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Ist Weihnachten nicht schön?

FanFiction zur TV-Serie "Superman - die Abenteuer von Lois und Clark" (orig. "Lois and Clark - the New Adventures of Superman")

Ist Weihnachten nicht schön?

Beitragvon Vega » Mo 26. Apr 2010, 18:03

Auf speziellen Wunsch einer einzelnen Dame - ein wenig außerhalb der Jahreszeit...

Ist Weihnachten nicht schön?

Teil 1

„Ganz ruhig“, sagte eine zitternde Frauenstimme leise. Verzerrt von halb erstickten Schluchzern, klang sie dennoch gefährlich. „Ganz ruhig“, wiederholte sie mit drohendem Unterton, der Supermans Herz rasen ließ.

Angetrieben von dem allzu bekannten Gefühl der Schwäche, das sich langsam in ihm ausbreitete, wich er unwillkürlich einen Schritt zurück. Der Ausgang lag hinter ihm, tief in der Dunkelheit. Superman gab sich Mühe, keine hektischen Bewegungen zu machen, während er den Rückzug antrat. Warum nur musste er jedem Ruf folgen und immer wieder in die Falle tappen? Er hatte es schon Lex Luthor viel zu leicht gemacht und nun stand er vor einem ähnlichen Problem. Für eine superschnelle Flucht war es zu spät. Angestrengt starrte Superman in den Schatten, der die Frau vor ihm verbarg. Sehen konnte er aber nur das pulsierende Grün, das die Dunkelheit vor ihm durchbrach und mit eisigen Klauen nach Superman langte. Wie Korn aus einem angeritzten Sack rieselten seine Kräfte aus ihm heraus und mit jedem Aufleuchten wurde er ein wenig schwächer.

„Was…was wollen Sie?“, fragte Superman und es gelang ihm nicht ganz die Angst aus seiner Stimme zu verbannen.

Er wich weiter zurück, versuchte so viel seiner Kräfte zu bewahren, wie er konnte. Vielleicht würde die Frau ja ihren Mut verlieren, wenn sie erst aus dem Schatten getreten war. Supermans Plan ging jedenfalls insoweit auf, als dass die Frau ihm folgte. Ihre Absätze schlugen leise auf dem Boden auf, klackerten mit jedem Schritt, den sie näher kam. Der grünliche Schimmer löste sich aus der Dunkelheit, kam langsam näher und nahm in Form einer Pfeilspitze Gestalt an, die auf Supermans Brust zielte. Der Pfeilspitze folgte erst ein sanft geschwungener Bogen, dann eine Sehne. Superman hatte es schon so oft erlebt, dass Waffen auf ihn gerichtet waren. Eine Armbrust jedoch empfand er als äußerst ungewöhnlich. Die Pfeilspitze schwebte zitternd in der Luft, ohne jedoch ihr Ziel aus den Augen zu verlieren.

„Legen Sie die Waffe ab“, bat Superman so ruhig er konnte. „Es gibt bestimmt eine andere Lösung“, erklärte er mit belegter Stimme, ohne wirklich zu wissen, wie eine solche Lösung aussehen sollte.

„Nein“, brachte die Frauenstimme atemlos hervor. „Nein, es gibt keinen Ausweg“, murmelte sie verzweifelt und Superman konnte die Tränen hören, die sich den Weg über ihre Wangen bahnten.

„Es gibt immer einen Ausweg“, versuchte er es in seiner ruhigen Art noch einmal und schaute in die Richtung, wo er ihr Gesicht vermutete. „Sie wollen das doch nicht tun. Lassen Sie uns darüber reden.“

„Glaubst du im Ernst, ich würde hier stehen, wenn ich eine Wahl hätte? Es gibt keinen Ausweg!“, erwiderte sie heftig und ihre Stimme überschlug sich fast. „Für keinen von uns“, fügte sie tonlos hinzu.

Superman blickte sich um. Sie hatte Recht, es gab keinen Ausweg. Die Wände um ihn herum waren dick und mit Blei verkleidet, wie es sich für einen echten Bunker gehörte. Superman ahnte, dass es derselbe Bunker war, in dem Lex Luthor sich vor dem Nightfall- Asteroiden hatte verstecken wollen. Er entsprach genau Lois’ Beschreibung und hatte ebenfalls nur einen Ausgang. Es war ausgeschlossen, dass er diesen Ausgang unverletzt erreichte. Ein Pfeil war in jedem Falle schneller als er. Superman wich einen weiteren Schritt zurück. Trotz der Dunkelheit konnte er erahnen dass sich die Hand der Frau fester um den Griff der Armbrust schloss. Ihre Finger näherten sich gefährlich dem Abzug. Superman sog nervös die Luft zwischen den Zähnen ein.

„Warum sagen Sie mir nicht, was los ist? Vielleicht kann ich helfen“, brachte er angespannt hervor. Jeder Faser seines Körpers sagte ihm, dass sie weiter auf ihn zukam. Mit jedem Schritt klackerten ihre Absätze. Klack... klack... klack... klack. Es war ein beunruhigender Laut, beinahe wie das Ticken einer Uhr, die anzeigte, dass die Zeit langsam ablief. Sein Blick hing wie hypnotisiert auf dem Kryptonitpfeil.

„Noch ist es nicht zu spät“, fügte er hinzu und schluckte, als ihn eine weitere schmerzhafte Welle der tödlichen Strahlung traf. Der Kristall würde nicht mehr lange brauchen, um ihn all seiner Kräfte zu berauben.

„Doch, das ist es“, murmelte die Frau heiser und trat langsam aus dem Schatten heraus. Superman schnappte nach Luft, als er Lois erkannte. Ihre Augen waren verquollen, ihre Lippen blass. Sie wirkte verzweifelt, ängstlich und schien zu allem bereit. „Er… er wird ihn sonst töten“, brachte sie mühsam hervor. Die dunklen Ringe unter Lois’ Augen zeugten von ihrer Müdigkeit und sie zitterte am ganzen Körper. „Ich…kann das nicht tun“, würgte sie und trat einen Schritt zurück, wieder in den Schatten hinein. „Aber… aber ich muss“, murmelte sie gequält. „Er wird es sonst wissen, wenn… wenn… er wird ihn töten“, keuchte sie verzweifelt.

Plötzlich erfüllte ein hohes Sirren die Luft, als der Pfeil von der Sehne schnellte.

* * *

Am Tag zuvor…

Die ersten Sonnenstrahlen berührten das Bett, als Lois in den Weihnachtsmorgen blinzelte. Sie räkelte sich zufrieden in ihren Kissen, erfüllt von einem Glücksgefühl, wie sie es an Weihnachten bisher nur selten erlebt hatte. Der vergangene Abend erschien ihr noch immer wie ein Traum, viel zu wundervoll um wahr sein zu können. Clark war überraschend zu ihrer kleinen Weihnachtsfeier gekommen, als einziger. Sie hatten gegessen, gelacht, sich unterhalten. Und sie hatten langsam und innig miteinander getanzt. Lois konnte praktisch noch immer Clarks Hand auf ihrer Schulter fühlen, seine sanfte Berührung. Es war ganz natürlich gewesen Clarks Bewegungen zu folgen, sich an ihn zu schmiegen und sich führen zu lassen. Wenn sie ihre Augen schloss, konnte sie Clarks Aftershave riechen, seine Wärme spüren und die Geborgenheit, die er ihr vermittelt hatte.

Lois setzte sich im Bett auf und ihr Blick wanderte zu dem freien Platz neben ihr. Unwillkürlich erschien das Bild von Clark vor ihrem inneren Auge, der verstrubbelt neben ihr lag und ruhig atmete.

„Hör auf damit, Lois“, mahnte sie sich ärgerlich und versuchte mit einem Kopfschütteln die verwirrende Idee zu verscheuchen.

Sie war noch nicht bereit für einen neuen Mann in ihrem Leben, vor allem nicht für einen, der ihr so nahe kam. Lois hatte selbst Lex immer eine Armeslänge auf Abstand gehalten und ihm hätte sie um ein Haar ihr Jawort gegeben. Spätestens seit dieser unseligen Episode in ihrem Leben wusste Lois, dass sie ihr lange gewachsenes Misstrauen Männern gegenüber nicht einfach durch einen Kopfsprung ins kalte Wasser besiegen konnte.

Seufzend schob Lois ihre Decke beiseite und warf noch einen kurzen Blick auf den leeren Platz in ihrem Bett. Alle Männer, die dort bisher gelegen hatten, hatten ihr nur das Herz gebrochen. Das wollte sie nicht noch einmal erleben. Wenn sie diesen Platz füllen wollte, musste sie es langsam angehen lassen. Sie musste sich nur anziehen und in die Redaktion gehen, um Clark wieder zu sehen. Ihr Herz machte einen Hüpfer bei dem Gedanken an Clark, der sogar den Flug zu seinen Eltern verschoben hatte, nur um bei ihr zu sein. Die fadenscheinige Ausrede, dass sein Flugzeug nicht hatte starten können, verzieh sie ihm dieses eine Mal mehr als bereitwillig.

Erschrocken hielt Lois inne. Richtig, es war ja Weihnachten. Clark würde nicht in der Redaktion sein. Vermutlich war er längst auf dem Weg nach Smallville. Und Lois selbst hatte zu allem Überfluss an diesem Tag frei. Die Erkenntnis ernüchterte sie wie eine kalte Dusche. Die Freude, die Lois noch beim Aufwachen empfunden hatte, war verflogen. Plötzlich hatte sie gar keine Lust mehr aufzustehen. Sie wollte sich die Decke über den Kopf ziehen und weiterschlafen. Da mochte die Sonne auch noch so fröhlich scheinen. Ohne Clark war die Welt trostlos, ganz besonders zu Weihnachten.

„Was für ein Quatsch“, rief Lois sich laut zur Ordnung. „Es war ein schöner Abend, gut. Aber jetzt sei nicht albern, Lois.“

Energisch schwang sie die Beine aus dem Bett und streckte ihre Zehen in die kühle Luft des Schlafzimmers. Ein Frösteln überlief Lois und sie beeilte sich, ihre Hausschuhe anzuziehen. Überrascht bemerkte sie, wie weich ihre Pantoffeln waren, blickte hinab und erkannte zwei plüschige Rentiere an ihren Füßen.

„Wo kommt ihr denn her?“, fragte sie verwundert und runzelte die Stirn. Sie war sich sehr sicher, dass sie solche Pantoffeln nicht besaß. Die Rentiere zogen es vor, sich lieber nicht zu äußern. Sie lächelten nur breit an ihren Füßen. Eines der beiden hatte eine rote Stupsnase und schielte beim Lächeln ein wenig. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass ihr von Clark seid“, murmelte Lois und betrachtete die Rentiere von links und rechts.

Clarks Weihnachtseuphorie war beeindruckend, wie Lois festgestellt hatte. Immerhin hielten die tierischen Fußwärmer wunderbar warm. Vielleicht hatte Clark sie ja tatsächlich in ihr Schlafzimmer geschmuggelt. Er hatte die Gelegenheit gehabt und es war ihm zuzutrauen, dass er sie auch genutzt hatte. Lois nahm sich ihren Morgenmantel und ging in die Küche. Ihre gute Stimmung war weitgehend verflogen, auch wenn sie ihr Bestes tat, das zu verdrängen. Es ging ihr gegen den Strich, dass ausgerechnet Clark dafür verantwortlich sein sollte, wie sehr sie Weihnachten genießen konnte.

„Vielleicht sollte ich ihn einfach anrufen“, sagte sie leise zu sich selbst, während sie die Tür des Kühlschranks öffnete.

Hier und da standen ein paar Truthahnreste, ein Schale Rotkohl und ein paar Kartoffeln. Auf Anhieb konnte Lois nichts entdecken, dass auch nur annähernd an Frühstück erinnerte. Lois stöhnte. Das durfte doch nicht wahr sein. Hatte sie tatsächlich vergessen ihre Vorräte aufzustocken? Ihre Stimmung sank auf ein ungeahntes Tief. Konnte Weihnachten noch schlimmer sein? Unbefriedigt knallte Lois die Kühlschranktür wieder zu und fragte sich, wie sie den Rest des Tages überleben sollte. Niemand war an Weihnachten in der Redaktion und in ihrem Apartment hatte sie wenigstens die Gesellschaft ihrer Goldfische. Lois schloss die Augen, als sie spürte, wie sich heiße Tränen darin stauten.

Plötzlich klopfte es an der Tür. Lois zuckte vor Schreck zusammen. Es klopfte wieder. Unwillkürlich blickte Lois an sich herunter. Sie trug Schlafanzug und Morgenmantel, ihr Haar war vermutlich zerzaust und ihr Gesicht wahrscheinlich noch vom Kissen völlig verknittert. Wieder klopfte jemand an der Tür.

„Lois?“, hörte sie Clarks sanfte Stimme. „Lois, bist du schon wach?“

„Clark?“, rief Lois ungläubig und fühlte, wie eine wilde Freude sie durchströmte. Bevor sie noch so richtig darüber nachgedacht hatte, war sie bei ihrer Wohnungstür, kämpfte sich rasch durch die drei Schlösser und blickte dann in Clarks lächelndes Gesicht. „Clark, du bist gekommen“, sagte sie begeistert und zog ihn am Mantelaufschlag in ihre Wohnung.

„Hey, was für eine Begrüßung“, erwiderte Clark herzlich und ließ sich die unsanfte Behandlung gefallen. „Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast mit mir Frühstücken zu gehen. Da ich eigentlich nach Smallville fliegen wollte, ist mein Kühlschrank ziemlich leer gefegt und…“ Er schaute sie einen Moment hilflos an, fast so, als wollte er noch nach einer weiteren Ausrede dafür suchen, dass er einfach gerne mit ihr zusammen war. Wenigstens hoffte Lois, dass er diese Zeit gerne mit ihr verbrachte. „Aber du bist noch nicht ganz ausgehfertig, wie ich sehe“, setzte er dann hinzu und betrachtete Lois’ morgendliche Zusammenstellung dennoch mit einem bewundernden Ausdruck in den Augen.

„Ich…“, Lois schaute entsetzt an sich herunter, bemerkte den schlabberigen Schlafanzug und den verwaschenen Morgenmantel. Beides hatte bessere Tage gesehen und keines von beiden Stücken hätte sie freiwillig öffentlich präsentiert. Auch nicht vor Clark. „Oh, mein Gott“, murmelte sie dann und eilte in Richtung Bad. Auf halbem Wege hielt sie noch einmal kurz inne und drehte sich zu Clark um. „Ich mach mich nur schnell fertig, zieh mich um…gib mir fünf Minuten, na ja, vielleicht zehn. Du kannst es dir so lange im Wohnzimmer gemütlich machen, Clark“, spulte sie hastig herunter und stürzte dann weiter ins Badezimmer.

Clarks warmes Lachen drang an ihr Ohr, wie meistens, wenn sie plapperte. „Lass dir Zeit, Lois. Es ist Weihnachten, wir haben es nicht eilig“, rief er ihr hinterher.

Lois beeilte sich trotzdem. Sie duschte, wusch sich die Haare, föhnte sie, schminkte sich und verschwand dann im Schlafzimmer um geeignete Kleidung für ihr Frühstück mit Clark zu finden. Damit fand sich Lois aber vor einem ungeahnten Problem wieder. Die romantische Lois, die in diesem Frühstück gerne die erste Vorstufe zu einem Date gesehen hätte, wollte sich gerne besonders schön anziehen. Die ängstliche Lois wollte lieber ein ganz normales Frühstück unter Freunden haben, nichts Besonderes. Und die konventionelle Lois fand, dass an einem Frühstück mit Clark gar nichts Normal war. Das letzte Mal hatten sie jeder im Stehen einen Croissant gegessen und eine Tasse Kaffee getrunken. Nein, an einem ausgedehnten Frühstück mit Clark war wirklich nichts normal.

So dauerte es ein wenig länger als ursprünglich gedacht, bis Lois entschieden hatte, dass Weihnachten an sich genug Anlass für elegante Kleidung war. Sie hatte sich einen warmen Rock mit dezentem Schottenmuster und eine Bluse ausgesucht. Mit gestrafften Schultern kehrte sie in ihr Wohnzimmer zurück, wo Clark zu ihrem Erstaunen noch immer geduldig auf sie wartete. Als er sie hörte, schaute er von einer Zeitschrift auf, in der er geblättert hatte. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, das Lois’ Herz schneller schlagen ließ. Für dieses Lächeln brauchte er einen Waffenschein, so viel stand fest. Es überraschte sie jedes Mal, wie viel Einfluss er damit auf sie ausüben konnte.

„Du siehst toll aus“, meinte Clark und nickte anerkennend. Er legte die Zeitung endgültig beiseite und stand auf. „Ich dachte, wir gehen zu Callards“, schlug er vor und blickte sie erwartungsvoll an. „Ich habe gehört, dass die ein phantastisches Frühstück anbieten.“

„Callards?“, fragte Lois verwundert. Sie hatte dieselben Gerüchte gehört. Das Lokal war für seine French Toasts über die Stadtgrenze hinaus bekannt. „Clark, es ist Weihnachten. Die sind bestimmt ausgebucht“, gab Lois zu bedenken.

Clark fuhr sich plötzlich in einer nervösen Geste durchs Haar. „Ich weiß“, sagte er mit einem scheuen Grinsen. „Deshalb habe ich auch einen Tisch bestellt“, fügte er hinzu und räusperte sich verlegen. „Das… das war doch in Ordnung, oder? Wir… wir müssen nicht hingehen, wenn du nicht willst. Ich meine…“, erging sich nun Clark im Plappern.

Lois musste unwillkürlich lachen. „Bist du verrückt? Natürlich gehen wir da hin“, sie schaute ihn mit neu erwachtem Interesse an. „Du hast das geplant, nicht wahr?“, fragte sie ungläubig.

„Nur ein bisschen“, gab Clark zu.

„Und die Rentiere?“, fragte Lois und deutete auf ihre plüschigen Begleiter an den Füßen.

„Schuldig im Sinne der Anklage. An denen konnte ich einfach nicht vorbeigehen“, gestand er. „Und sie haben mir versprochen, nicht zu singen“, führte er zu seiner Verteidigung an.

„Wenn du diesen Plan ausgeheckt hast, um mir Weihnachten schmackhaft zu machen…“, setzte Lois an.

Clark unterbrach sie. „Alles was ich möchte, ist eine schöne Zeit mit einer guten Freundin zu verbringen, Lois. Keine Hintergedanken. Und wir machen einen großen Bogen um jeden Mistelzweig, wenn dir das lieber ist“, bot er mit einem verlegenen Lächeln an.

„Ich wollte nur sagen, dass du vielleicht Erfolg haben könntest“, murmelte Lois nachdenklich, nahm ihren Mantel, zog ihn an und hakte sich dann bei Clark unter. „Bereit?“, fragte sie.

„Bereit“, erwiderte er glücklich.
Vega
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Re: Ist Weihnachten nicht schön?

Beitragvon Vega » Mo 26. Apr 2010, 18:05

Teil 2

Es schneite dicke, weiße Flocken. Im Wind jagten die Schneekristalle einander, flogen im Kreis und wirbelten Lois und Clark um die Nasen. Lois wickelte den Schal fester um sich, zog ihn fast bis über Mund und Nase und stapfte Clark hinterher. Ihre Augen tränten von dem beißenden Wind, der durch die Straßen fegte. Dennoch war sie noch nie in ihrem Leben glücklicher gewesen. Alle paar Meter blieb Clark stehen und wartete auf sie. Unerklärlicher Weise schien ihm der hohe Schnee nicht das Geringste auszumachen. In der vergangenen Nacht hatte es bestimmt fünfzehn Zentimeter Neuschnee gegeben. Der Winterdienst der Stadt hatte die Straßen inzwischen befreit, doch nun säumten Schneeberge die Bürgersteige und erschwerten jeden Schritt. Aus Metropolis war unversehens eine Winterlandschaft geworden, die den hektischen Charakter der Stadt unter sich begrub.

Sie liefen gerade ein Stück durch den Centennial Park, als Lois um Atem ringend stehen blieb. Neben sich erspähte sie plötzlich einen sehr einladend aussehenden Haufen Schnee. Noch bevor sie wirklich einen Plan gefasst hatte, formte sie mit den Händen einen Schneeball, holte aus und traf Clark an der Schulter. Überrascht drehte er sich um, gerade als sie einen zweiten Schneeball nach ihm warf. Lois kicherte fröhlich, als Clark auf seine Brust schaute, an der nun ebenfalls Schnee klebte.

„Na, warte du“, rief er lachend und bückte sich. Ein weiterer Schneeball flog knapp über seinen Kopf hinweg. „Das kriegst du zurück“, versprach er in gespielter Drohung.

Er warf einen Schneeball, der Lois jedoch weit verfehlte. Sie blickte lachend dem Ball nach, der gut zwei Meter neben ihr auf die Erde schlug. Grinsend schüttelte sie den Kopf und bedachte Clark mit einer neuen Ladung Schnee. Er keuchte, als Lois genau die Stelle traf, an der sein Schal nicht ganz sein Hemd bedeckte. Lois schüttelte sich vor Lachen, als Clark mit verzerrtem Gesicht begann, seinen Hemdkragen wieder von Schnee zu befreien. Bald war die Schlacht in vollem Gange. Clark wehrte sich nach Kräften und warf in rascher Folge einen Schneeball nach dem nächsten nach ihr. Die wenigsten davon trafen sie jedoch. Lois schwitzte, während sie nach genügend unberührtem Schnee suchte. Ihr Atem flog und sie sah, wie Clark langsam aber unaufhaltsam näher rückte.

„Gibst du auf?“, fragte er, und stand mit einer ganzen Hand voll Schnee plötzlich über ihr.

Lois blickte überrascht auf und schüttelte den Kopf. „Niemals“, rief sie lachend und warf eine Hand voll Schnee nach oben. „Das solltest du doch wissen“, erklärte sie bestimmt und ließ die nächste Ladung folgen.

Schnee traf Lois im Nacken und sie schaute grimmig auf. Doch Clark stand mit seiner Hand voll Schnee unschuldig vor ihr und grinste breit. Lois’ Finger wurden langsam eiskalt, während Clark sie ungerührt anschaute.

„Das war dein eigener Schnee“, verteidigte er sich und bedachte sie mit einem Unschuldsblick. „Aber ich denke, wir sollten die Gefechte einstellen“, meinte er dann und reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen. Den Schnee ließ er fallen. „Sonst kommen wir zu spät zu unserem Frühstück“, setzte er hinzu. Lois nahm seine Hand und rappelte sich auf.

