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[Ficathon 2011] Ich schwöre, diesmal ist es kein Spaß!

BeitragVerfasst: Fr 2. Sep 2011, 19:22
von Magss
Ach von mir, mit einer riesen Verspätung, mein diesjähriger Ficathon-Beitrag. Wochenweises Posten verspreche ich mal lieber nicht, auch wenn alles in meinem Kopf bereits fertig ist, aber der Stress, der mich abgehalten hat, hält ja noch ein wenig an und so müssen wir einfach alle zusammen sehen, wie ich was wann schaffe.
Glücklicherweise hatte Kitkaos Zeit, noch ein wachendes Auge darüber zu werfen. Und sich meine Ideen angehört, mir den Rücken gestärkt. Danke, KitKaos, danke, danke!

Disclaimer: Die Serie "Superman - die Abenteuer von Lois & Clark", Clark Kent, Lois Lane, Daily Planet, Metropolis, Krypton – all das gehört nicht mir und die Charaktere auch nicht, sondern denen, die die Idee hatten, Jerry Siegel, Joe Shuster oder DC-Comics, um nur einige zu nennen. Nur die Idee für diese Geschichte ist meine. Ich schreibe nur für mich, und verdiene kein Geld damit.

Über Kommentare (und damit meine ich wirklich positive wie negative) würde ich mich natürlich riesig freuen.




Ich schwöre, diesmal ist es kein Spaß!

Der Chefradakteur des Daily Planets blickte in seinen Kalender, blätterte auf den heutigen Montag, las den Eintrag, den er selbst in ganz dicken Buchstaben auf die Seite geschrieben hatte und lächelte zufrieden. Äußerst zufrieden sogar. Lois & Clark aus den Flitterwochen zurück! stand dort in großen Lettern und mehrfach unterstrichen.

Er rieb sich die Hände. 'Ja! Von heute an ist meine Redaktion dann wieder komplett. Gut so!'

Doch als seine Augen noch einmal über das Wort ‚Flitterwochen‘ wanderten, mischten sich Zweifel in sein Hochgefühl. Er erinnerte sich noch sehr gut an seine eigenen Flitterwochen; nicht gerade die Phase in seiner Karriere, da er seiner Arbeit die größtmögliche Konzentration zukommen lassen hatte. Er war so verliebt gewesen. Und seine beiden Lieblingsreporter waren so… verliebt war gar kein Ausdruck.

Die beiden waren ihm ans Herz gewachsen wie das vorher noch nie ein Mitarbeiter der Redaktion geschafft hatte. Lois hatte sein Herz bereits sehr früh erobert und dort den Platz der Tochter, die er nie gehabt hatte, eingenommen. Bei Clark hatte sich dieses tief väterliche Gefühl nicht sofort eingestellt. Mit seiner besonnene Art wirkte er immer so souverän. Aber Clark Kent war ein Mann von solch bewundernswerter Loyalität und einer der wenigen, die einer Frau wie Lois jemals die Stirn geboten hatten. Und als Paar waren die beiden so viel stärker als nur in der Summe ihrer Kraft.

‚Perry, gib den beiden zum Eingewöhnen einen kleineren, nicht so aufwendigen Fall. Die beiden haben weiß Gott genug durchgemacht. Sie müssen sich nicht auch noch lächerlich machen, weil sie alles durch eine rosarote Brille sehen.‘

Ja, der Gedanke war gut. So würde er es machen. Um mehr brauchte er sich in diesem Moment auch nicht zu kümmern, Jimmy hatte schon früh die Anweisung von ihm bekommen, alle im Konferenzraum zu versammeln, sowie Lane und Kent die Redaktion betraten. Sie erst machten sein Team wieder vollständig.

Eine fast tumultische Unruhe drang gedämpft in sein Büro, als die beiden Turteltauben das Redaktionsbüro dann tatsächlich betraten und Perry White bemerkte, dass er tatsächlich ein wenig aufgeregt war. Genauso wie seinerzeit auf dem sonnengefluteten Hügel, auf dem sich die beiden – endlich – das Jawort gegeben hatten. Am liebsten hätte er sich unter die Kollegen gemischt und Lois herzlich an seine Brust gedrückt. Unterdrückte diesen Impuls aber, schließlich war er der Chef des gesamten Planet-Teams. Aber er war so froh, sie wieder da zu haben.

Perry versuchte einen Blick auf die Neuankömmlinge zu erhaschen, Lois sah… hatte sie etwa leichte Augenringe? Doch. Und auch Clark wirkte etwas… übermüdet. Nun, die beiden werden wohl nicht viel Schlaf bekommen haben – gut so!

Aber mehr würde er hier aus seinem Büro heraus nicht erfahren und so trat er mit einem gut gelaunten und kräftigen „Guten Morgen!“ in den Konferenzraum und stellte sich vor seine Truppe. „Ich freue mich, euch alle zu sehen.“ Schnell ließ er seinen Blick in dem allgemeinen Gemurmel über seine heutige Liste fliegen und warf dann Baines einen strafenden Blick zu. Er hatte als letzter den Raum betreten und rückte geräuschvoll seinen Stuhl zurecht. Als sich der Chef der nötigen Ruhe und Aufmerksamkeit aller Mitarbeiter sicher war, studierte Perry wieder die heute anstehenden Projekte. Der Deneken-Fall wäre vielleicht ein perfekter Einstieg. Oder die Castaneta-Affäre? Aber nein, das roch sehr nach Wirtschaftskriminalität, das mochte Lois nicht so gerne. Deneken, so schätzte er die Sache ein, war eine politische Intrige nach besten Cosa Nostra Vorbild. Das war schon eher Lois‘ Kaliber. Ja das…

„Perry?“ riss ihn die frischgebackene Mrs. Kent aus seinen Gedanken. Oder war sie jetzt doch bei Lane geblieben? Das musste er sie noch fragen.

„Ja…?“ Er blickte sie neugierig an.

Seine Starreporterin räusperte sich, und doch machte es auf Perry den Eindruck, dass es weniger eine Unsicherheit überspielen sollte, sondern vielmehr taktischer Natur war. „Ich hätte auch nachsehen können, aber wir sind ja gerade erst angekommen. Was mich interessieren würde, wer hat den Einbruch bei Bradley geschrieben?“ Freundlich, offen und ausgesprochen professionell sah sie ihn dabei an.

„Burns…“ war seine knappe Antwort. Das war etwa zehn Tage her, ein Einbruch-Diebstahl bei einem stadtbekannten Kunstliebhaber. Burns' Artikel war gut recherchiert, nichts Spektakuläres, aber gute Handwerksarbeit.

„Und die Schmuggel-Affäre des Zoll-Fahnders Zimmer?“ Unnachgiebig bohrte Lois nach, als hätten sie ein wichtiges Detail vergessen.

