KitKaos hat geschrieben:Deshalb denke ich eigentlich schon, dass man auch auf das, was wir hier und auch ganz allgemein machen, den Begriff "Storytelling" anwenden kann.
Ich mache deswegen den Unterschied zwischen Storytelling und Storywriting, da ich signifikante Unterschiede ausmache. Ersteres vielleicht deswegen, weil ich früher meinen Nichten sehr viel vorgelesen habe. Und ich denke, dass ich dabei deswegen bei beiden so gefragt war, weil ich die Geschichten nicht einfach vorgelesen habe, sondern die Stimmlage und Redeweise für jede Figur individuell geändert habe. Große Brummbären habe ich langsam und mit Bassstimme reden lassen, Hasen eher schnell mit hoher Stimmlage, den Erzähler neutral, etc. pp. Und dass bedeutet für mich gutes Storytelling - also nicht sich eine Geschichte auszudenken und/oder sie niederzuschreiben, sondern tatsächlich die ART wie man eine Geschichte ERZÄHLT.
Geschichten ausdenken und schreiben ist IMO definitiv Storywriting. Mit dem ursprünglichen Begriff des Storytelling hat das eigentlich nichts zu tun - der Begriff wird heute eben nur (fälschlich) oft und gerne für Storywriting benutzt.
No offense...
KitKaos hat geschrieben:Von daher finde ich es sehr spannend, die Pixar-Regeln mal zu versuchen zu berücksichtigen. Klar hat Pixar die nicht erfunden - das Geschichtenerzählen ist so alt wie die Menschheit, da wird ein Animationsstudio im 21. Jahrhundert nicht plötzlich die Erleuchtung haben. Aber sie sind sehr schön auf den Punkt gebracht.
Ich finde sie nicht schlecht - ich hätte mir nur gewünscht, man wäre mehr in die Details gegangen. Ich sehe diese Tipps als sehr grobes Grundgerüst, wer aber beim Schreiben von FF bei Null beginnt, der benötigt IMO mehr Hilfestellung.
Zudem sehe ich diese Tipps sehr auf die Vorgehensweise bei einer typischen Pixar-Story, in Trickfilmen bezogen.
KitKaos hat geschrieben:Anyway, @Falkenhayn - was macht für dich eine 'faszinierende' Idee aus? Ich bin jetzt mal ganz frech und konstatiere, dass alles schon mal in irgendeiner Form da war und, wie hab ich heut so schön gelesen?, Kreativität kommt nicht davon auf ein leeres Blatt zu starren, sondern aus dem reichen Schatz unserer Erfahrungen, des schon Erlebten.
Natürlich war alles mal da und baut sehr viel auf Erfahrung auf.
Ich sehe eine "faszinierende Idee" z.B. weniger in dem ausgelutschten Szenario: "Aliens finden die Erde und beginnen eine Invasion..." (ID4, FALLING SKIES) Vor allen Dingen dann, wenn der entsprechende Erfinder dieser Story nicht erzählt, welche Intentionen und möglicherweise sogar Notwendigkeiten dahinter stecken. Nein, das ist mir persönlich zu einfach.
Leider finden solche Simpel-Szenarios leider immer mehr den Weg, gerade in die Kinos: Laut - Bunt - Schnell - Story=Null.
Dabei kann man natürlich ein "Aliens überfallen Erde Szenario" schon schlüssig - im Idealfall intelligent - erzählen, nur wird das, gerade in Kinofilmen, oder Büchern zu PC-Games, dann kaum gemacht.
Ein gutes Beispiel FÜR eine gut umgesetzte Idee ist IMO "Rendezvous with Rama" von Arthur C. Clarke.
Es ist zwar nicht neu, ein unbekanntes Raumschiff zu entdecken einzudringen und nachzuschauen, was es dort zu finden gibt.
Clarke versteht es in dieser Geschichte dennoch, die Erforschung des Raumschiffs, durch eine Handvoll Menschen, mit dessem langsamen, maschinellen Erwachen so zu verquicken, dass ich das Buch förmlich verschlungen habe. Hier war nicht der eigentliche Plot die faszinierende Idee, sondern auf welche Art Clarke ihn umgesetzt hat. In dieser Geschichte war es einfach schon die faszinierend beschriebene Umgebung, die mich gefesselt hat.
