Ende und Anfang (05/?)
Schon im zarten Kindesalter hatte Lex von seinem Vater gelernt, dass das Wichtigste im Leben der Besitz von Geld war, von viel Geld, am besten von ungeheuer viel Geld.
Es verlieh seinem Eigentümer Macht. Macht über die anderen, die nicht so viel oder sogar gar keins hatten. Für Geld verrieten die meisten Menschen ihre Prinzipien, ihr Vaterland, ja sogar ihre Liebe.
Außerdem: für Geld konnte man sich alles kaufen. Nein, kleine Korrektur: fast alles!
Und dieser grüne Kristall? Konnte man ihn ebenfalls kaufen? Wer ihn auch besaß, er würde so viel Geld für ihn geboten bekommen, dass er gar nicht „Nein“ sagen konnte. Das Problem war, denjenigen zu finden, der ihn besaß.
Das hatte jetzt größte Priorität. Lex war überzeugt: „Alex wird das schaffen!“ Sein Vertrauen in Chandlers Qualitäten war enorm. Ein kurzes Telefonat bestellte den fähigen Mitarbeiter zu seinem Chef.
Während des Wartens ging Lex endlich einer Frage nach. Schon die ganze Zeit in der er sich den Film so intensiv zu Gemüte geführt hatte, nagte etwas unangenehm in seinem Unterbewusstsein. Jetzt ließ er die Frage hochkommen: „Warum zum Teufel, habe ich diese Aufnahmen erst jetzt gesehen? Warum habe ich mich nicht eher darum gekümmert?“
Sollte er seine Mannen in der EDV-Abteilung deswegen zusammenstauchen? Was würde das bringen? Vielleicht wurde er damals sogar von Ladderman darauf hingewiesen und er hatte die Bedeutung dieses Films nicht erkannt? Weil er emotional durch persönliche Belange zu sehr gefangen genommen war? Weil er Superman damals nicht als große Gefahr betrachtet hatte sondern nur als Herausforderung? Weil der Name Lois Lane ihm gegenüber nicht erwähnt worden war? Dann wäre er sicher hellhörig geworden. So war jetzt ein ganzes Jahr verloren. Dann musste nun eben im Zeitraffertempo gearbeitet werden! Aus, fertig!
Nein, er wollte die Motivation seiner Mitarbeiter nicht durch einen scharfen Tadel gefährden. Die Sache lag ein Jahr zurück, das wäre eindeutig vergeudete Energie. Die konnten jetzt alle für andere Schwierigkeiten gebrauchen.
Mit einem Knopfdruck holte er sich Ladderman auf den Bildschirm: „Eugene, habt Ihr noch was gefunden?“
Sehr zufrieden nickte der: „Sir, hier ist noch ein Ausschnitt von der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Außerdem haben wir Lebensläufe von beiden zusammengestellt. Ich schicke sie Ihnen nach oben!“
„Danke, Eugene, gute Arbeit! Versucht noch etwas über ihre weiteren Pläne herauszubekommen. Eventuell wann sie wieder in Metropolis sind. “
Etwas Stolz huschte über Laddermans Gesicht und klang in der antwortenden Stimme: „Sir, bereits geschehen. Wir haben unsere Quelle im Planet angezapft. Was wir erfahren haben, steht unter den Lebensläufen!“ Prompt erhielt er die erwartete Anerkennung: „Alle Achtung, Eugene! Danke! Bis später. Wir sehen uns um 18:30 zum Dinner!“ Der Bildschirm färbte sich dunkel. Was Eugene Ladderman heute auch vorgehabt hatte, es war hiermit hinfällig geworden.
Zufrieden lächelte Lex vor sich hin. Gute Leute arbeiteten für ihn. Leute, die mitdachten, die Eigeninitiative entwickelten!
Wieder der aktivierende Knopfdruck. Auf dem Monitor wurde von James Olsen das imponierende Wahlergebnis für Perry White bekanntgegeben. 97 % der Metropoliser hatten ihn gewählt.
Laber…, Laber…
Der neugewählte Bürgermeister hielt seine erste Rede. Laber…, Laber…
Der Ex-Präsident der Vereinigten Staaten Elvis Presley trat auf. Wieder Laber…, Laber…
Doch dann kam der neue Held, kam Superman auf die Tribüne. Das Gesicht in Großaufnahme. Aber welch eine Niedergeschlagenheit war in ihm zu erkennen. Die Augen voller Trauer! Sie starrten immer nur zu einer bestimmten Stelle an der Seite. Und wer stand da? Natürlich die schöne Lois Lane.
Auch ihre Augen hingen nur an ihm. Die beiden vermittelten den Eindruck eines gleich eintretenden Unheils.
Plötzlich tauchte der kleingeratene Mann neben Lois auf. Er wies mit der Hand in die kleine Seitengasse. Lois nickte dem sie unentwegt anstarrenden Mann auf der Tribüne noch einmal zu. Der machte einen kleinen Ausfallschritt in ihre Richtung. Seine Körpersprache war ein einziger lauter Schrei: „Nein!“
Noch ein letzter Blick, dann waren Lois und der Fremde in der Gasse verschwunden.