„Spagoda!“, entgegnete Perry selbstbewusst. Das war vor einer Woche. Sollte Ralph etwas übersehen haben? Grundsätzlich war das natürlich viel wahrscheinlicher als dass Burns ein Fehler unterlaufen war. Und seine innere Stimme sagte dem Chefredakteur, dass ihn Mad Dog Lane gleich auf solch einen hinweisen würde. Was glaubte sie denn? Dass der Planet nicht zwei Wochen ohne sie auskäme? Alle ihre Kollegen Stümper waren?

Und Lois Lane ließ nicht locker: „Und die Story um Marion’s?“

„Bei allen Hits von Elvis – worauf willst du hinaus?“, platzte es aus ihm heraus.

Lois stand von ihrem Stuhl auf und begann nun ihrerseits ein wenig auf und ab zu laufen, soviel wie es der wenige Platz eben zuließ. Eigentlich war das doch sein Part. Doch ließ sie nun alle an ihren Gedanken teilhaben: „Alle drei Artikel wirken auf den ersten Blick sauber recherchiert und schlüssig. Ohne Frage. Aber ich habe auch etwas nachgehakt – soweit mir das mit den begrenzten Mitteln möglich war – und habe mich gefragt, ob die drei Fälle wirklich drei sind…“ sie machte eine taktische Pause, sah alle einmal kurz an, ließ ihren Blick eine Sekunde länger auf ihrem Chef ruhen und fuhr dann fort: „… oder vielleicht nur ein einziger Fall.“

Perry war, als verstünde er die Welt nicht mehr. Lois hatte recherchiert! In ihren Flitterwochen! Von Hawaii aus! Mit ihren begrenzten Mitteln…! Da hatte er sich Gedanken gemacht, ihnen gleich am ersten Tag keinen komplizierten Fall zutrauen zu können. Und sie zeigte wieder einmal, dass Mad Dog Lane ihr zweiter Vorname war. Konnte die Frau nicht ein paar Tage ohne Arbeit auskommen?

Lois sah ihn immer noch fest an und wartete offenbar noch auf eine Äußerung zu ihren eben ausgeführten Gedanken. „Was willst du von mir?!“, provozierte er sie, „die drei Fälle noch einmal aufrollen? Jetzt, nach zwei Wochen? Wo jede Spur kalt ist?! Ich wollte euch eigentlich den Deneken-Fall geben…!“

Lois zeigte nur einen minimal kurzen Moment des Zögerns, lenkte dann aber sofort ein: „Oh, das ist kein Problem, den können wir sicher auch…“ Sie blickte kurz auf ihren frisch Angetrauten, als bräuchte sie seine Bestätigung.

Clark, der Perry erst jetzt wieder einfiel, hatte den Dialog zwischen Lois und ihm die ganze Zeit aufmerksam und vollkommen ruhig beobachtet. Er wirkte… angeschlagen. Ein besseres Wort wollte Perry nicht einfallen. Clark Kent, der gnadenlose Optimist, machte den Eindruck, jemand hätte ihm die Luft heraus gelassen. Das Leuchten seiner Augen fehlte. Und so wunderte es Perry nicht, als er mit sachlicher Stimme, aber eben nicht mit seinem gewohnten Elan berichtete: „Deneken leitet seit vier Monaten das Wirtschaftsdezernat. Er galt immer als äußerst loyal und vollkommen unbestechlich. Familienvater, treu und redlich. Doch vor einigen Tagen kamen Fotos auf, die ihn in Gesellschaft einiger zwielichtiger Gestalten zeigen. Und nun mehren sich die Fragen, ob es ein Zufall ist, dass auch einer darunter ist, der bekanntermaßen schon in ganz anderen Bundesstaaten in Wahlbetrügereien verwickelt war. Eine kurze und übersichtliche Betrugs-Recherche. Braucht sicher nur ein paar Anrufe. Können wir machen…“ Bei seinen Schlussworten blickte er seine Frau an und nickte ihr kurz zu.

Glücklicherweise saß Perry bereits, sonst hätte er sich nun gerne gesetzt. Woher wusste der Mann das? Er war gestern Abend, am späten Abend, aus seinen Flitterwochen gekommen. War zwei Wochen nicht in der Stadt gewesen. Weit weg. Hatte mit der Liebe seines Lebens ein verträumtes Nest geteilt. Doch trotzdem war ihm offenbar nichts, aber auch absolut gar nichts entgangen. „Okay… meinetwegen. Macht halt beide Fälle…“ Was sollte er auch sonst sagen? Gegen diese geballte Energie hatte er nichts entgegenzusetzen, besonders da Clark ihm auch keine Unterstützung geben wollte – oder konnte.

Kurze Zeit später, nachdem alle den Konferenzraum wieder verlassen hatten, alle Aufgaben verteilt waren, drückte Perry zwei Lamellen der Jalousie seines Büros vorsichtig auseinander. So hatte er einen schmalen aber unbeobachteten Blick in die Redaktion. „Jimmy, findest du das normal?“ fragte er den jungen Kollegen, ohne seinen Blick vom großen Raum nebenan abzuwenden. Er konnte immer noch nicht so ganz einschätzen, was das eben Erlebte zu bedeuten hatte.

Jimmy Olsen hielt inne, nachdem er einige Unterlagen auf den Schreibtisch seines Chefs gelegt hatte, trat zu ihm und blickte auch auf das emsig arbeitende Paar. Beide waren sofort an ihre Schreibtische gestürmt und hatten zu telefonieren begonnen. Sie arbeiteten, als hinge ihr Leben davon ab. Und das mit einer stillen, unumstößlichen Übereinkunft.

„Chief, Sie meinen den festen Biss des Bull-Terriers – trotz Flitterwochen?“ Jimmy lächelte, doch häufig tat er das nur aus Verlegenheit. Aber seine Worte zeigten deutlich, dass ihm diese Diskrepanz auch aufgefallen war.

Perry nickte, während sein Blick wieder zum Gegenstand ihres Gesprächs gewandert war. Jimmy fuhr fort: „Lassen wir sie arbeiten. Das hat Lois bisher noch bei jedem Problem gemacht. Sicher sind sie in ein paar Tagen wieder ganz die Alten…“

„Hoffen wir es…“ Der Chefredakteur war da noch nicht so überzeugt. Besonders weil auch Clark so abgeklärt wirkte. Aber was konnte er tun? Nichts.

Was war da nur passiert…?