„Ich verstehe nicht, wie du es schaffst, so warme Hände zu behalten“, beschwerte sich Lois, als sie wieder neben ihm stand und sich den Schnee vom Mantel klopfte. Sie hielt sich an ihm fest und versuchte ihre eisigen Finger in seinen Händen zu wärmen. Clark ließ es ohne Widerspruch geschehen, er zuckte nicht einmal.

„Komm, lass uns einen Kaffee trinken gehen“, lud er sie ein. „Dann wird dir auch ganz schnell wieder warm.“ Sein Blick glitt liebevoll und auch ein wenig besorgt über sie. In seinen Mundwinkeln hing ein Lächeln, das nur darauf wartete voll erstrahlen zu dürfen.

Callards lag dicht am Centennial Park und den restlichen Weg ging Lois eingehakt an Clarks Arm. Trotz des immer noch hohen Schnees kam ihr das Laufen nun nicht mehr so beschwerlich vor. Sie genoss die Wärme, die von Clark ausging, konnte sein Aftershave riechen und spürte, wie ihr Magen langsam zu knurren begann. Manchmal fragte sie sich, warum ihr diese kleinen, schönen Dinge des Lebens nicht schon früher aufgefallen waren. Sie konnte sich überhaupt nicht vorstellen mit Superman durch den winterlichen Centennial Park zu spazieren und sich eine Schneeballschlacht zu liefern. Mit Clark war das alles möglich.

So war Lois völlig in Gedanken versunken, als Clark schließlich eine Tür öffnete und ihr einen sanften Schubs gab.

„Da sind wir“, sagte er freundlich und Lois fühlte, wie die Wärme ihr entgegen schlug.

Es duftete herrlich nach Toast und Rührei, Kaffee und Muffins und allerlei anderen Leckereien. Callards war ein gemütliches Frühstücksbistro. Die Fenster, die zu einer Seite auf den Centennial Park hinausblickten, waren mit Kunstschnee besprüht. Glocken und Schneemänner schmückten die Scheiben. Weihnachtsgestecke mit roten Kerzen waren auf den Tischen verteilt und ein prächtig geschmückter Baum mit viel Lametta und roten Kugeln ragte in der Mitte des Raums auf. Eine freundlich lächelnde Serviererin kam direkt auf die beiden neuen Gäste zu.

„Ein Tisch für zwei auf den Namen Kent“, antwortete Clark auf ihre unausgesprochene Frage.

„Frohe Weihnachten Ihnen beiden“, sagte die Serviererin mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. „Wir haben Sie und ihre hübsche Begleiterin bereits erwartet. Wenn Sie mir bitte folgen wollen“, bat sie und wandte sich um.

Lois und Clark tauschten verlegene Blicke und Lois rollte ein wenig mit den Augen, da sie bei so viel übertriebener Freundlichkeit immer misstrauisch wurde. Doch weil Clark sich mit den Vorbereitungen so viel Mühe gegeben hatte, verkniff sie sich den bissigen Kommentar. Beide folgten sie der Serviererin wortlos, die sie zu einem Tisch am anderen Ende des Lokals brachte. Die Aussicht auf den Centennial Park und die zugeschneite Fontäne war herrlich, wie Lois anerkennend feststellen musste.

Wie ein vollendeter Gentleman schob Clark den Stuhl für Lois zurück und wartete, bis sie sich gesetzt hatte. Dann nahm Clark ihr gegenüber Platz. Die noch immer breit lächelnde Serviererin reichte ihnen die Karten.

„Kaffee für sie beide?“, fragte sie fröhlich.

„Ja, gern, vielen Dank“, antwortete Clark und erwiderte ihr Lächeln auf diese ganz einmalige, Clark-typische Weise, die Lois’ Knie jedes Mal weich werden ließ. Dabei hatte das Lächeln nicht einmal ihr gegolten. Die Serviererin verabschiedete sich und Clark wandte sich wieder Lois zu. „Ich habe gehört, hier gibt es ganz tolle Muffins“, sagte er begeistert und schlug die Speisekarte auf.

„Mmmhh“, gab Lois zurück, die ihr Glück plötzlich gar nicht fassen konnte.

Warum noch einmal hatte Clark ihr angeboten, einen Bogen um die Mistelzweige zu machen? Sie schaute Clark über den Rand ihrer Karte hinweg an und konnte sich gar nicht aufs Lesen konzentrieren. Wann immer sie sich dazu zwang, ihren Blick auf die Buchstaben zu richten, schienen die vor ihren Augen zu verschwimmen und keinen Sinn mehr zu ergeben. Als die Serviererin schließlich zurückkehrte, bestellte Lois schlicht das gleiche wie Clark.

„Was ist denn mit dir los?“, fragte er neugierig, als sie wieder allein waren. „Rührei mit Speck und danach ein Cranberry Cream Muffin mit einer extra Portion Sahne?“ Mit einem Kopfschütteln rückte er seine Brille zurecht, bevor er seine Zähne aufblitzen ließ. „Ist das dieselbe Lois Lane, die immer den Kaffee mit halbfetter Milch und Süßstoff trinkt?“, neckte er sie gutmütig.

„Ich... wollte halt mal probieren, wovon du ja anscheinend lebst und trotzdem kein Gramm zunimmst“, entgegnete Lois schlagfertig, konnte es aber doch nicht verhindern, dabei rot zu werden.

Clark nickte nur wissend und lächelte noch ein wenig breiter, bis Lois endgültig vergaß, dass sie ihm hatte Kontra geben wollen. Er lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück und Lois musste unwillkürlich schlucken, als sich das Hemd leicht über seiner muskulösen Brust spannte. Unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her, versuchte aber gleichzeitig ihre Aufregung nicht allzu offensichtlich werden zu lassen. Wie war es nur möglich, dass Clark sie durch seine bloße Gegenwart derart nervös machen konnte? Lois verstand die Welt nicht mehr. Sie arbeiteten zusammen, Tag für Tag. Es gab überhaupt gar keinen Grund nervös zu sein.

„Lois, hättest du vielleicht Lust mich für Silvester nach Smallville zu begleiten“, fragte Clark plötzlich leise und wurde nun selbst deutlich rot. „Ich meine, ich weiß, es ist kein großes Fest, so auf dem Land, wir haben kaum Feuerwerk…“, er holte tief Luft, um neu anzusetzen. „So, wie ich das sage, klingt es wirklich nicht so, als ob es sich lohnen würde, nicht wahr? Aber es hat in den letzten Tagen viel geschneit und Mom sagt, dass die Bedingungen geradezu perfekt für ein bisschen Langlauf sind. Und Moms Bratapfelpunsch ist wirklich…“

„Du willst mich für Silvester einladen?“, fragte Lois überrascht und unterbrach Clark somit, bevor er sich um Kopf und Kragen reden konnte.

„Ja“, erwiderte Clark schlicht, als hätte er den Mut für weitere Erklärungen verloren. „Ja, Lois, ich denke, darauf hat meine Frage abgezielt.“

Sie beobachtete ihn einen Moment lang stumm, unfähig, etwas zu sagen. Das war alles ein bisschen viel auf einmal. Weihnachten, Silvester – Zeit mit Clark allein in Smallville, oder fast allein, denn seine Eltern waren ja auch noch da. Wieder drängte sich der Gedanke daran, Clark zu küssen, mit aller Macht in den Vordergrund. Kein Mistelzweig, keine Ausreden, kein Schutz. Lois war noch nicht bereit dazu, sich Clark so sehr auszuliefern. Sie wollte ihn küssen, gar keine Frage. Aber sie hatte keinerlei Interesse daran, sich erneut die Finger zu verbrennen. Und bei Clark, so wusste sie, würde auch ein ganzes Warenhaus voller Doppelnuss Schokoriegel kaum über den Liebeskummer hinweghelfen können.

„Ich…“, murmelte Lois erschlagen und beobachtete Clark aufgewühlt. Er wirkte angespannt, während er sie betrachtete. „Darf ich noch darüber nachdenken?“, fragte sie schließlich rau.

„Natürlich“, gab er erleichtert zurück. Clark entspannte sich sichtlich und das Lächeln, das ihr immer wieder den Boden unter den Füßen wegzog, breitete sich wieder auf seinem Gesicht aus. „Denk nur nicht zu lange nach, Lois, sonst ist Silvester vorbei und ich muss wieder ein ganzes Jahr warten“, fügte er gutmütig hinzu.

Wenn Lois ehrlich war, dann verstand sie sich selbst nicht ganz. Es war schließlich nicht so, als erwartete sie ernsthaft, dass Clark sie nur einlud, weil er sie in sein Bett zerren wollte. Sie wusste nicht viel über Clarks Bettgeschichten, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass er leichtfertig mit Frauen umging. Warum also fiel es ihr so schwer, sich auf ihn einzulassen? Es kam ihr so vor, als stünde sie auf einem Zehn-Meter-Brett. In ihrer Angst sah sie nur den Weg zu springen und dafür fehlte ihr dann doch entschieden der Mut. Aber vielleicht erlaubte ihr Clark ja doch, die Treppe zu nehmen, um zu ihm zu kommen.

* * *

Auf ein phantastisches Frühstück folgte ein Tag im Centennial Park. Clark lud Lois zum Schlittschuhlaufen ein, trank mit ihr zusammen einen heißen Kakao, um sich wieder aufzuwärmen. Lois konnte sich nicht daran erinnern, je so viel Spaß gehabt zu haben. Und das schönste war, dass er mit seiner Rolle als Freund offenbar völlig zufrieden war. Nicht dass Lois sich nicht gewünscht hätte, dass er das ein oder andere Mal aus dieser Rolle gefallen wäre. Seine Einladung zur Silvesterfeier erwähnte er mit keinem weiteren Wort. Ein paar Mal fing er sie auf, wenn sie zu fallen drohte. Oder er las sie vom Eis auf, wenn er doch einmal nicht schnell genug gewesen war. Mit jeder leichten Berührung spürte Lois mehr und mehr das Knistern zwischen ihr und Clark. Dennoch machte er nicht ein einziges Mal den Versuch sie zu küssen. Dafür war Lois ihm dankbar, auch wenn Clarks Standhaftigkeit sie langsam aber sicher frustrierte.

Wenn Clark verschwand, dann um mit einer Tasse Glühwein zurückzukehren. Er wärmte ihr geduldig die Hände und erzählte ihr von Weihnachten in Smallville. So unglaublich das klingen mochte, Lois begann diesen Weihnachtstag ernsthaft zu genießen. Und mit jedem schönen Moment konnte sie die unglücklichen Erinnerungen an die zerstrittenen Weihnachtsfeiern im Haus ihrer Eltern mehr und mehr aus ihrem Bewusstsein verdrängen.

„Weißt du, ich glaube Weihnachten ist doch mehr, als nur ganz nett“, sagte Lois, als sie mit Clark schließlich vor ihrer Wohnung stand. „Das war ein wirklich, wirklich wunderschöner Tag“, bedankte sie sich und schaute ihn einen Moment lang unschlüssig an. Sollte sie ihn noch in ihre Wohnung bitten? War aus diesem Frühstück am Ende doch ein Date geworden?

„Es freut mich, dass es dir gefallen hat“, gab Clark warm zurück. „Ich fand es auch sehr schön. Und ich hoffe, du verzeihst es mir, wenn ich unseren gemeinsamen Tag jetzt beschließe, aber ich habe noch eine Menge zu tun“, beendete er Lois’ heimliche Überlegungen. „Wir sehen uns morgen beim Planet.“

„Danke, Clark“, murmelte Lois, und noch bevor sie sich davon abhalten konnte, hatte sie sich schon auf die Zehenspitzen gestellt und ihm einen Kuss auf die Wange gegeben.

Clark gab einen unterdrückten Seufzer von sich und schaute sie mit verklärtem Blick an. Für einen Moment glaubte Lois, er würde ihren Kuss vielleicht erwidern. Obwohl er sich gar nicht angestrengt hatte, ging nun sein Atem schwer. Lois schaute Clark tief und lang in die Augen, so intensiv, dass sie das Gefühl hatte in diesem rehbraun zu versinken. Sie fing seinen Blick auf. Im Grunde wollte er sich gar nicht trennen, genauso wenig wie sie. Beide hätten sie ewig so stehen können, doch nach einer ganzen Weile riss Clark sich schließlich von Lois los.

„Ich muss gehen“, sagte er rau, beugte sich doch noch vor und küsste Lois dann ganz sanft auf die Wange. Es war kaum genug, dass sie es wirklich spürte und doch begann plötzlich ihr ganzer Körper zu kribbeln.

„Bis morgen“, brachte Lois mühsam hervor.

„Bis morgen“, wiederholte Clark und wandte sich dann zum Gehen.

Lois sah ihm noch nach, bis er den Weg zur Treppe hinter sich gebracht hatte. Erst dann gelang es Lois mit ihren Schlössern fertig zu werden und die Tür aufzuschließen. Sie fühlte sich angenehm leicht, was nicht unbedingt am Alkohol lag. Es war vielmehr Clarks Kuss, der sie auf Wolke Sieben katapultiert hatte. Ihr Herz klopfte schon bei dem Gedanken an den folgenden Tag. Sie musste völlig verrückt sein, sich von ihrem Partner so den Kopf verdrehen zu lassen.

Mit einem ärgerlichen Kopfschütteln stieß Lois die Tür zu ihrem Apartment auf. Sie musste vorsichtig sein, auch mit Clark. Vor allem mit Clark. Er konnte ihr vermutlich gefährlicher werden, als alle Männer ihres bisherigen Lebens zusammen. Lois seufzte unwillig, als sie ihren Mantel von den Schultern streifte. Ihre Wange prickelte praktisch noch immer von Clarks Kuss. Das waren nicht gerade die besten Vorrausetzungen, um vernünftig zu bleiben.

„Hallo, Lois“, sagte eine tiefe, männliche Stimme aus einer Ecke des Apartments heraus. Vor Schreck fuhr Lois zusammen und überlegte, ob sie diese Stimme schon einmal gehört hatte. Sie klang überheblich, arrogant. „Du kennst mich nicht, noch nicht, möchte ich sagen“, fuhr der Mann fort und trat in die Mitte des Wohnzimmers. Unwillkürlich wich Lois einen Schritt zurück und stieß dabei versehentlich gegen die Tür. Eine Welle von Panik stieg in Lois auf, als sie ins Schloss fiel.

Der Mann in ihrem Wohnzimmer war groß und kräftig gebaut. Sein blondes Haar war sorgfältig frisiert, er trug einen dunklen Anzug mit Krawatte und lächelte jovial. Er hätte vertrauenswürdig wirken können, wären da nicht dieser überhebliche Ausdruck und ein teuflisches Glitzern in seinen Augen gewesen.

„Es ist immer wieder eine faszinierende Erfahrung, der großen Lois Lane von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen“, erklärte der Mann mit einer Begeisterung, die Lois durchaus ehrlich gemeint vorkam. Sie konnte sie aber nicht so ganz nachvollziehen. Sicher, sie war eine gute Reporterin, aber da musste doch mehr sein…

„Wer sind Sie und was haben Sie in meiner Wohnung verloren?“, fragte Lois mit zusammengebissenen Zähnen und musterte den Eindringling feindselig.

„Oh, habe ich vergessen mich vorzustellen? Wie nachlässig. Mein Name ist Tempus“, erklärte er mit einem grausamen Grinsen auf den Lippen, dass Lois nicht so recht deuten konnte. „Und du Lois, hast mir etwas Wertvolles genommen, das ich mir nun zurückzuholen gedenke.“ Er lachte kehlig. „Aber zuerst hole ich mir etwas, dass sehr wertvoll für dich ist. Clark Kent.“

„Was… was soll das?“, stammelte Lois entsetzt. „Ich werde… werde sie aufhalten, Superman wird…“

„Nun, für Superman habe ich meine eigenen Pläne, aber dazu kommen wir später“, unterbrach Tempus sie kalt. Mit langen Schritten durchmaß er das Wohnzimmer und blieb nur Zentimeter vor Lois stehen. „Und nun wünsche ich angenehme Träume“, sagte er bedrohlich leise. Noch bevor Lois reagieren konnte, hatte er etwas in seiner rechten Hand. Lois hörte ein Geräusch wie von einer Spraydose, roch etwas Süßliches und musste Niesen. Dann wurde es dunkel um sie herum.
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Re: Ist Weihnachten nicht schön?

Beitragvon Vega » Mo 26. Apr 2010, 19:03

Teil 3

Einige Stunden zuvor…

„Fröhliche Weihnachten, Lois“, rief Jimmy und eilte die Rampe zu den Aufzügen hoch. Lois zögerte aus dem Aufzug zu treten, ein wenig verblüfft über die überschwängliche Begrüßung. Jimmy grinste wie ein Honigkuchenpferd und streckte ihr ein Päckchen entgegen. „Das ist für dich! Ich bin dein geheimer Nikolaus“, erklärte er und errötete bei diesen Worten ein bisschen. „Clark und Perry haben mir geholfen, die Aktion neu aufzuziehen, nachdem…“, er stockte und hustete verlegen.

Lois musste lachen. „Oh, Jimmy, das ist doch nicht deine Schuld gewesen. Und außerdem waren wir alle nicht ganz wir selbst, wenn ich mich recht erinnere“, gab sie zurück und warf einen neugierigen Blick auf das Päckchen in Jimmys Händen. „Wie habt ihr das denn so schnell organisiert und warum weiß ich davon nichts?“, fragte sie neugierig

„Das war eine spontane Idee gestern Abend. Du warst schon nach Hause gegangen“, erklärte Jimmy eifrig. „Wir haben noch genug Zettel übrig, es hat längst noch nicht jeder jemanden gezogen.“ Er wies zu einer Schale hinüber, die beinahe halbvoll mit Zetteln war. „Mach das Päckchen schon auf“, drängte Jimmy Lois dann, offenbar neugierig, ob ihr sein Geschenk gefallen würde.

Lois war ein wenig skeptisch. Sie hatte schon die merkwürdigsten Wichtelgeschenke bekommen und hielt von der Tradition nicht allzu viel. Um Jimmy glücklich zu machen, strahlte Lois ihr allerbreitestes Lächeln und nahm das Geschenk entgegen. Das Päckchen war schmal und rechteckig. Auf Anhieb fiel Lois nichts ein, dass diese Form haben konnte.

„Ist es zerbrechlich?“, fragte Lois, als sie das Päckchen sorgfältig in der Hand wog.

„Mmhh, ja schon“, murmelte Jimmy und schien sich seiner Sache nicht allzu sicher zu sein.

Verwundert runzelte Lois die Stirn und begann das Geschenkband zu lösen. So langsam wurde sie doch sehr neugierig, was wohl zum Vorschein kommen würde. Sie riss an den Klebestreifen und wenig später hielt sie eine Schatulle, einem Brillenetui nicht unähnlich, in der Hand. Seitlich war ein Verschluss angebracht, den Lois aufschnappen ließ.

„Eine Sonnenbrille?“, fragte sie verwirrt, als sie Jimmys Geschenk hervorzauberte. Sie musterte die Brille von allen Seiten, für den Fall, dass es sich um einen Scherzartikel handelte. Doch die Brille wirkte vollkommen unverdächtig.

Nun war es an Jimmy breit zu grinsen. „Nein, etwas mehr als das“, erwiderte er und fuhr sich in jener nervösen Geste durchs Haar, die so typisch für ihn war. „Es ist eine Brille mit eingebauter Videokamera“, erklärte er mit einem aufgeregten Blitzen in den Augen und schien plötzlich hibbelig wie ein kleiner Schuljunge. „Ich dachte, das wäre vielleicht ganz praktisch für deine Enthüllungsstorys.“

Lois schaute Jimmy an und war sprachlos. Mitten im Winter eine Sonnenbrille zu bekommen, hatte schon etwas Merkwürdiges. Lois gehörte nicht gerade zu dem Typ Pistenhase, der die ganze Wintersaison über Ski fuhr. Aber für ein unpassendes Geschenk war Jimmys ziemlich grandios.

„Die… die war doch bestimmt viel zu teuer“, erwiderte Lois geplättet und betrachtete die Sonnenbrille näher. In einem Bügel war ein kleiner Sender eingebaut, so unauffällig, dass Lois ihn zuerst gar nicht gesehen hatte. „Wo… wo hast du so etwas überhaupt her?“, fragte sie skeptisch. Ihr schwante das solche Gerätschaften haarscharf an der Grenze zur Legalität waren.

„Die… hatte ich noch zu Hause. Mein Dad hat früher…“, er hielt kurz inne, als würde er die richtigen Worte suchen. „…auf so etwas gestanden“, fügte er dann hastig hinzu. „Er wollte sie ausrangieren und ich… habe ihn gefragt, ob ich sie haben könnte. Schätze, er fühlt sich ein bisschen schuldig, dass er so wenig Zeit für mich hat“, entgegnete Jimmy mit einem Augenzwinkern. Lois musterte ihn interessiert. Es kam nicht oft vor, dass er über seinen Vater sprach. Lois wusste nicht einmal, was er beruflich tat. „Komm mit, ich habe den Empfänger an deinen Computer angeschlossen“, drängte Jimmy aufgeregt und zog Lois mit sich die Rampe in die Redaktion hinunter.

Während Lois Jimmy folgte, wanderte ihr Blick zu Clarks Schreibtisch. Über die eineinhalb Jahre, die sie jetzt schon zusammen arbeiteten, war daraus eine liebe Gewohnheit geworden. Ihr Partner war noch nicht im Büro, aber das war nicht weiter ungewöhnlich. Ebenso regelmäßig wie er verschwand, kam er zu spät. Meist aber brachte er eine Story mit, so dass Perry zufrieden gestellt war. Insgeheim wunderte Lois sich oft, wie Clark all die Exklusivberichte über Superman an Land zog. Er wusste schon, was der Held den ganzen Morgen über getan hatte, wenn Lois noch dabei war, sich mit Koffein aufzuputschen und sich den Schlaf aus den Augen zu reiben.

„Hast du Clark heute Morgen schon gesehen?“, wollte Lois von Jimmy wissen, der fast immer aufschnappte, wo die Mitglieder der Redaktion gerade steckten.

Er blieb neben Lois’ Schreibtisch stehen, warf einen kurzen Blick hinüber auf Clarks leeren Platz und zuckte nur mit den Schultern.

