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Ich brauche deine Hilfe... Teil 1/?

FanFiction zur TV-Serie "Superman - die Abenteuer von Lois und Clark" (orig. "Lois and Clark - the New Adventures of Superman")

Ich brauche deine Hilfe... Teil 1/?

Beitragvon Magss » Mo 16. Jul 2012, 18:53

so, ich habe mit mir gehadert und darüber meditiert und nachdem noch nicht mal mein Beta es mir ausgeredet hat, beginne ich "Hilfe" zu posten... Schönen Gruß an Tahu :winke:

Zeitlich liegt es am Ende der 2. Staffel (L&C natürlich :P ) und zwar nach dem Date und so etwa zur Zeit von Resurrection. Nur dann geht es einen ganz anderen Weg. Mehr möchte ich eigentlich gar nicht verraten, außer vielleicht noch, dass "Geheimnis" hier noch einmal eine ganz eigene Bedeutung hat.

Ich habe diese Story schon vor Unzeiten begonnen, habe mehrere Betas an meiner Seite gehabt, nämlich Tahu, Vega und KitKaos und alle habt ihr mir unglaublich weiter geholfen. Drei Betas war übrigens echt ein Experiment. Und ich möchte mich bei jedem von euch auf das herzlichste bedanken. Aber jetzt möchte ich euch einfach dran teilhaben lassen.

Disclaimer: Die Serie "Superman - die Abenteuer von Lois & Clark", Clark Kent, Lois Lane, Daily Planet, Metropolis, Krypton – all das gehört nicht mir und die Charaktere auch nicht, sondern denen, die die Idee hatten, Jerry Siegel, Joe Shuster oder DC-Comics, um nur einige zu nennen. Nur die Idee für diese Geschichte ist meine. Ich schreibe nur für mich, und verdiene kein Geld damit.

Über Kommentare (und damit meine ich wirklich positive wie negative) würde ich mich natürlich riesig freuen.

Posten werde ich im wöchentlichen Turnus





– Teil 1 –

Ich brauche deine Hilfe

Kapitel 1



Die ersten Vorboten der Dämmerung zeigten sich bereits, während Lois und Clark nach diesem langen und arbeitsreichen Tag die zwei Häuserblocks zum Büro der Staatsanwältin Mayson Drake gingen. Die Luft war noch angenehm warm und der ständige Verkehrslärm wurde langsam etwas weniger aufdringlich. Es war ein lauer Abend, genau richtig für so einen Spaziergang zum Abschluss dieses Tages. Clark atmete tief durch, sog die Luft ein. Da war der Benzingeruch der Autos, Staub, die Gerüche von Millionen von Menschen, doch die angenehme Abendluft ließ auch den herannahenden Frühling bereits erahnen. In der Ferne, ganz zart, gaben die ersten, frühen Blüten in den Parks ihren Duft ab. Frühling... Er musste endlich ansprechen, was ihm schon lange auf der Seele brannte und gab sich einen Ruck: „Du hast gestern Abend die Tür vor mir zugeschlagen“, begann er unsicher.

Lois blieb auf dem Bürgersteig stehen, drehte sich ihm zu, blickte erst noch zu Boden und hob dann langsam ihren Kopf. „Das war... ein Fehler.“ Ihr Zögern, der fast um Verzeihung bittende Blick, die Worte einzeln und überlegt gesetzt – dieses Geständnis schien ihr geradezu auf der Seele zu liegen. Wow! Clark war vollkommen hingerissen, sie hatte es wirklich zugegeben. In diesem Augenblick sah er nur noch sie.

Es war nicht gerade eine von Lois' stärksten Seiten, Fehler zuzugeben. Um so mehr bedeutete ihm dieses Eingeständnis. Auch Clark blieb stehen, ungeachtet der Menschen, die an diesem Abend noch über den Bürgersteig hetzten. Diese Offenheit von Lois ermutigte und berührte ihn gleichermaßen. Ihre Ehrlichkeit zeigte ihm, dass es auch ihr sehr wichtig war. Auch für sie war der gestrige Abend offensichtlich nicht nur einfach ein Date, es war das Date. Trotz seines Lächelns versuchte er ein wenig Strenge in seine Stimme zu mischen: „Dass mir das ja nicht wieder passiert.“ Es gelang ihm nicht wirklich, aber das machte gar nichts. Er wollte sie ja nicht wirklich ermahnen. Es war nur ein Spiel.

Und das Spiel ging weiter. Unaufhaltsam. Mit jedem weiteren Schritt nahm Clark seine Umgebung weniger wahr, er sah nur noch sie. Ließ sich von ihrem Zauber einfangen. Sie schenkte ihm einen Augenaufschlag aus ihren wunderschönen rehbraunen Augen. Lois lächelte verstohlen und sah ihn an, sah ihm direkt in die Seele. „Ich schätze, wir können einfach nur sehen, wie die Dinge weiterlaufen oder?“ Es war ein Spiel, aber Lois spielte offen und ehrlich. Sie räumte ihnen eine Chance ein, zeigte, was in ihrem Herzen vorging, offenbarte ihre Gefühle. Aber war da nicht auch wieder eine Spur Unsicherheit erkennbar?

Clark, wischte diesen Zweifel beiseite, trau dich, ermutigte er sich selbst. Geh den nächsten Schritt. Dieser Moment kommt niemals wieder. „Glücklicherweise sind hier heute keine Türen...“, sagte er mit sanfter und ein wenig rauer Stimme.