* * * *

Lucy Lane nahm den Telefonhörer in die Hand und begann eine Nummer einzutippen, doch nach ein paar Ziffern hielt sie inne. Sie rechnete kurz nach, an der Ostküste war es jetzt gerade einmal kurz nach sieben Uhr morgens. Eigentlich sehr, sehr früh. Aber… verdammt, was sollte sie tun? Doch dann fasste sie einen Entschluss, sie hatte bereits einen ganzen Tag verstreichen lassen, sich den ganzen Montag zurück gehalten, um heute am Dienstag endlich mit ihrer Schwester zu sprechen. Und sei es eben zu einer unbarmherzigen Zeit, daran konnte sie nun auch nichts ändern. Sie blickte aufs Display und setzte das Eingeben der Nummer fort. Schließlich war Neugierde auch Lois' zweiter Vorname.

„Hallo“, meldete sich ihre Schwester am anderen Ende der Leitung. Sie klang nicht so, als hätte sie der Anruf geweckt, sie war offenbar bereits wach – sehr gut – ein Punkt für Lucy.

„Hi, Schwesterherz. Kannst du reden, oder ist dein Mann da irgendwo in der Nähe?“ Die Worte dein Mann zog sie betont in die Länge, schließlich war das genau das Thema, über das sie reden wollte.

„Nein, nein“, reagierte ihre Schwester ganz sachlich, „er ist… er ist etwas besorgen.“

Hm, vom Tonfall her klang es nicht gerade nach einem verträumt verliebten Frühstück ans Bett. Lucy beschlich der Verdacht, dass hier etwas faul war. Obwohl sie wirklich keine Vorstellung hatte, in welche Richtung sie ihre Frage diesbezüglich lenken sollte.

„Ja, also… ich dachte mir einfach, ich frage mal nach, wie es euch so geht, wie ihr wieder gelandet seid. Wie die Flitterwochen waren.“ Lucy plauderte möglichst gelassen drauf los, um sich nur ja nichts anmerken zu lassen.

Ihre Schwester antwortete in demselben sachlichen Ton, mit einer kräftigen Spur Ermahnung in der Stimme: „Lucy, hast du eigentlich mal auf die Uhr gesehen? Es ist gerade kurz nach sieben. Von wo aus rufst du an?“

„Ich bin in San Francisco.“

„Okay, dort ist es jetzt zehn. Aber du weißt doch, wie spät es hier ist. Außerdem weißt du auch, dass wir als Reporter oftmals lange Abende haben und sieben Uhr in der Früh nicht gerade unsere Zeit ist.“

Der ermahnende Ton ihrer älteren Schwester hatte seine Wirkung voll erreicht. „Jaaa… ich weiß. Aber ich wollte wissen, wie es dir geht. Und ich wollte auf keinen Fall in der Redaktion anrufen. Denn wie soll ich dir irgendein pikantes Detail entlocken, wenn dir zwölf Kollegen zuhören? Aber am Abend wollte ich dich auch nicht anrufen, weil du dann vielleicht… nun ja, beschäftigst bist… Und da dachte ich, morgens sei eine ganz gute Idee.“ Lucy hatte sich vorher um diese Frage noch gar keine Gedanken gemacht, fand ihre Idee im Nachhinein betrachtet ganz einfallsreich.

Genau genommen war der Grund für ihren Anruf, dass sie vor Neugierde platzte; um die Uhrzeit hatte sie sich gar keine Gedanken gemacht. Sie wollte endlich wissen, wie die Flitterwochen ihrer Schwester gelaufen waren. Nach dem ewigen Hin und Her zwischen Lois und Clark, des Heiratens und Nicht-Heiratens, des Entführt-Werdens oder der verrückten Hochzeits-Killerin. Sie musste einfach wissen, wie es gelaufen war.

Doch statt sich durch schmalztriefende Liebesbekundungen durchhören zu müssen, klang ihre ältere Schwester wie die Arzthelferin eines Röntgenarztes, die einem kühl und sachlich über die möglichen Nebenwirkungen des bildgebendes Verfahrens aufklärte.

„Also, wie war's?“, kam Lucy auf ihren ursprünglichen Punkt zurück.

Einen kurzen Moment lang herrschte Schweigen in der Leitung. Wahrscheinlich überlegte Lois, wie sie der Antwort entgehen konnte, musste sich dann aber sicher eingestehen, dass es überhaupt keinen Sinn machte, ausweichen zu wollen. Soweit kannten sie sich eben, Lois war bestimmt klar, dass Lucy bohren würde, bis sie eine Antwort hatte.

„Es… es war nett“, entgegnete sie immer noch in dem Arztkittel-Ton.

Was?! Das haute Lucy um. Ihre ältere Schwester, die es ihr ganzes Leben lang geschafft hatte, sich nur Problem-Männer in Problem-Beziehungen an Land zu ziehen. Gelegentlich unterbrochen von einer Problem-Affäre. Und nun hatte sie einen Traum-Typ, ein Bild von einem Mann, einen Gott. Dieser hatte sie umworben, immer und immer wieder, über Monate. War ihr Freund gewesen, hatte ihr alles verziehen, was Lois gewöhnlich einem Mann an den Kopf warf. Er betete den Boden an, auf dem sie ging. Obwohl sich Lois dagegen gewehrt hatte, als ginge es darum eine ansteckende Krankheit abzuwehren. Endlich hatten sie es dann eingesehen, sie hatten sich verlobt, wollten heiraten, hatten einen Termin, wurden daran gehindert, bedroht. Lois wurde entführt. Wurden immer wieder auseinandergebracht, hatten sich aber auch immer wieder gefunden. Und dann – endlich – nach gefühlten Jahrzehnten hatten sie es geschafft, wirklich den Bund fürs Leben geschlossen. Waren gemeinsam in die Flitterwochen geflogen, nach Hawaii. Hatten zwei Wochen lang nichts anderes als nur sich selbst und eben dieses tropische Paradies. Und Lois‘ Antwort darauf war ‚Es war nett‘!

„Nett..?!“, war dann auch die spitze Antwort, und der einzige Kommentar, den Lucy darauf gab. „Was meinst du mit nett? Wir reden von deinen Flitterwochen.“ Und nur, damit sie gleich dem nächsten Einfall ihrer Schwester vorgriff, setzte sie schnell nach: „Ich will nicht wissen, wie das Hotel war. Das interessiert mich überhaupt gar nicht. Ich will wissen, wie deine Flitterwochen waren.“

„Ja…“ vernahm sie aus der Leitung, „es war ausgesprochen… schön. Wirklich. Wir haben uns sehr gut erholt, haben viel gesehen und…“

„Sag mal, Lois“, unterbrach Lucy sie, „was ist passiert zwischen euch beiden?“

„Was meinst du damit?“

„Ich bitte dich, wir reden von deinen Flitterwochen. Ich will nicht wissen, wie das Frühstücks-Buffet war. Was für eine Sorte Flocken da morgens vor dir stand, interessiert mich gar nicht. Lois, bitte! Denk daran, mit wem du hier redest. Du weißt ganz genau, dass du mir nichts vormachen kannst. Also, ich stelle dir jetzt einfach diese Frage noch einmal: Wie waren deine Flitterwochen?“

