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RAUMSCHIFF CAWDOR
von Kai Brauns
Episode I: When the Battle's lost and won
von Kai Brauns
Episode I: When the Battle's lost and won
Das Shuttle sprang in den Normalraum zurück. Aufgeregt saß Commander Martin C. Beth in seinem Sitz. Die Sicherheitsgurte verhinderten, dass er in der Schwerelosigkeit durch den Passagierbereich schwebte. Er atmete tief durch. Jede Versetzung brachte etwas Neues, aber es war schon etwas sehr besonderes, auf ein Schiff der neuen EMPIRE-Klasse versetzt zu werden. Und sein neuer Kommandant, Captain Malcolm Donalbain, war in den letzten Jahren zu einem der anerkanntesten Raumschiffkommandanten der ganzen Space Force geworden.
„Machen Sie sich bereit zum Andocken,“ tönte es aus dem Cockpit.
Der junge Mann blickte durch das kleine Fenster neben seinem Sitz. Dort sah er sie. Die CAWDOR. Der Akte nach hatte das keilförmige Raumschiff bei der Blockade des Tau Ceti-Systems mitgewirkt, damals noch unter Captain Alexander. Das Schiff hatte eine Länge von 300 Metern, eine Breite von 140 Metern und eine Höhe von 80 Metern. Es war bis an die Zähne bewaffnet und mit zwei Jägerstaffeln mit je 15 Jägern der ROCK-Klasse ausgestattet.
Das Shuttle bewegte sich auf eine kleine Öffnung auf der Backbordseite der CAWDOR zu und verschwand schließlich darin.
Das Schott öffnete sich und Beth kletterte hinaus in die Landebucht. Ein junger Mann in der Uniform eines Jäger-Piloten und eine etwa dreißig Jahre alte Frau im Overall einer Ingenieurin warteten auf ihn. Nahe dem Innenschott hielt sich noch ein junger Unteroffizier auf.
Der Pilot salutierte so gut es in der Schwerelosigkeit ging. Die Ingenieurin begrüßte ihn mit einem Lächeln. „Commander Beth, nehme ich an.“
Beth versuchte, stramme Haltung anzunehmen. Wie bei Jedem, der dies in der Schwerelosigkeit versuchte, war der Versuch nicht völlig erfolgreich, aber dies hinderte die Offiziere der Space Force nicht daran, an diesen alten Traditionen des irdischen Militärs festzuhalten. „Bitte um die Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen!“
„Erlaubnis erteilt,“ erwiderte die Frau. „Ich bin Commander Troy, die Chefingenieurin, und dieser junge Mann ist Lieutenant Brandhorst, Anführer unserer Alpha-Staffel. Ich soll Sie sofort auf die Brücke bringen.“ Sie wandte sich dem Unteroffizier zu. „Nelson, sorgen Sie dafür, dass das Gepäck des Commanders in sein Quartier gelangt!“
„Aye, Commander,“ bestätigte der junge Mann den Befehl.
An den Wänden befestigte Geländer sorgten für einen gewissen Halt und erleichterten das Vorankommen auf dem Schiff. Troy schwebte voran, gefolgt von Beth und Brandhorst.
„Ich habe gehört, Sie sind während der Tau-Ceti-Blockade auf der NIPPON gewesen, Commander,“ sagte Brandhorst.
Beth zögerte kurz, nickte schließlich. „Ja, ich war damals noch Sicherheitsoffizier.“
„Ist es wahr, was man sich über Captain Mendellson erzählt?“
Beth überlegte, wie er darauf reagieren sollte, doch zu seinem Glück schritt Commander Troy ein und sagte scharf: „Lieutenant, ich hoffe, Sie werden den Commander nicht über seine Vergangenheit ausfragen wollen!“
„Nein, Sir!“
„Gut!“
Beth verschnaufte.
Nach einigen Minuten und einem Transport durch einen der Lifte, in dem Beth es als angenehm empfand, sich wieder an einen Sitz schnallen zu können, erreichten sie die Brücke. Sie war etwas größer als jene von Schiffen älteren Typs, der Aufbau und die Architektur waren jedoch beinahe identisch, so dass Beth schnell einen Überblick hatte.