Lois' Augen zeigten ihm ein erregtes Glitzern. Da war etwas Erwartungsvolles in ihrem Blick. Dieser Blick, in dem er auf der Stelle hätte versinken können. Wollte sie ihm doch nicht ausweichen? Aufgeregt hauchte sie ihm entgegen: „Glücklicherweise...“

Clark bekam eine Gänsehaut. Ja! Er jubelte innerlich. Keine Gegenwehr, kein Herausreden mehr, kein Plappern um abzulenken. Dieser Blick nahm ihm den letzten Zweifel. Er trat noch einen Schritt näher auf sie zu. Sie waren sich nun ganz nah. Seine Hände gingen ganz selbstverständlich zu ihren Schultern. Die ganze Welt bestand nur noch aus ihr, ihrem Blick und ihren Lippen, die ihn geradezu magisch anzogen. Clark roch gerade eben ihr zartes Parfüm und hörte wie ihr Herz immer aufgeregter schlug. Genau wie sein eigenes. Er kam ihr näher. Ihr Atem streifte sein Kinn und er genoss den Geruch, der so typisch für Lois war, Kaffee und ein Hauch Schokolade. Noch näher. Langsam senkte er seinen Kopf, nur noch ein kleines Stückchen und dann berührten seine Lippen die ihren. Er hörte Musik in seinem Kopf, Geigen, der Himmel hing voller Geigen.

Das war Magie.

In dieser zarten Berührung lag alles. Reines Glück durchströmte ihn und er verlor sich vollkommen darin. Die Welt stand auf einmal still. Alles um sie beide herum hörte auf zu existieren. Es gab nur noch sie und ihn. Lois schmeckte wunderbar. Behutsam streckten sich seine Hände nach ihr aus, hielten sie fest und wollten sie nie wieder los lassen. Sie antwortete ihm entschlossen, küsste ihn mit wilder, hungriger Leidenschaft...

„CLARK! Ist der Artikel über den Dock-Streik endlich fertig?!“ Perrys unerbittliche Stimme riss ihn abrupt aus seiner Fantasie.

Erschrocken hob Clark den Kopf, sein Herz klopfte wild und er sah in das aufgebrachte Gesicht seines Chefredakteurs. Er sah sich verwirrt um, brauchte ein paar Sekunden, um zu erfassen, wo er sich gerade befand. Clark saß in der Redaktion an seinem Schreibtisch, den Bleistift in seiner Hand und vor sich einen ganzen Stapel an Papieren. Um sich herum vernahm er die typische Geräuschkulisse des Planets, die ihn immer an einen Bienenstock denken ließ. All die fleißigen Bienchen summten, brabbelten und plauderten, Telefone klingelten, Tastaturen klapperten. Nichts erinnerte mehr an dieses Gefühl in der kühlen Nachtluft. Dabei konnte er ihre Hände noch immer spüren, fühlte noch ihren Körper, der sich sanft gegen seinen drückte, roch noch ihr betörendes Parfüm...

Dieser Kuss gab es nicht nur in seiner Fantasie, er war realer, als er ihn je hatte träumen können. Drei Tage war es inzwischen her, dass Lois und er sich geküsst hatten. Erst hatte sie ihm nach ihrem ersten richtigen Date die Tür vor der Nase zugeschlagen und dann hatten sie sich geküsst. Er konnte ihre weichen Lippen noch bis zu diesem Moment spüren. Immer wieder hatte er sich in der Erinnerung an diesen Kuss verloren. Und immer wieder musste er verdrängen, dass Mayson in genau diesem Augenblick gestorben war. Sie war von einer Autobombe getötet worden. Bisher fehlte ihm jedoch eine heiße Spur, die zu ihrem Mörder führen könnte.

Sein Chef sah ihn immer noch fragend und erwartungsvoll an. „Natürlich Chef“, stammelte Clark etwas verloren. Die Redaktion erschien ihm so traumhaft, fast alptraumhaft und der gerade noch einmal erlebte Kuss immer noch so real. „Sie haben es in fünf Minuten auf Ihrem Schreibtisch.“ Er sollte sich wirklich besser konzentrieren und nicht ständig in diese Tagträume verfallen. Aber Lois war schon immer wie eine Droge für ihn gewesen und seit diesem Kuss war das bestimmt nicht besser geworden, eher noch weit schlimmer.

Perry zog offensichtlich fürs Erste zufrieden davon und Clark sah verstohlen zu Lois' Schreibtisch. Sie tippte konzentriert Text auf ihrer Tastatur. Er hatte den Artikel über den Dock-Streik längst fertig. Doch er wollte sich in diesem Moment nicht mit Arbeitsbedingungen der Dock-Arbeiter im komplizierten Geflecht der Globalisierung auseinander setzen. Vielmehr sollte er versuchen sein Gefühls-Geflecht zu entwirren. Er hatte mit Lois seit diesem Kuss, seit Maysons Tod kaum mehr ein persönliches Wort gewechselt. Erst war da der Schock, die Verhöre der Polizei und der Staatsanwaltschaft, dann die Beerdigung. Von seiner Nebenbeschäftigung, die ihn in den letzten Tagen voll gefordert hatte, ganz zu schweigen. Vielleicht wollte Lois ihm auch einfach nur Zeit geben. Sie wusste, dass er Mayson gerne gehabt hatte. Doch unter Umständen war sie sogar eifersüchtig auf die Staatsanwältin gewesen.

Er selbst machte sich immer noch Vorwürfe, dass er Mayson nicht rechtzeitig hatte helfen können. Und ganz gleich, was er nun wirklich für sie empfunden hatte oder vielleicht jemals an Gefühlen hätte aufbauen können, so einen Tod hatte sie nicht verdient. So einen Tod hatte niemand verdient.