Lois seufzte, holte einmal tief Luft und dann sagte sie: „Clark und ich hatten ausgesprochen wunderschöne Flitterwochen. Es war wirklich alles hervorragend. Wir beide haben uns super verstanden, es hat keinen Streit gegeben. Wir haben uns sehr gut erholt, haben sehr viel gesehen. Wir haben die ganze Insel besucht. Whale-Watching. Haben ein paar sehr informative Museen kennen gelernt, einige wunderschöne Gärten gesehen. Dieser Artenreichtum dort ist überwältigend. Blumen in jeder nur denkbaren Farbe. Das war übrigens sehr spannend. Du kennst das ja, wenn man dort eine dieser Pflanzen sieht, die man von seiner Fensterbank genau kennt, nur ist sie dort eben tausendmal so groß. Weil sie dort eben in ihrem natürlichen Lebensraum wachsen und entsprechend gedeihen. Das war schon sehr beeindruckend. Und sonst war einfach alles wunderbar…“

Lucy begann nebenher in ihrer Tasche zu kramen und zog ihren Kalender hervor. Dann sagte sie in fast demselben sachlichen Ton, in dem sie ihre Schwester schon die ganze Zeit reden hörte: „Okay, Lo, ich hab verstanden. Warte eine Sekunde… heute habe ich einen Termin, den ich unmöglich verschieben kann. Morgen früh… hm, das wird auch schwierig, aber nachmittags kann ich eine Maschine nehmen und komme zu dir. Billy wird zwar toben, aber damit kann ich leben. Also…“

„Moment einmal, Lucy, du willst kommen? Nach Metropolis?“

Und sie antwortete, als wäre es die normalste Sache der Welt: „Ja natürlich. Du steckst in Schwierigkeiten und ich denke, wir müssen reden. Und glaube ja nicht, du kannst mir dann auch wieder etwas von roten Blumen oder von einem alten Museum erzählen. Das will ich alles nicht wissen.“

Ihre ältere Schwester wirkte bestürzt. „Luce, du brauchst wirklich nicht zu kommen, es ist alles in Ordnung…“

Lucy lachte. „Ja, ja, erzähl mir noch so ein Märchen… Hey, ich bin nicht mehr zwölf. Alles in Ordnung, das kannst du mir doch nicht erzählen. Also, wir sehen uns morgen Abend. Bis dann – Ciao.“

Mit diesen Worten legte sie auf, bevor sich Lois noch wehren konnte. Das war Taktik. Sie blätterte in ihrem Timer um die Nummer von Billy zu finden und seufzte. Er würde rasen, aber das musste sein. Familie ging vor – auf jeden Fall.

Fortsetzung folgt

Re: [Ficathon 2011] Ich schwöre, diesmal ist es kein Spaß!

BeitragVerfasst: Sa 31. Dez 2011, 13:48
von Magss
hilfe, ist mir das peinlich... :oops: das ist aus dem September... Aber ich werde jetzt auf jeden Fall noch in dem alten Jahr einen (den zweiten) Teil posten und der dritte und letzte wird auf keinen Fall so lange auf sich warten lassen, da er nämlich auch schon praktisch, fast, so gut wie fertig ist. Ein wenig geschleife noch, ein Blick meiner wachsamen Beta-Leserin und dann könnte ich den vielleicht sogar auch schon bald...
Aber jetzt erst einmal den zweiten - auch hier hat KitKaos in der Vorurlaubs-Vorbereitungs-Phase noch ein wenig Zeit gefunden und mir wieder ihren kritisch-förderlichen Blick geliehen - danke :hug:

So, lange Rede usw. viel Spaß mit dem zweiten Teil







„Ich hätte gerne eine Sekretärin…“

Oder auch einen Sekretär, das war letztlich vollkommen egal, wenn es nur jemand war, dem Bernhard Klein diesen ganzen Schriftkram auf den Schreibtisch legen konnte und sagen: „Hier! Mache Sie daraus einen Bericht, den irgendjemand im Ministerium versteht…“ Wobei, Verstehen war nicht das oberste Ziel dieser Berichte. Maßgeblich war eigentlich nur das Bestreben, dass diese Menschen das Gefühl bekamen, das, was er tat, war so wichtig, dass es weiterhin finanziert werden musste. Ja, so eine Sekretärin hätte er gerne. Er würde sie oder ihn auch niemals beauftragen, Kaffee zu kochen. Solch banale Dinge konnte er wirklich selber erledigen. Aber diese Berichte – wie er das hasste.

Dabei schob er das Problem schon ein paar Tage vor sich her, doch die Papiere in dem Stapel schienen sich zu vermehren. Was nicht sein konnte, da die Ergebnisse seiner Untersuchung seit einiger Zeit feststanden und damit nicht mehr verändert wurden. Auch hatte er bezüglich der Fähigkeit zur Reproduktion von Untersuchungsberichten eigentlich eine relative eindeutige Meinung. Doch in seinem rein optischen Eindruck schien der Stapel zu wachsen. Bedrohlicher und nicht kleiner, sondern höher zu werden.

Er dachte sehnsüchtig an den zwölf Jahre alten Old Turkey in dem hinteren Erlenmeyerkolben, während seine Hand zögerlich, aber verantwortungsvoll, in Richtung des Papierberges ging…

Als die Tür zu seinem Labor aufgerissen wurde und ihn aus seiner buchstäblichen Depression riss.

Sein Herz tat einen kleinen Hüpfer. „Lois Lane!“, rief er erfreut aus.

Normalerweise entlockte ihm die Reporterin nicht solch eine überschwängliche Begeisterung. Sie war zwar beeindruckend. Bemerkenswert erfolgreich in ihren manchmal abwegigen und unsystematischen Lösungsansätzen und hin und wieder sogar auf ihre Art sympathisch, aber auch sehr anstrengend. Und raubte ihm immer sehr viel seiner extrem knappen Zeit. Doch jetzt verhieß ihr Erscheinen Ablenkung; er konnte sich noch einmal kurz vor diesem unausweichlichen Bericht retten.

Aber nun, wo er ihr seine komplette Aufmerksamkeit zukommen ließ, bekam er das Gefühl, dass er sie sicher schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen hatte. War da nicht etwas gewesen? Hatte da nicht etwas in der Zeitung gestanden? Aber ja, sie und Mister Kent hatten geheiratet, vor einem Monat oder so.

Nun, es lag also nahe, dass sie ihn eine Zeitlang in Ruhe gelassen hatten. Sie, Mister Kent und sogar Superman, einer der drei tauchte normalerweise immer bei ihm auf. Doch nun war sie wieder da und stand in seinem Türrahmen – und Lois Lane sah aus, als hätte sie eine wirkliche Aufgabe vor sich. Den Blick eines Kampfhundes und die Körperhaltung einer Siegerin. Nur einen Hauch davon entfernt ihre Idee in ein beweisbares Faktum zu verwandeln. Und nicht im Ansatz bereit einen Widerspruch zu akzeptieren. Genau so stand sie nun hier.