In der Mitte der Brücke saß Captain Donalbain, der sich mit dem Kommandostuhl umdrehte, um die Ankömmlinge zu sehen. Beth kannte sein Gesicht von zahlreichen Bildern, die vor etwa zwei Jahren durch die Presse gegangen waren. Donalbain war etwa vierunddreißig Jahre alt, hatte braune Haare, welche er in einem Scheitel trug. Er hatte eine ungeheure Ausstrahlung, was sicherlich auch durch seine Medienpräsenz vor zwei Jahren und dem Wissen seiner Taten kam. Er lächelte ein ehrlich wirkendes Begrüßungslächeln und schnallte sich ab. Beth salutierte. „Commander Martin Christopher Beth meldet sich zur Stelle, Sir!“
Donalbain wirkte fast ein wenig verlegen, als er Beth aus der strammen Haltung mit einem simplen „Rühren!“ befreite. Mit seiner rechten Hand wies er einladend auf eine Tür an der Seite der Brücke und sagte: „Kommen Sie mit in meinen Bereitschaftsraum!“
Der Captain schwebte voran, Beth folgte ihm ehrfurchtsvoll. Die Tür schob sich automatisch beiseite und sie gelangten in eine Art Büro, ein Schreibtisch in der Mitte des Raumes. Donalbain setzte sich in den Sessel hinter dem Tisch und schnallte sich fest, Beth setzte sich in einen der Gästesessel.
„Sie scheinen nervös zu sein, Commander,“ meinte Donalbain.
Beth schluckte. „Nun ja, Sir, es ist eine Ehre auf einem Schiff der EMPIRE-Klasse zu dienen, besonders unter Ihnen.“
Donalbain hob eine Augenbraue. „Sie spielen sicherlich auf den Attentatsversuch auf Präsident Kumaier an.“
Beth nickte. „Ja, Captain! Sie sind dadurch zu einem Vorbild geworden.“
Der Captain musterte den jungen Mann vor sich. „Auf der Akademie als Inspiration zu dienen ist ganz okay, aber Ihre Gefühle sollten Ihre Arbeit auf meinem Schiff nicht zu sehr beeinflussen. Auch ich bin nur ein fehlbarer Mensch, und von meinem ersten Offizier erwarte ich andere Denkweisen, Alternativen. Einen Jasager kann ich nicht brauchen.“
Beth nickte langsam. „Ich verstehe, Sir, und ich bin sicher, dass Sie aus meiner Akte ersehen können, dass ich Anweisungen meiner Vorgesetzten durchaus auch kritisch gegenüberstehe.“
„Den Vorfall auf der NIPPON habe ich tatsächlich so interpretiert, weshalb ich Ihrer Versetzung hierher auch zugestimmt habe. Ich wollte nur sichergehen, dass auch stimmt, was in Ihrer Akte steht.“ Der Captain lehnte sich zurück. „Unsere Mission führt uns an den Rand zum Dilli-Raum. Im Leith-System sind drei Frachtschiffe von Piraten angegriffen worden. Wir sollen dort ermitteln, die Piraten finden und – falls möglich – verhaften.“
Beth blickte den Captain verstehend an. „Diese Angriffe könnten gegenüber der Dilli ein Zeichen von Schwäche sein. Ich nehme an, dass deshalb eines der Flaggschiffe der Space Force gewählt wurde.“
„Unter anderem, ja,“ bestätigte Donalbain. „Außerdem ist das Leith-System nur einige Stunden entfernt.“
Sieben Stunden später befand sich die CAWDOR im Orbit von Leith 4. Auf dem felsigen Planeten befand sich eine kleine Minenkolonie, welche Morbidium abbaute. Da Morbidium ein wichtiges Metall zur Herstellung von Plasma-Waffen war, wurde der Abbau von der Space Force beaufsichtigt. Alle drei Tage startete ein Frachter mit Kurs zur Erde, eskortiert von einem Kampfschiff der Space Force. Am vorigen Tag hatte der Angriff der Piraten zur Vernichtung der COLEMAN geführt.