„Schätze mal, irgendetwas hat ihn wohl aufgehalten. Vielleicht eine Superman-Story. Unser Held ist wohl ziemlich aktiv heute“, gab Jimmy zurück und grinste breit. „Und nun sieh dir das an“, kam er dann auf die Brille zurück und zog Lois auf ihren Stuhl. „Was auch immer die Brille sieht, kann mit diesem Programm aufgezeichnet werden. Die Reichweite des Senders beträgt fast fünf Kilometer, vielleicht sogar mehr. Ich konnte es noch nicht ausprobieren. Das ist so klasse…“ Jimmys Monolog verwandelte sich in einen Vortrag über die neuesten Errungenschaften der Technik, dem Lois nicht ganz folgen konnte oder wollte.

Ihre Gedanken wanderten ab. Sie schaute auf die Uhr. Es war nicht ungewöhnlich, dass Clark noch nicht in der Redaktion war. Aber es verursachte ihr ein ungutes Gefühl. Sie war an diesem Morgen mit Kopfschmerzen aufgewacht, vollkommen angezogen. Lois konnte sich noch gut daran erinnern, wie Clark sie am Abend nach Hause gebracht hatte. Von da an war alles nur noch ein verschwommener Alptraum, nichts Greifbares. Sie wollte mit Clark darüber sprechen und diesem merkwürdigen Umstand auf den Grund gehen. Doch ihr Partner war nicht da und mit jeder Minute, die verging, fand Lois diese Tatsache beunruhigender. In einer Ecke ihres Hirns schrillte eine Alarmglocke, aber Lois wusste beim besten Willen nicht warum.

„Hörst du mir überhaupt zu, Lois?“, fragte Jimmy nach einer Weile und blickte ein wenig beleidigt drein.

„Tut mir Leid, Jimmy“, murmelte Lois und erwiderte Jimmys Blick schuldbewusst. „Das ist wirklich ein tolles Geschenk“, ergänzte sie abwesend und schaute erneut zu Clarks immer noch leerem Platz hinüber. „Wo steckt er bloß?“, fragte sie kribbelig und ging zu dem Schreibtisch ihres Partners, um zu sehen, ob er ihr vielleicht eine Nachricht hinterlassen hatte.

„Was hast du denn, Lois?“, wollte Jimmy wissen, der ihr neugierig folgte. „Clark ist gerade mal fünf Minuten zu spät bisher. Und damit liegt er für seine Verhältnisse immer noch gut in der Zeit, denke ich.“

„Ich weiß, Jimmy“, seufzte Lois und nickte zustimmend. „Es ist nur so ein Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Wir waren gestern zusammen essen und er hat mich nach Hause gebracht. Das nächste, was ich weiß, ist, dass ich heute Morgen vollkommen angezogen in meinem Bett lag. Mir fehlen fast zwölf Stunden und nun kommt Clark nicht pünktlich“, erklärte Lois und lief derweil hastig wieder zu ihrem Schreibtisch. Sie nahm den Hörer von ihrem Telefon und tippte Clarks Nummer in die Tastatur. Mit dem Hörer am Ohr drehte sie sich wieder zu Jimmy um. „Und nun habe ich einfach Angst, dass ihm auch etwas passiert ist. Ich kann es gar nicht erklären, es ist so ein Bauchgefühl.“

Lois hörte ein Freizeichen am anderen Ende der Leitung. Das Telefon läutete bei Clark, dreimal, viermal, fünfmal. Sie ließ es weiterläuten, bis schließlich der Anrufbeantworter den Ruf entgegennahm. Mit klopfendem Herzen lauschte Lois der Ansage, hörte den Pfeifton und legte wieder auf, ohne eine Nachricht hinterlassen zu haben. Unruhig warf sie Jimmy einen Blick zu.

„Wenn er unterwegs hierher ist, kann er zu Hause nicht ans Telefon gehen“, gab Jimmy ruhig zu bedenken.

Lois nickte langsam, doch ihre Angst blieb. „Ich möchte wissen, was gestern bei mir passiert ist, Jimmy“, sagte sie leise, aber eindringlich. „Kommst… kommst du mit?“, fragte sie unsicher und ihre Stimme zitterte leicht.

„Sicher doch, Lois“, erwiderte Jimmy ein wenig verwundert. „Ich hole nur meine Jacke“, sagte er und wandte sich zum Gehen. Einen Augenblick blieb er aber doch stehen, um Lois besorgt zu mustern. Als sie ihm einen drängenden Blick zuwarf, beschloss er offenbar, sich mit weiteren Fragen zurückzuhalten und eilte davon.

Lois merkte erst jetzt, dass sie ihren Mantel noch nicht einmal ausgezogen hatte. Sie nahm sich einen Notizzettel von ihrem Schreibtisch und kritzelte hastig eine Nachricht für Clark darauf. Im Grunde hoffte sie, dass sie die Nachricht gar nicht brauchen würde. Vielleicht begegneten sie ihm ja schon auf dem Weg zum Aufzug, oder im Foyer des Daily Planet. Bestimmt war alles gut und der Gedanke, dass Clark etwas passiert sein mochte, nur ein dunkles Schreckgespenst.

Seit John Dillinger auf Clark geschossen hatte, wurde sie diesen Alptraum nicht mehr ganz los. Die Angst um Clark, sein lebloser Körper auf dem Boden, verfolgte sie in ihre Träume. Jedes Mal wenn sie dann aufwachte, kehrten der Schmerz und die Trauer zu ihr zurück, so heftig und betäubend als wäre es gerade erst geschehen. Und letztlich war es das auch. Clark war vor kaum zwei Wochen von den Toten auferstanden. Vor kaum zwei Wochen hatte Lois noch geglaubt, dass sie nie wieder glücklich werden könnte und die Welt ein einziges, trostloses Grau war. Wann immer sie von Clarks Tod träumte, musste sie mühsam darum kämpfen, sich aus dieser Hölle zu befreien. Und es dauerte jedes Mal, bis sie sich selbst davon überzeugt hatte, dass er wirklich noch lebte.

Jimmy kam zurück und von Clark fehlte noch immer jede Spur. Unwillkürlich warf Lois einen Blick auf die Uhr, überrascht wie wenig Zeit inzwischen vergangen war. An Clarks Fehlen war noch immer nichts Ungewöhnliches und dennoch verstärkte sich das ungute Gefühl in ihrer Magengrube. Sie wollte herausfinden, was mit ihr geschehen war. Gleichzeitig wäre sie gern geblieben, falls Clark in der Zwischenzeit kam. Unentschlossen blieb Lois vor ihrem Schreibtisch stehen und ließ ihren Blick zwischen Clarks Platz und dem Aufzug hin und her wandern. Die Sekunden verstrichen und nichts geschah.

„Komm jetzt“, fuhr Lois Jimmy nervös an, als wäre er derjenige, der getrödelt hatte. Jimmy kommentierte ihren Ausbruch nicht weiter, sondern folgte ihr stumm. Gemeinsam gingen sie hinüber zu den Aufzügen, stiegen in den nächsten der kam und verließen den Daily Planet kurze Zeit später.

* * *

Lois war frustriert. In der letzten halben Stunde hatte sie an einer Wohnungstür nach der anderen geklingelt. Die meisten davon öffneten sich nicht und Lois ärgerte sich darüber, dass sie nicht früher darüber nachgedacht hatte. Die meisten ihrer Nachbarn waren bei der Arbeit. Denjenigen, die zu Hause waren, musste Lois oft erst erklären, wer sie eigentlich war. Sie schämte sich ein bisschen dafür, vor allem weil Jimmy dabei war. Was musste er wohl von ihr halten? Keiner, den sie gefragt hatte, wusste etwas. Niemand schien in ihrer Wohnung gewesen zu sein und wenn doch, so war dieser Jemand sehr unauffällig gewesen. Ebenso wie Lois Lane selbst.

„Das führt zu nichts“, murmelte Lois schließlich entnervt, als auch die letzte Haustür keine Erkenntnisse gebracht hatte. Sie gehörte Lois direkter Nachbarin, der sie immerhin nicht hatte erklären müssen, dass sie in diesem Haus wohnte. „Lass uns zum Planet zurückgehen“, schlug sie bedrückt vor.

„Ist wohl besser“, stimmte Jimmy ihr zu. „Clark ist bestimmt auch längst dort“, fügte er hinzu, um Lois aufzumuntern.

Bei der Erwähnung ihres Partners verspürte Lois einen Stich, ein nagendes Gefühl, so als ob sie etwas Wichtiges vergessen hätte. Doch sie konnte es nicht greifen. Je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr schien ihr die mögliche Antwort auf ihre Fragen zu entschlüpfen. Am liebsten hätte Lois geschrieen, aber sie konnte es ja doch nicht ändern. Lois war schon bereit zu gehen, als sie plötzlich ein Telefon klingeln hörte. Die Melodie kam ihr seltsam bekannt vor und es dauerte einen Moment, bis Lois begriff, dass der Apparat in ihrer Wohnung läutete.

Erschrocken fuhr Lois zusammen. Es fehlte nicht viel und sie hätte sich an Jimmy geklammert, der ahnungslos neben ihr stand. Doch es gelang ihr gerade noch rechtzeitig, sich soweit zu fassen, dass sie ihren Wohnungsschlüssel aus ihrer Handtasche holen konnte. Mit klopfendem Herzen machte sie sich daran, ein Schloss nach dem anderen zu öffnen. Wer mochte sie anrufen? Vielleicht war es Clark, vielleicht jemand der falsch verbunden war und vielleicht… Das nagende Gefühl machte sich wieder breit, ließ Lois’ Herz noch schneller schlagen und ihre Hände zittern. Die Schlösser waren ungewöhnlich widerspenstig. Das Telefon läutete weiter, immer weiter. Es war fast so, als wüsste der Anrufer, dass sie noch etwas länger brauchte. Aber das war Unsinn, wischte Lois diesen Gedanken sofort beiseite.

Endlich stieß sie die Tür auf und rannte ins Wohnzimmer. Es läutete noch immer, als Lois den Hörer nahm.

„Hallo?“, rief sie atemlos. „Clark?“, fragte sie hoffnungsvoll. Es kam ihr selbst lächerlich vor. Warum sollte er jetzt anrufen? Nur weil er auch beim letzten Mal zufällig genau dann aufgetaucht war, als sie ihn sich herbeigewünscht hatte? „Wo hast du nur gesteckt?“, fragte sie dennoch einen Hauch verärgert.

„Hier ist nicht Clark“, sagte eine kalte, leicht arrogant klingende Männerstimme. Sie kam Lois seltsam bekannt vor. Ihr Herzklopfen verstärkte sich noch. „Ich fürchte der arme Clark ist zu beschäftigt, um ans Telefon zu kommen, Lois.“ Die Stimme war leise und trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb Angst einflößend.

„Wer… wer sind Sie?“, fragte Lois tonlos. „Was wollen Sie? Was haben Sie mit Clark gemacht?“ Mit jeder Frage wurde Lois’ Stimme ein bisschen höher. Ihr Herzklopfen beschleunigte sich noch, wurde heftiger, als wollte ihr Herz ihre Brust sprengen.

„Oh, gar nichts, Lois“, erwiderte die kalte Stimme mit einem bösen Lachen. Plötzlich konnte Lois Geräusche im Hintergrund hören, dumpfe Schreie als würde jemand mit einem Knebel im Mund versuchen sich verständlich zu machen. „Noch nicht“, fuhr die kalte Stimme bedrohlich fort. „Und das werde ich auch nicht, wenn du tust, was ich dir sage“, flüsterte er drohend. „Ich melde mich wieder.“ Lois hörte ein leises Klicken, das das Gespräch beendete. Sie starrte auf den Hörer in ihrer Hand.

Clark war in der Hand eines Wahnsinnigen.

„Nein“, hauchte Lois und hatte plötzlich das Gefühl ersticken zu müssen. „Nein…“ Ihr Hals wurde eng und ihre Welt schrumpfte um sie herum zusammen. Die kalte Stimme hallte in ihren Ohren wider, übertönte noch den dröhnenden Herzschlag. „Clark…“, keuchte sie verzweifelt und starrte auf den Telefonhörer, als könnte sie Clark durch die unterbrochene Leitung hindurch befreien.

Bilder des vergangenen Tages kehrten wieder zu ihr zurück. Ihr fröhlicher Nachmittag mit Clark, aber auch die verschwommene Erinnerung an einen Fremden in ihrer Wohnung. Er hatte sie vorgewarnt, hatte sie verspottet. Lois sah Clark vor sich, den erschrockenen Ausdruck auf seinem Gesicht, als ihn Dillingers Kugel getroffen hatte. Sie fühlte ihn wieder, den Schmerz, der sie bei diesem Anblick verschlungen hatte. Sah vor ihrem inneren Auge, wie Capones Leute Clark mitleidlos mit sich gezerrt hatten wie einen nassen Sack. Lois’ Beine gaben unter ihr nach und sie sank zu Boden, klammerte sich an ihrem Sofa fest und versuchte zu begreifen, was geschehen war.

„Lois? Geht es dir gut?“, hörte sie Jimmy aufgeregt fragen. Sie spürte, wie er ihr die Hände auf die Schultern legte. „Was ist passiert? Was ist mit Clark?“

So sehr sie auch antworten wollte, sie konnte nicht. Die Worte wollten so schnell über ihre Zunge, dass letztlich nur ein unartikulierter Laut herauskam. Lois Gedanken rasten, versuchten gleich mehrere Pläne auf einmal zu schmieden. Doch sie konnte nichts davon festhalten. Alles entglitt ihr viel zu schnell und sie spürte Tränen in ihren Augen.

„Nicht noch einmal“, murmelte sie verzweifelt vor sich hin. „Nicht noch einmal“, sagte sie erstickt.

* * *

Es dauerte eine ganze Weile, bis Lois sich wieder soweit gefasst hatte, dass sie ihre Wohnung verlassen konnte. Wie ein Automat folgte sie Jimmy bis zum Daily Planet, setzte einen Fuß vor den anderen und nahm nichts um sich herum wahr. Clark sterben zu sehen, war das Schlimmste gewesen, dass ihr je widerfahren war. Eine glückliche Fügung hatte ihr eine zweite Chance gegeben. Lois konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sich dieser Alptraum wiederholen sollte. Sie war eine Gefangene ihrer Angst und als es ihr endlich gelang, sich halbwegs von diesen Fesseln zu befreien, hatten sie und Jimmy den Daily Planet schon erreicht.

Als wäre sie aus einem Traum erwacht, wurde alles um Lois herum plötzlich lebendiger, geschäftiger. Ein Weihnachtschor gab vor dem Gebäude der Zeitung ein letztes Konzert. Und auch wenn die eigentlichen Feiertage schon vorüber waren, sammelten die letzten unermüdlichen Weihnachtsmänner noch Geld für arme Kinder. Die Schaufenster waren festlich geschmückt und Menschen liefen mit dicken Paketen durch den Schnee. Noch immer fielen dicke, weiße Flocken vom Himmel und tauchten die Welt in eine seltsam dumpfe Stille. Der Schnee knirschte unter den Stiefeln, schien aber sonst jeden Laut zu schlucken. Vielleicht lag es daran, dass kaum Autos unterwegs waren, niemand hupte und der Chor noch für ein bisschen Besinnlichkeit sorgte. Lachende Kinder spielten Fangen, während sie mit Schlittschuhen über den Schultern zur Eisfläche im Centennial Park zogen. Es war ein eigenartiger Kontrast zwischen der allgemein heiteren Stimmung in der Stadt und Lois’ eigenen Empfindungen. Ihr Blick blieb auf den Schlittschuhen hängen, während sie den Kindern nachsah.

~ ~ ~

„Das Essen war toll, Clark. Danke für die Einladung“, sagte Lois warmherzig, als Clark ihr in den Mantel half. „Ich… ehrlich gesagt hatte ich mir Weihnachten mit dir nicht so vorgestellt“, murmelte sie dann und blickte verlegen zu Boden.

„Nicht?“, fragte Clark überrascht. „Wie dann?“ Neugier leuchtete aus seinen Augen und ein schalkhaftes Lächeln verbarg sich in seinen Mundwinkeln.

Lois zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, groß vermutlich und bunt und…“, sie stockte, weil sie sich selbst reichlich dumm vorkam. „Du hast so von der Feier bei deinen Eltern geschwärmt, von deiner Familie. Ich dachte vermutlich, dass ihr euch alle in Smallville versammelt und ein riesiges, lautes Fest veranstaltet.“ Sie schaute Clark an und wusste, dass allein die Vorstellung im Grunde lächerlich war. Er war einfach kein Mensch für laute Feste, das hätte ihr klar sein müssen. Und dennoch hätte sie gerne gewusst, was genau er für sie aufgegeben hatte.

Clark lachte, reichte ihr den Schal und hielt ihr dann die Tür auf. „So riesig ist meine Familie nun auch wieder nicht“, wiegelte er ab. „Da sind Mom und Dad und ich glaube, dass Tante Opal auch das ein oder andere Mal zu Besuch kam.“

„Ich kann einfach nicht glauben, dass du Weihnachten mit deiner Familie für mich geopfert hast, Clark“, gab Lois zurück. „Das Essen deiner Mutter wäre doch bestimmt besser gewesen, als dieser halb vertrocknete Truthahn, den ich zu Stande bringen konnte. Ich meine…“, sie brach ab und verbarg die Hände, mit denen sie eben noch wild gestikuliert hatte, beschämt in ihren Ärmeln.

Eine feine Röte überzog Clarks Gesicht und Lois fragte sich, ob das nur an der klirrenden Kälte liegen mochte. Er schien unangenehm berührt und fiel in einen recht strammen Schritt zurück zum Centennial Park. Lois musste sich beeilen, um ihm folgen zu können. Erst als er wieder langsamer wurde, gelang es ihr wirklich aufzuschließen.

„Ich habe nichts geopfert, Lois“, sagte Clark leise, als sie wieder nebeneinander gingen. „Gestern hatte ich viel Spaß und ich hoffe ehrlich gesagt, dass es dir genauso ging. Es stimmt schon, dass Weihnachten ein Fest ist, dass ich gerne mit meiner Familie verbringe. Doch in den letzten eineinhalb Jahren bist du für mich eben auch Familie geworden. Ich hätte dich auch gerne nach Smallville eingeladen, aber das…“, er holte tief Luft und für einen Moment dachte Lois, dass er den Satz nicht beenden würde. Sie schaute ihn an, merkte, wie er mit den Worten rang. „…das ging nicht“, fügte er schließlich hinzu.

Die Frage ‚Warum?’ hing förmlich in der Luft und Lois hätte sie nur zu gerne gestellt. Doch sie ahnte, dass ihm die Antwort unangenehm war. Clark hätte sich nicht so darum gedrückt, wenn es da nichts zu verbergen gäbe. Und gerade die Geheimnisse ihres Partners machten Lois besonders neugierig. Doch dieses eine Mal beschloss sie, auf eine Nachfrage zu verzichten. Sie wollte sich den Tag nicht durch ihre Neugier und Unnachgiebigkeit verderben.

„Und? Was machen wir jetzt?“, fragte sie stattdessen und hoffte, dass Clark noch nicht daran dachte, sie nach Hause zu bringen.

„Das wirst du schon sehen“, erklärte er mit einem schelmischen Lächeln, legte seinen Arm um ihre Schultern und zog sie sanft mit sich.

Der Weg führte tiefer in den Park hinein. Links und rechts des Weges säumten verschneite Bäume den Weg. Hin und wieder gab ein Ast unter der Last nach und Schnee rieselte in einem dichten Vorhang auf die Erde. Ringsumher war der Schnee unberührt und so setzten Lois und Clark als erste ihre Fußspuren in die weiße Pracht. Ein dumpfes Knirschen begleitete jeden ihrer Schritte. Mit der Zeit mehrten sich die Fußspuren. Schlittenspuren gesellten sich dazu und bald hörte Lois die freudigen Rufe von Kindern, die im Schnee spielten. Die Allee, der sie bisher gefolgt waren, verlor sich in einem weiten Platz und Lois erinnerte sich plötzlich daran, dass hier sonst ein kleiner See war. Nun war er dick zugefroren und Schlittschuhläufer drehten darauf ihre Runden.
Vega
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Re: Ist Weihnachten nicht schön?

Beitragvon Vega » Mo 26. Apr 2010, 19:05

Teil 4:

Lois empfand die Fahrt im Aufzug als quälend langsam. Es dauerte schier endlos, bis er auf jedem Stockwerk gehalten hatte. Unzählige Menschen drängten sich herein und hinaus. Jeder von ihnen schien besonders langsam zu gehen. Doch vielleicht kam Lois das in ihrer Unruhe auch nur so vor. Innerlich feuerte sie den Fahrstuhl an und überlegte mehr als einmal, ob sie nicht besser beraten war, die Treppen zu nehmen. Doch jedes Mal, wenn sie diesen Beschluss gerade gefasst hatte, schlossen sich die Türen wieder und der Fahrstuhl erklomm das nächst höhere Stockwerk. Jimmy neben ihr machte die Fahrt offenbar nichts aus. Er schaute nur ab und zu besorgt zu Lois hinüber, die von einem Fuß auf den anderen trat, bis sie schließlich die Redaktion erreichten.

Dort angekommen, sprang sie sofort aus dem Fahrstuhl und eilte die Rampe hinunter. Ihr Blick glitt wieder hektisch über die Schreibtische. Clarks Platz war leer, er stand nicht an der Kaffeemaschine, saß nicht im Konferenzraum und ebenso wenig in Perrys Büro. Erneut stieg Panik in Lois auf, obwohl sie im Grunde auf Clarks Fehlen vorbereitet gewesen war. Ihr Atem flog und ihr Magen verkrampfte sich schmerzhaft. Wieder ließ sie ihren Blick schweifen und hoffte auf ein Wunder. Doch Clark war nirgends zu sehen. Ohne Umwege stürzte Lois in Perrys Büro. Sie machte sich nicht einmal die Mühe dort anzuklopfen.

„War Clark schon hier?“, fragte sie atemlos und es gelang ihr gerade noch rechtzeitig stehen zu bleiben. Um ein Haar wäre sie in Perrys Schreibtisch gerannt. Überrascht und offenbar erschrocken, schaute ihr Chefredakteur von seiner Arbeit auf. „Haben…haben Sie ihn gesehen, Perry?“ Lois’ Stimme überschlug sich und sie fühlte, wie sich ein schwerer Stein in ihrem Magen festsetzte, als der Chefredakteur langsam den Kopf schüttelte.