„Guten Morgen…“ doch Bernhard Klein zögerte und das ‚Lane‘ blieb ihm im Halse stecken. Hatte Lois Lane ihren Namen geändert? Hieß sie nun vielleicht Kent? Oder Lane-Kent? Würde jemand wie sie ihren etablierten, in der Fachwelt und bei ihren zahlreichen Lesern gut eingeführten Namen aufgeben? Wohl eher…

Doch ein Redeschwall von der Art eines frühgeschichtlichen Vulkanausbruchs, wie ihn nur eine Lois Lane hervor bringen konnte, unterbrach seine gedanklichen Ausführungen möglicher Namens-Konstellationen: „Doktorkleinichkommeineinerungalublichwichtigenmissionzu
ihneneinediekeinenaufschubduldetsiehabendochvoreinerganze
nweileversuchegemacht…“ Es war erstaunlich zu beobachten, sie atmete nicht!

„… habendabeiherausgefundenobeseinemengekryptonitgibtdiesein
ekräfteaufeinmenschlichesnormalmaß…“

Moment! „Kryptonit?!“

Dieses eine Wort, zugegeben, etwas ausgespien, so erschrocken wie er war, ließ den Magma-Fluss erstarren. Lois atmete doch. Einmal sehr tief durch. Und gleich noch einmal. Dann kam ihre Antwort fast schuldbewusst: „Ja – Kryptonit.“ Sie wartete einen Moment, bevor sie weitersprach. Wollte sie seine Reaktion abwarten? „Sie haben doch…“, schlich sie wie eine Katze um den heißen Brei herum, „eine Menge ermittelt, die Supermans Kräfte auf ein Maß bringt, das einem normalen Mann von der Erde gleichen würde…“

„Oh ja…“, erinnerte Bernhard Klein sich, „Ziel der Versuchsreihe damals war eine Art Desensibilisierung gegenüber Kryptonit zu erreichen. Wir haben viel probiert, aber es hat leider nicht funktioniert. Vielleicht hat er Ihnen davon berichtet.“

„Ja. Hat er“, war ihre ausgesprochen knappe Antwort. Gerade so, als wollte sie sich mit solch nebensächlichen Beweggründen jetzt gerade nicht befassen.

„Jedenfalls haben wir damals heraus gefunden, dass es von dieser Art Kryptonit, welches ich hier im Institut lagere“, er hatte nicht die geringsten Vorbehalte so offen mit Mrs. Lane darüber zu sprechen. Erfahrungsgemäß hatten Lois Lane, Clark Kent und Superman gar keine Geheimnisse voreinander. „… dieses grüne eben, eine Menge gibt, die ihn zu einem ganz gewöhnlichen Menschen macht, was seine Kräfte angeht. Und ohne sein Leben zu gefährden. Es sind genau 0,0815 Gramm.“

„Ich weiß.“ Lois‘ Augen zeigten keine Emotion, nicht die geringste.

„Aber wozu brauchen Sie…?“

„Ach, Dr. Klein“, bei diesen Worten nun schlugen die Augen der Reporterin geradezu Purzelbäume, „das ist genau genommen so geheim, dass ich es noch nicht einmal Ihnen erzählen kann.“ Sie sah den Wissenschaftler nicht an dabei, dafür sprach sie nun immer schneller: „Sie haben doch so einen Splitter? Einen, der genau 0,0815 Gramm wiegt…?“

„Ja!“, unterbrach er ihre gehetzte Frage. „Was wollen Sie…? Sie fragen doch für Superman?“ fügte er diese These noch schnell gegen das mulmige Gefühl in seinem Magen an.

Auf diese Worte hin sah sie ihn nicht nur nicht mehr an, sie drehte ihm sogar den Rücken zu. „Dr. Klein, Sie kennen mich! Wozu bräuchte ich sonst Kryptonit?!“, fragte sie herablassend. Und brachte ihn sofort in den Genuss einer weiteren Lane’schen Tirade: „Ihnendürftejawohlklarseinwennerkönntewäreerselberhiererschienen…“

Ja, das war in der Tat ein Argument, dem er sich nicht erwehren konnte.

Kaum fünf Minuten später und dem sich vermehrenden Untersuchungsbericht-Papierstapel wieder vollkommen ausgeliefert, fragte sich Dr. Bernhard Klein, ob es wohl richtig war, Mrs. Lane… Kent… oder vielleicht doch Lane-Kent das Kryptonit ausgehändigt zu haben. Aber in der Herausgabe hatte er die einzige Möglichkeit gesehen, sich vor ihr zu retten. Er war nicht noch einmal zu Wort gekommen. Sie konnte so enervierend sein, so absolut und unausweichlich – armer Mr. Kent… oder hieß der jetzt vielleicht Lane?

* * * *

Bei allen Hits von Elvis, sie hatte wieder einmal den richtigen Riecher gehabt. ‚In kooperativer Zusammenarbeit mit der Polizei von Metropolis konnten die Beweise erbracht werden, dass die Diebstähle, über die der Planet vor einigen Wochen bereits berichtet hatte, die anfangs gar keinen Zusammenhang zu haben schienen, doch auf einen einzigen Täter zurückgingen. Eine ausführende Hand, ein Auftraggeber und ein einziger Beweggrund.‘ Das war typisch für Lois, sie nannte keine ihrer Quellen, das machte sie grundsätzlich nie. Und doch war sich Perry White sicher, dass niemand aus dem Personenkreis, den sie angriff, jemals die Herkunft ihrer Information infrage stellen würde. Lois Lane berichtete nicht über Gerüchte oder Tratsch. Wenn sie mit Behauptungen aufwartete, waren das Fakten.

Perry nahm sich seinen roten Marker, obwohl er sich sicher war, dass er kein Wort streichen würde und las weiter: ‚Anfangs gab es nichts, was die Unterschlagung bei Marion’s, die Schmuggel-Affäre des Zoll-Fahnders Zimmer und den Einbruch bei Bradley verband. Doch wie ein nasskalter Nebel einer verborgenen Insel beschlich mich ein Gefühl, nach einem verbindenden Element suchen zu müssen. Und dieses Element offenbarte sich – so unglaubwürdig das erscheinen mag – in der Sage um Atlantis. Der Stadt, die all ihr Wissen, ihre Macht, den technischen Vorsprung und ihren mystischen Stellenwert in der Vergangenheit und bis in die heutige Zeit einem geheimnisvollen Stein zu verdanken hat – einem Stein, der alles verändern kann. Oreichalkos… Doch genug Mythologie. Die Straftaten der Gegenwart hatten den Zweck Dinge zusammen zu bringen, die unter Kunstgelehrten mit der Sage um Atlantis in Verbindung gebracht werden. Offenbar glaubte der Juwelier Dr. Nilrem, 52 Jahre, dass es ausreichen würde einer antiken Maske ein paar Smaragde einzusetzen um mithilfe einer alten Macht die Welt zu beherrschen. Die Polizei prüft derzeit, ob Dr. Nilrems geistiger Zustand eine Vernehmung zulässt.