Donalbain saß in seinem Kommandosessel auf der Brücke der CAWDOR. „Lieutenant Matheson, verbinden Sie mich mit der Leitung von Leith 4!“
Lieutenant Matheson, der Kommunikationsoffizier bestätigte. „Verbindung steht, Captain!“
Durch den Telepathen, den Donalbain an seiner rechten Schläfe trug, empfing sein Gehirn das Bild eines älteren Mannes, offenbar nubischer Abstammung. „Benjamin Reiser hier! Ich bin Leiter der Kolonie Leith 4. Mit wem habe ich das Vergnügen?“
Donalbain antwortete auf telepathischem Weg: „Hier spricht Captain Donalbain vom Space Force Raumschiff CAWDOR. Wir hörten, dass Sie Probleme mit Piraten haben.“
Reiser nickte. „Ja, die COLEMAN musste gestern dran glauben, von einigen Schiffsladungen Morbidium mal abgesehen.“
„Haben Sie bereits mit den Ermittlungen begonnen?“
„Ja,“ antwortete Reiser. „Wir haben sogar schon jemanden verhaftet.“
Donalbain hob eine Augenbraue. „In Ordnung, ich schicke Ihnen Commander Beth, meinen ersten Offizier, und ein Team runter.“
„Meinetwegen,“ meinte Reiser schroff.
Beth saß neben Brandhorst im Cockpit eines Shuttles auf dem Weg zur Kolonie von Leith 4. Im hinteren Bereich saßen drei Sicherheitsmänner.
Lange Zeit war es ruhig, doch schließlich räusperte sich Brandhorst. „Commander, ich möchte keinesfalls respektvoll oder aufdringlich sein, aber…“
„Sie möchten über den Vorfall auf der NIPPON Bescheid wissen,“ vermutete Beth.
„Nun ja, Sir, die Geschichte ist schon ziemlich interessant. Ich meine, Henry Mendellson war davor ein ziemlich angesehener Offizier, eine Art Kriegsheld. Während der Invasion von Orion 4 hat er angeblich mehr feindliche Zerstörer besiegt, als jeder andere Kommandant der Flotte.“
Beth nickte. „Acht Schiffe, ja. Aber ich schätze, Menschen können sich ändern.“
„Sie meinen, es ist wahr?“ hakte Brandhorst nach.
Beth atmete tief durch. „Ja, Mendellson wollte zu den Dilli überlaufen und die Blockade von Tau-Ceti sabotieren. Ein paar Besatzungsmitglieder waren auf seiner Seite, ihre Telepathen waren bereits verlinkt. Als ich davon erfuhr, habe ich das Flottenkommando informiert und Widerstand gegen Mendellson und seine Leute geleistet. Sie haben ziemlich verbittert gekämpft, sogar bis zum Tod.“
„Bisher habe ich nur Gerüchte gehört. Offiziell war eine Seuche an Bord ausgebrochen, welche Mendellson und die Anderen tötete.“
Beth nickte. „Das Flottenkommando hat die Angelegenheit klein gehalten. Die Wahrheit hätte dem Ansehen von Mendellson und der gesamten Space Force geschadet.“
Brandhorst blickte zu Beth. „Muss schwer gewesen sein. Ein Captain ist eine Person, der man eigentlich blind vertraut.“
Beth lachte bitter. „Auch ein Captain ist nur ein fehlbarer Mensch.“
Fairy Boy saß auf einem einfachen Stuhl an einem kleinen Tisch und wartete. Das fahle Licht in dem dunkeln Raum sollte ihn eigentlich mürbe machen, doch er saß ziemlich selbstsicher da.
Beth stand mit Brandhorst und Ben Reiser in einem Nebenraum und blickten durch ein einseitiges Fenster auf den jungen Mann im Vernehmungszimmer.
„Ewan McDugall, auch Fairy Boy genannt,“ erzählte Reiser. „Er ist neunzehn Jahre alt, seine Eltern sind bei einem Unfall vor einem Jahr gestorben. Er arbeitet als Aushilfe im „Fairy Place“, der einzigen Kneipe der Kolonie. Manche sagen, er hätte hellseherische Fähigkeiten, aber bisher hat es niemand wirklich ernst genommen.“
“Und warum haben Sie ihn verhaftet?“
„Vor zwei Tagen kam er in die Zentrale des Sicherheitspersonals und behauptete, die Elstern würden ein großes Feuer in der Nacht entzünden und den schützenden Baum verbrennen.“ Er blickte Beth eindringlich an. „Sechsundzwanzig Stunden später haben die Piraten die COLEMAN zerstört.“
„Er hat den Angriff vorausgesehen?!“ fragte Brandhorst verblüfft.