„Nein, Clark ist bisher noch nicht gekommen. Ich hatte eigentlich vor Sie zu fragen, wo er steckt, Lois“, erwiderte er und blickte besorgt drein. „Es ist gar nicht seine Art einfach so unangekündigt zu fehlen“, fuhr er fort und blickte auf seine Uhr.

Unwillkürlich tat Lois es ihm nach und war entsetzt darüber, wie viel Zeit vergangen war, seit sie zusammen mit Jimmy den Planet verlassen hatte. Es war schon nach zehn Uhr. Nun war Clark ganz eindeutig ungewöhnlich spät. Perry musterte Lois aufmerksam und die feinen Sorgenrunzeln auf seiner Stirn vertieften sich noch. Es war eben unmöglich, etwas vor Perry geheim zu halten. Er deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und nickte dann zur Tür. Lois hörte, wie sie sich öffnete und wieder schloss, während sie kraftlos auf den Stuhl sank.

„Was ist denn los, Lois?“, fragten Perry und Jimmy, der gerade hereingekommen war, beinahe gleichzeitig.

„Ich versuche das schon die ganze Zeit aus ihr herauszubringen, Chef“, erklärte Jimmy aufgeregt und schaute zu Lois hinüber, die ein wenig apathisch auf dem Stuhl zusammen gesunken war. „Jemand hat sie in ihrer Wohnung angerufen. Nachdem sie aufgelegt hatte, hat sie nur noch ‚Nicht schon wieder’ vor sich hingemurmelt. Ich habe gedacht, es wäre das Beste, wenn wir hierher zurückgehen.“ Er zuckte die Achseln und schaute Perry entschuldigend an. Seine Wangen röteten sich, so als schämte er sich dafür, dass er keine bessere Idee gehabt hatte.

Perry hingegen nickte nur, sagte aber nichts, sondern stand auf und ging um seinen Schreibtisch herum. Väterlich legte er eine Hand auf Lois’ Schulter und brachte sie mit der anderen dazu, ihn anzuschauen. Sie blinzelte heftig und Tränen liefen über ihre Wangen.

„Sie wissen, was mit Clark ist, habe ich recht?“, fragte Perry liebevoll und warmherzig.

„Er ist entführt worden, Perry“, gab Lois tonlos zurück. „Jemand hat Clark entführt und wird ihm etwas tun, wenn ich seinen Forderungen nicht nachkomme“, sagte Lois mühsam. „Ich kann ihn nicht noch einmal verlieren Perry“, brach es dann aus ihr heraus. „Nicht noch einmal, ohne dass ich ihm gesagt habe, dass…“, ihre Stimme brach und sie begann heftig zu Schluchzen. Die Bilder kehrten unwillkürlich zu ihr zurück, überfielen sie wieder mit aller Macht. Clarks lebloser Körper, der ihren Armen entrissen wurde. Wenn sie ihn nicht fand, konnte sie nicht einmal einen letzten Blick auf ihn werfen. Selbst die süße Erinnerung des vergangenen Tages wollte kein Trost sein.

Perry zauberte ein Taschentuch aus dem Nichts hervor, das er Lois wortlos reichte. Dann wanderte sein Blick zu Jimmy, der ihn ratlos erwiderte. Eine ganze Weile herrschte Stille im Büro des Chefredakteurs, unterbrochen nur von Lois’ leisen Schluchzern. Sie schämte sich dafür, dass sie einfach so auf Perrys Stuhl saß und die Fassung verlor. Lois Lane gab schließlich niemals auf, hatte immer gute Ideen und war noch aus der brenzligsten Situation entkommen. Sie wollte stark sein für Clark, der nun in den Händen irgendeines Verrückten war und um sein Leben fürchten musste. Aber Lois fühlte sich nicht stark, nicht im Mindesten. Der Gedanke, dass sie Clark für immer verlieren könnte, lähmte sie statt sie anzutreiben.

„Wo bei allen Songs von Elvis steckt eigentlich Superman?“, fragte Perry plötzlich auf seine raubeinige Art, die er immer an den Tag legte, wenn ihn etwas zu überfordern drohte.

„Superman“, hauchte Lois und spürte, wie wieder Gefühl in ihren Körper zurückkehrte. „Ja, sicher. Er kann Clark bestimmt finden. Warum habe ich nicht gleich daran gedacht?“ Sie tupfte sich die Tränen vom Gesicht und straffte ihre Schultern. Auf einmal war sie viel zuversichtlicher.

Nur Jimmy schien den neuen Mut nicht zu teilen. „Habt ihr nicht gesehen? Es läuft auf allen Kanälen“, sagte er leise. „Da ist ein Tsunami in Asien. Mit dem ist er schon den ganzen Morgen über beschäftigt. Und es sieht nicht so aus, als würde er in naher Zeit wieder zurückkommen“, endete er schließlich verlegen, als sei es seine Schuld, das Superman wohl ausbleiben würde.

Perry und Lois sahen sich an. Es dauerte eine ganze Weile bis einer von beiden sich wieder rührte. Die unermüdliche Kraft, mit der Lois sonst nach Storys jagte und gegen ihre Feinde kämpfte, hatte einen schweren Dämpfer erhalten. Aber Lois Lane wäre nicht Lois Lane, wenn sie sich endgültig hätte entmutigen lassen. Vielmehr stand sie nach ein paar Minuten auf und straffte erneut die Schultern. Ihre Miene war kampfbereit und Jimmy wich reflexartig einen Schritt zurück.

„Gut“, sagte Lois schließlich und nur noch ein leichtes Zittern in ihrer Stimme verriet ihre Anspannung. „Wir müssen herausfinden, wer Clark entführt hat und was er von mir will“, zählte Lois auf. Dann wandte sie sich Jimmy zu. „Kannst du mir eine Liste von allen Leuten machen, denen Clark und ich in letzter Zeit auf die Füße getreten sind?“, bat sie geschäftig. „Der Anrufer war ein Mann, klang ziemlich arrogant. Also vermutlich jemand, der reich ist“, überlegte Lois und wurde dann wieder still. Ihre Stirn zog sich in Falten, während sie über etwas nachdachte. Sie erinnerte sich daran, dass der Entführer sie besucht hatte, aber sie hatte kein Bild von ihm vor Augen. „Das ist alles“, fügte sie enttäuscht hinzu.

Jimmy nickte und machte sich sofort auf den Weg, offenbar froh darüber etwas tun zu können. Perry blickte ihm zufrieden hinterher, doch dann wurde sein Ausdruck wieder sorgenvoll.

„Sind Sie sich ganz sicher, dass er Clark hat, Lois?“, fragte er leise.

Lois schaute Perry verwundert an und wollte schon ja sagen, als ihr bewusst wurde, dass sie tatsächlich keinen Beweis hatte. Also schüttelte sie langsam den Kopf und versuchte sich mit diesem berechtigten Einwurf neuen Mut zu machen.

„Sie meinen es könnte ein Bluff sein?“, fragte Lois hoffnungsvoll und wieder einmal zog sich ihr Magen schmerzhaft zusammen. „Aber wer würde einen so schlimmen Scherz mit mir treiben?“, sagte sie mit einem dicken Kloß im Hals. Sie hatte sich ja kaum selbst eingestanden, dass sie Clark liebte. Wie sollte jemand ahnen, wie sehr sie dieser Verlust treffen würde? Wie sollte jemand wissen, dass sie nicht ohne ihn leben konnte? Und wer konnte überhaupt so grausam sein?

„Ich weiß es nicht, Lois. Aber Sie sollten über diese Möglichkeit nachdenken“, meinte Perry und fuhr überrascht zusammen, als sein Telefon läutete. „Entschuldigen Sie mich bitte kurz, das ist bestimmt die Anzeigenabteilung. Die wollten zurückrufen.“ Der Apparat klingelte weiter, bis Perry um den Schreibtisch herumgegangen war und abgehoben hatte.

„White“, bellte er in den Hörer. Während die Person am anderen Ende sprach, wechselte Perrys rosige Gesichtsfarbe zu einem blass-gräulichen Ton. „Es ist für dich, Lois“, sagte er krächzend und hielt Lois den Telefonhörer hin.

Sie nahm ihn mit zitternden Fingern entgegen. „Lois Lane“, meldete sie sich leise und spürte, wie ihr Atem sich sofort beschleunigte.

„Schön, dass ich dich so schnell erreichen konnte, Lois“, sagte die arrogante Stimme gespielt freundlich. „Ich denke, es wird Zeit, dass wir darüber reden, was du für mich tun sollst“, erklärte er und lachte amüsiert.

Lois’ Zunge klebte ihr am Gaumen. Sie wusste, dass es nun an ihr war, die Initiative zu übernehmen. Hilflos starrte sie auf Perry, der wild gestikulierend vor ihr hin und her sprang. Langsam kehrte die Erinnerung an ihr Gespräch zurück. Sie holte tief Luft und versuchte ihren Atem zu beruhigen. Wenn sie Clark retten wollte, musste sie einen kühlen Kopf bewahren. Sie dürfte nicht verzweifeln und diesen Mann seine Spielchen mit ihr treiben lassen. Sie dürfte sich nicht davon einschüchtern lassen, dass der Kerl offenbar genau wusste, wo sie steckte. Es war schließlich ein Hinweis, ein deutlicher Hinweis, redete Lois sich gut zu.

„Woher weiß ich, dass Sie Clark tatsächlich haben“, gab sie zurück, ihre Stimme klar und kalt. „Ich werde gar nichts tun, bevor ich nicht weiß, dass es meinem Partner gut geht.“

Der Mann am anderen Ende der Leitung lachte wieder. „Partner? Das ist wirklich zu süß, Lois. Wo du doch völlig verrückt nach diesem Kerl bist“, erklärte er mit einer Überzeugung, die Lois zunächst sprachlos machte. „Oder hast du selbst das noch nicht herausgefunden? Manchmal frage ich mich wirklich, wie so eine galaktisch einfältige Frau nur solchen Erfolg haben konnte“, höhnte er ungläubig. Sein Lachen war verstummt, wie es überhaupt sehr leise am anderen Apparat war.

Lois’ Gedanken rasten. Woher konnte er das wissen? Bisher hatten sie nicht mehr als ein weihnachtliches Abendessen mit Clark geteilt. Sie arbeiteten zusammen und es war schließlich eine Ewigkeit her, seit sie sich das letzte Mal geküsst hatten. Wie konnte er wissen, was Lois selbst nicht einmal mit Sicherheit wusste? Sie hörte ihren dröhnenden Herzschlag, fühlte ihren rasenden Puls. Sonst schien um sie herum alles verstummt. Selbst Perry saß nur noch blass am Schreibtisch und seine Unterlippe zitterte in ängstlicher Erwartung. Aus dem Telefon kam kein Laut und Lois fürchtete schon, der geheimnisvolle Anrufer könnte aufgelegt haben. Dann hörte sie ihn schließlich atmen.

„Du wirst deinen Beweis schon noch bekommen, Lois“, versprach er dann mit dem Hauch einer Drohung in der Stimme, die Lois einen eisigen Schauer den Rücken hinunter jagte. „Wir sprechen uns wieder.“ Dann legte er auf.
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Re: Ist Weihnachten nicht schön?

Beitragvon Vega » Mo 26. Apr 2010, 19:08

Teil 5

Clark tauchte nicht im Daily Planet auf und auch Superman machte keine Anstalten nach Metropolis zurückzukehren. Die Nachrichten zeigten unablässig verwackelte Bilder von einem schlimmen Sturm. Ab und zu zischte ein blauroter Schatten durchs Bild, doch mehr war von Supermans Rettungsaktionen nicht zu sehen. Lois schaute immer wieder abwesend auf die Bildschirme, die doch keine Neuigkeiten lieferten.

Den Blick auf den Weihnachtsbaum, der mitten in der Redaktion thronte, vermied sie, so gut es eben ging. Er erinnerte sie nur an den vergangenen Tag, an Clark und daran, wie schön es mit ihm zusammen gewesen war. Sie wollte sich nicht ausmalen, dass sie vielleicht das letzte Mal mit ihm zusammen Schlittschuh gelaufen war. Lois machte sich Vorwürfe, dass sie nicht einmal ein Weihnachtsgeschenk für ihn gehabt hatte. Clark hatte ihr die Welt zu Füßen gelegt und sie hatte sich nicht einmal mit einem anständigen Abschiedskuss revanchiert. Wie sollte sie damit leben, wenn das ihre letzte Erinnerung an ihn war – ein vermasselter Abschied...

Lois zwang sich dazu, sich wieder auf die Liste in ihrer Hand zu konzentrieren. Jimmy hatte sie zusammengestellt. Dort mochte die Lösung ihrer Probleme liegen und nicht in den Horrorvisionen, die sich vor ihrem inneren Auge abspielte.

Während Lois versuchte, die Redaktion um sich herum auszublenden, ging sie die Liste mindestens zum fünften Mal durch. Nichts schien zu passen. Diejenigen, die ein echtes Interesse daran haben konnten sich an Lois und Clark zu rächen, saßen zum großen Teil noch im Gefängnis. Keiner von denen, die draußen waren, kannte Lois gut genug um zu wissen, wo sie wohnte und was sie für Clark empfand.

„Hast du etwas gefunden?“, fragte Jimmy leise, als er an Lois’ Schreibtisch vorbeikam.

Lois schreckte auf und starrte ihren jungen Kollegen einen Moment lang entgeistert an. Sie war es so sehr gewohnt, dass Clark diese Frage stellte, dass ihr Herz im ersten Moment einen Hüpfer gemacht hatte. Als sie Jimmy erkannte, traf sie die Enttäuschung mit geballter Macht.

„Ach, du bist es“, murmelte sie niedergeschlagen. „Nein, ich habe nichts gefunden“, fuhr sie dann fort, während es ihr langsam gelang, sich zu erholen. Jimmy konnte schließlich nichts dafür. „Es muss jemand sein, der die Gepflogenheiten im Planet kennt“, fasste Lois dann ihre bisherigen Überlegungen zusammen. „Wer immer Clark entführt hat, muss uns beobachten. Ich meine, wie sonst hätte er wissen sollen, wann ich in Perrys Büro bin? Woher wusste er, wann ich zu Hause sein würde?“ Sie schaute Jimmy an, der nachdenklich nickte.

Er kam um den Schreibtisch herum, um über Lois’ Schulter besser auf die Liste schauen zu können. Die meisten Namen hatte Lois bereits durchgestrichen. Es waren Kandidaten, die noch im Gefängnis saßen. Nur neben einigen wenigen Namen stand ein Fragezeichen. Jimmy stand eine Weile schweigend neben Lois, dann zeigte er auf einen Namen. Lois wartete gar nicht ab, bis er etwas gesagt hatte, sondern schüttelte nur den Kopf.

„Michael Baxter würde es weniger subtil anfangen“, erklärte sie sofort. „Er wäre nicht schlau genug so etwa einzufädeln. Wenn er Clark etwas antun wollte, hätte er ihn eher auf offener Straße verprügelt.“ Sie seufzte frustriert und warf die Liste auf ihren Schreibtisch. „Das hat doch alles keinen Sinn“, stieß sie hervor und sprang von ihrem Schreibtischstuhl auf. „Ich kann hier nicht einfach nur so herum hocken und Listen anstarren.“ Ihre Stimme wurde lauter und einige Kollegen schauten schon zu ihr hinüber.

„Aber wo willst du denn sonst anfangen, Lois?“, gab Jimmy nervös zu bedenken. „Niemand in deinem Apartmenthaus hat etwas gesehen. Und Clark wohnt auch nicht gerade in einer Gegend voller aufmerksamer Nachbarn.“ Er verfiel in Schweigen und sah Lois ängstlich an, so als fürchtete er, dass jedes weitere Wort ihn den Kopf kosten könnte. „Ich denke, dass wer auch immer Clark entführt hat, wohl keine Zeugen hatte“, fügte er dennoch leise hinzu.

Lois nickte betrübt. „Das fürchte ich auch“, stimmte sie ihm zu. „Aber ich glaube nicht, dass wir weiter kommen, wenn ich diese Liste noch hundert Mal durchgehe. Was uns wirklich helfen würde, wäre Superman zu finden. Aber der ist immer noch ziemlich beschäftigt“, sagte sie mit einer Mischung aus Wut und Enttäuschung. Lois ging zu den Bildschirmen hinüber, aber noch immer deutete sich nicht an, dass Superman in naher Zukunft nach Metropolis zurückkehren würde.

„Ich kann nicht länger einfach hier herumstehen“, stellte Lois dann fest und wandte sich an Jimmy, der ihr gefolgt war. „Halt du hier die Stellung und ruf mich an, wenn es etwa neues gibt. Ich schaue, ob ich Clark nicht doch finden kann“, meinte Lois hastig und hatte sich schon halb von Jimmy abgewandt.

„Wo willst du denn suchen?“, fragte Jimmy verwundert.

„In Clarks Wohnung vielleicht“, sagte Lois achselzuckend. „Ich weiß auch nicht, Jimmy.“

Sie stürmte an ihm vorbei und zurück zu ihrem Schreibtisch, nahm ihren Mantel und stieß dabei einen Haufen Blätter von der Tischplatte. Prompt wirbelten sie im hohen Bogen durch die Luft und sich weit um ihren Schreibtisch herum verteilten. Lois fluchte leise, warf noch einen kurzen Blick auf das Chaos und schüttelte den Kopf. Dafür hatte sie jetzt keine Zeit. Sie musste Clark finden, bevor es zu spät war. Am besten bevor der Entführer wieder anrief, damit sie ihm ordentlich die Meinung sagen konnte. Sie hätte Supermans Hilfe gut gebrauchen können. Aber letztlich konnte Lois Lane ihre Probleme auch allein lösen.

Der Aufzug wartete schon auf Lois, als sie die Rampe hinauf eilte. Sie sprang hinein, fuhr ins Erdgeschoss und stand so nur Minuten später auf der Straße. Der Verkehr war hektisch wie immer und Lois hob eine Hand, um ein Taxi zu rufen. Es dauerte nicht lange, bis eines neben ihr hielt. Bevor sie einstieg, schickte Lois noch ein Stoßgebet zum Himmel, dass er ihr Superman schicken sollte. Und wenn es ging, Clark gleich dazu.

Die Fahrt zu Clarks Apartment war verhältnismäßig kurz. Allerdings war Lois immer wieder darüber erstaunt, dass ihr Partner die Strecke tatsächlich jeden Morgen zu Fuß ging. Zum Laufen wäre Lois der Weg zu weit gewesen, vor allem, da sie nicht gerade ein Morgenmensch war. Warum Clark freiwillig so früh aufstand und dann auch noch in so einer schäbigen Gegend wohnte, ging wirklich über ihre Vorstellungskraft. Als das Taxi vor dem richtigen Wohnhaus hielt, konnte Lois den Fahrer gar nicht schnell genug bezahlen. Sie fiel beinahe über ihre eigenen Füße, als sie die vielen Treppen nach oben eilte.

Vor Clarks Haustür angekommen, musste Lois sich dazu zwingen, nicht einfach die Tür einzutreten. Es war ein Gebot der Höflichkeit zunächst einmal zu klingeln. Sie trat von einem Fuß auf den anderen, während sie wartete. Dabei ahnte sie längst, dass das Wunder nicht geschehen würde. Sie hatte nicht einmal versucht, ihn zu Hause anzurufen. Es war ein dummes Versäumnis, dass musste sie sich ehrlicher Weise eingestehen. Aber es änderte auch nichts an den Tatsachen. Ihr Klingeln blieb unbeantwortet. Clark war nicht zu Hause.

Es überraschte Lois ein wenig, dass Clarks Haustür nicht weihnachtlich geschmückt war. Sie hatte mindestens einen Kranz und mehrere Dutzend Lichter erwartet. Doch er hatte sich nicht die Mühe gemacht seine Haustür zu dekorieren. Unruhig starrte Lois durch die Fenster, drückte ihre Nase an der Scheibe platt und konnte doch nichts erkennen. Als ein paar Minuten später sich hinter Clarks Tür noch immer nichts gerührt hatte, kramte Lois in ihrer Handtasche nach einem Dietrich.

Es war nicht das erste Mal, dass sie eine Tür unerlaubt öffnete. Und mit einem raschen Blick auf Clarks Schloss stellte Lois fest, dass er keinerlei Einbruchschutz angebracht hatte. Ein säuerliches Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie sich daran machte, das Schloss zu öffnen. Clark hatte offenbar nichts daraus gelernt, dass Jack bei ihm eingebrochen war. Vielleicht hatte ihm seine laxe Auffassung von Sicherheit ja auch dieses Schlamassel eingebrockt, ihm und ihr. Lois benötigte nur Sekunden, um in die Wohnung zu kommen. Auf den ersten Blick wirkte alles ordentlich. Es gab keinen Hinweis auf einen Kampf. Entweder hatte der Entführer Clark im Schlaf überrascht, oder er war Clark nicht an diesem Ort begegnet.

„Clark?“, rief sie ohne große Hoffnung und drückte die Tür hinter sich ins Schloss. „Clark, bist du da?“

Es war bedrückend still in der Wohnung. Ein paar Kleider lagen ordentlich zusammengefaltet über dem Sofa. Als Lois die kurze Treppe ins Wohnzimmer hinunter ging, erkannte sie, dass es sich um einen von Clarks Anzügen handelte. Eine Krawatte, die Lois noch nicht kannte, lag geknüpft daneben. Also hatte Clark durchaus vorgehabt, an diesem Tag zur Arbeit zu kommen. Der Entführer musste ihn davon abgehalten haben. Lois’ Magen verkrampfte sich und sie beeilte sich weiter zu kommen.

In der Küche war alles gespült, Clarks Bett war gemacht und selbst das Badezimmer wirkte wie frisch gesäubert. Lois fand das äußerst merkwürdig, vor allem, da sie nicht annahm, dass ein möglicher Entführer ihm genug Zeit für diese Vorbereitungen gelassen hatte. Wie konnte es sein, dass er exakt den Moment abpasste, in dem Clark seinen Haushalt in Ordnung gebracht hatte, aber noch nicht auf dem Weg zur Arbeit war? Sie schüttelte verwundert den Kopf und kehrte ins Wohnzimmer zurück.

Ihr Blick fiel auf den kleinen Tisch vor dem Fernseher, der als einziger nicht perfekt aufgeräumt war. Ein Videoband thronte in der Mitte. Es erinnerte Lois an Clark und seine miesen Ausreden. Wenn dies ein normaler Tag gewesen wäre, hätte er es wohl vorgeschoben, um sich mal wieder aus dem Staub zu machen. Nun fehlte jede Spur von ihm und dazu hatte er das Video nicht einmal gebraucht. Aus einer unbestimmten Laune heraus ging Lois zu dem Tisch hinüber und nahm das Band in die Hand. Es sah nicht aus, als stammte es aus einer Videothek. Neugierig drehte Lois die Kassette in ihrer Hand und betrachtete sie von allen Seiten. Sie stutzt, als sie ihren Namen darauf entdeckte.