Clark gab sich einen Ruck. Ganz gleich, was während dieses wunderbaren Kusses noch passiert war, sie sollten sich die Chance, die darin gelegen hatte, nicht nehmen lassen. So ein Kuss konnte ein ganz grandioser Beginn für so viel mehr sein. Das war es, was er wollte. Er wollte, dass mehr daraus wurde. Er wollte einen Anfang, eine Chance und er wollte Lois.

Er stand auf, hatte nun endlich ein klares Ziel vor Augen und den Mut etwas zu tun, er ging zum Schreibtisch seiner Kollegin. „Lois, ich wollte dich fr...“ Doch genau in diesem Moment klingelte ihr Telefon. Sie hob den Kopf und sah ihn fragend an. Lois bedeutete ihm zu warten und nahm mit dieser unausgesprochenen Entschuldigung ab.

„Ja, hallo... Na endlich, ich warte schon seit Stunden auf deinen Rückruf... Ja? Ich wusste es! Wann können wir uns sehen?... Okay, bleib dort, ich komme.“ Lois war von der ihr eigenen Erregung erfasst, wenn sie eine Spur sah. Sie stand hastig auf, griff sich ihren Mantel und ihre Tasche und machte sich daran zu gehen. „Clark, tut mir leid, was immer du sagen willst, es muss warten“, warf sie ihm aufgeregt zu. Aber diese Gemütslage galt nicht ihm, sie galt 'der Spur'. Hastig, unnachgiebig und nicht Willens sich aufhalten oder ablenken zu lassen, war Lois schon auf dem Weg zu den Fahrstühlen. „Warren hat Bilder für mich. Wenn es um unseren Stadtrat geht, ist Warren ja immer meine erste Adresse. Damit kriege ich diesen schleimigen, korrupten Lionel. Du weißt doch, bester Freund von Bill Church...“ Die Worte 'und so weiter' wurden bereits von den inzwischen wieder geschlossenen Fahrstuhltüren verschluckt. Lois war weg. Mad Dog Lane hatte eine Fährte gewittert und war nicht mehr aufzuhalten.

Clark war ihr stumm bis zur Rampe gefolgt und stand dort nun wie ein begossener Hund. Seine Hände, als wollte er sie festhalten, gingen nur noch ins Leere. Verdammt, er hatte kein Wort mehr sagen können. Warum mussten ihnen nur immer wieder alle möglichen Dinge dazwischen kommen? Es war fast, als legte ihnen jemand ständig Steine in den Weg. Er hatte sie fragen wollen, ob sie nicht noch einmal ausgehen wollten. Wieder eine verpasste Chance. Natürlich würde sie wieder kommen, versuchte er sich zu trösten. Doch es fühlte sich nach einem schwachen Trost an.

Er hätte ihr ja auch anbieten können, sie zu begleiten. Obwohl sie wirklich den Eindruck gemacht hatte, sie könnte noch nicht einmal die vielleicht drei Sekunden Verzögerung verkraften, die das mit sich gebracht hätte. Er könnte ihr nachfliegen, dann wüsste er auch genau, dass es ihr gut ginge...

Nein, das konnte er nicht tun. Wie sehr er sich auch immer sorgte, dass Lois ein vermeintlich harmloses Interview zu einer ihrer typischen Eskapaden werden ließ, sie war schließlich unabhängig und das hatte er zu akzeptieren. Clark drehte sich um und wollte gerade zu seinem Schreibtisch, wo immer noch der Bericht über den Dock-Streik auf ihn wartete. Da lief ihm Jimmy über den Weg. Eigentlich sah es so aus, als versuchte ihn Jimmy über den Haufen zu rennen. Wenn Clark es nicht besser gewusst hätte, hätte er gesagt sein jüngerer Kollege hetzte mit geschlossenen Augen durch die Redaktion. Und in der Tat, seine Augen waren, wohlwollend formuliert, halboffen. „Jimmy, was ist los? Schlecht geschlafen? Oder hat dich Perry die ganze Nacht arbeiten lassen?“ Clark lachte aufmunternd, obwohl er noch nicht mal sicher war, dass Jimmy ihn gehört hatte. Er sah furchtbar aus.

Der Jüngere winkte kraftlos ab. „Frag bloß nicht... Ich kann mich kaum auf den Beinen halten.“

Clark sah seinen jüngeren Kollegen mitfühlend an. „Hast du gerade Stress? Sorgen? Hier im Planet oder mit einer Frau?“ Bei der Erwähnung des Planets hatte er noch gelassen abgewinkt, aber bei dem Wort 'Frau' hatte Jimmy bekümmert aufgeblickt. Ah ja. „Also, sag schon, wer ist es?“ Sie gingen beide langsam die Rampe herunter. Eigentlich hatte Jimmy immer Stress mit Frauen. Er traf sie, verliebte sich, versuchte an sie heran zu kommen. All das war schon Stress. Wenn er es dann geschafft hatte, gab es eine kurze Entspannungsphase, die aber meist nicht lange anhielt. Dann begann die Stressphase der Trennung. Die konnte mehr oder weniger abrupt erfolgen, und mehr oder weniger stressig ausfallen.

Auf Clarks Nachfrage hin fuchtelte Jimmy Hilfe suchend mit seinen Armen. „Ach... eigentlich läuft es toll. Sie ist so cool und witzig. Und sie sieht umwerfend aus... Ich bin richtig stolz, dass sie mit mir ausgeht.“ Wirklich überzeugen konnte er trotz seiner Worte nicht, es fehlte der eigentlich zu erwartende Elan in seinen Ausführungen.