Da begriff Lex plötzlich. Das war ein Abschied, ein sehr schmerzvoller Abschied. Es sah aus wie eine Trennung für immer! Aber ein Jahr später waren sie doch verheiratet!
Nicht zu fassen. Die Geschichte zwischen Superman und Lois Lane wurde ja immer geheimnisvoller.
Verblüfft schaute sich Lex den Rest der Aufnahme an. Superman hielt eine kurze Rede, in der er versprach, alle seine Kräfte für die Menschen und ihr Wohlergehen einzusetzen. Dann jubelnder Applaus von der Menschenmenge. Ein neues Idol war geboren! Und der Film zu Ende.
Nachdenklich strich Lex mit dem Handrücken über seine Stirn. Da sollte man noch durchblicken.
Aber jetzt brauchte er erst mal einen Kaffee. Sein telefonisch geäußerter Wunsch an seinen Butler wurde prompt erfüllt. Der Mann war ein Hellseher.
Mit dem dampfenden Getränk in der Tasse lief Lex in seinem Arbeitszimmer hin und her. Das Koffein stimulierte seine Denkfähigkeit.
Wie seltsam war das doch. Vor vier Jahren war Lois Lane verschwunden. Angeblich tot. Doch drei Jahre später tauchte sie plötzlich für wie viele Tage auf? Jetzt setzte er sich doch wieder an seinen Platz und holte sich die Lebensläufe der beiden auf den Monitor.
Ja, da stand es. Zwei Tage war sie damals gesehen worden. Aber genau so, wie sie plötzlich aufgetaucht war, verschwand sie auch wieder. Ließ einen unglücklichen Superman zurück. Und ein Jahr später war sie wieder da. Und gleich als Ehefrau des Superhelden! Welch eine mysteriöse Angelegenheit.
Und noch etwas ließ ihn rätseln. Vor vier Jahren hatte er die Mitteilung bekommen, dass Lois in Namibia verschwunden wäre. In der Zeitung stand aber, sie hätte im kongolesischen Dschungel einen Unfall gehabt und dort in einer Missionsstation vier Jahre im Koma gelegen. Was war richtig?
Supermans Anwesenheiten und Bewegungen im vergangenen Jahr waren ziemlich exakt dokumentiert. Hier in Metropolis und an so vielen Stellen auf dem Globus war er gesichtet worden. Seine Aktivitäten hinterließen eine leuchtende Spur. Doch eigenartig. Sehr oft wurde seine Präsenz in Afrika erwähnt, aber hier wie dort wurde er nie mit einer Frau gesehen. Dafür aber einige Male bei Lois‘ Familie in Berkeley, Kalifornien.
Lex Gedanken wirbelten durcheinander. Es war an der Zeit, verschiedene Dinge in die Wege zu leiten. Soviel Fragen waren zu klären. Jetzt brauchte er professionelle Hilfe.
Durch ein festes Klopfen kündete Archibald die erste an: „Sir, Mister Chandler ist da! Darf ich Kaffee oder Tee und etwas Gebäck bringen?“
Er durfte. Und bekam auch gleich einen Auftrag: „Archie, bitte ein Dinner für vier Personen um 18:30!“
~*~*~*~*
„Alex! Viel Erfolg. Bis später zum Dinner!“
Der Stein war ins Rollen gebracht. Chandler war über die wichtigsten Details informiert und bekam auch die entscheidenden Szenen der Aufnahme zur Verfügung gestellt. Die Suche nach dem grünen Kristall konnte beginnen.
Der Luftzug des Türschließens hinter dem ZBV-Chief war gerade verweht. Lex erhob sich aus seinem Sessel und reckte sich erst einmal ganz lang. Richtig steif war er durch das dauernde Sitzen am heutigen Tag geworden.
Aber noch konnte er sich keine Entspannung gönnen. Erst musste er die Lebensläufe der beiden unter die Lupe nehmen, vielleicht gab es noch etwas sehr Wissenswertes.
Lois‘ Leben verlief zunächst ganz normal, wie bei den meisten jungen Menschen aus gutem Haus. Schule, Studium, sofort Anstellung beim Daily Planet. Aufgefallen durch sehr genaue, gut recherchierte Berichte, die oft genug Enthüllungen von Straftaten waren. Die Waffenschmuggelstory war das beste Beispiel. Schnell war sie zur Starreporterin aufgestiegen.
Dann vor vier Jahren ihr angeblicher Tod. Nach drei Jahren für zwei Tage in Erscheinung getreten, wieder für ein Jahr verschwunden und jetzt als Ehefrau von Superman wieder aufgetaucht.
Clark Kents Biografie war da schon entschieden andersgeartet.
Seine ersten Lebensjahre verbrachte er in Smallville, Kansas. Seine Adoptiveltern waren Farmer. Sie kamen bei einem Unfall ums Leben als er erst zehn Jahre alt war. Der Junge verschwand von der Bildfläche. Sein Name tauchte in keinem Kinderheim auf. Erst zehn Jahre später erschienen die ersten mit seinem Namen gekennzeichneten Berichte und Reportagen. Zuerst in Indonesien, später in verschiedenen Zeitungen auf allen Kontinenten. Vor fünf Jahren kehrte er nach Smallville zurück. Er arbeitete einige Monate bei der Smallville Post. Im April 1993 begann er seine Tätigkeit in Metropolis beim Daily Planet. Bis auf seine hervorragenden Arbeiten führte er ein unauffälliges Leben.