Ihr Herz setzte einen Schlag aus und beschleunigte sich dann jäh. Lois ahnte, was das zu bedeuten hatte und diese Bedeutung machte ihr Angst. Beinahe hätte sie das Band wieder auf den Tisch geschmettert, weil sie es im Grunde gar nicht sehen wollte. Doch wenn auch nur eine kleine Chance bestand, dass ihr das Band dabei half, Clark zu befreien, dann musste sie diese Gelegenheit nutzen. Mit zitternden Fingern holte Lois das Video aus seiner schützenden Papphülle. Sie lief hinüber zu Clarks Fernseher und beim dritten Versuch gelang es ihr auch, das Band in den Recorder einzulegen. Hektisch schaltete sie den Fernseher ein. Er flackerte, wurde heller und zeigte dann einen Mann auf einem Stuhl. Es war Clark und er sah fürchterlich aus.

<Wie du siehst, Lois, habe ich deinen Freund tatsächlich>, sagte die kalte, arrogante Stimme des Entführers. Allein der Klang genügte inzwischen, um Lois einen Schauer über den Rücken zu jagen. <Ich fürchte, er war in einem etwas besseren Zustand, als du ihn das letzte Mal gesehen hast, nicht wahr?>, fragte der Entführer spöttisch.

Die Kamera zoomte näher an Clark heran und Lois musste unwillkürlich schlucken. Dicke Blutergüsse prangten um seine Augen, die beinahe zugeschwollen waren. Clarks Kopf hing erschöpft auf der Brust und nur das regelmäßige Heben und Senken seiner Schultern bewies, dass er noch atmete. Lois sank kraftlos gegen Clarks Couchtisch zurück.

„Oh, mein Gott, Clark“, flüsterte sie schockiert und eine Träne bahnte sich ihren Weg über Lois’ Wange.

<Aber das ist ja auch kein Wunder. Schließlich ist Eislaufen und Kakao trinken sehr viel angenehmer, als entführt zu werden.> Der Entführer, der noch immer im Hintergrund blieb, lachte über seinen eigenen Scherz. Lois konnte ihm nichts Komisches abgewinnen. Ihr wurde bei seinen Worten nur angst und bange. Wie kam es, dass er so genau über sie und Clark Bescheid wusste? Hatte er diese Informationen aus Clark herausgeprügelt? Allein der Gedanke verursachte Lois Übelkeit <Wie auch immer, es wird Zeit, dass wir übers Geschäft reden, Lois. Wenn du diesen Langweiler von Clark wiederhaben willst…>, erklärte er verächtlich. <…dann musst du eine Kleinigkeit für mich erledigen. Ich möchte, dass du heute um fünf Uhr in Lex Luthors Bunker kommst. Alles Weitere wirst du dort erfahren. Und ich würde dir raten, sämtliche Sonnenbrillen zu lassen, wo sie sind. In einem Bunker ist es viel zu dunkel, um cool zu sein.>

Das Bild wurde plötzlich schwarz und dann sah Lois nur noch Schneegestöber. Ihr ganzer Körper fühlte sich taub an und sie versuchte verzweifelt ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. Sie warf einen raschen Blick auf die Uhr. Noch vier Stunden blieben ihr bis fünf Uhr, bis sie wissen musste, wie sie mit der Situation umgehen wollte. Mechanisch stand sie auf und schaltete den Fernseher aus. Es war mehr ein Reflex, als eine geplante Handlung. Sie wollte etwas zu tun haben, völlig egal was. Nicht zuletzt deshalb begann Lois wie aufgezogen durch Clarks Wohnung zu laufen.

Woher wusste dieser Entführer das nur alles? Jimmys Sonnenbrille, ihre Unternehmungen mit Clark. Vielleicht beobachtete er sie ja schon seit Tagen! Der Gedanke verursachte Lois Übelkeit. War dieser Kerl ihnen bis zu Callards gefolgt? Bis in den Centennial Park? War er an diesem Morgen im Planet gewesen? Oder hatte er am Ende überall Kameras installiert? Lois begann Clarks Apartment gezielt zu durchsuchen, aber nichts darin wirkte verdächtig.

Wie ein aufgescheuchtes Huhn rannte Lois umher und als sie wieder zu sich kam, stand sie auf Clarks Balkon. Eisiger Wind pfiff um das Haus und blies Schneeflocken auf die kleine Dachterasse. Ein paar Pflanzen standen in einer Ecke und trugen dicke Mützen aus Schnee. Sie sahen recht bemitleidenswert aus, während sie versuchten ihre Blätter trotz der Last in den Himmel zu strecken. Der Schnee auf dem Balkon war völlig unberührt, ein weiteres Indiz dafür, dass in dieser Wohnung schon länger niemand mehr gewesen war.

Lois schaute den Schneeflocken beim Tanzen zu, während sie sich bemühte nachzudenken. Gern hätte sie nun Clark an ihrer Seite gehabt, der eigentlich immer einen guten Rat wusste. Oder Superman, der mit diesem Entführer bestimmt im Handumdrehen fertig würde. Für ihn wäre es gar kein Problem, Clark zu finden. Warum musste er auch ausgerechnet in solch einem Moment in Asien sein?

„Ach, Superman, ich könnte jetzt wirklich mal deine Hilfe brauchen“, sagte Lois unglücklich. Der Wind wirbelte ihr Schnee ins Gesicht und sie musste blinzeln, als sich die kalten Flocken in ihren Wimpern verfingen. „Clark, wo steckst du nur?“

Jimmy hatte gesagt, dass Superman so schnell nicht zurückkehren würde. Vielleicht hatte er Unrecht, dachte Lois verzweifelt. Diese Chance auf Hilfe konnte sie sich doch nicht entgehen lassen. Sie musste es wenigstens um Clarks Willen versuchen.

„Superman! Superman!“, schrie Lois, so laut sie konnte. Der unablässig fallende Schnee schien allen Schall zu schlucken. „Superman!!!“, rief Lois erneut und blickte hoffnungsvoll in den Himmel, wartete darauf, dass ein Mann in Blau und Rot erschien, um den Tag zu retten.

Aber er kam nicht. Minuten vergingen, während denen nichts weiter geschah, als dass noch mehr Schnee fiel. Von Superman fehlte jede Spur. Lois blickte angestrengt in die Ferne, entdeckte die Weihnachtsbäume von Clarks Nachbarn, hörte einen Chor leise singen. Superman sah sie nirgends. Asien war vermutlich viel zu weit weg, als dass Superman sie hätte hören können. Doch Lois harrte noch auf dem Balkon aus, während ihr die Kälte in jeden Knochen drang und ihre Finger schon zu schmerzen begannen.

Ihre Gedanken kreisten um das, was sie über den Entführer wusste. Es war nicht viel. Sie konnte sich allenfalls schemenhaft an sein Gesicht erinnern. Sie dachte an Jimmys Geschenk, aber ihr fiel beim besten Willen nicht ein, wie ihr die Brille nutzen konnte. Selbst wenn sie den Entführer unbemerkt filmen könnte, würde ihr das wohl kaum dabei helfen, Clark zu retten. Vielleicht war es das Beste, wenn sie jetzt schon zu Lex’ Bunker ging, statt untätig in Clarks Wohnung zu sitzen. Es sah ihr ohnehin nicht ähnlich, sich so gehen zu lassen.

Lois beeilte sich, zurück in Clarks Wohnzimmer zu kommen. Sie sammelte ihren Mantel auf und sah sich um, ob sie sonst noch etwas brauchen würde. Beinahe war sie schon auf dem Weg zur Tür, als wieder einmal das Telefon Unheil verkündend klingelte. Lois schloss ihre Augen und versuchte tief durchzuatmen, um die aufkommende Übelkeit zu bezwingen. Vielleicht war es Jimmy, der ihr sagen wollte, dass er Clark gefunden hatte. Doch es gelang Lois nicht, sich wirklich davon zu überzeugen. Die nackte Angst saß ihr im Genick Ihr Körper begann zu kribbeln und sie fühlte, wie ihre Finger taub wurden. Wie in Trance schlich Lois zum Telefon hinüber und hob ab.

„Ja?“, fragte sie schwach.

„Wie dumm von dir, Superman rufen zu wollen“, antwortete wieder die Stimme des Entführers. „Weißt du was, Lois? Ich habe es mir anders überlegt. Du hast fünfzehn Minuten, um zu mir zu kommen. Lex Luthors Bunker. Ich hoffe, du erinnerst dich“, sagte er kalt.

„Fünfzehn Minuten?“, keuchte Lois ungläubig. Panik stieg in ihr auf. „Das… das kann ich gar nicht schaffen“, versuchte sie zu widersprechen.

„Dann beeilst du dich besser“, erwiderte er ungerührt. „Die Zeit läuft.“
Vega
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Re: Ist Weihnachten nicht schön?

Beitragvon Vega » Mo 26. Apr 2010, 19:14

Teil 6

Lois hätte nicht sagen können, wie genau sie durch die Stadt gekommen war. Sie warf einen hektischen Blick auf ihre Armbanduhr, während sie versuchte sich zu erinnern, wo der genaue Eingang zu Luthors Bunker lag. Die Erinnerung an jenen Tag schien aus einem anderen Leben zu stammen, einem Leben in dem ihre größte Sorge Superman gegolten hatte. Nun konnte sie nur an Clark denken, daran wie sie ihn hatte sterben sehen. Das wollte sie nicht noch einmal erleben. Wieder glitt ihr Blick hektisch zur Uhr. Es blieb nicht mehr viel Zeit und der Uhrzeiger rückte unbarmherzig vor, fraß die Sekunden und damit ihre Chance Clark noch rechtzeitig zu retten.

Die Straßen um Lois herum waren bevölkert, die Menschen eilten geschäftig weiter, vorbei an den leblosen Häuserfronten. Sie stammten aus den frühen Tagen von Metropolis, hatten einmal Banken und großen Warenhausketten gehört. Doch nun passten sie nicht mehr in die Geschäftswelt. Hier und da waren noch kleine Läden, die bisher knapp dem Ruin entronnen waren. Sie hatten ihre Schaufenster weihnachtlich geschmückt, Musik schallte aus den Geschäften und brachte ein bisschen Trost in diese halb verfallene Welt.

Lois stolperte an der Häuserzeile vorbei und wäre gern schneller vorangekommen, als ihre Füße sie ließen. Dunkel konnte sich Lois an einen kleinen Teeladen erinnern, an den Hauseingang daneben, in dessen Keller Lex sie geführt hatte. Sie wusste nicht einmal, ob das Geschäft noch existierte. Wieder schaute sie ängstlich auf die Uhr. Sie hatte keine Zeit mehr, keine Zeit Clark zu finden, den Bunker, oder sich einen Plan zu Clarks Rettung zurechtzulegen. Lois rannte weiter und entdeckte den Hauseingang im letzten Moment. Sie stürzte hinein, wäre beinahe die Treppe hinuntergefallen und stand schließlich im Dunkeln.

Ihr Herz klopfte laut, während ihre Hände nach einem Schalter tasteten. Die nackten Wände waren kalt, stellenweise auch feucht. Es roch modrig und um Lois herum war es fürchterlich still. Jeder ihrer Schritte hallte von den Wänden wieder und das Geräusch trieb ihren Pulsschlag noch weiter in die Höhe.

„Clark?“, rief sie in die Dunkelheit hinein und erwartete beinahe ein Echo zu hören. Es kam nicht. „Clark, bist du hier?“, wiederholte sie und hätte viel darum gegeben einen letzten Blick auf die Uhr zu werfen.

War die viertel Stunde schon abgelaufen, obwohl sie sich alle Mühe gegeben hatte, die Zeit einzuhalten? Wo steckten Clark und der Entführer? Was musste sie hier unten tun? Und woher wusste dieser fürchterliche Kerl so viel über sie? Jimmy hatte ihr die Sonnenbrille doch gerade erst geschenkt. Lois wurde immer nervöser, während ihre Finger über die feuchten Wände glitten. Es schien keinen Lichtschalter zu geben. Vielleicht gab es nicht einmal Lampen. Zu Lex Zeiten hatte es welche gegeben, doch das musste schließlich nichts heißen.

„Clark?“, rief Lois wieder, lauter als zuvor. Sie spürte den Schluchzer, der in ihrer Kehle steckte. Mühsam kämpfte sie ihn zurück und gab sich alle Mühe ihre Fassung zu behalten. Wer wusste schon, wozu sie sie noch brauchen konnte.

Ein leises Klopfen in der Ferne weckte Lois’ Aufmerksamkeit. Tock-Tock-Tock. Sie lauschte angestrengt. Es klopfte wieder, dreimal schnell hintereinander. Dann in längeren Abständen und erneut in rascher Folge. Das Klopfen wurde lauter, hallte durch den Keller. Dreimal schnell, dann dreimal langsam. Es dauerte einen Moment, bis Lois begriff, was das sein sollte. Es waren Morsezeichen, SOS. Auf einmal hatte Lois den Lichtschalter vergessen und stolperte in die Dunkelheit.

„Clark“, flüsterte sie hoffnungsvoll, „Clark, hör nicht auf.“

Ihre Augen gewöhnten sich langsam an das spärliche Licht und schemenhaft konnte sie vor sich einen Gang erkennen. Sie folgte ihm, folgte dem Klopfen, das mit jedem ihrer Schritte lauter wurde. Angetrieben von der Hoffnung Clark doch noch befreien zu können, bevor der Entführer ihm etwas antat, beschleunigte Lois ihre Schritte. Sie rannte beinahe und versuchte gleichzeitig so leise wie möglich ihre Füße aufzusetzen. Was, wenn sie versehentlich an ihrem Partner vorbeilief? Was, wenn Sie sich verriet? Clark würde nicht Klopfen, wenn der Entführer in der Nähe war. Aber er mochte nahe genug sein, um das Klackern ihrer Absätze zu hören. Sie wagte es nicht, erneut seinen Namen zu rufen. Nur leise voran, dann würde alles gut werden.

<Hallo, Lois>, sprach plötzlich die kalte Stimme des Entführers aus der Dunkelheit. <Schön, dass du hergefunden hast.>

Erschrocken blickte Lois sich um, doch sie konnte niemanden entdecken. Dann flammte plötzlich etwas Buntes neben ihr auf und Lois blickte in das böse lächelnde Gesicht eines Mannes. Ein Bildschirm hing an einer der Wände. Das Gesicht des Mannes kam ihr vage bekannt vor und Lois erinnerte sich plötzlich daran, dass er es gewesen war, der sie in ihrer Wohnung heimgesucht hatte.

<Ist es nicht befreiend zu wissen, dass du Clark dieses Mal helfen kannst?>, fragte Tempus mit einem fiesen Grinsen. Plötzlich konnte Lois sich auch an seinen Namen wieder erinnern. <Du musst nur diese Kleinigkeit für mich erledigen, dann werde ich deinem Clark nichts tun. Andernfalls…>, fügte er drohend hinzu und die Kamera fuhr plötzlich zurück. Tempus Arm war ausgestreckt und er hielt eine Pistole an Clarks Kopf, der wie ein Häufchen Elend neben ihm saß. Das Lächeln, das Tempus Lippen umspielte, verursachte Lois Übelkeit.

„Was?“, brüllte Lois verzweifelt. „Was soll ich denn tun?“ Sie fühlte, wie ihr nun auch der letzte Rest Kontrolle entglitt. Sie sah Tempus Finger um den Abzug der Waffe, konnte dabei zuschauen, wie sich die Muskulatur an seinem Unterarm spannte, während er den Finger krümmte. Heiße Tränen liefen über ihre Wangen.

<Superman töten, Lois>, erklärte Tempus schlicht, als ob die Antwort völlig offensichtlich ist. <Oh, ich liebe Ironie>, fügte er süffisant hinzu.

„Hilfe, Superman!“, dröhnte eine laute Stimme aus dem Nirgendwo durch den Bunker und erschütterte Lois bis ins Mark. Ihr wurde schlecht.

<Dort drin findest du alles was du brauchst>, erklärte Tempus selbstzufrieden. Ein Licht ging neben Lois an und beleuchtete einen Koffer. <Und vergiss nicht, ich beobachte dich. Clark hier wird nur weiterleben, wenn du meinen Wunsch befolgst.> Wieder presste er die Pistole an Clarks Kopf, der angsterfüllt seine zu geschwollenen Augen schloss. Er zitterte, ebenso wie Lois, die hilflos dabei zusehen musste, wie Tempus die Pistole entsicherte. Seine Finger wanderten zum Abzug, schlossen sich darum.

<Lois…>, hörte sie Clark heiser flehen. <Tu es nicht>

„Und woher weiß ich, dass Sie ihr versprechen halten?“, fragte Lois erstickt. „Woher…“ Sie konnte nicht weiter sprechen.

<Lois, nein… Es ist nicht wichtig, was mit mir geschieht. Bitte…>, brachte Clark mit zitternder Stimme mühsam hervor. Neben ihm holte Tempus mit der Waffe aus und schlug Clark bewusstlos.

<Das reicht jetzt!>, erklärte er grausam und blickte Lois mit einem satanischen Lächeln an. <Noch lebt er, Lois. Du weißt was du zu tun hast.>

Dann wurde der Bildschirm schwarz, ohne dass Lois ihre Frage beantwortet bekommen hätte. Am ganzen Leib zitternd ging sie zu dem Koffer hinüber. Wie konnte dieser Tempus sie vor so eine grausame Wahl stellen? Clark oder Superman? Lois ahnte, dass ihr keine Zeit mehr blieb, eine Lösung für das Problem zu finden. Der Koffer, der im Lichtkegel vor ihr lag, schnappte von selbst auf. Das Licht erlosch und übrig blieb nur ein grausig, grünliches Schimmern. Dann hörte sie plötzlich das allzu vertraute Rauschen, ein paar Füße die auf dem Boden aufschlugen.

<Tick-tack, Lois. Tick-tack>, flüsterte die kalte Stimme von Tempus aus der Dunkelheit. Seine Falle amüsierte ihn hörbar. Ein kalter Schauer lief Lois über den Rücken und sie fühlte, wie ihr Hals langsam enger wurde. Sie hatte das Gefühl nicht mehr atmen zu können.

„Wo sind Sie?“, rief Supermans vertraute Stimme warmherzig und besorgt. „Sind Sie verletzt?“

Lois versuchte etwas zu sagen, aber sie brachte keinen Laut hervor. Stattdessen starrte sie wie gebannt auf die Armbrust im Koffer und den grün leuchtenden Pfeil. Tempus’ Worte hallten in ihren Kopf nach. Tick-tack. Sie sah Clark vor sich, die Pistole, die Tempus ihm an die Schläfe drückte. Erneut überlief sie ein Zittern. Tick-tack, flüsterte Tempus in ihren Gedanken. Tick-tack.

„Wenn Sie mich rufen, werde ich sie schneller finden“, sagte Superman ahnungslos.

Lois hörte seine Schritte, hörte, wie er dem Gang immer weiter folgte und ihr mit jedem seiner Schritte näher kam. Sie musste ihn warnen, sie musste Clark retten, sie musste einen Weg finden, sie beide am Leben zu lassen. Ihre Gedanken kreisten unablässig um dasselbe Thema, doch sie konnte sich nicht konzentrieren, konnte sie nicht festhalten und in Ruhe überlegen, was zu tun war.

<Nimm sie>, flüsterte Tempus von den Wänden. <Nimm sie, ich zähle bis drei.>, drohte er leise, aber nicht weniger beängstigend. <Eins… Zwei…>

Lois’ Herz klopfte laut, während sie hektisch überlegte, was sie tun sollte. Sie brauchte Zeit, mehr Zeit, um auf die rettende Idee zu kommen. Und dieser Kerl sah alles. Er würde wissen, wenn sie ihm nicht Folge leistete. Sie musste Clark mehr Zeit verschaffen, ihm und sich.

~ ~ ~

„Wenn du diesen Plan ausgeheckt hast, um mir Weihnachten schmackhaft zu machen…“, setzte Lois an.

Clark unterbrach sie. „Alles was ich möchte, ist eine schöne Zeit mit einer guten Freundin zu verbringen, Lois. Keine Hintergedanken. Und wir machen einen großen Bogen um jeden Mistelzweig, wenn dir das lieber ist“, bot er mit einem verlegenen Lächeln an.


~ ~ ~

Lois wollte Clark nicht verlieren, ohne ihn wenigstens einmal unter dem Mistelzweig geküsst zu haben. Sie hatten eine Chance verdient, eine richtige und nicht nur ein klein wenig geborgte Zeit. Mit geschlossenen Augen zwang Lois sich dazu die Waffe zu nehmen. Ihre Hände zitterten fast zu sehr, um sie wirklich fest zu halten.

<Ich muss sie ja nicht abdrücken>, dachte sie verzweifelt, während sie die Augen wieder öffnete. Superman war nur noch ein paar Schritte von ihr entfernt. Im Schatten verborgen, war er nur schemenhaft zu erkennen. <Mir fällt bestimmt noch etwas ein. Ich brauche nur mehr Zeit>, versuchte sie sich selbst Mut zu machen. Superman machte einen weiteren Schritt auf sie zu.

„Ganz ruhig“, brachte Lois leise und erstickt hervor. Sie sagte es mehr zu sich selbst, als tatsächlich an Superman gewandt. Er war schließlich immer ruhig, wusste immer einen Rat. Ganz ähnlich wie Clark. Sie hätte die beiden jetzt gut gebrauchen können. In einer Situation wie dieser fiel es ihr nicht einmal schwer sich einzugestehen, dass sie Hilfe benötigte. Sie wollte alles andere sein, als die taffe Reporterin, die alles im Griff hatte. „Ganz ruhig“, wiederholte sie, um sich wieder unter Kontrolle zu bringen.

Superman wich einen Schritt von ihr zurück. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, aber sie ahnte, dass er das Kryptonit spürte. Lois ging bewusst langsam, achtete darauf, dass die Waffe nicht wirklich auf ihn zielte, sondern knapp daneben. Sie würde Clark nicht helfen können, wenn sie Superman schwächte. Es musste einen Weg geben sie beide zu retten und Lois würde ihn finden. Und dazu brauchte sie Superman bei Kräften. Ihre Hände zitterten, ihr Atem flog, ihr Magen revoltierte. Sie wollte das nicht tun, wollte Superman nicht bedrohen. Kryptonit war das Letzte, was sie in ihren Händen halten wollte. Aber sie brauchte mehr Zeit, mehr Zeit für Clark. Tempus beobachtete sie und sie hatte gesehen, dass er keine Gnade kannte.