Clark musste grinsen. Die Frauen, mit denen Jimmy ausging, waren immer sensationell. Erst im Nachhinein entdeckte er dann ihre Seiten, die einfach nicht passen wollten. Aber Clark war sich sicher, dass Jimmy es selber auch nicht besser verstand. „Und, wo ist der Haken?“

Jimmy druckste herum: „Sie... nun ja, sie hat so viel Zeit...“ Uups, das war ein Problem? Doch Jimmy erläuterte gleich, was er gemeint hatte: „Jeannie ist ständig auf irgendeiner angesagten Fete, feiert ganze Nächte durch... Bis zum frühen Morgen. Und immer wenn ich da mitmache, komme ich kaum noch zum Schlafen. Das Wort Überstunden sollte ich in ihrer Gegenwart besser auch nicht erwähnen.“ Entgegen dem Spaßfaktor, von dem er gerade erzählte, wirkte Jimmy eher bedrückt.

Das erklärte natürlich seine Müdigkeit. „Wovon lebt sie? Keinen Job?“ Inzwischen waren sie bei Jimmys Schreibtisch angelangt. Jimmy sackte in seinen Stuhl und Clark ließ sich auf der Kante des Schreibtisches nieder.

Sein junger Kollege sprach unsicher weiter, gerade so, als wollte er sich um eine klare Aussage drücken: „Sie studiert. Ich weiß nicht genau, wie sie das macht, aber für sie ist es offenbar kein Problem...“ Er wirkte unglücklich über die Tatsache, dass er für diese einfache Verwicklung selber keine Lösung wusste.

„Tja, Jimmy“, Clark kam sich ein klein wenig lächerlich vor, Beziehungstipps zu geben. Er bekam doch sein eigenes Privatleben kaum besser geregelt. Lois und er – das war alles so unklar... Egal, rief er sich zur Ordnung, jetzt musste er einen Rat für seinen Freund bereithalten. „Das wirst du nur eine begrenzte Zeit machen können. Eine Weile mag es funktionieren. Aber wenn du langfristig deinen Job nicht riskieren willst, musst du dich schon bald entscheiden.“ Clark fand, dass er bei diesen Worten väterlicher klang, als er das gewollt hatte.

„Ja, ja“, konterte Jimmy frustriert, „entweder denkt sie, ich bin ein langweiliger Spießer oder ich bin meinen Job los...“ Er fühlte sich offenbar in einer Entscheidung, bei der er nur verlieren konnte.

Vielleicht gelang es Clark ja, ihn auf andere Gedanken zu bringen. „Ach Jimmy, das wird schon. Ganz sicher. Irgendwann fügt sich alles zum Guten... Bestimmt", versuchte er seinen Kollegen aufzumuntern, "aber darf ich dich trotzdem um etwas bitten?“ Jimmy nickte nur kurz. „Es ist ganz günstig, dass Lois gerade nicht da ist. Ich möchte nicht, dass sie erfährt, dass du... ich... wir beide daran arbeiten. Ich weiß nicht so genau, wie sie reagiert“, redete er sich schnell heraus, nachdem er Jimmys fragenden Blick gesehen hatte. Oh ja, er sollte das erklären, also fuhr er fort: „Ich fürchte, sie könnte... nun ja, vielleicht eifersüchtig reagieren...“ er atmete noch einmal tief durch, „ich möchte, dass du in Sachen Mayson Drake ermittelst. Aber Lois soll das nicht erfahren. Ich will nicht, dass sie noch nachträglich mehr in unsere Beziehung – also Mayson und mich... hinein interpretiert“, versuchte er sich zu retten. Jimmys Blick wirkte immer noch müde, aber Clark sah darin genau die Unterstützung, die er für sein eigenes Seelenheil brauchte. „Lois sieht da wohl mehr, als da je war. Aber ganz gleich, Mayson hat es nicht verdient, so zu sterben. Ich will ihren Mörder hinter Gittern bringen. Hilfst du mir dabei?“, beschwor er seinen jungen Kollegen.

„Ja klar“, gab der lässig zurück. Natürlich hatte Clark gehofft, dass Jimmy ihm beistehen würde. Er hatte es auch nicht wirklich anders erwartet.

„Okay, also versuch irgendwie herauszufinden, woran Mayson gerade gearbeitet hat, die Fälle, in denen sie ermittelt, jede denkbare Verbindung zu Intergang. Ach ja, stell mir doch bitte mal alles zusammen, was du zu 'Wiederauferstehung' finden kannst. Und noch eine kleinen Bitte zum Schluss, auf meinem Schreibtisch liegt der fertige Artikel zu dem Dock-Streik, könntest du ihn bitte nach oben geben?“ Für all das dürfte selbst Jimmy ein paar Stunden brauchen. Das hingegen passte Clark sehr gut, denn gerade in diesem Moment hörte er ein ganzes Konzert von Polizei- und Feuerwehrsirenen – das war ein Job für Superman.

~ ~ ~

Stunden später betrat Clark das Gebäude, in dem der Planet untergebracht war. Was anfangs wie ein Wenige-Minuten-Einsatz ausgesehen hatte, hatte sich mal wieder in ungeahnte Dimensionen entwickelt. Den Brand in dem Chemiewerk hier in Metropolis hatte er ja noch innerhalb kurzer Zeit löschen können. Doch dann hatte ihm der Einsatzleiter der Feuerwehr mitgeteilt, dass in einem Peruanischen Bergwerk ein Stollen eingebrochen war. Es waren 25 Bergleute eingeschlossen und niemand wusste, ob sie noch lebten. Das uralte Stollensystem erstreckte sich über Kilometer und keiner konnte ihm so genau mitteilen, wo die Bergleute gerade gearbeitet hatten. Natürlich hatte er sie letztlich doch alle retten können, aber es hatte Stunden gebraucht.