„Den Angriff?!“ Reiser sah amüsiert zu dem jungen Piloten rüber. „Junger Mann, Angriffe der Piraten waren in der letzten Woche völlig selbstverständlich.“ Er deutete mit dem Zeigefinger auf den Jungen hinter der Scheibe. „Fairy Boy hat die Zerstörung der COLEMAN vorausgesehen. DAS ist das Erstaunliche.“
„Aber das begründet doch noch lange keinen Verdacht, dass er daran beteiligt war,“ wandte Beth ein.
„Oh, da haben Sie was missverstanden,“ sagte Reiser. „Wir verdächtigen ihn nicht der Mithilfe. Er befindet sich offiziell in Schutzhaft.“
„Schutz wovor?!“
„Der Junge behauptet, ein Hellseher zu sein und hat bereits vor einer Katastrophe gewarnt, bevor sie stattfand.“ Reiser sah Beth und Brandhorst an, als würde er darauf warten, dass den beiden ein Licht aufging.
„Wenn es Kollaborateure der Piraten in der Kolonie gibt, so wäre er in Gefahr,“ stellte Beth fest.
„Sie sagen es. Dann gibt es natürlich noch weitere Gründe, ihn hier zu behalten. Ich bin zwar nicht abergläubisch, aber es kann nicht schaden, auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass er tatsächlich eine Art Hellseher ist. Und dann sollte man ihn bei sich haben, falls er wieder was Wichtiges zu sagen hat.“
“Und warum sitzt er da drinnen im Dunkeln?“
Reiser seufzte. „Weil er tatsächlich ein Kollaborateur sein könnte.“ Der Leiter von Leith 4 trat einen Schritt näher an die Scheibe heran. „Und falls es so ist, will ich Informationen von ihm.“
Beth trat durch die Tür in den Vernehmungsraum. Fairy Boy blickte ihn aufmerksam an.
„Sie sind also Ewan McDougall,“ begann Beth. „Ich habe ja schon interessante Dinge über Sie gehört.“
„Und wer sind Sie?“ fragte der Junge.
Beth hob die Augenbraue. „Ich bin Commander Beth von der Space Force. Mich überrascht, dass Sie dies nicht von alleine wissen.“
„Nicht alles offenbart sich mir,“ erwiderte Fairy Boy. „Auch ich habe mehr Fragen als Antworten.“
„Ich hoffe trotzdem, dass Sie mir ein paar Antworten auf meine Fragen geben können.“ Der Offizier setzte sich auf einen Stuhl, der Fairy Boy gegenüberstand. „Zum Beispiel, woher Sie von dem Angriff auf die COLEMAN wussten.“
„Manchmal sehe ich Bilder. Doch meist sind sie verschwommen, nicht ganz klar. Häufig sind sie sogar nur metaphorisch.“
„Woher kommen diese Bilder?“
Der Junge zeigte sich amüsiert von der Frage. „Ich weiß es nicht. Vielleicht werden sie von Feen gebracht.“
Beth ließ sich nicht beirren. „Wie häufig sehen Sie diese Bilder?“
“Unregelmäßig! Man könnte meinen, dass sie kommen, wann sie wollen.“
Beth nickte. „Und das Thema können Sie auch nicht beeinflussen, nehme ich an.“
Fairy Boy zögerte. „Auch das wechselt. Manchmal bekomme ich Visionen von völlig irrelevanten Dingen. Manchmal aber auch zu Dingen, die mich ständig beschäftigen. Könnte aber auch Zufall sein.“
„Hatten Sie seit Ihrer Prophezeiung von der Zerstörung der COLEMAN erneut Visionen?“
„Ständig. Auch ihre Kraft und Form variiert. Manchmal sind es Bilder, manchmal auch allgemeine Randinformationen. Ich weiß zum Beispiel, dass Sie erster Offizier der CAWDOR sind, und dass Sie mit Lieutenant Brandhorst hierher gekommen sind.“