„Was…was wollen Sie?“, fragte Superman und es schmerzte Lois die Angst in seiner Stimme zu hören.

Es war irritierend, weil er niemals Angst zu haben schien. Superman wich weiter zurück, weg von Lois und in den dunklen Gang hinein. Lois spürte förmlich Tempus’ Blick in ihrem Nacken. Sie sah ihn vor ihrem geistigen Auge, ihn und Clark. Die Panik überrollte Lois in Wellen und sie heftete ihren Blick fest auf Superman. Er war die einzige Chance, die sie und Clark vielleicht haben mochte. Sie brauchte einen Plan und bis sie den hatte, musste sie Tempus davon überzeugen, dass sie seine Forderung erfüllen würde.

„Legen Sie die Waffe ab“, bat Superman unfassbar ruhig. „Es gibt bestimmt eine andere Lösung“, sagte er leise, aber bestimmt. Eine Zuversicht lag in seinen Worten, die Lois nicht empfinden konnte. Aber sie musste sich an diese Hoffnung klammern.

„Nein“, entgegnete sie dennoch keuchend. „Nein, es gibt keinen Ausweg“, fügte sie hinzu und musste sich nicht einmal Mühe geben, um völlig verzweifelt zu klingen. Das war sie längst.

„Es gibt immer einen Ausweg“, versuchte er es in seiner ruhigen Art noch einmal und schaute grob in ihre Richtung. „Sie wollen das doch nicht tun. Lassen Sie uns darüber reden“, bot er an.

„Glaubst du im Ernst, ich würde hier stehen, wenn ich eine Wahl hätte? Es gibt keinen Ausweg!“, erwiderte sie heftig und ihre Stimme überschlug sich fast. „Für keinen von uns“, fügte sie tonlos hinzu. <Bitte versteh, dass es hier um mehr geht, als dich und mich>, flehte sie Superman im Stillen an.

„Warum sagen Sie mir nicht, was los ist? Vielleicht kann ich helfen“, brachte er hervor und klang nun doch deutlich angespannt. „Noch ist es nicht zu spät“, sagte er und seine Stimme zitterte ein wenig. Lois konnte nur hoffen, dass es Angst und nicht Schwäche war, die das Zittern verursachte.

„Doch, das ist es“, entgegnete Lois heiser und machte einen weiteren Schritt auf Superman zu, heraus aus dem Schatten. Aus den Schemen wurde ein Gesicht, ängstlich und erschrocken, als er sie hinter der Waffe erkannte. „Er… er wird ihn sonst töten“, brachte sie mühsam hervor und hoffte, dass Superman ahnte, von wem sie sprach. Er musste ihr einfach helfen. Schließlich hatte er bisher noch für jedes Problem eine Lösung gefunden. „Ich…kann das nicht tun“, würgte sie und trat einen Schritt zurück, wieder in den Schatten hinein. Der rettende Plan wollte Lois einfach nicht einfallen. Die Minuten, die ihr blieben, schrumpften auf ein Nichts zusammen. Tempus würde ihr nicht mehr lange Zeit lassen, würde früher oder später merken, dass sie die Armbrust nicht auf Superman richtete. „Aber… aber ich muss“, murmelte sie gequält, versuchte ihren inneren Kampf für Tempus darzustellen und hoffte, dass er ihr dann mehr Zeit einräumte. „Er wird es sonst wissen, wenn… wenn… er wird ihn töten“, keuchte sie verzweifelt.

Plötzlich erfüllte ein hohes Sirren die Luft. Die Armbrust zuckte in ihrer Hand, als der Pfeil von der Sehne schnellte. Lois erstarrte. Ihr Finger war nicht einmal in der Nähe des Abzugs gewesen, da war sie sich völlig sicher. Und dennoch flog der Pfeil, als hätte er einen eigenen Willen entwickelt. Ihr Blick glitt in die Dunkelheit, folgte dem Pfeil angsterfüllt. Obwohl es sich nur um Bruchteile von Sekunden handeln konnte, kam es ihr doch wie eine Ewigkeit vor, in der sie noch hoffte und bangte. Doch dann hallte ein erschütternder Aufschrei in den Gängen des Bunkers wider. Superman stöhnte und ging dann mit einem dumpfen Schlag zu Boden.

„Nein“, flüsterte Lois entsetzt und starrte auf die leere Armbrust in ihren Händen. „Superman“, brachte sie mühsam hervor. Sie hätte es nicht tun können, hatte es nie vorgehabt. „Superman!“, schrie sie laut und voller Panik. „Oh, mein Gott, ich wollte doch nur ein bisschen mehr Zeit“, würgte sie hervor, als ihr das ganze Ausmaß ihrer Schuld bewusst wurde und sie mit tonnenschwerer Macht zu Boden zu drücken drohte. Er antwortete nicht, gab nicht mal einen Laut von sich.

„Er ist tot, Lois“, meldete sich Tempus’ Stimme hinterhältig. „Er ist tot und du hast ihn umgebracht.“ Er lachte ein heiseres Lachen, dass sich bis zum Wahnsinn steigerte. Wieder flammte ein Bildschirm neben Lois auf. Sie hätte nicht sagen können, ob es derselbe war. „Und weißt du was das Beste ist, Lois? Ich hatte Clark gar nicht. Der Kerl war nur ein Double und leckt vermutlich jetzt irgendwo seine Wunden.“ Wieder erklang ein hohes, heiseres Lachen, dass Lois einen Schauer den Rücken hinunter jagte. „Du bist wirklich galaktisch einfältig, Lois“, prustete Tempus mit verzerrtem Gesicht. „Superman ist Clark! Clark ist Superman! Du wolltest ihn retten und hast ihn dabei selbst umgebracht.“ Plötzlich tauchte jemand hinter Tempus auf, den Lois nicht erkennen konnte. Er war klein, kleiner als Tempus, der den Neuankömmling offenbar nicht bemerkt hatte. „Oh, ich liebe diese Ironie“, ergänzte er kichernd.

Der Mann hinter Tempus legte eine Hand auf dessen Schulter und brachte ihn dazu sich umzudrehen. Eine Faust folgte so schnell, dass Lois kaum mit dem Zusehen hinterher kam. Mit einem Stöhnen ging Tempus zu Boden.

„Das reicht jetzt“, hörte Lois jemanden sagen. Dann wurde der Bildschirm schwarz.

Wie versteinert blinzelte Lois und starrte noch immer in die Richtung, in der der Bildschirm hing. Nun konnte sie ihn nicht mehr sehen. Ihr Herz klopfte wie wild und sie versuchte zu begreifen, was soeben geschehen war. Tempus hatte behauptet, dass Clark… Es schien unmöglich, absurd sogar. Aber dennoch war es wie das fehlende Teil eines Puzzles, ohne dass das Gesamtbild nicht zu erkennen war. Plötzlich ergaben all die merkwürdigen Dinge im Zusammenhang mit Clark einen Sinn. Die Erkenntnis nahm Lois die Luft. Und die Welt um sie herum wurde schwarz, noch schwärzer als ohnehin schon.
Vega
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Re: Ist Weihnachten nicht schön?

Beitragvon Vega » So 2. Mai 2010, 09:52

Teil 7

Clark fühlte sich, als wäre er von einem Zug überrollt worden. Seine Muskeln protestierten schmerzhaft, als er sich aufrichten wollte. Er versuchte sich daran zu erinnern, was genau geschehen war. Aber das verursachte ihm nur Kopfschmerzen. Dem Gefühl von Übelkeit und Schwäche nach zu urteilen, musste Kryptonit in der Nähe sein. Bilder blitzten wild durch seinen Kopf, die absolut keinen Sinn ergaben. Warum hätte Lois ihn mit einer Armbrust bedrohen sollen? Warum auf ihn schießen? Und warum brannte seine Seite so?

Clark öffnete die Augen, aber das hätte er genauso gut auch lassen können. Es war stockfinster um ihn herum. Nur in der Ferne leuchtete etwas schwach grünlich - der Kryptonitpfeil. Es hatte ihn also gegeben. Wenn das so war, dann hatte er sich vermutlich auch die anderen verrückten Dinge nicht einfach nur eingebildet. Lois hatte tatsächlich auf ihn geschossen. Clark wandte seinen Kopf in die andere Richtung, aber auf dieser Seite war es noch finsterer.

„Lois?“, rief er in die Dunkelheit hinein. Er bekam keine Antwort. Seine Stimme hallte nur von den Wänden wider und verlor sich in den Gängen. „Lois, wo bist du?“, rief er wieder. „Kannst du mich hören?“ Es blieb still.

Dann wurde es auf einen Schlag heller. Leuchtstoffröhren an der Decke zündeten geräuschvoll. Es blitzte ein paar Mal auf, dann wurde es hell um Clark. Er blinzelte und konnte trotz des Lichts nichts erkennen, da er geblendet war. Unwillig unterdrückte Clark einen Fluch, der ihm auf den Lippen lag. Er war so sehr daran gewöhnt, sich auf seine Kräfte zu verlassen. Dass ihn nun schon seine ganz normalen Sinne im Stich ließen, frustrierte ihn maßlos. Doch wenigstens seine Ohren taten noch ihren Dienst und so hörte Clark Schritte, die schnell näher kamen.

Hastig blickte er sich um, suchte nach einem möglichen Versteck. Aber was das anging, hatten ihn seine Augen zuvor trotz des Einflusses von Kryptonit nicht getäuscht. Die Wände waren aus Beton, glatt und türlos. Er konnte einzig und allein tiefer in den Bunker hineinlaufen, dorthin wo er Lois vermutete. Ob er so auch fliehen konnte, stand allerdings in den Sternen. Momentan war er ein leichtes Opfer. Clark rappelte sich trotzdem auf und musste sich gegen die Wand stützen, um nicht gleich wieder umzufallen. Der Kryptonitpfeil hatte ihn zwar dank seiner schnellen Reaktion nur gestreift, aber er hatte dennoch ganze Arbeit geleistet.

Mühsam machte Clark den nächsten Schritt und biss die Zähne zusammen. Wenn er wenigstens Lois finden konnte, fiel ihnen gemeinsam vielleicht etwas ein, um aus dieser Falle zu entkommen. Die Schritte hinter ihm wurden lauter und trafen in schneller Folge auf dem Boden auf. Wer immer in diesen Bunker kam, rannte. Clark hielt sich die Seite, während er voran humpelte. Lois konnte nicht weit entfernt sein, aber seine Schritte waren langsam und ließen selbst einen kurzen Weg endlos lang erscheinen. Clark konnte nur hoffen, dass seine Partnerin hinter der nächsten Biegung versteckt war und nicht mit weiteren Pfeilen auf ihn wartete.

Die Schritte wurden noch lauter und Clark schaute über seine Schulter zurück, was er augenblicklich bereute. Das Ziehen in seiner Seite riss ihn beinahe von den Füßen und es kostete ihn alle Beherrschung, deren er fähig war, um nicht einfach aufzuschreien. Unwillkürlich hielt er inne, auch wenn es ihm lieber gewesen wäre, weiter voran zu laufen. Er hörte, wie der Läufer immer näher kam und noch beschleunigte. Ein Blick zurück zu der Stelle, an der der Gang einen neunzig Grad Knick machte, sagte ihm, dass er sie vermutlich nicht mehr rechtzeitig erreichen würde. Es waren kaum mehr als drei Meter und doch schien die Distanz für Clark unüberwindbar.

„Superman“, rief plötzlich jemand in seinem Rücken. „Superman, ich bin es, Jimmy Olsen“, erklärte der rasende Fotograf, der so gerne einer von den Großen werden wollte.

„Jimmy!“, keuchte Clark mit einer Mischung aus Überraschung und Erschöpfung. Selten war er so froh gewesen, den jungen Mann zu sehen.

„Superman, wo ist Lois?“, drängte Jimmy nervös. „Was ist passiert? Ich habe mir Sorgen gemacht, als…“, er hörte erschrocken auf zu sprechen, als er sah, wie Superman sich gegen die Wand lehnte und die Augen schloss. „Geht es dir nicht gut?“, fragte er leise.

„Ging schon mal besser“, gestand Clark dumpf. „Ich habe nach Lois gerufen, aber sie antwortet nicht. Wenn sie nicht unbemerkt an mir vorbeigekommen ist, muss sie tiefer in diesem Bunker stecken“, erklärte er und schaute Jimmy bittend an. „Kannst… kannst du nach ihr suchen?“, bat er, peinlich berührt, weil er nicht gerne so völlig nutzlos war. „Aber sei bitte vorsichtig.“ Jimmy nickte ernsthaft und betrachtete Superman besorgt. „Ich komm schon zurecht“, wehrte Clark ab, als er Jimmys Blick auffing. „Lois ist jetzt wichtiger.“

Wieder nickte Jimmy und eilte an Clark vorbei, der ihm nur langsam folgte. Im Nu hatte Jimmy die drei Meter hinter sich gebracht und war außer Sichtweite. Doch nur den Bruchteil einer Sekunde erschien er und winkte Superman aufgeregt zu.

„Hier ist sie. Bewusstlos, aber sie atmet. Soweit ich sehen kann, ist sie unverletzt“, spulte er so schnell herunter, dass es beinahe so klang, als wäre alles ein einziges Wort gewesen.

Angespornt von Jimmys Nachricht, beschleunigte Clark seine Schritte und stand wenig später prustend neben seinem jungen Kollegen. Sterne tanzten vor seinen Augen und er rang nach Luft. Leise verfluchte er das Kryptonit, seine lädierte Seite und sein Schicksal. Warum mussten ihn seine Kräfte auch ausgerechnet in Situationen wie diesen im Stich lassen? Etwas ungeschickt fiel Clark neben Lois auf die Knie und begann sie mit geübten Händen zu untersuchen. Er versuchte sogar ihr Skelett mit dem Röntgenblick auf Brüche zu untersuchen, aber das ließ nur seinen Schädel brummen. Sehen konnte er nichts.

„Ich denke, das ist der Schock“, fasste Clark schließlich seine Befunde zusammen.

„Kein Wunder“, murmelte Jimmy mitfühlend. „Arme Lois. Apropos, weißt du eigentlich wo Clark steckt? Ich hätte ja vermutet, dass der Entführer ihn in seiner Nähe behält, aber ich habe ihn nirgendwo gesehen.“

„Clark?“, fragte Superman verwirrt. „Jimmy, wovon sprichst du?“

„Weißt du nicht…“, begann Jimmy überrascht, beschloss dann aber offenbar mit einer Erklärung herauszurücken, statt sich über die seltsamen Ereignisse zu wundern. „Da war dieser Typ, der Clark entführt hat. Er hat Lois hierher bestellt, damit sie etwas für ihn erledigt. Sonst, hatte er gedroht, würde sie Clark nie wieder sehen.“ Er kniete sich neben Clark und betrachtete seine reglose Kollegin eingehend. „Sag mal, wie machst du das immer?“, wechselte er das Thema. „Ich meine, wenn Lois nicht aufwacht, müssen wir sie schließlich tragen. Oder kannst du…?“ Er schaute Superman ratlos an. „Wenn ich doch nur wüsste, wo Clark steckt. Auf dem Video des Entführer sah er einfach fürchterlich aus und... Lois war seinetwegen halb verrückt vor Sorge und…“, er schluchzte plötzlich auf. „Ich habe Angst, dass dieser Kerl Clark umgebracht hat“, ergänzte Jimmy verzweifelt.

Superman konnte seinen Freund nur anstarren. „Umgebracht?“, sagte er tonlos und musste schlucken. „Jimmy, ich bin mir ziemlich sicher, das Clark nicht tot ist. Und…“, er hielt kurz inne, um nach den richtigen Worten zu suchen. „und entführt wurde er auch nicht. Ich habe ihn kurz bevor ich hierher geflogen bin noch in seiner Wohnung gesehen…“, er stockte, weil ihm die Erklärung doch allzu merkwürdig vorkam. „Meine Anzüge hängen bei ihm, weißt du. Er… er wäscht sie für mich“, fügte er deshalb rasch hinzu. Nun, das war wenigstens nicht völlig gelogen, dachte Clark erleichtert, während er sich weiter mit Lois beschäftigte.

„Superman, ich habe ihn gesehen“, widersprach Jimmy heftig. „In seiner Wohnung war eine Videokassette, die der Entführer aufgenommen hatte. Ich habe mir Sorgen um Lois gemacht und bin ihr gefolgt“, fügte er entschuldigend hinzu. „Der Kerl hatte Clark fürchterlich zugerichtet. Wie kannst du dir da so sicher sein, dass es ihm gut geht?“, fragte er zweifelnd.

„Weil ich Clark bin, Jimmy“, gab Superman leise zurück. Er hatte nicht die Energie sich weitere Lügen auszudenken. „Was meinst du, warum du nie meine Brille anziehen darfst? Superman ist nur eine Verkleidung, damit ich meine Kräfte einsetzen kann“, erklärte Clark müde.

Jimmy starrte ihn nur an und schien nicht zu wissen, ob er Clark glauben sollte. „Willst du damit etwas sagen, dass es stimmt, was dieser Verrückte da erzählt hat?“ fragte er ungläubig. „Ich… ich dachte der spinnt sich nur einen zusammen. Ich meine – du kannst doch nicht – Clark ist doch nicht…“ stammelte Jimmy.

Zur Antwort rappelte sich Clark auf und sammelte alle Kraft, die er noch hatte. Jetzt, wo er nicht mehr in der Nähe des Kryptonits war, fühlte er sich schon besser. Als Superman konnte er ohnehin nur auffallen. Superman ging nicht zu Fuß und er blutete schon gar nicht. Mit etwas Konzentration gelang es Clark in seine Alltagskleidung zu rotieren. Jimmy schrie auf, als Clark aus einem Farbwirbel vor ihm auftaucht. Die Krawatte war nur lose gebunden und das Hemd hing ihm halb aus der Hose, doch er war unverkennbar Clark. Von einem heftigen Schwindelgefühl gepackt, musste er sich gegen die Wand stützen. Jimmy schien das nicht weiter aufzufallen. Er war viel zu schockiert über Supermans Offenbarung.

„Bei allen Hits von Elvis“, keuchte Jimmy erstaunt. Dann begann er unsicher zu lächeln und atmete sichtlich auf.

„Mann, bin ich froh, dass du noch lebst. Lois dachte schon, dass alles von vorne losgehen würde, du weißt schon, als wir alle dachten, das du… das Clark…“, er schüttelte verwirrt den Kopf, offenbar nicht sicher, wie er mit der veränderten Situation umgehen sollte. Er sprach nicht weiter.

Das war auch gar nicht notwendig. Clark erinnerte sich nur allzu gut. Und so langsam ging ihm ein Licht auf. Sein Magen verkrampfte sich bei dem Gedanken daran, was dieser so genannte Entführer Lois angetan hatte. Es war schlimm genug gewesen, dass Clark einmal vor ihren Augen gestorben war. Und das hatte er schließlich nicht absichtlich getan.

„Wenn doch nur Lois aufwachen würde. Du könntest sie bestimmt beruhigen“, warf Jimmy besorgt ein.

„Da bin ich mir nicht so sicher“, murmelte Clark bedrückt. „Wir sollte sie an die frische Luft bringen. Wenn es stimmt, was du sagst, dann glaubt sie, dass Clark tot ist und sie Superman umgebracht hat. Kein Wunder, das sie lieber nicht aufwachen will. Das würde ich auch nicht wollen“, fügte er mitleidig hinzu und strich sanft über Lois’ Wange. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was sie durchgemacht hatte.

„Ich kann einfach nicht glauben, dass du tatsächlich Superman bist… Ich meine, das Clark…“ Er verstummte, unfähig die richtigen Worte zu finden. „Lois weiß das nicht, stimmt’s?“ flüsterte er rau.

„Nein“, erwiderte Clark bedrückt. „Ich hätte es ihr längst sagen sollen. Dann säßen wir jetzt nicht in diesem Schlamassel. Aber ich wusste nicht wie sie reagieren würde, wenn sie erfährt, dass ich sie die ganzen Jahre über angelogen haben.“

Jimmy nickte bei seinen Worten. „Sie würde dir vermutlich den Kopf abreißen“, stellte er ungerührt fest und Clark hatte das Gefühl, dass er damit den Nagel auf den Kopf traf. Jetzt noch mehr, als je zuvor. „Aber wie bringen wir sie nun nach draußen? Ich glaube nicht, dass ich Lois allein tragen kann und du…“, er blickte betreten zu Boden.

„Ist schon gut, Jimmy“, winkte Clark ab. „Meine Kräfte sind zwar weg, aber ich glaube, für einen Menschen bin ich langsam wieder normal stark. Für Lois sollte das reichen“, erklärte er zuversichtlicher, als er sich fühlte. Er war immer noch sehr schwach und er hatte den Verdacht, dass dieser Zustand noch eine ganze Weile lang anhalten würde.

Clark hob Lois’ Oberkörper vorsichtig an und legte dann seinen Arm unter ihre Schultern. Mit dem anderen Arm stützte er ihre Beine und stand mit wackligen Beinen auf. Er stöhnte vor Anstrengung und wieder tanzten schwarze Punkte vor seinen Augen. Jimmy sprang ihm eilends bei und mit vereinten Kräften gelang es Clark schließlich mit Lois auf dem Arm stehen zu bleiben.

„Danke“, keuchte er leise und schwieg dann wieder, um seinen Atem zu sparen.

„Bist du sicher, dass du das schaffst?“, fragte Jimmy besorgt. „Du… du bist verletzt“, wand er vorsichtig ein.

Clark seufzte. „Ich weiß“, erwiderte er bedrückt und machte den ersten Schritt nach vorne. „Aber es wird gehen“, versicherte er und tat den nächsten Schritt. „Außerdem musst du die Hände frei haben“, gab er zu bedenken, „um das Kryptonit aus dem Weg zu räumen. Und in einem Kampf wäre ich völlig nutzlos, sollte es so weit kommen. Besser, wenn einer von uns noch fit ist.“

Der Weg nach draußen ging nur schleppend voran. Bei Licht betrachtet war der Tunnel nicht annähernd so weitläufig, wie Clark es zunächst angenommen hatte. Doch nun trug er eine überraschend schwere Last. Er wusste, dass er Lois unter anderen Umständen leicht wie eine Feder gefunden hätte, auch ohne Kräfte. Jimmy ging voran, aber nie mehr als ein paar Schritte vor Clark und Lois, um notfalls helfen zu können. Erst als der grün leuchtende Pfeil sichtbar wurde und Clark in gebührendem Abstand davon stehen blieb, eilte er nach vorn, um das unscheinbare Hindernis zu beseitigen.