Inzwischen war es später Nachmittag geworden und sein Schreibtisch lag noch immer voller Arbeit. Es würde wieder mal ein langer Tag werden. Aber vielleicht könnte er endlich mit Lois sprechen. Sie fragen, ob sie noch ein Date mit ihm wollte. Mit diesem Gedanken durchschritt er das Foyer des Planet gleich viel beschwingter.

Clark trat aus dem Fahrstuhl und erfasste augenblicklich die Situation. Nur noch wenige Kollegen waren im Redaktionsbüro, Jimmy war darunter, er saß konzentriert an seinem Schreibtisch. Doch Lois' Arbeitsplatz war verlassen, ihre Jacke war nicht da und ihr Computerbildschirm war ausgeschaltet. Wahrscheinlich war sie schon gegangen. Verdammt, er musste sie unbedingt morgen ansprechen. Warum war es nur so schwer, diese ganze Sache, Date, ausgehen, vielleicht mehr? Er seufzte innerlich, während er zu seinem Schreibtisch ging. Da waren zwei Notizen, die ihm sagten, wen er zurückrufen sollte. Doch soweit kam er gar nicht. Jimmy hatte ihn wohl hereinkommen sehen und war gleich zu ihm gekommen.

„Clark, du warst aber lange weg.“ Er sah seinen jungen Kollegen darauf nur ein wenig verdrießlich an. Doch Jimmy schien gar keine näheren Angaben zu erwarten, er fuhr gleich fort: „Lass uns besser in den Konferenzraum gehen, da sind wir ungestört...“

Ungestört? Jimmy wollte ihm etwas mitteilen, was niemand von den verbliebenen drei Kollegen hören sollte. Nun, das war ja spannend. Er folgte ihm natürlich in den Konferenzraum, der einzige Ort, wo sie sich hier in der Redaktion ohne Zuhörer unterhalten konnten. Clark schloss die Tür hinter ihnen. „Okay, Jimmy, lass hören, was gibt es?“

Fortsetzung folgt…
Die Welt ist groß genug für die Bedürfnisse aller. Aber zu klein für die Gier einzelner.
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Re: Ich brauche deine Hilfe... Teil 2/?

Beitragvon Magss » Mo 23. Jul 2012, 21:05

– Teil 2 –

Jimmy hatte ein Blatt selbst geschriebener Notizen mitgebracht und legte es vor sich auf den Tisch. Das konnte ja wohl kaum so aufregend sein oder? Er setzte sich und strich sich ums Kinn. „Also, du hast mich doch gebeten, ich soll herausfinden, woran die Staatsanwältin Mayson Drake gerade gearbeitet hatte...“ Jimmy betonte das Wort 'Staatsanwältin' als ob er damit die Brisanz dieser Ermittlungen noch einmal betonen wollte. Clark nickte zustimmend. „Okay, ich habe mich mal in ihrem Computerdateien umgesehen...“, obwohl sie hier alleine im Raum waren, flüsterte Jimmy fast und blickte sich unsicher um. Clark konnte das vollkommen verstehen. „Aber da war nicht wirklich etwas, viele kleine Verfahren, Überfälle, Trickbetrügereien, kleine Einbrüche, Autodiebstähle, das reichte mir aber nicht...“

Es erstaunte Clark immer wieder, wie Jimmy so offenbar einfach die Sicherheitssysteme fremder Computer knacken konnte. Sie sprachen hier immerhin von der Staatsanwaltschaft. Aber er war auch schon in ganz andere Computer eingedrungen... Clark konnte sich da nur wunderte, zog aber insgeheim den Hut vor seinem jüngeren Kollegen.

Jimmy fuhr ruhig, aber immer noch bedächtig leise fort: „Also bin ich dahin... Natürlich ist ihr Büro gesperrt, versiegelt, aber... Das ist nicht wirklich ein Problem. Ich musste nur hinterher die Siegel wieder sorgfältig anbringen. Die Tür war kein Problem.“ Er grinste zufrieden.

Clark hingegen konnte nur mit dem Kopf schütteln. „Gibt es hier beim Planet eigentlich auch Reporter, die eine abgeschlossene Tür als verschlossen akzeptieren...?“

Mit einer vollendeten Unschuldsmiene sah Jimmy Clark an. „Wieso?“

„Für Lois bedeutet eine verschlossene Tür höchstens eine Zeitverzögerung, aber nicht, dass sie irgendwo nicht herein kommt. Weiß der Teufel, wo sie dadurch noch mal landen wird! Oder wo sie das her hat?“ Er konnte nicht anders, er machte sich nun mal immer ein wenig Sorgen um sie.

Jimmy sah nun etwas betreten beiseite. „Ähm... also, genau genommen hat sie das von mir gelernt...“

Das war zu viel für Clark. Die Vorstellung, dass die beiden Menschen, die er am meisten achtete sich gegenseitig kriminelle Tricks beibrachten, ließ ihn zusammenzucken. „Und, hast du noch mehr solche Sachen auf Lager?“, fragte er Jimmy nun vorwurfsvoll.

