmunzeln musste er, als er die beiden verließ und durch die geschlossenen Tür gerade noch hören konnte, wie Lois zu Clark sagte: "Also, wo waren wir gerade...?"
Clarks "Genau hier..." ging in Lois' Lachen unter. Ja, sie schienen zu genießen...
ENDE Statistik: Verfasst von Magss — Mi 27. Jun 2012, 18:50
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