Oh ja, sie hatte es mal wieder allen Kollegen gezeigt, was der Lane’sche Spürsinn an die Oberfläche befördern konnte. Er zeichnete den Artikel ab und legte ihn in das Fach für die Morgenausgabe. Einzig Ralph hatte bisher noch nicht einmal bemerkt, wie sie ihn vorgeführt hatte. Aber das war ein ganz anderes Thema.

Perry steckte die Kappe auf den Marker und legte ihn beiseite. Er war sehr froh, dass Lois ihren gewohnten und bekannten Instinkt wieder gefunden hatte. Sie und auch Clark waren seit ein paar Tagen wieder ganz die Alten. Auch Clark war wieder der unerschütterliche Optimist geworden, den Perry schon vermisst hatte. Er konnte das an kein besonderes Ereignis knüpfen, doch seit vielleicht einer Woche oder auch etwas länger hatten sie beide wieder dieses Leuchten in den Augen. Wenn sie einen Fall bearbeiteten, eine Behauptung sich als richtig erwies, sie einen Artikel fertig gestellt hatten oder einfach so. Jeder für sich und beide miteinander. Ja, genau, wenn er sich das nun so besah, hatte sich auch das Verhalten der beiden miteinander verändert. Oder war das sogar der Ursprung?

Der Chefredakteur stand von seinem Schreibtisch auf und ging zu den Glasfenstern, die ihn vom Redaktionsbüro trennten. Die Jalousien waren heruntergelassen, aber offen. So konnte er das Treiben da draußen sehr genau beobachten, war aber trotzdem akustisch abgeschirmt. Lois saß an ihrem Schreibtisch und las offenbar etwas vor. Aber Perry war sich nicht wirklich sicher, ob sie die volle Aufmerksamkeit ihres Zuhörers hatte. Ihr Ehemann stand hinter ihrem Schreibtischstuhl und ließ seine Hände die Seiten seiner Frau hinunter wandern. Außer den beiden war niemand mehr im Redaktionsbüro und Perry beschlich das Gefühl, dass seine beiden Reporter ganz sicher nicht an ihren Chef hinter der Jalousie dachten. Clark beugte seinen Kopf zu seiner Frau hinunter und begann ihren Hals zu liebkosen. Doch Lois ließ sich kaum ablenken oder versuchte es zumindest. Sie begann zu lachen, aber las noch immer; sie hielt Clark auch nicht ab, weiter zu machen, was er gerade tat, reckte sich ihm fast noch etwas entgegen, damit er nur ja kein Stück überging – ach ja… junge Liebe.

Glücklicherweise war es schon spät am Abend, sonst hätte er sich als Chefredakteur um die minderjährigen Kollegen Sorgen machen müssen, aber so… Perry lächelte zufrieden.

* ~ * ~ *

Re: [Ficathon 2011] Ich schwöre, diesmal ist es kein Spaß!

BeitragVerfasst: Mo 16. Jan 2012, 21:21
von Magss
kaum, dass meine Beta-Leserin aus dem Urlaub ist, schütte ich sie gleich wieder mit Arbeit. Aber dafür haben wir beide es dann doch noch geschafft, diese kleine Herausforderung zu bewältigen - ganz lieben Dank an KitKaos.

Also, Teil 3 und Auflösung






Herbert George Wells schaute noch auf das Display seiner modifizierten Zeitmaschine, als sich die Umgebung seines Ziels immer mehr materialisierte. Häuserwände wurden erkennbar, beleuchtete Fenster darin, ein paar Autos tauchten aus dem Nichts auf und einige wenige Menschen huschten an ihm vorbei. Dieses kleine Gerät war so unglaublich faszinierend – und doch ärgerte er sich auch gleich, wenn auch nur ein wenig – auf diesem besagten Display wurden einige Regentropfen sichtbar. Es musste doch möglich sein, das Wetter in seine Programmierung, wann er wo in welcher Dimension auftauchte, miteinzubeziehen. Nun, beim nächsten Mal vielleicht.

Schnell wischte er mit seinem Ärmel über die Anzeige. Es war nur ein ganz leichter, feiner Nieselregen und der Schriftsteller stand ja auch schon in der Hyperion Avenue, nur wenige Meter von seinem Bestimmungsort entfernt. Die paar Tropfen waren nicht schlimm – aber vermeidbar. Er reiste schließlich durch die Zeit.

Aber nicht jetzt. Das war ein Problem, dem er sich irgendwann einmal in der Zukunft, die vielleicht sogar in seiner Vergangenheit stattfinden würde, stellen musste. Doch nicht an diesem Abend.
Heute galt es etwas anderes zu beheben.

Dabei hatte es noch nicht einmal einen ganz speziellen Anlass gegeben, genau zu dieser Minute, an diesem Tag in dieser Straße auftauchen zu müssen. Sein Zeitfenster hatte er eher grob geschätzt. Das Energiemuster, welches er immer im Blick hatte, während er sich zwischen den Zeiten aufhielt, war wie geplant geflossen und nur leicht verwirbelt von diesen inzwischen so vertrauten Lois-und-Clark-Meilensteinen. Bis zum Zeitpunkt der Hochzeit der beiden. Doch statt dass sich dann alles gefügt hatte, war es danach komplizierter geworden. Ohne etwas Genaueres greifen zu können, hatte er einfach diesen letzten Tag im November ausgewählt. Hier wollte er versuchen heraus zu finden, was er aus der Zukunft nicht begreifen konnte, um eventuell in der Vergangenheit wieder eingreifen zu können. Und so klopfte er dann behutsam an Nummer 341 in der Hyperion Avenue.

Doch ganz im Gegensatz zu seinem vorsichtigen Anklopfen wurde die Tür dann geradezu stürmisch aufgerissen und Clark stand ihm gegenüber. Er trug Jeans und einen dunklen Pullover, aber keine Brille. „Mister Wells, Sie schickt der Himmel!“, sprudelte es aus ihm heraus, während auf seiner Stirn einige steile Falten standen.