Diese Information überraschte Beth. „Sie wussten nicht, wer ich bin, als ich eben hereinkam.“
„Wie gesagt… Randinformationen.“
Captain Donalbain saß in seinem Bereitschaftsraum an seinen Sessel geschnallt und ließ sich über den Telepathen von Beth Bericht erstatten. Als dieser fertig war, wollte der Captain wissen: „Was ist Ihre Meinung zu diesem McDougall?“
„Ich weiß nicht, Sir! Die Informationen über mich sind über das Datennetz durchaus herauszufinden, aber woher er wusste, dass Lieutenant Brandhorst beim Landeteam dabei war, kann ich mir nicht erklären.“
Donalbain dachte kurz nach. „Eventuell hat er einfach vermutet, dass unser ranghöchster Pilot das Shuttle gesteuert hat.“
„Möglich,“ gab Beth zu. „Aber seine Glaubwürdigkeit hing von seinen Aussagen ab. Wieso sollte er das Risiko eingehen, eine vielleicht falsche Information zu geben?!“
Donalbain nickte. „Melden Sie sich, sobald sich etwas Neues ergibt, Commander!“
„Aye, Sir! Beth out!“
Die Verbindung wurde beendet und der Kommandant der CAWDOR lehnte sich seufzend zurück. Er dachte über den Bericht nach, besonders über den jungen Ewan McDougall. Er glaubte normalerweise nicht an übernatürliche Phänomene, oder er hatte sich bisher einfach nicht sonderlich damit beschäftigt. Die Idee eines Hellsehers fand er denn doch ziemlich absurd, jedoch war die Prophezeiung von der Zerstörung der COLEMAN doch interessant. Allerdings war die Formulierung auch wage und metaphorisch genug, dass es sich einfach um Zufall hätte handeln können.
Das Piepen des Türsignals holte ihn aus seinen Gedankengängen heraus. „Herein!“
Die Tür öffnete sich und Commander Troy schwebte herein. „He, Malcolm, willst du nicht langsam Schluss machen?“
Der Captain blickte die Frau einen Moment an, fragte den Computer telepathisch nach der Uhrzeit und bemerkte, dass seine Schicht bereits beendet war. Er nickte. „Ja, Kathy, richtig! Wenn nichts besonderes mehr passiert, dann war’s das für heute.“ Er schnallte sich ab und erhob sich. „Kommst du noch auf einen Schluck zu mir?“
Troy lächelte. „Gerne!“
Das Neonlicht an der Fassade des „Fairy Place“ leuchtete in dunklem Violett. Man merkte, dass diese Bar hauptsächlich von Minenarbeitern besucht wurde, welche ja auch die Hauptbevölkerungsgruppe der Kolonie ausmachten. Commander Beth und Lieutenant Brandhorst standen davor und blickten auf den Schmutz an der Fassade. Viel Sinn für Hygiene schien hier niemand zu haben. Die eher spartanische Beleuchtung passte zum allgemeinen Dekor der Kolonie, welche von der Außenwelt des Planeten abgeschottet war. Draußen herrschten mehr als schlechte Lebensbedingungen, angefangen bei wechselhaften Wetterverhältnissen und Sauerstoffmangel in der Luft.
Beth trat durch die Tür des Etablissements und blickte sich drinnen um. Ein paar Arbeiter, die gerade keine Schicht hatten, lungerten an kleinen Tischen herum und tranken, mancher aß auch eine Kleinigkeit. Auch an der Theke saßen einige, und Beth ging gezielt auf die junge Barkeeperin hinter der Theke zu, gefolgt von Brandhorst.