„Was willst du von mir?“, redete sich Jimmy heraus. „Wenn ich dir sagen kann, woran Mayson gerade gearbeitet hat, findest du das ganz okay, oder?“, rechtfertigte er sich. Da hatte er natürlich Recht. Clark nickte, schickte aber ein Stoßgebet los, dass Jimmy ihm nicht noch mehr solcher Aktionen offenbarte. Ein wenig ruhiger erzählte Jimmy dann, was er noch erreicht hatte: „Ich habe einiges gefunden. Direkt auf ihrem Tisch lagen ein Notizbuch und eine Akte mit der Bezeichnung 'Wiederauferstehung'. Ich hab reingesehen, da stand eine Zeile dick angestrichen: MacCarthy = Wiederauferstehung?“

Clark war begeistert. „Gut, Sehr gut! Wer ist MacCarthy? Was ist noch in der Akte und was ist das für ein Notizbuch?“

Nun begann sich Jimmy zu winden wie ein Aal. „Tja, jetzt kommt der unangenehme Teil, die schlechte Nachricht sozusagen... Ich war nicht der Einzige, der in Maysons Büro eingebrochen ist...“ Jimmy war diese Schilderung unangenehm, das war ihm deutlich anzumerken. Fast sah es so aus, als würde er sich vor Clark ducken. „Plötzlich stand da dieser Typ...“

Entsetzt rief Clark aus: „Meine Güte, der hat dich erwischt...?“ Es war immer weitgehend in Ordnung, in ein Büro einzubrechen, um an Beweise oder weiterführende Spuren zu gelangen. Es war genauso in Ordnung Verdächtige zu beobachten und wenn sie dafür Hausfriedensbruch begehen mussten, nun ja, dann war es eben so. Aber es war überhaupt nicht in Ordnung erwischt zu werden. Das bedeutete keine Spuren, keine Beweise, keine Gespräche mithören, keine Bilder und von dem Ärger, mit dem die Rechtsabteilung des Planets dann immer drohte, ganz zu schweigen. Und zu guter Letzt könnte es Jimmy wirklich in Schwierigkeiten gebracht haben. Aber er stand ja recht unbeschadet hier vor Clark, wie ihm gerade aufging. „Was war das für ein Typ?“, fragte Clark deswegen schon viel ruhiger.

„Unangenehm, wenn du mich fragst. So ein Oberlässiger. Marke Ich-bin-der-Coolste. Buntes Hawaiihemd, abgewetzte Lederjacke. Ich dachte erst noch, der ist doch niemals von der Polizei.“ Clark zog fragend eine Augenbraue hoch. „Nun ja, vorgestellt hat er sich nicht. Hat selber gesehen, dass er wegkommt. Ich denke, so wenig, wie ich da sein durfte, so wenig durfte er das selber. Aber ich hab ihn inzwischen natürlich gefunden. Dieses schleimige Gesicht konnte ich nicht vergessen. Als ich wieder hier war, hab ich die Datenbank nach ihm abgesucht – und Bingo.“

„Jimmy du bist phänomenal. Also, was hast du herausgefunden?“ Clark war durchaus klar, dass Lois' und seine Artikel ohne Jimmys Recherchen kaum die Hälfte Wert waren. Es gab kaum etwas, das er nicht herausfand. Auch wenn seine Methoden manchmal nicht mal mehr grenzwertig noch legal, sondern eher schon eindeutig illegal waren.

Er schien sich durch Clarks freundliche Aufmunterung sehr viel besser zu fühlen und so berichtete er nun gelassen weiter: „Daniel Scardino ist sein Name, Drogenfahndung.“

Das war sehr merkwürdig. „Drogenfahndung?“ Clark sah Jimmy höchst erstaunt an. „Wieso ermitteln die in einer Mordsache? Und wieso so verdeckt? Wenn er sich dir gegenüber nicht ausgewiesen hat, hat er in Maysons Fall und damit in ihrem Büro offiziell nichts zu suchen.“

„Ja, genau das habe ich mir auch schon gedacht.“ Jimmy nahm sich nun seinen Blatt Papier zur Hilfe. „Ich habe noch ein wenig weiter gesucht. Dieser Scardino ist ziemlich unbeliebt, hat wohl recht unkonventionelle Methoden, ist aber auch sehr erfolgreich. Doch das Schlimmste ist, er hat mir die Wiederauferstehungsakte und Maysons Notizbuch abgenommen.“

„Ach verdammt, Jimmy. Das ist wirklich ärgerlich.“

Schnell versuchte Jimmy sich zu erklären: „Er hatte eine Waffe.“

„Ach Jimmy, das meinte ich doch nicht. Klar, dass du ihm das gegeben hast. Nein, es ist nur so ärgerlich, dass wir nun nicht wissen, was noch in der Akte steht.“ Clark stand von seinem Stuhl auf und ging, seinen Gedanken nachhängend, ein paar Schritte. Drogenfahndung? Wiederauferstehung? Scardino? MacCarthy? Intergang? Das war alles noch sehr undurchsichtig, aber das waren immerhin schon mal Spuren. „Okay, ich möchte, dass du da überall dran bleibst. Aber du denkst dran – kein Wort zu Lois. Wo ist sie überhaupt?“

„Sie sagte etwas von einer ganz heißen Sache, irgendein Informant hatte angerufen und dann verschwand sie wie ein Wirbelwind.“ Das sah ihr ähnlich. Jimmy versicherte ihm, er würde alles herausfinden zu den Stichworten, die sie gerade besprochen hatten.

Er selbst hätte da noch den einen oder anderen Artikel fertig zu schreiben. Und viel mehr würde er wohl heute kaum noch erreichen können. Nun ja, morgen war schließlich auch noch ein Tag.