Nur Augenblicke später erschien Lois hinter ihm. Im Gegensatz zu Clark trug sie einen Bademantel, dessen Gürtel sie gerade zuknotete. Sie wirkte viel entspannter als ihr Mann. „H. G. Wells“, stellte sie mit einer Spur Erstaunen in der Stimme fest. „Was führt Sie hier her?“, dann zögerte sie doch einen Moment, ehe sie weitersprach: „Ausgerechnet jetzt, heute Abend?“

Die Regentropfen liefen Wells noch immer in den Nacken, während Clark sich zu ihr umdrehte, seine Stimme aber immer verzweifelter klang: „Lois, das liegt doch auf der Hand… wir hätten einfach nicht… das hätte alles nicht passieren dürfen!“

Lois zog die Tür ein Stück weiter auf, womit sie Wells endlich die Möglichkeit gab, einzutreten. Das war wirklich gut so; er mochte es gar nicht, im Regen stehen gelassen zu werden. „Aber mir geht es gut. Mir ist nichts passiert! Absolut gar nichts!“ Entgegen ihrer Wortwahl bekam Lois‘ Stimme nun einen scharfen Ton. Fast so, als hätte sie Clark das eben Gesagte schon mehrmals erklärt. Die Stimmung war greifbar gespannt. Doch war das Wells‘ Aufgabe? Er sah sich selbst weniger als Schlichter kleinerer Streitigkeit, sondern eher an der Zukunft Utopias interessiert.

Clark sah nicht gerade so aus, als glaubte er den Worten seiner Frau, besann sich aber wenigstens etwas seiner Gastgeberpflichten und versuchte sich offenbar zusammen zu reißen. Er nahm ihm den nassen Mantel und seine Melone ab. Nachdem sie sich dann alle gesetzt hatten, fragte Clark: „Also, Mister Wells“, wobei er sich offenbar bemühte einen sachlichen und freundlichen Ton anzuschlagen, „was führt Sie hier her? Benötigen Sie Hilfe, oder…?“

Diese Frage von Clark Kent, so wie er sie gestellt hatte, beunruhigte Wells nun aber doch. Beziehungsweise bestätigte sie ihm, dass sein zufällig ausgesuchter Zeitpunkt zur Landung doch vielleicht nicht ganz schlecht gewählt war. Denn die nicht formulierte Frage, ob Wells gerade heute erschienen war, weil er den beiden helfen musste, implizierte, dass Clark diese Möglichkeit durchaus in Betracht zog. Es also etwas gab, bei dem nur ein Zeitreisender helfen konnte? Aber wie erklärte Wells das? Es war ja nun nicht so, dass Utopia in Gefahr war sich überhaupt entwickeln zu können. Es war mehr die Vorahnung einer Verstimmung. Aber er konnte sie doch nicht wirklich ernsthaft auf diesen Streit ansprechen, der bestimmt nur eine kleinere Streiterei war. „Wissen Sie, Miss Lane, ich weiß jetzt gar nicht so genau, wie ich Ihnen das erklären soll“, und er wusste es wirklich immer noch nicht. Ob er langsam begann, weiße Mäuse zu sehen? „… ich hatte einfach so ein Gefühl, dass etwas nicht ganz so ist, wie es sein soll, bei Ihnen, bei Ihnen beiden…“ Besser konnte er das wahrhaftig nicht formulieren.

Daraufhin sah Lois ihn interessiert an. „Es ist komisch, dass Sie das gerade jetzt sagen, wo es sich auf vollkommen unerklärliche Weise geklärt hätte.“

Nun hatte ihn Lois komplett verwirrt: „Es hat sich geklärt...? Was hat sich geklärt?“

Und als wäre die ganze Situation nicht schon an sich heikel, bekamen Lois‘ Wangen eine Rotfärbung: „Dieses... Problem, auf das Ihre Frau uns hingewiesen hat.“

„Meine Frau?!“ Welche Frau? Und die Formulierung, Dieses… Problem, ließ ihn auch nicht gerade aufatmen.

Clark, der bisher ganz ruhig dagesessen hatte, meldete sich nun zu Wort. Zumindest er schien sehr genau zu wissen, wovon Lois sprach: „Wieso habe ich gerade das Gefühl, Sie haben keine Ahnung, wovon wir sprechen?“

Wells wurde ein wenig unangenehm zumute aufgrund der angedeuteten Richtung dieses Gesprächs. Doch die verwirrenden Fakten sollte er eines nach dem anderen versuchen aufzuklären: „Ich war verheiratet, aber das liegt eher in meiner Vergangenheit...“ Und wenn eine von ihnen etwas in dieser Welt getan hätte, sollte er das also wissen, oder nicht?

Clark wirkte noch immer angespannt, aber konzentriert: „Amalidana...? Sie war hier, bei uns, direkt nach der Hochzeit, aber…“

Und wieder einmal führte Lois seinen Gedanken fort: „… könnte sie denn nicht in Ihrer Zukunft liegen?“

Zumindest hatte er jetzt schon eine Vorstellung von dem Zeitfenster. „Meine Liebe, ich bin nicht sehr stolz darauf, aber ich weiß, was in meiner Zukunft passiert und das Glück einer harmonischen Zweisamkeit, also einer verheirateten, ist mir nicht mehr beschieden. Aber sagen Sie, hat sie Ihnen diesen Namen genannt?“ Beide nicken. „Oh, dann habe ich eine Ahnung, mit wem wir es zu tun haben... Aber was hat sie Ihnen beiden denn erzählt?“ Wells war sich ganz sicher, dass sie nun auf den Kern der Angelegenheit kommen würden.

Beide schienen sich etwas peinlich berührt zu winden, tauschten noch den einen oder anderen Blick aus, ehe Lois zögerlich begann. Das alles waren nicht gerade die Vorboten eines angenehmen Gesprächs, oder Gesprächsinhalts: „Sie hat uns… gewarnt, nein, eigentlich eher geradezu untersagt, unsere Ehe auch zu vollziehen, weil…“ Hier stockte sie.

„Weil ich Lois töten würde. Weil einfach alle meine Körperabsonderungen tödlich wären…“ Clark war seine Verzweiflung deutlich anzumerken, seine Stimme war tonlos und heiser. „Wir waren im ersten Moment so schockiert, wussten gar nicht, was wir tun sollten. Dort auf Hawaii, in diesem engen Zimmer… Am Ende haben wir sogar überlegt, uns wieder zu trennen…“

Doch da fiel ihm seine Frau ins Wort: „Du! Du hast vorgeschlagen, dass wir uns trennen könnten.“

„Ja, Lois! Denn du könntest ohne mich durchaus ganz normal leben.“

Nach diesen beiden heftigen und gegensätzlichen Standpunkten herrschte einen Moment ein eisiges Schweigen. Eisig und voll unausgesprochener Vorhaltungen. Es war für Wells sehr deutlich spürbar, dass die beiden diese Tatsache offenbar ganz anderes einschätzten.