KitKaos hat geschrieben:Und dann muss ich auch noch auf dein "Der beste Gag verpufft wirkungslos, wenn man ihn nicht rechtzeitig ankündigt" eingehen, ich hoffe, das ist erlaubt. Die Kunst des Andeutens ist da glaub ich eine ziemliche Gratwanderung, aber deshalb gibt es eben auch so wenige wirklich gute Komödienschreiber, meiner Meinung nach. Ich habe es ja selbst auch schon mal versucht und es ist wirklich eine hohe Kunst. Natürlich kommt da vor allem das Prinzip von Chekhov's gun zu tragen, was ich ja sehr faszinierend finde, besonders wenn es gelungen umgesetzt ist (z.B. BBC's "Sherlock" ist da einfach hammermäßig gut drin).
Es ist in der Tat schwer, diese Gratwanderung zu vollziehen. Um so mehr, als dass ich als Autor einer Geschichte ja bereits alle Details kenne (hoffentlich) und dann abwägen muss, wie viel ich davon dem Leser verraten kann, ohne ihm Zuviel, oder aber Zuwenig zu verraten.
Bei der bisher einzigen beinahe rein humorvollen STAR TREK- FF-Episode von mir habe ich gemerkt, dass gerade eine humorvolle Geschichte umso mehr Vorarbeit und Überlegung erfordert. Dort sind die (humorigen) "Gags" überwiegend spontan - und so muss es auch sein.
Das Wort GAG hatte ich eingangs allerdings weniger im humorigen Sinn gemeint. Meiner Meinung nach kann man den Leser nicht 88 Seiten lang im Dunkel belassen, was den Ausgang einer Story betrifft, und plötzlich nimmt die Geschichte auf Seite 89 DIE 180°-Wendung und endet auf Seite 90. Das funktioniert ganz sicher nicht. IMO wird in jedweder Geschichte auf das Finale hin gearbeitet - mal komplexer, mal einfacher.
KitKaos hat geschrieben:Trotzdem finde ich auch gerade absolut unerwartete komische Momente in gutem Storytelling möglich. Schlimm ist nur das Gegenteil, wenn man die Pointe schon von Weitem kommen sieht.
Ins andere Extrem zu verfallen ist natürlich auch nicht gewünscht, das versteht sich aber IMO so sehr von selbst, dass ich es nicht extra erwähnt habe.
KitKaos hat geschrieben:Was mich ja bei "gutem Storytelling" oft beschäftigt, ist die Wechselwirkung mit dem Rezipienten - ich denke, da kommt es sehr darauf an, für wen man schreibt oder zu schreiben meint... Ich erzähle eine Geschichte anders, wenn ich weiß, mein Leser ist mit Thematik XYZ vertraut oder wenn ich davon ausgehe, dass die Aufmerksamkeitsspanne entsprechend gering ist, etc etc. Das spielt doch alles auch mit rein, denke ich...
Das ist ein wirklich interessanter Punkt für mich, da ich mich gerade bei STAR TREK - ICICLE gefragt habe, in wie weit ich auf gewisse Details eingehen soll.
Wie ein Raumschiff der AKIRA-KLASSE aussieht, dass wissen die meisten ST-Fans, an die sich diese FF-Serie hauptsächlich ausrichtet. Andererseits habe ich mir gesagt, dass es immer auch Neuleser/Schauer gibt, die erst wenig oder vielleicht noch gar nicht mit den vielen Details der TV-Serien vertraut sind.
So habe ich mich letztlich dazu entschieden grundsätzliche Details zu den Raumschiffen einzubinden, die für meine Episoden relevant sind, auch wenn vielleicht 95% der Leser nicht erklärt bekommen müssen, wie das Schiff aussieht, oder wie lang und breit es ist.
Ähnliches gilt für meine SMALLVILLE-FF. Natürlich weiß der Serienfan, wie Clark, Lana und Co. aussehen. Dennoch binde ich mitunter "Der Schwarzhaarige" oder "Seine blauen Augen musterten ihn/sie/es fragend..." ein, wenn von Clark die Rede ist. Einerseits, um auch Leser, die noch keine einzige TV-Folge sahen, nicht im Dunkel stehen zu lassen - andererseits vielleicht deswegen, weil ich mit Original-Fiction angefangen habe, wo der Leser keine Vorlage durch Film/TV/Bücher etc. pp. hat.
Alte Gewohnheiten sind langlebig...