Bei dem nächsten Punkt machte Lex allerdings große Augen. Der Junge war ja verlobt gewesen! Mit einer Lana Lang auch aus Smallville. Blonde Haare, blaue Augen. Das genaue Gegenteil von Lois Lane. Für den 11. Februar 1996 war die Hochzeit vorgesehen gewesen.
Sie hatte aber nie stattgefunden. Am 03.02. war die Bürgermeisterwahl. Und in der Nacht vorher präsentierte sich Clark Kent zum ersten Mal im Kostüm als Superman. Mit einer Frau, die nach der Beschreibung nur Lois Lane sein konnte, keinesfalls Lana Lang. Von da an war Lana Lang nicht mehr mit Clark Kent zu sehen gewesen und von einer Hochzeit nicht mehr die Rede.
Und wenn Lex sich die Abschiedsszene vor Augen führte, wusste er genau weshalb. Clark Kent AKA Superman musste sich unsterblich in Lois Lane verguckt haben!
Lex notierte:
Wohin war Lois Lane von 1993 bis 1996 verschwunden und nach zwei Tagen wieder für ein Jahr bis zum 13.02.1997?
Wann haben die zwei sich kennengelernt? Kent begann erst im April 1993 nach dem Verschwinden von Lane beim Daily Planet. Tatsächlich erst im Februar 1996? Liebe auf den ersten Blick?
Laut Anmerkung von Ladderman haben sie am 13.02.97 in Las Vegas geheiratet.
Laut Anmerkung von Ladderman sollen beide ihre Arbeit beim Planet am 03.03. wieder aufnehmen.
Was war mit dem so sehr altmodisch gekleideten, älteren Herrn? Laut Anmerkung von Ladderman hatte die Quelle im Daily Planet aufgeschnappt, dass sein Name H.G. Wells war und Leiter der Missionsstation sein sollte, in der Lois Lane im Koma gelegen haben soll. Nachforschen! Die Richtigkeit dieser Angaben sollte doch wohl bestätigt werden können. Diese Station muss doch wohl aufzutreiben sein!
Wo war dieser Tempus geblieben und woher hatte er den grünen Kristall?
Fragen über Fragen. Und diejenigen, die alle Antworten wussten, waren zurzeit nicht greifbar.
Lex war klar, dass er sich jetzt bis zum 03. März gedulden musste. Eher war an das jungvermählte Paar nicht heranzukommen. Nicht, dass er Skrupel gehabt hätte, Flitterwöchner zu stören, gewiss nicht.
Aber da bei diesen beiden einer fliegen konnte, wäre jede Suche zwecklos. Sie konnten jeden Tag woanders sein, sie hatten die ganze Welt zur Verfügung.
Aber seine Leute würden vorab schon einiges klären können, dessen war sich Lex sicher. Zufrieden vor sich hin pfeifend ging er in sein Fitness-Studio.
Wie aus dem Nichts stand Archibald vor ihm, reichte ihm seine Sportkleidung an, legte ihm Handtücher hin und stellte ihm auf einen Tisch Mineralwasser bereit. Natürlich auch aus einer ‚Double-L‘-eigenen Quelle.
Lex liebte es, seinen Körper zu fordern und manchmal an die Grenzen zu gehen. Heute war er allerdings ein wenig unkonzentriert. Während er seine Übungen auf dem Ergometer, dem Laufband und der Kraftstation automatisch absolvierte, war er schon wieder gedanklich bei den vielen Fragen, die sich ihm nach dem Betrachten der Filme gestellt hatten. Allerdings sah er die Recherchen für sich beendet, nun begann ein neues Kapitel, das andere schreiben mussten.
Gleich würden Chandler, Ladderman und Donovan mit ihm zu Abend essen. Und als zweites Dessert noch einige Aufgaben bekommen. Für deren Lösungen sie prädestiniert waren.
Während das Wasser der Dusche auf ihn niederprasselte sang er mehr laut als schön den ‚Queen‘-Hit: „We are the champions, my friends!“ Wie wahr, wie wahr. Es waren wirklich die Besten ihrer Sparte, die er sich für die jeweiligen Abteilungen herangeholt hatte. Teilweise hatte er sie auch kaufen müssen. So wie seinen Butler Archibald Douglas.
Der schon wieder bereit stand, um ihm einige Anreichungen beim Anziehen zu machen. Der Mann war wirklich jeden Penny wert, den Lex seinerzeit an Lord St. Clair gezahlt hatte.
Laut schmetterte Lex.: „No time for losers, we are the champions of the world!“ Und amüsierte sich königlich über Archies tadelnden Blick.
Es geht bald weiter!
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Statistik: Verfasst von Gelis — Di 27. Nov 2012, 21:14
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