Auch Wells sagte kein Wort. Bis Lois dann fragte, während sie Clark ansah: „Und du meinst, dass mich das dann glücklich machen würde?“ Dann versuchte sie offenbar den weiteren Verlauf sachlicher darzustellen, während sich ihr Blick nun auf ihren abendlichen Besucher konzentrierte: „Sehen Sie, Mr. Wells, wir haben so lange kämpfen müssen, um an diesen Punkt zu kommen, da wollte ich, wollten wir das Erreichte nicht einfach wegschmeißen. Aber einfach war es nicht…“

Wells fühlte den Konflikt, zwei Liebende, die sich nicht lieben durften, was für eine perfide Idee?

Clark erzählte weiter: „Wir versuchten einen möglichst klaren Kopf zu behalten…“

„Wir haben uns abgelenkt, statt uns aufeinander einzulassen. Museum, Theater, Kultur… Und die Arbeit natürlich…“

„… haben versucht möglichst niemals alleine, also nur zu zweit irgendwo zu sein.“

„… bis mir die Idee kam, Kryptonit zu Hilfe zu nehmen“, ergänzte Lois. „Auf den Gedanken bin ich gekommen, weil bei einer Recherche für eine Story ein magischer Stein eine Rolle gespielt hat. Und es hat funktioniert“, setzte sie stolz nach. „Endlich konnten wir ein ganz normales Leben führen.“

„Bis heute Abend…“ machte Clark die Euphorie seiner Frau gleich wieder zunichte.

Es war Kryptonit im Spiel? Das erklärte vielleicht auch die Dissonanzen, die Wells ganz diffus wahrzunehmen geglaubt hatte. Also hatte er sich doch nicht getäuscht. „Was ist heute Abend passiert?“, fragte Wells ganz gespannt und hoffte, dass die weiteren Schilderungen genauso unpräzise bleiben würden wie bisher.

„Wir haben es vergessen, das Kryptonit…“

Langsam bekam Wells eine recht gute Vorstellung der Misere. Clark, der schon immer die Eigenheit hatte, sich die Schuld der gesamten Welt auf die Schultern zu laden, sah sich in der Situation die Liebe seines Lebens zu töten, indem er sie geliebt hatte.

„Aber mir geht es gut.“ Und diesmal klang Lois‘ Versicherung nicht mehr ganz so hart. „Ich glaube inzwischen, diese Frau hat einfach gelogen.“ Und als wenn sie dafür doch noch eine Bestätigung bräuchte, ließ sie ihren Blick nun fest auf ihrem abendlichen Besucher ruhen. „Mister Wells, klären Sie uns auf, wer ist sie? Und was wollte sie hier?“

Oh ja, das sollte er den beiden dringend erklären. Denn auch er war überzeugt, dass Amalidana schlicht gelogen hatte. Er zwirbelte noch kurz seinen Schnauzbart und begann zu erzählen: „Sie lebt im 23. Jahrhundert, war einst sehr einflussreich, hat dann aber durch einige falsche Kontakte ihr Ansehen und damit ihre Macht verloren. Sie hat sich dann mit einem Mann verbündet, ist eine Symbiose mit ihm eingegangen. Dieser Mann ist eine Art Mephisto, er hat ihr wieder zu Respekt (diese böse Art von Respekt, die, die Angst macht) und Geld verholfen. Ich bin sicher, dass er sie geschickt hat.“ Wells legte seine Fingerspitzen aneinander und war sich der Spannung seiner Zuhörer voll bewusst. „Und dieser Mephisto ist niemand anderes als der Ihnen sehr wohl bekannte Tempus...“

Lois und Clark starrten ihn an und fragten gleichzeitig: „Tempus?!“

Clark fand als erstes seine Worte wieder: „Auf die Gefahr hin, dass es etwas unangebracht ist, dieses Thema hier und jetzt so ausgiebig zu diskutieren... Aber was hat Tempus für ein Interesse daran, uns beiden eine Art Keuschheitsgürtel anzulegen?“

Ja, das war schon etwas kompliziert für jemanden wie Tempus, der ja gerne den direkten Weg nahm: „Ich denke, es sind zwei Interessen. Zum einen macht es Sie beide auf die Dauer unglücklich. Zum anderen ist es ein Nachfahre von Ihnen, der in Zukunft das von Tempus so verhasste Utopia gründen wird. Und wenn Sie beide niemals miteinander...“, beide nicken, um ihm zu zeigen, dass sie wussten, was er sagen wollte, „dann wird es keine Nachfahren geben.“

Clark starrte ihn nur mit offenem Mund an. Doch was erwartete er denn von jemandem, der bereit gewesen war ein Baby in dieser Welt zu töten, damit seine eigene Welt interessanter wäre? Währenddessen machte sich Lois sofort Luft: „Was… für ein Monster! Irrer Psychopath! Für ein armer Wicht! Glaubt er denn wirklich immer noch, dass wir uns von seinen armseligen Versuchen, die Welt nach seinen Vorstellungen zu formen so einfach beiseite fegen lassen?! Und dann diese Schnepfe von einer Schlampe an seiner Seite…“ Oh ja, Lois war gerade dabei, sich so richtig in Fahrt zu reden. Doch dann hielt sie einen Moment inne, vielleicht wurde ihr gerade bewusst, dass das Objekt ihres Vernichtungswunschs gar nicht anwesend war. „Aber wissen Sie was, Mister Wells, das Schlimmste war gar nicht einmal die Tatsache, dass wir durch diese dumme Lüge unsere Ehe nicht vollziehen konnten, am furchtbarsten daran war…“

„… wir haben uns nicht mehr getraut im selben Raum zu sein.“, ergänzte Clark den Gedanken seiner Frau und sah sie dabei mit einem ganz weichen Blick an. „Wir hatten Angst, eine Berührung… ein Kuss würde uns mitreißen.“

„Da waren wir endlich am Ziel – und waren uns ferner als je zuvor…“ Auch Lois‘ Blick zeigte dieselbe Wärme. Wells war sich noch nicht einmal sicher, ob die beiden ihn überhaupt noch wahrnahmen. Doch augenblicklich landete Lois wieder im Hier und Jetzt: „Aber sagen Sie dieser Amalidana, wenn Sie sie sehen, wenn Sie wieder in der Zukunft sind, wieder in Ihrer Zeit sind, dass wir uns doch von solchen Spielchen nicht auseinander bringen lassen!“ Liebevoll strich sie Clark über den Arm. „Wir haben… Clark hat sogar Kryptonit in Kauf genommen.“ Oh ja, diese Amalidana hatte es wirklich geschafft, Lois und Clark einen Stein in den Weg zu legen, mal wieder einen, so ganz nach der Art und Weise, wie die Götter das gelegentlich mit den beiden taten.

Aber sie machten damit, was sie bisher noch mit jedem Stein getan hatten – sie räumten ihn aus dem Weg.

Ob Amalidana und auch Tempus eigentlich klar war, dass sie die beiden immer nur noch stärker machten?

Ende


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