Er blieb eine ganze Weile fort, während Clark sich erschöpft gegen die Wand lehnte. Einerseits hoffte er, dass Lois bald aufwachen würde, andererseits hatte er Angst vor dem was kommen würde. Wie konnte er ihr erklären, wer er war, ohne dass sie dabei den Verstand verlor? Wer auch immer sie in diese Falle gelockte hatte, hatte sich wirklich einen ausgeklügelten Plan zurechtgelegt. Es war schon einiges nötig, um eine Lois Lane so sehr verzweifeln zu lassen, dass sie bereit war, Superman umzubringen. Clark hätte gerne gewusst, welche Druckmittel der Entführer sonst noch bereitgehalten hatte.

„Geht es noch?“, fragte Jimmy besorgt, als er zurückkehrte. „Ich war noch kurz draußen und habe einen Krankenwagen gerufen. Sie müssen gleich da sein. Besser Lois kommt zu einem Arzt.“

Jimmy musterte Clark eingehend. Dem Ausdruck auf seinem Gesicht nach zu urteilen, musste er recht blass wirken. Wenn er auch nur halb so schlimm aussah, wie er sich fühlte, wollte Clark auch lieber in keinen Spiegel schauen. Dennoch ging er tapfer weiter und nickte nur, zu erschöpft um viel zu sagen. Er war ungemein erleichtert, als endlich der Ausgang des Bunkers in Sichtweite kam. Von da an zog ihn die Aussicht auf ein klein wenig Sonne mit aller Macht nach draußen.

„Du siehst aus, als könntest du auch einen Arzt brauchen“, bemerkte Jimmy vorsichtig.

„Ich brauche nur etwas Ruhe“, gab Clark beinahe schroff zurück. <Und ein Wunder>, fügte er still hinzu, während er sich weiter schleppte. <Sonst verliere ich Lois für immer>, dachte er traurig.
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Re: Ist Weihnachten nicht schön?

Beitragvon Vega » So 2. Mai 2010, 09:53

Teil 8

Die Blaulichter des Krankenwagens warfen verzerrte Schatten an die Wände der Häuserzeile. Im Licht der untergehenden Sonne wirkten sie deplaziert. Clark fühlte sich schrecklich hilflos, während er dabei zusah, wie sich die Rettungskräfte um Lois bemühten. Sie war noch in seinen Armen aufgewacht, völlig desorientiert und hatte wild um sich geschlagen. Fast hätte sie sie beide zu Fall gebracht. Nachdem der Notarzt ihr ein Beruhigungsmittel verabreicht hatte, lag sie nun halbwegs friedlich auf der Trage. Der bloße Anblick trieb Clark die Tränen in die Augen. So weit hätte er es niemals kommen lassen dürfen. Die Sorge um Lois drückte ihn förmlich zu Boden und nahm ihm die Luft zum Atmen.

Jimmy stand neben ihm, hatte eine Hand auf seine Schulter gelegt und stützte ihn unauffällig. Die Berührung machte Clark nur nervöser und am liebsten hätte er Jimmys Hand von der Schulter gewischt. Sie erinnerte ihn unablässig daran, wie hilflos er war. Doch gleichzeitig bewahrte Jimmy ihn davor, die Aufmerksamkeit der Sanitäter zu erregen. Zweifelsohne würden sie ihn mitnehmen, wenn sie wüssten, wie mies er sich gerade fühlte. So standen sie beide da und schauten den Sanitätern besorgt bei der Arbeit zu.

„Kann ich mitfahren?“, bat Clark drängend, als sie Lois in den Rettungswagen schoben.

„Sind Sie ein Verwandter?“, fragte der angesprochene Sanitäter zurück.

Clark schüttelte den Kopf. „Ein Kollege“, sagte er, gerade laut genug, dass der Sanitäter seine Antwort hören könnte. „Ein Freund.“

Seine Stimme klang belegt und sein Hals war vor Angst wie zugeschnürt. Clark wollte Lois trösten und nicht dabei zusehen, wie sie von fremden Menschen fortgeschafft wurde. Sein Herz klopfte wie wild gegen seinen Brustkorb und er bekam eine Ahnung davon, wie Lois sich bei seinem angeblichen Tod gefühlt haben musste.

„Tut mir Leid, Sir“, erwiderte der Sanitäter entschuldigend und warf Clark einen mitfühlenden Blick zu. „Dann darf ich sie leider nicht einsteigen lassen“, fügte er hinzu und Clark schien es, als würde dem Sanitäter diese Regel ebenso missfallen wie ihm. Mit einem verlegenen Schulterzucken knallte er die Tür hinter Lois zu.

„Wo bringen Sie Lois, ich meine Ms. Lane, hin?“, fragte Clark, der Verzweiflung nahe, und hoffte, dass er wenigstens das wissen durfte.

„Ins Metropolis General“, gab der Sanitäter zurück, bevor er um den Wagen herumging und an der Beifahrerseite einstieg. Dann fuhr der Rettungswagen los und ließ Clark und Jimmy einsam an der Häuserzeile zurück.

„Ich muss zu ihr, Jimmy“, sagte Clark und entzog sich Jimmys Griff. Die Welt um ihn herum begann stärker zu schwanken, als Clark losstolperte

Der Versuch war unsinnig und im Grunde wusste Clark das auch. Das Metropolis General lag zwar nicht gerade am anderen Ende der Stadt, aber es war zu weit um zu Fuß dorthin zu gehen. Er würde mehr als eine Stunde für diesen Weg brauchen. Doch das war Clark egal. Er konnte an nichts anderes denken, als zu Lois zu kommen und ihr endlich alles zu erklären. Dann würde alles gut werden – es musste einfach alles gut werden, dachte Clark traurig und wenig hoffnungsvoll.

„Warte doch“, rief Jimmy und lief hinter ihm her. Er brauchte nicht besonders lange, um Clark einzuholen. „Du bist doch völlig erschöpft“, wand Jimmy ein und hielt seinen Freund an der Schulter fest. „Komm mit, ich bin mit dem Auto hier“, bot er an und zerrte Clark in die andere Richtung, weg von der, in der das Krankenhaus lag.

Clark folgte ihm widerstrebend, auch wenn er sich seine eigene Reaktion nicht so recht erklären konnte. Mit Jimmy wäre er schneller, daran bestand überhaupt kein Zweifel. Doch plötzlich in die entgegengesetzte Richtung zu laufen kam ihm so vor, als hätte er schon aufgegeben. Er wollte doch zu Lois hin und nicht von ihr fort. Mit klopfendem Herzen und einem Gefühl der Übelkeit, das sich mit jedem Schritt verstärkte, folgte er Jimmy. Dessen Wagen stand nicht allzu weit von Lex Luthors altem Bunker entfernt. Das trug dazu bei, dass sich Clarks Panik legte, wenn auch nur zögerlich. Je näher sie dem alten Cabrio kamen, dessen schmutziges Verdeck notdürftig geflickt war, desto mehr konnte Clark sich einreden, dass er Lois tatsächlich bald folgen konnte. Doch die Verletzung, die ihm der Kryptonitpfeil beigebracht hatte, war kaum verheilt. Sie verursachte ihm Schmerzen und ließ ihn nur quälend langsam vorankommen. Clark war ziemlich erschöpft, vielleicht weil eine Spur des Kryptonits in seiner Blutbahn verblieben war. Es war nicht genug, um ihn wirklich außer Gefecht zu setzen, aber es reichte, um ihm das Leben schwer zu machen.

Obwohl Jimmys Auto in einem traurigen Zustand war, eilte Jimmy mit einem stolzen Lächeln darauf zu und schloss es auf. Wenig später hatte auch Clark den Wagen erreicht. Trotzdem schien es ihm, als sei eine Ewigkeit vergangen. Die Zeit schien zu rasen, ihm völlig zu entgleiten. Seinem Gefühl nach,war es schon Stunden her, dass der Rettungswagen Lois weggebracht hatte. Clark hätte vor Wut aufschreien können und am meisten ärgerte er sich über sich selbst, über seine Schwäche und darüber, dass er Lois nicht hatte helfen können. Sie hatte diesen Alptraum ganz allein durchstehen müssen, einen Alptraum an dem seine dumme Panik und Geheimniskrämerei einen nicht unwesentlichen Anteil hatte.

Als Jimmy den Wagen endlich startete und aus der Parklücke auf die Straße bog, saß Clark angespannt auf dem Beifahrersitz. Er konnte sich einfach nicht zurücklehnen. Unablässig bewegte er die Lippen und wusste selbst nicht so genau, ob er betete oder Jimmy anfeuerte schneller zu fahren. Der Stadtverkehr war dicht, wie eigentlich immer. Eine Rushhour ging nahtlos in die nächste über. Menschen fuhren zur Arbeit, zum Sport oder waren auf dem Weg zum nächsten Meeting. Eine Stadt wie Metropolis kam einfach niemals zur Ruhe. Clark war das niemals zuvor so aufgefallen wie in diesem Moment. Die Straße vor ihnen schien nur aus roten Ampeln und Bremslichtern zu bestehen. Die Metallkarawane schlängelte sich endlos durch die Stadt und ein schleichender Autofahrer wurde sobald er abbog sofort durch einen anderen ersetzt. Schilder am Straßenrand wiesen den Weg zum Metropolis General Hospital. Alle paar Blocks stand ein neues Schild und sie schienen ihrem Ziel dennoch kein Stück näher zu kommen.

Die Angst hielt Clark fest im Griff, während er hoffte und betete, dass Lois sich wieder beruhigen würde, dass sie ihm verzeihen konnte. Körperlich schien sie unversehrt geblieben zu sein, doch was in dem Bunker geschehen war, musste ganz andere Wunden gerissen haben. Als endlich das Krankenhaus hinter ein paar Wolkenkratzern auftauchte, war Clark nicht mehr als ein Nervenbündel. Er ahnte schon, dass die Ärzte ihn so schnell nicht zu Lois lassen würden. Vielleicht war sie noch in der Notaufnahme. Wäre er ein Verwandter, hätte er wenigstens erfahren können, wie es ihr ging. So konnte er nur darauf warten, dass die Schwestern ihn zu ihr ließen. Was dann geschehen mochte, stand noch in den Sternen. Lois war die einzige, die sein Urteil fällen konnte.

Jimmy fand überraschend schnell einen Parkplatz. Kurze Zeit später war es ihm ebenso gelungen, Clark ins Krankenhaus zu lotsen. Neugierige Blicke folgten ihnen, zumal Clark sich nach einer Weile doch auf Jimmy stützen musste. Sein Gesicht war schweißbedeckt. Er fürchtete, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis jemand ihn auf eine Trage zerren und behandeln würde. Doch er musste weiter, möglichst ohne dabei entdeckt zu werden. Clark musste durchhalten, bis er wusste, wie es Lois ging.

Die Notaufnahme lag ein Stockwerk tiefer als die Eingangshalle des Krankenhauses. Clark und Jimmy stiegen aus dem Aufzug und fanden sich im Wartebereich wieder. Schon in diesem, von der eigentlichen Notaufnahme abgetrennten, Bereich war die hektische Betriebsamkeit deutlich zu erkennen. Clark und Jimmy schienen eine Stoßzeit erwischt zu haben. Die meisten Bänke in der Notaufnahme waren besetzt. Clark erkannte besorgte Gesichter von Menschen, die ganz offenbar ebenso wie er auf Nachricht von Angehörigen warteten. Andere hielten sich einen schmerzenden Arm oder Bauch, hatten Taschentücher um blutende Finger gewickelt oder wirkten ganz allgemein ein wenig verwirrt. Über all dem Chaos herrschte eine resolute Ambulanzschwester, die hinter einem Tresen in einer Ecke des Wartebereichs saß. Nervös machte sich Clark auf den Weg zu ihr, der einzigen Hoffnungsquelle, die er im Moment für sich sehen konnte. Die Schwester füllte geschäftig Papiere aus und blickte erst auf, nachdem Clark sich geräuspert hatte.

„Entschuldigen Sie bitte“, begann er und fühlte, wie sein Herzschlag sich noch mehr beschleunigte. „Mein Name ist Clark Kent. Meine Partnerin Lois Lane muss hier eingeliefert worden sein. Ich… ich mache mir schreckliche Sorgen um sie“, erklärte er bedrückt.

Der Blick der Schwester wurde weicher, als sie bemerkte, wie verängstigt er war. „Tut mir Leid, Mr. Kent“, sagte sie mitfühlend. „Aber sie sehen ja, hier geht es drunter und drüber“, sie deutete auf den vollen Warteraum und zuckte verlegen mit den Schultern. „Dort drin ist es nur noch schlimmer. Ich komme mit der Arbeit kaum hinterher. Ich weiß nichts von Ms. Lane. Aber wenn sie sich dort drüben hinsetzten und warten wollen, dann werde ich sehen, was ich tun kann“, versprach sie mit einem schmalen Lächeln.

Clark zwang sich dazu zu nicken. Der Stein in seinem Magen wurde nur noch schwerer. Am liebsten wäre er durch die Tür gestürmt, hinter der Lois nun irgendwo untersucht wurde. Er versuchte sogar, nach ihr zu lauschen, im Stimmengewirr ihren Herzschlag herauszuhören. Doch das brachte ihm nur Kopfschmerzen ein und ein Schwindelgefühl, das ihn beinahe gegen Jimmy stürzen ließ. Mit festem Griff führte Jimmy ihn zu zwei der wenigen freien Stühle.

„Sei vorsichtig, Clark“, bat der junge Fotograf eindringlich. „Vielleicht wäre es doch besser, wenn ein Arzt…“, schlug er so leise vor, dass nur Clark ihn hören konnte.

„Nein, Jimmy“, wehrte Clark ab. „Ich brauch keinen Arzt, nur etwas…“

„Nur etwas Ruhe“, fiel Jimmy ihm ins Wort und vollendete den Satz für ihn. „Das sagtest du bereits. Aber ich habe den Eindruck, dass du diese Ruhe hier nicht finden wirst.“

„Wie sollte ich auch, Jimmy?“, gab Clark traurig zurück. „Das alles hier ist meine Schuld.“

„Der Kerl ist schuld“, widersprach Jimmy und schüttelte heftig seinen Kopf. „Der Kerl der Lois in diese hinterhältige Falle gelockt hat.“

Clark sagte dazu nichts. Er wusste es besser. Niemand hätte Lois in eine Falle locken können, wenn sie sein Geheimnis gekannt hätte. Er schüttelte nur traurig den Kopf, während er reglos die Tür der Notaufnahme anstarrte. Viel lieber wäre er aufgestanden, durch den Wartebereich getigert oder in die Notaufnahme gestürzt. Nur seine Erschöpfung hielt ihn auf dem Stuhl, gab seinem Äußeren einen gelassenen Anschein, während ein Sturm in ihm tobte.

„Mr. Kent?“, fragte plötzlich jemand hinter ihm. Clark drehte sich rasch um und sah für einen Moment Sterne vor seinen Augen tanzen. Als sein Blick wieder klarer wurde, erkannte er einen seltsam gekleideten Mann mit sehr altmodischem Anzug, einer Nickelbrille und einem Bowler. Ein Lächeln blitzte in seinen Augenwinkeln, aber sonst war der Ausdruck des Mannes sehr ernst und angespannt.

„Ja…“, erwiderte Clark verwirrt und betrachtete den Mann näher. Er sah nicht aus, wie ein Arzt.

„Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie erleichtert ich bin, dass ich sie endlich gefunden habe“, erklärte der ältere Mann mit dem Bowler. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „An solch große Städte bin ich nicht gewöhnt. Ich hatte schon Angst, dass ich Sie verloren hätte.“

Clark blinzelte und versuchte zu begreifen, wovon der Mann sprach. „Wer sind Sie und woher kennen Sie meinen Namen?“, wollte er wissen und fühlte, wie sich erneut Panik in ihm breit machte. Konnte das der Kerl sein, der Lois in die Falle gelockt hatte?

„Verzeihung, Mr. Kent. Ich wollte sie durchaus nicht erschrecken. Mein Name ist Wells“, stellte er sich vor und sein englischer Akzent trat plötzlich deutlich hervor. „Ich muss wirklich dringend mit Ihnen sprechen“, flehte er dann. „Sie und ich müssen ein paar Dinge in Ordnung bringen.“

„Ich kann hier nicht weg“, wehrte Clark ab und wandte sich von dem seltsamen Herrn ab. Doch das nutzte ihm wenig. Mr. Wells ging einfach um die Stuhlreihe herum und stand wieder genau vor Clark.

„Mr. Kent, ich kann Ihre Sorge verstehen. Aber Ms. Lanes und unserer aller Zukunft hängt ganz entschieden davon ab, dass sie mich anhören“, drängte Mr. Wells etwas nebulös.

Clark schoss in die Höhe. „Was haben Sie mit Lois gemacht?“, fragte er gefährlich leise.

„Nichts, Mr. Kent“, beeilte der Engländer sich zu sagen. „Bitte, kommen Sie mit. Es ist in ihrem Interesse, wenn wir nicht hier besprechen, was nun zu tun ist.“ Während er Clark eindringlich ansah, fuhr Mr. Wells Finger S-förmig über seine Brust. Allein beim Anblick stockte Clark der Atem und eine Welle der Panik überfiel ihn. „Keine Sorge, ihr Geheimnis ist völlig sicher bei mir“, versprach Wells in beruhigendem Tonfall, der bei Clark jedoch wenig Wirkung zeigte. „Kommen Sie nun bitte mit?“, bat er eindringlich.

Jimmy hatte Clark und den Engländer besorgt beobachtet. Nun stand er neben Clark, offenbar zu allem bereit. Der kleine Engländer zuckte merklich zusammen, als ihn gleich von zwei Seiten warnende Blicke trafen. Die beiden Männer schüchterten ihn ein, obwohl einer noch ein halbes Kind war und sich der andere nur mühsam auf den Beinen hielt.

„Ich weiß nicht, was Sie sich einbilden“, sagte Jimmy mit drohender Stimme, doch Clark legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm.

„Ich bin mir sicher, Mr. Wells wird uns erklären, worum es hier geht. Haben Sie Lois in diese Falle gelockt?“, fragte er leise, aber noch immer mit einer deutlichen Drohung in der Stimme. Es beunruhigte Clark, dass dieser Wells sein Geheimnis offenbar kannte. Aber wenn es so war, dann wusste er auch, mit wem er sich anlegte. Wenn nur ein wenig mehr Superman in ihm gesteckt hätte, wäre Clark wohler gewesen.

Wells schüttelte entsetzt den Kopf. „Aber nein Mr. Kent. Ich möchte Ihnen helfen die Dinge zwischen Ihnen und Ms. Lane wieder in Ordnung zu bringen“, sagte er eilig und riss hinter seiner Nickelbrille die Augen weit auf. „Das ist enorm wichtig.“

„Das schaffe ich schon allein“, gab Clark zurück und setzte sich wieder hin, einerseits weil das Schwindelgefühl wiederkehrte, andererseits weil sie langsam Aufmerksamkeit erregten. Das war wirklich das Letzte, was er wollte. „Ich brauche Ihre Hilfe nicht, Mr. Wells“, erklärte er in einem Tonfall, der jeden davon überzeugt hätte, dass das Gespräch zu Ende war.

„Glauben Sie wirklich, dass es so einfach sein wird, Clark?“, fragte Mr. Wells mit sanfter Stimme. Dass der Fremde auch seinen Vornamen kannte, erschütterte Clark noch ein wenig mehr. Nervös blickte er zu dem kleinen Engländer auf. Er sah alles andere als gefährlich aus, so viel jedenfalls musste Clark zugeben. Und er wirkte ehrlich besorgt. „Glauben Sie, dass Lois Lane wieder zur Normalität zurückfinden wird, wenn Sie ihr nur die Wahrheit erzählen?“

Unwillkürlich schüttelte Clark den Kopf. Natürlich wusste er, dass es nicht so einfach werden würde. Er hatte sich diese Sache niemals einfach vorgestellt. Allerdings auch nicht ganz so kompliziert, wie sie sich jetzt gestaltete.

„Wollen Sie nicht mit mir kommen? Auch wenn Sie es jetzt nicht glauben mögen, Mr. Kent. Wir werden noch einmal Freunde werden. Kommen Sie, ich will Ihnen doch nur helfen“, flehte der kleine Engländer. Clark fand das Engagement von Mr. Wells durchaus bemerkenswert. „Es gibt noch einiges, was ich Ihnen erzählen sollte“, fügte er hinzu. Aber dazu sollten wir etwas mehr Ruhe haben.“

„Also gut“, lenkte Clark ein. „Sie haben zwei Minuten mich zu überzeugen, Mr. Wells.“

Der Engländer wirkte erleichtert und schritt voran, hinaus aus dem Wartebereich der Notaufnahme. Er führte Clark zu einer Milchglastür, hinter der ein offenbar wenig benutztes Treppenhaus lag. Überall standen Gerätschaften und Stühle herum, die meisten davon sehr abgenutzt. Auf allem lag eine dicke Staubschicht, die davon zeugte, dass keiner der Gegenstände mehr in regelmäßigem Gebrauch war.

„Ich habe mich noch nicht vollständig vorgestellt“, bemerkte der Engländer mit einem bedauernden Lächeln, sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Mein Name ist H.G. Wells“, erklärte er. „Und bevor Sie fragen, ich bin der Schriftsteller und habe eine Zeitmaschine gebaut. Damit bin ich in die Zukunft gereist und habe Utopia und leider auch einen gewissen Mann namens Tempus gefunden. Er hat es sich zum Ziel gemacht, Utopia zu zerstören“, fuhr er fort ohne auch nur einmal Atem zu holen. „Ich weiß, dass Sie mich jetzt für verrückt halten müssen, Mr. Kent. Aber es ist so.“

„Hören Sie, Mr. Wells“, wand Clark hilflos ein. Er war versucht, sich auf dem Absatz umzudrehen. Er landete wirklich vom Regen in der Traufe. Erst brachte ein Verrückter Lois dazu, ihn beinahe umzubringen und dann geriet er an einen weiteren Spinner, der an Zeitreisen glaubte. Clark schloss die Augen und wünschte sich, dass er aus diesem Alptraum erwachen könnte. Er wollte zu Lois, so sehr, dass es beinahe wehtat. Dennoch blieb er wo er war, der Himmel mochte ihm helfen.