~ ~ ~

Lois beschloss, es nun endlich zu tun. Nachdem sie schon den ganzen Tag darüber nachgedacht hatte, sich ungefähr tausend verschiedene Formulierungen zurecht gelegt und sie alle wieder verworfen hatte. Sie sollte es einfach tun. Also stand sie von ihrem Schreibtisch auf, straffte ihre Schultern, reckte ihren Kopf stolz nach oben und ging zu Clark. „Also, wollen wir so einen Abend noch mal wiederholen? Willst du ein Date?“ Oder sollte sie lieber fragen: „Willst du noch ein Date?“ Aber die Frage klang gleich so fordernd. Wie wäre es mit: „Willst du mit mir ausgehen?“ Ja. Das klang eigentlich sehr schön.

Dann war da noch die Frage ‚wann‘. Sie waren beide im Moment ganz gut mit Arbeit eingedeckt und am Wochenende konnte sie ja nicht. Aber die Terminfrage sollte sich wohl klären lassen, wenn sie erst einmal das ‚ob‘ gemeistert hatten.

Sie sah auf ihren Bildschirm, doch der Text erschloss sich ihr nicht. Sollte sie ihn denn wirklich fragen? Aber natürlich. Wenn Clark sich nicht traute, dann musste sie eben den Mut aufbringen. Warum traute er sich wohl nicht? Wollte er nicht? Konnte das sein, nach diesem Kuss? Nicht wirklich. Also, sie ging von ihrem Schreibtisch zu seinem, atmete noch einmal tief durch und stellte sich vor ihn. „Clark, bin ich ein alter Hut?“, brach es mehr verzweifelt aus ihr heraus als dass sie sich die Worte gut überlegt hatte. Was er darauf wohl sagen würde? Vielleicht: „Ein alter Hut, was meinst du damit?“ Darauf müsste sie dann sagen: „Nun ja, wir hatten ein wundervolles Date, wir haben uns geküsst, aber du hast kein Wort mehr darüber verloren...?“ Es war inzwischen drei Tage her. Sollte sie so vorgehen?

Das Klingeln ihres Telefons riss Lois aus ihren Gedanken. Sie nahm etwas genervt den Hörer ab. „Ja, hallo…“ Sie musste das einfach klären mit Clark. Dieses In-der-Luft-hängen war enervierend.

„Hi Lois, ich bin's.“ Bobby Bigmouth. Wenn er von sich aus anrief, bedeutete das meist etwas Großes, etwas Lohnenswertes… und etwas Teures. Sie seufzte schon jetzt bei dem Gedanken an ihre Ausgaben.

„Bobby, was hast du für mich?“, versuchte sie sich kurz zu fassen. Er wollte niemals Zeit verschwenden. Zeit, die er nicht mit Essen oder Nahrungsbeschaffung verbrachte, schien für ihn verlorene Zeit zu sein.

„Lois, du wirst mir dankbar sein. Aber kommen wir erst einmal zum Wichtigsten: Ich will Burger diesmal. Aber nicht so viel Salat, du weißt, schön viel Fleisch, schön viel Soße aber auch nicht zu scharf. Am besten gehst du zu 'Burger Queen', die schmecken mir im Moment am besten. Bring mir welche mit Käse und welche ohne. Milchshake und Cola dazu und bring welche von den Apfeltaschen mit... Und das ganze hätte ich gerne in einer Stunde. Wir sehen uns im Centennial Park.“

„Bobby!“, sie musste ihn einbremsen, sonst würde er mit seiner 'Bestellung' nie zum Ende kommen. Bobby Bigmouth war ein Fass ohne Boden. „Sag mir doch erst einmal, was ich dafür bekomme.“ Eigentlich wusste sie, dass Bobbys Informationen immer ihr Geld wert waren. Aber sie sollte ihn das auch nicht allzu deutlich spüren lassen. Das würde seinen Preis unweigerlich in die Höhe treiben.

„Okay, okay, okay. Also, ich habe da etwas läuten gehört. Es geht um deinen fliegenden Freund. Jemand will ihm mal wieder an den Kragen. Ich habe da etwas mitbekommen von Kryptonit. Eigentlich soll es wohl recht schwierig gewesen sein, überhaupt an das Zeug heran zu kommen. Aber jemand hat einen Geologen beauftragt welches zu suchen. Schon vor Wochen. Und nun soll es ihm wohl gelungen sein...“

Lois schrieb aufmerksam mit. „Ein Geologe. Hat er einen Namen?“

„Natürlich hat er einen Namen. Die Apfeltaschen mit Soße, ja. Er heißt Newtrich. Auf der Straße wird geflüstert, dass er sein jetziges Einkommen aus Intergang-Kanälen bezieht. Aber da habe ich noch keinen Namen. Ich bleib dran. Okay? Lois, ich muss Schluss machen. In einer Stunde, okay?“

„Halt, Bobby. Eine Frage noch, wo hat dieser Newtrich das Kryptonit her?“, warf sie noch schnell ein.

„Irgendwo aus dem Mittleren Westen.“ Er hängte ein. Lois sah ihren Telefonhörer erstaunt an. Nun ja, das war nicht so schlimm, sie würde ihn ja in einer Stunde sehen. Da könnte sie ihn natürlich noch mehr Fragen stellen. „JIMMY!“

Ihr Kollege erschien daraufhin prompt vor ihrem Schreibtisch. „Meine Königin hat geläutet“, sagte er mit einem Schmunzeln. Er hatte sich gerade einen Kaffee geholt.