Die Barkeeperin bemerkte Beth schnell und wartete, bis er an der Theke angekommen war. „Was darf’s sein?“
„Informationen,“ sagte der Commander. „Ich möchte gerne etwas über Ewan McDougall wissen, der hier arbeitet.“
Die Frau wurde auf einmal sehr ernst. „Sie gehören zu denen, die ihn verhaftet haben?!“
Beth schnitt eine Grimasse. „Indirekt. Ich ermittle in Bezug auf die Angriffe der Piraten. McDougall hat die Zerstörung der COLEMAN vorhergesagt, weswegen er sich nun in Schutzhaft befindet.“
„Fairy Boy hat nichts mit den Piraten zu tun, glauben Sie mir! Zu so etwas wäre er gar nicht fähig.“
Beth nickte. „Was können Sie mir über seine hellseherischen Fähigkeiten sagen?“
Die Frau zögerte. „Ich weiß nicht, ob es sie tatsächlich gibt. Aber bisher sind die meisten Voraussagen von ihm wahr geworden.“
„Zum Beispiel?!“ hakte der Offizier nach.
Einen Augenblick überlegte die Frau. „Vor zwei Monaten hat Fairy Boy vorausgesagt, dass einer der Arbeiter einen Unfall haben würde. Zwei Tage später wurde genau dieser Arbeiter in der Mine verschüttet.“
„Hat sich jemals Jemand gefragt, wo McDougall diese Informationen her hatte?“
„Ja, Daniel Guttenberg. Er war neugierig, meinte, er wolle Fairy Boy beobachten und herausfinden, woher er weiß, was er weiß.“
„Und wo kann ich diesen Guttenberg finden?“ wollte Beth wissen.
„Draußen,“ antwortete die Barkeeperin. „Im Außenbereich. Aber viel werden Sie nicht von ihm erfahren. Er hat die Kolonie ohne Schutzanzug verlassen, wollte zum zehn Kilometer entfernten Carlton Hill.“
Fairy Boy saß auf der Brittsche seiner Zelle und starrte an die Wand. Plötzlich kamen sie. Bilder. Wie Kartografien des Leith-Systems. Und ein Punkt war markiert. Er schnellte hoch und rief per Telepathen den Wärter.
Donalbain trank aus, als Troy sich von ihrem Sessel abschnallte.
„Ich wünsche eine geruhsame Nacht, Malcolm,“ sagte sie und schwebte zur Tür.
„Dir auch,“ antwortete Donalbain und lächelte der Frau zu, als sie die Tür öffnete und hinausschwebte. Als sich die Tür wieder geschlossen hatte, hängte Donalbain das Trinkfläschchen zurück in den Replikator und schnallte sich ab. Gerade als er seine Uniform aufknöpfen wollte, hörte er die Stimme von Lieutenant Matheson in seinem Kopf: „Captain, Commander Beth wünscht eine Verbindung.“
Der Captain seufzte. „Verbinden Sie!“
Sofort erschien das Bild des jungen Commanders in seinem Kopf. „Captain, McDougall hatte wieder eine Vision. Er sagte, er kenne den Ort und die Zeit der Übergabe des gestohlenen Morbidiums.“
Drei Stunden später erreichte die CAWDOR Leith 14, den äußersten Planeten des Systems, und auch jener, welcher der Grenze zum Dilli-Raum derzeit am nächsten war. Captain Donalbain blickte durch das große Sichtfenster an der Vorderseite der Brücke.
„Sensorenstörsystem ist aktiviert, Captain,“ meldete Lieutenant Commander Emanuele, der taktische Offizier. „Unsere Sensoren melden eine Wolke der Dilli auf der anderen Seite der Grenze.“
Der Captain blickte weiter in den Weltraum hinaus, obwohl er die Dilli mit bloßem Auge sicherlich nicht sehen konnte. „Melden Sie sofort, wenn die Wolke, oder auch nur ein Individualstück, die Grenze verletzen sollte!“
„Aye, Sir!“
Einige Minuten verstrichen, in denen sich nichts tat. Plötzlich gaben die Sensoren Alarm. „Captain,“ rief Emanuele. „Ein Piratenschiff startet von der Planetenoberfläche.“
„Abfangen,“ befahl Donalbain sofort.
„Aye, Sir,“ bestätigte der Steuermann, Lieutenant Kaneko.
Die CAWDOR bewegte sich vorwärts leicht backbord und nach unten. Der Planet kam in Sicht und das kleine, flugzeugähnliche Raumschiff der Piraten kam in Sicht. Hinter sich zog das Schiff einen größeren Frachtcontainer.