„Um Utopia zu zerstören will Tempus Superman, also Sie Mr. Kent, töten“, redete Wells unbeeindruckt weiter. „Er hat Ms. Lane eingeredet, dass er Clark Kent entführt hätte. Das war natürlich Unsinn. Er hat Ms. Lane mit einem Double hereingelegt. Als ich Tempus fand, hatte jemand ihn niedergeschlagen und ich konnte ihn an einen Ort bringen, an dem er keinen weiteren Schaden mehr anrichten kann.“ Ein schwaches Lächeln glitt. „Aber ich fürchte, dass das Raum-Zeit-Gefüge dennoch durcheinander gekommen ist.“ Währenddessen hatte Wells ein Gerät aus der Tasche geholt, das er jetzt studierte.

„Ich muss gehen, Mr. Wells“, entgegnete Clark gereizt und hatte schon den ersten Schritt gemacht, als er Wells’ Hand auf der Schulter spürte.

„Nicht so hastig, mein Freund“, sagte der und warf einen weiteren Blick auf den Apparat, der wild blinkte. „Oh, du liebe Güte“, murmelte er dann entsetzt. „Das ist ja schlimmer als ich dachte. Utopia bricht bereits zusammen.“ Er hielt Clarks Oberarm in eisernem Griff, während er sein blinkendes Gerät noch einmal eingehend betrachtete.

„Lassen Sie mich los“, herrschte Clark den seltsamen Engländer an und befreite sich aus seinem Griff. „Ich muss dringend zu Lois. Sie glaubt, dass Clark tot ist. Das kann ich sie nicht noch einmal durchmachen lassen.“ Mit einem weiteren Schritt war er bei der Tür und hatte sie geöffnet.

„Verstehen Sie denn nicht, Mr. Kent? Es ist bereits zu spät, ihr die Wahrheit zu sagen. Wenn Utopia noch eine Chance hätte, würde es nicht zerbrechen. Die Zukunft ist immer ein Ergebnis der Möglichkeiten und diese Möglichkeit besteht jetzt nicht mehr“, rief Wells und hechtete Clark hinterher. Nur ein paar Schritte später hatte er Clark eingeholt und drängte ihn zurück zum Treppenhaus.

„Hören Sie, Mr. Wells, oder wie sie nun heißen…“, sagte Clark und versuchte sich an Wells vorbeizudrängen. Doch so schmächtig der Engländer auch war, gegen Clark wirkte er in diesem Moment geradezu wie Herkules. „Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen. Aber ich muss jetzt los“, versuchte Clark es wieder „ Jemand hat Lois und mich in eine Falle gelockt. Nun denkt sie, sie hätte Superman und mich auf dem Gewissen. Ich muss ihr erklären, was los ist, sonst wird sie noch völlig verzweifeln.“ Er wusste selbst nicht, warum er das alles erzählte, warum er sich überhaupt so lange aufhielt. Das alles brachte ihn doch nicht weiter.

„Und was glauben Sie, was mit Lois geschieht, wenn ich zulasse, dass Sie ihr das erzählen?“, fragte Wells herausfordernd.

„Ich weiß es nicht“, rutschte Clark plötzlich in die Verteidigungshaltung. „Ich weiß es nicht“, murmelte er bedrückt. Natürlich hatte er schon darüber nachgedacht. Er wusste doch ebenso gut, dass es nicht einfach werden würde, falls nicht gar unmöglich. „Die Wahrheit wird es Lois vermutlich nicht leichter machen damit zurechtzukommen, was geschehen ist“, sprach er schließlich aus, was er insgeheim wusste. „Wenn sie erfährt, dass sie mit diesem Kryptonitpfeil nicht nur Superman sondern auch Clark getötet hätte…“, er hielt inne. „Aber vermutlich weiß sie das längst.“, fügte er dann mutlos hinzu. „Wenn ich Jimmy richtig verstanden habe, dann hat Tempus ihr…“ Warum nur erzählte er das alles? Dieser Wells war ihm fremd und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war er auch noch völlig verrückt. „Das alles wäre nicht passiert, wenn ich ihr früher die Wahrheit gesagt hätte. Wenn sie gewusst hätte…“, sagte er dennoch kraftlos und sackte gegen die Tür hinter ihm.

„Ich fürchte, sie würde die Wahrheit nicht verkraften, Clark“, erklärte Wells bedächtig und betrachtete ihn mitfühlend. „Ganz gleich, was Sie ihr sagen, es wird kein Utopia geben. Und das muss ich ändern“, bekräftigte er mit einem Nicken.

„Aber wie?“, konnte Clark nur verwirrt fragen.

„Ich schicke sie zurück, an den Punkt, an dem alles begann“, gab Wells geduldig zurück. „Nur sollten sie sich diesmal vor ihrer Wohnung nicht verabschieden. Gehen Sie mit ihr hinein und erklären Sie ihr alles. Dann kann Tempus nichts mehr ausrichten. Er wird es nicht wagen, in Lois’ Wohnung aufzutauchen, wenn Sie dabei sind.“

„Er war in ihrer Wohnung?“, keuchte Clark entsetzt. „Aber er… aber er hat Kryptonit, Mr. Wells“, warf er dann ein. „Dieser Tempus hat keinen Grund mich zu fürchten.“

„Das Kryptonit hat Tempus sich erst später besorgt. Sein Plan war zwar, wie ich zugeben muss, sehr perfide“, gestand Wells peinlich berührt, „aber er war nicht perfekt. Tempus leidet glücklicherweise an gnadenloser Selbstüberschätzung. Nur deswegen haben wir ihn bisher immer wieder besiegen können“, bemerkte Wells mit einem Lächeln.

„Immer wieder?“, fragte Clark verwundert, bevor Wells plötzlich einen Knopf an seinem Gerät drückte und die Welt um Clark herum sich in schillernde Farben tauchte. Clark hatte das Gefühl fortgerissen zu werden und dann wurde alles schwarz.
Vega
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Re: Ist Weihnachten nicht schön?

Beitragvon Vega » So 2. Mai 2010, 09:54

Teil 9

„Clark! Du bist gekommen“, rief Lois überrascht und ein wenig ungläubig, als sie die Tür öffnete. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, dass von Minute zu Minute strahlender wurde. „Ich dachte, du wolltest nach Smallville“, fügte sie leise hinzu und musterte Clark ein wenig besorgt.

Er blinzelte verwirrt, während er versuchte zu begreifen, was mit ihm geschehen war. Ganz offenbar befand er sich nicht mehr im Krankenhaus, sondern wie von Wells angekündigt vor Lois Wohnung. Aber hatte der verrückte Engländer ihn nicht zu dem Punkt zurückschicken wollen, an dem er sich von Lois verabschiedet hatte? Clark konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass sie dabei ein so atemberaubendes Kleid getragen hatte. Es war samtig schwarz und reichte Lois bis knapp unterhalb ihrer Knie. Der Ausschnitt betonte ihr Dekolletee und unterstrich ihren rosigen Teint. Sie blieb vor ihm stehen und ihre Stirn runzelte sich leicht, als er nichts erwiderte.

„Hast du deine Sprache verloren?“, fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Du… du siehst toll aus“, brachte Clark etwas mühsam hervor, weil es zutraf und weil es ihm als erstes einfiel.

„Möchtest du hereinkommen, oder schaust du nur kurz vorbei?“, wollte Lois wissen und trat einen Schritt beiseite.

Clark hatte eine merkwürdige Form von Déja-vu. Obwohl er wusste, dass dies der 26. Dezember war, hätte er schwören können, dass Lois am Heiligen Abend genau so ausgesehen hatte. Und als er so darüber nachdachte, bemerkte er plötzlich das Päckchen in seiner Hand. Es glich haargenau dem, das er Lois geschenkt hatte. Clark war versucht, das Päckchen zu durchleuchten. Seine Kräfte schienen auf wunderbare Weise zu ihm zurückgekehrt zu sein. Der Schmerz war verschwunden und er fühlte sich wieder rundum wohl. Doch dann besann er sich eines besseren und streckte Lois sein Geschenk mit einem schwachen Lächeln entgegen.

„Das ist für dich“, sagte er leise und folgte endlich Lois’ Einladung in ihre Wohnung zu kommen.

Sie nahm das Päckchen und musterte es einen Moment lang beglückt, bevor sie die Tür hinter ihm schloss. Clark schlüpfte aus seinem Mantel und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. In einer Ecke am Fenster stand der kleine, strubbelige Tannenbaum, den Lois liebevoll dekoriert hatte. Lois hatte den Tisch festlich gedeckt. Zwei Kerzen tauchten das Zimmer in ihr behagliches Licht. Der Duft von gebratenem Truthahn und Rotkohl stieg Clark in die Nase, gemischt mit dem Aroma von Zimt, Vanille und Nelken. So unmöglich ihm das auch vorkam, er schien tatsächlich zurück zu sein. Es war nicht der Moment, von dem Wells gesprochen hatte, aber früh genug, um Lois die Wahrheit zu erzählen. Konnte es sein, dass Zeitmaschinen tatsächlich existierten? Wenn ja, dann schienen sie jedenfalls nicht übermäßig zuverlässig zu sein.

Währenddessen widmete Lois sich dem Geschenkpapier und ein Leuchten stand in ihren Augen, dass Clark schon einmal gesehen hatte. Es faszinierte ihn deshalb nicht weniger und eine wohlige Wärme breitete sich in seinem Herzen aus. Wie es schien, war der Alptraum tatsächlich vorbei, hatte eigentlich noch nicht einmal begonnen. Er hatte eine zweite Chance erhalten, ein zweites Weihnachten, dass er für Lois zu etwas ganz Besonderem machen konnte.

„Der ist ja wunderschön“, hauchte Lois, als sie den glitzernden Stern aus seinem Karton geholt hatte. „Ich habe gar kein Geschenk für dich…“, sagte sie bedauernd.

„Ich hatte gehofft, dass er dir gefallen würde“, gab Clark lächelnd zurück und beschloss, dass er sich nicht weiter über die Merkwürdigkeiten des letzten oder kommenden Tages wundern wollte. Er hatte eine Chance erhalten und er gedachte sie zu nutzen. „Als ich diesen Stern gesehen habe, habe ich mir vorgestellt, wie er wohl auf der Spitze deines Baumes aussehen würde…“, sagte er und wurde mit jedem Wort ein wenig leiser.

Tatsächlich wusste er ja schon, dass dieser Stern die kleine Tanne in ein echtes Prachtstück verwandeln würde. Es war seltsam, dabei zuzusehen, wie sich die Szene wiederholte. Lois hob den Stern hoch, hielt ihn ins Licht und beobachtete einen Moment das Funkeln. Dann setzte sie ihn auf die Spitze der Tanne und der Baum erstrahlte von neuem.

„Du hattest Recht, Clark. Er passt wirklich sehr gut zu meinem Baum“, bemerkte Lois andächtig und drehte sich zu ihm um. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus und sie machte einen Schritt nach vorn, beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange. „Danke, Clark“, murmelte sie in sein Ohr. „Danke, dass du gekommen bist.“ Dann trat sie wieder einen Schritt zurück. „Aber wolltest du nicht nach Smallville?“, fragte sie dann und blickte betreten drein.

„Ich möchte gerne bei dir sein, Lois“, erwiderte Clark langsam. „Smallville läuft mir nicht weg.“

„Aber – du musst doch schon einen Flug gebucht haben“, wand Lois ein, der das schlechte Gewissen plötzlich ins Gesicht geschrieben stand. „Ich meine, ich finde es schön, dass du gekommen bist, Clark. Aber deine Eltern… Werden Sie nicht sehr enttäuscht sein?“

Clark schüttelte den Kopf. „Nein, Lois. Sie sind nicht enttäuscht“, entgegnete er ruhig. „Ich hatte sie schon vorgewarnt und Mom hat vermutlich längst geahnt, dass ich Heilig Abend bei dir bleiben würde. Sie hat mir angeboten, ich könnte dich auch mitbringen. Aber ich wollte dich nicht so überfallen“, gestand er und blickte Lois entschuldigend an.

Wenn er ehrlich zu sich selbst war, so hatte er noch immer keine Ahnung, wie er ihr die Wahrheit beibringen sollte. Aber es musste geschehen und dafür war dieser Augenblick vielleicht geeigneter, als jeder andere. Lois war in guter Stimmung. Die wollte er natürlich ungern zerstören. Vielleicht gelang es ihm ja die richtigen Worte zu finden. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Clark legte seine Hand auf ihren Arm.

„Es wird Zeit, dass du etwas über mich erfährst“, fuhr Clark fort und spürte plötzlich einen Kloß in seinem Hals. „Ich hätte es dir schon früher sagen müssen, vor Wochen schon. Aber ich hatte nicht den Mut“, gab er leise zu und seine Wangen brannten auf einmal vor Scham. An jenem Abend, an dem eigentlich alles begonnen hatte, war er von seinem eigenen plötzlichen Tod so schockiert gewesen, dass er nicht einen Gedanken daran verschwendet hatte, wie Lois sich dabei wohl fühlen mochte.

„Was ist Clark?“, fragte Lois und klang dabei sehr beunruhigt. „Was möchtest du mir sagen?“

„Das ist nicht leicht für mich, Lois“, sagte Clark eindringlich und atmete tief ein und aus. Er fasste Lois’ Hand und brachte sie dazu sich auf ihrem Sofa niederzulassen. „Ich habe es nie zuvor jemandem erzählt.“ Das stimmte nicht ganz. Jimmy kannte sein Geheimnis, hatte es gekannt oder besser gesagt, würde es kennen. Diese Geschichte mit dem Zeitreisen machte es ganz schön kompliziert. „Ich glaube, ich habe dir bereits erzählt, dass meine Eltern mich adoptiert haben, nicht wahr?“, fragte er dann und setzte sich auf das andere Sofa, weit genug weg, dass sie sich nicht bedrängt fühlen konnte. Er war einfach unfähig die drei schicksalhaften Worte einfach auszusprechen. Wie schwer konnte es sein?

„Ja“, sagte Lois mit einem Nicken und ihre Stirn runzelte sich wieder. „Was soll das, Clark? Worauf willst du hinaus?“, fragte sie und rutschte nervös auf dem Sofa hin und her.

Sie schien zu fürchten, dass ihr sein Geständnis nicht gefallen würde. Clark tat es Leid, dass er ihre Vorstellung von einem friedlichen Weihnachtsfest ohne Probleme zunichte machte. Er hätte viel lieber einen schönen Abend mit ihr verbracht, vielleicht den letzten, wenn Sie ihm nicht verzeihen konnte. Doch er hatte Angst, dass sie sich hintergangen fühlen würde, wenn er diesen Abend mit ihr wiederholte und ihr danach erst reinen Wein einschenkte.

„Nun, das war nicht die ganze Wahrheit, Lois“, gab Clark bedrückt zu. „Meine Eltern haben mich gefunden. In einem Feld“, er räusperte sich unwillkürlich und rutschte nun selbst unruhig hin und her. „In einem Raumschiff.“

Lois starrte ihn einfach nur an, offenbar nicht völlig sicher, was sie von seinem Geständnis halten sollte. Er konnte die Wahrheit gesagt haben, oder aber völlig verrückt sein. Nach einer Weile begannen sich ihre Augen zu weiten, so als würde ihr die Bedeutung seiner Worte langsam klar werden. Er wartete nicht ab, bis ihr die Erkenntnis zur Gewissheit wurde.

„Ich bin Superman, Lois“, fügte er rau hinzu. Wie um seine Worte noch zu unterstreichen, nahm er die Brille ab und schaffte es eine ganze Weile, ihrem Blick stand zu halten. Ihre Augen weiteten sich noch etwas mehr, falls das möglich war.

„Oh, mein Gott“, war alles, was sie sagen konnte, als sie schließlich den Helden in ihm erkannte. „Clark, warum… ich meine Superman…“, murmelte sie verwirrt und traf damit unwissentlich einen Nerv.

„Clark“, stellte er richtig. „Superman ist eine Verkleidung, damit ich meine Kräfte nutzen kann“, sagte er schärfer als beabsichtigt. Sein Herz sank und er spürte, dass er schon wieder mit seinen Chancen auf Vergebung spielte. „Entschuldige bitte, Lois“, sagte er zerknirscht „Das sollte nicht so harsch klingen.“

„Du hast mich glauben lassen, dass du zwei verschiedene Personen bist“, gab Lois zurück. Es war mehr eine Feststellung als ein Vorwurf. Doch das mochte sich noch ändern.

Clark nickte. „Es tut mir Leid, Lois“, entschuldigte er sich noch einmal. „Als wir uns kennen lernten, wusste ich nicht, ob ich dir vertrauen konnte und später wusste ich nicht, wie ich es dir sagen sollte“, gab er bedrückt zu. „Je länger ich zögerte, desto komplizierter wurde es. Ich weiß, es gab viele Gelegenheiten bei denen ich es dir hätte sagen können, vielleicht sogar sagen müssen.“

„Als du angeblich gestorben bist, wäre ein guter Zeitpunkt gewesen. Oder als ich dich gefragt habe, ob es eine Zukunft für uns gibt“, wand Lois ein und klang zunehmend verärgert.

„Ich war verwirrt, Lois. Clarks Tod hat mich völlig überrascht. Es war mir nie in den Sinn gekommen, dass Clark etwas geschehen könnte“, versuchte er sich zu verteidigen. „Und was deine Frage damals angeht, Lois“, Clark lächelte ein wenig gequält und entschuldigend. „Du hattest gerade Clark zurückgewiesen und Superman gesagt, dass du ihn auch lieben würdest, wenn er ein ganz normaler Mann wäre“, fuhr er fort und fühlte plötzlich den unwiderstehlichen Drang sich zu bewegen. Er stand auf und begann durch das Wohnzimmer zu laufen. „Nun, ich war ein ganz normaler Mann, als ich dir in dem Park meine Liebe gestand. Deine Zurückweisung hat mich verletzt. Um ehrlich zu sein, war ich sogar eifersüchtig auf mich selbst. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen“, gestand er peinlich berührt und schaute Lois flehend an.

Sie hielt seinen Blick, musterte ihn und ein trauriger Ausdruck erschien in ihren Augen. „Ich schätze, wir beide haben Fehler gemacht, Clark“, sagte sie leise, stand auf und ging zu ihm hinüber. „Seit wir uns kennen, wollte ich nicht wahr haben, dass ich etwas für dich empfinden könnte. Das war mir zu gefährlich und wenn ich ehrlich bin, dann habe ich auch jetzt noch Angst davor, was mit uns werden könnte. Ich habe Angst, dass du mich verletzt, wenn ich mich auf dich einlasse“, gab Lois leise zu. „Und jetzt…“ sie schluckte und blickte zu ihm auf. „Du kommst einfach her und erzählst mir, dass du Superman bist. Ich… du hast mir etwas vorgemacht“, sagte sie vorwurfsvoll und eine Träne rann über ihre Wange.

Clark nickte langsam. Sein Hals war wie zugeschnürt und spürte sein Herz in seiner Brust hämmern. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie Leid mir das tut, Lois“, flüsterte er bedrückt. Er hätte so gerne die Träne von ihrer Wange gewischt, sie in den Arm genommen und getröstet. Doch das traute er sich nicht. „Und ich verstehe, dass du Zeit brauchen wirst, um diese Nachricht zu verdauen. Ich erwarte gar nicht, dass es zwischen uns nun einfach so weitergeht, als sei nichts gewesen. Wenn du mich darum bittest, dann werde ich gehen“, fügte er hinzu und schluckte hart. „Aber ich würde lieber hier bleiben und zusammen mit dir Weihnachten feiern. Ich würde mich freuen wenn du mir eine Chance gibst meine Fehler wieder gut zu machen.“

Mit klopfendem Herzen wartete Clark auf Lois’ Antwort. So sehr er sich davor fürchtete, dass sie ihn nun vor die Tür setzte, wusste er, dass er das richtige getan hatte. Was auch immer werden mochte, es konnte nur besser sein, als der Schmerz den Lois seinetwegen durchlitten hatte. Selbst ihr Hass wäre besser zu ertragen, als Lois völlig zerstört zu sehen. Und Clark ahnte, dass es ohne den verrückten Mr. Wells und seine abenteuerlichen Geschichten über Zeitreisen so gekommen wäre.

„Du musst mir glauben, dass ich dich nie verletzen wollte“, setzte Clark leise hinzu. „Ich wusste einfach nicht, wie ich es dir sagen sollte.“

„Was hast du mir sonst noch alles verschwiegen?“, fragte Lois verletzt und schaute ihn traurig und enttäuscht an.

„Nur wie sehr ich dich liebe, Lois“, erklärte Clark mit belegter Stimme und wusste, dass er nun endgültig einen Tanz auf dem Vulkan vollführte. „Auch wenn du es mir nicht glauben magst, ich bin immer noch derselbe Clark. Ich bin der Mann mit dem du zusammen arbeitest, der dir morgens Kaffee bringt und mit dir bis spät in die Nacht an Storys sitzt“, sagte er mit einem schwachen Lächeln. „Superman ist das was ich tun kann, aber Clark ist was ich bin. Und Clark hast du schon kennen gelernt, Lois“, schloss er und fühlte, dass es Zeit wurde zu gehen. Vielleicht würde sie später noch die Kraft finden ihm zu vergeben. Er hatte Zeit. Nun, da Tempus keine Gefahr mehr darstellte, konnte er geduldig sein.

„Geh nicht, Clark“, bat Lois, als er den ersten Schritt zurückgewichen war. „Wenn ich dir eine Chance geben soll, dann musst du zuerst mir die Möglichkeit geben dich kennen zu lernen“, sagte sie und ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Ich möchte wissen wer der Mann hinter den beiden Männern ist, in die ich mich verliebt habe“, fügte sie leise hinzu und senkte die Lider.

„Jetzt hast du doch ein Geschenk für mich, Lois“, murmelte Clark leise.

„Ich habe noch nicht gesagt, dass ich dir verzeihe“, gab Lois warnend zurück, aber das Lächeln blieb wo es war und wurde noch ein wenig breiter.

„Aber ich habe eine Chance bekommen“, erwiderte er und lächelte still vor sich hin. Eine doppelte Chance, dachte er glücklich. „Das ist mehr als ich erwarten konnte.“


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