„Lieutenant Matheson, übermitteln Sie dem Piratenschiff, dass sie umgehend Halt machen und sich ergeben sollen, andernfalls sind wir gezwungen, das Feuer zu eröffnen.“
In den darauf folgenden Momenten, in denen Matheson die Nachricht absendete, hielt das Schiff der Piraten auf die Grenze zu. Plötzlich schleuste es mehrere kleine Jäger aus, welche auf die CAWDOR zurasten.
Donalbain reagierte sofort. „Piloten zu den Jägern, Waffensysteme ausrichten!“
„Waffen bereit,“ meldete Emanuele.
„Geben Sie einen Warnschuss ab!“
Ein Schuss mit den Plasmakanonen flog dicht am Piratenschiff vorbei. Währenddessen eröffneten die Jäger der Piraten das Feuer.
„Das Mutterschiff der Piraten hält weiter auf die Grenze zu,“ rief der taktische Offizier.
„Feuer frei, aber sorgen Sie dafür, dass die Fracht nicht beschädigt wird!“
„Aye, Sir!“
Nun gaben die Plasmakanonen der CAWDOR alles, und sogleich ging das Schiff der Piraten in einem großen Feuerball auf.
Die Piratenjäger befanden sich inzwischen in wildem Gefecht mit den Jägern der CAWDOR, und als sich abzeichnete, dass sie so gut wie keine Chance mehr hatten, versuchten einige, auf den Planeten zurückzukehren. Ein Team aus Privates würde später landen und die Bodenstation der Piraten einnehmen. Die Schlacht war vorbei.
„Sir,“ meldete Emanuele. „Die Wolke der Dilli entfernt sich von der Grenze.“
Donalbain verstand und nickte. „Schicken Sie die Bodentruppe runter und dann Kurs auf Leith 4!“ Er lehnte sich zurück. „When the hurlyburly’s done, when the battle’s lost and won.”
“Sir?!”
Donalbain blickte zu Emanuele, welcher ihn fragend ansah. „Ein Zitat aus einem alten schottischen Stück. Wir wissen, dass die Dilli den Piraten das Morbidium abgekauft haben, und wir haben die Piraten unschädlich gemacht. Doch die Beteiligung der Dilli werden wir vor den Vereinten Planeten nicht beweisen können. Wie haben zwar gewonnen, aber auch verloren.“
Beth trat in die Zelle, und Fairy Boy stand augenblicklich auf.
„Sie können gehen, Mr. McDougall,“ sagte der Offizier. „Die Piraten konnten unschädlich gemacht werden. Im Namen der Space Force danke ich Ihnen für Ihre Hilfe.“
Fairy Boy nickte. Er sah den Commander eindringlich an.
Beth war fühlte sich etwas verunsichert. „Ist etwas?“
„Ich habe Ihre Zukunft gesehen, Commander.“
Nun wurde Beth neugierig. „Und?!“
„Sie werden Captain. Schon sehr bald.“
Beth gab sich erfreut. „Das sind ja mal gute Nachrichten!“
„Die Umstände werden Ihnen nicht gefallen,“ fügte Fairy Boy hinzu.
Das Lächeln auf Beths Gesicht verschwand augenblicklich. „Was wird passieren?“
„Ich weiß es nicht genau,“ sagte der Junge. „Ich weiß nur, was ich Ihnen sagte. Und, dass ich nicht mehr da sein werde, wenn es passiert.“
Nun war Beth verwirrt. „Was meinen Sie damit? Werden Sie sterben, oder einfach an einen anderen Ort gehen?“
„Nicht an einen anderen Ort,“ erwiderte Fairy Boy. Dann schritt er an dem Commander vorbei und verließ die Zelle.
Beth blickte ihm nach, sein Gesicht ein einziges Fragezeichen. Dann verdrängte er derartige Gedanken. Wahrscheinlich wollte der Junge ihm nur Angst einjagen. Mit dem Telepathen nahm er Verbindung zu Brandhorst auf. „Lieutenant, rufen Sie unsere Leute zusammen! Wir treffen uns in dreißig Minuten beim Shuttle. Es geht zurück auf die CAWDOR.“
In der zweiten Episode: „A Look into the Seeds of Time“