Das schien auch nötig; Lois hatte ein klein wenig das Gefühl, dass Jimmy heute der übliche Elan fehlte, aber erst einmal musste er diesen Auftrag für sie recherchieren. „Ich brauche alles über einen gewissen Newtrich, er ist Geologe. Es könnte eine Verbindung zu Intergang bestehen, also sieh bitte auch nach denkbaren Verbindungen von allen Namen, die wir da schon haben.“ Bis jetzt waren sie, was die möglichen Mitglieder von Intergang anging, nur auf Vermutungen angewiesen. Aber es gab natürlich verdächtige Personen.

Jimmy nickte darauf nur kurz und ging zu seinem Schreibtisch. Kein Spaß auf den Lippen, keine wirren Ideen, hoffentlich musste sie sich keine Sorgen um Jimmy machen.

Sie selbst musste sich um den Einkauf, Bobbys Bezahlung, kümmern und verließ die Redaktion.

* * *

Nur eine Stunde später verließ Lois den Centennial Park schon wieder. Enttäuscht. Natürlich hatte sie gehofft, von Bobby noch mehr Informationen zu erhalten. Allem voran die Frage, für wen dieser Newtrich arbeitete. Doch für Bobby war dieses Treffen nur als 'Übergabe' seiner Bezahlung gedacht gewesen. Er hatte keine weiteren Informationen, hatte ihr bereits alles, was er wusste, am Telefon gesagt. Das frustrierte sie. Es war scheinbar verschwendete Zeit.

Es machte sie immer so unruhig, wenn jemand versuchte Superman Schaden zuzufügen. Warum konnten die Menschen nicht einfach nur dankbar sein, dass er für sie da war? Gut, die Kriminellen sahen in ihm einen Feind, einen Rächer und das mit Recht. Es war also verständlich, dass er ständig mit Angriffen aus dieser Richtung rechnen musste. Und doch tat es ihr jedes Mal leid. Inzwischen verursachte Superman bei ihr nicht mehr dieses unglaubliche Herzklopfen, das er noch bei seinem Auftauchen hier in Metropolis erzeugt hatte. Aber er war ein guter Freund. Und sie konnte es nicht ausstehen, ihn in Schwierigkeiten zu sehen.

Lois pfiff sich ein Taxi heran und nannte dem Fahrer die Adresse des Planets. Vielleicht hatte Jimmy schon etwas herausgefunden. Und vielleicht sollte sie mit Clark versuchen, etwas zu tun. Nur was? Diesen Newtrich genauer ansehen, ihm einen Besuch abstatten. Herausfinden, für wen er arbeitete. Ja, genau so würde sie vorgehen. Ihr ging noch ein anderer Gedanke durch den Kopf: Zum wiederholten Male sah sich Lois vor das Problem gestellt, wie sie Superman erreichen konnte. Sie hätte ihn gerne gewarnt. Sie würde Clark darum bitten müssen. Er hatte immer noch den besten Draht zu dem Mann aus Stahl. Wusste der Himmel, wie er das immer machte.

Sie ging, kaum in der Redaktion angekommen, dann auch gleich zu Jimmys Arbeitsplatz. Noch in ihrem Mantel fragte sie ihn ohne Umschweife: „Und? was hast du für mich?“

Jimmy sah sie an und machte ein undurchdringliches Gesicht. Er sah nicht gut aus heute, ein wenig abgespannt vielleicht. Doch er antwortete Lois ohne weitere Ablenkung: „Gene Newtrich, Jahrgang '45, ist selbstständiger Geologe, hat im Süden der Stadt ein kleines Büro. In letzter Zeit scheint es ihm recht gut zu gehen, er fährt jetzt einen Maserati... Ich habe mehrere Hinweise gefunden, dass er Church Senior kennt, angeblich sollen die in letzter Zeit öfters Golf zusammen gespielt haben. Hier sind seine private und seine Firmenadresse.“ Jimmy gab ihr ein Blatt mit den beiden Anschriften darauf. Sie bedankte sich mit einem strahlenden Lächeln. Jimmy war einfach der beste Recherchekünstler des ganzen Redaktionsbüros.

„Sehr gut, Jimmy.“ Lois sah sich um, hielt nach ihrem Partner Ausschau. „Sag mal, weißt du denn auch, wo Clark ist?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir leid. Er musste irgendwas erledigen.“

Lois ging daraufhin zu ihrem Arbeitsplatz. Sein Schreibtisch sah noch genauso aus, wie als sie gegangen war. Er war also in der Zwischenzeit nicht wieder in der Redaktion gewesen. ‚Verdammt, Clark, wo steckst du nur wieder?‘ Sie hängte ihren Mantel auf. ‚Wahrscheinlich hast du dich wieder mal mit einer von deinen unglaublich dummen Ausreden davon gestohlen.‘ Sie nahm sich den Stadtplan und suchte die Straße, in der Newtrichs Büro lag. Seine Privatadresse war sicher uninteressant. Wahrscheinlich würde Mr. Gutmütig wieder eine Katze füttern. Ungeduldig tippte sie ihren Bleistift auf das Blatt mit den beiden Adressen Newtrichs. Konnte eine Katze zu füttern so viel Zeit in Anspruch nehmen? Er war doch schon seit Stunden weg. Newtrichs Büro lag in einer der finstersten Gegenden Metropolis. Sie sollte dem Büro des Geologen mit Clark zusammen einen Besuch abstatten, aber wie lange sollte sie auf Clark warten? Kam er denn heute überhaupt noch einmal in die Redaktion?

Das Klingeln ihres Telefons riss sie aus ihren Gedanken. Vielleicht war das auch ganz gut so, sie merkte wie die Wut auf Clark, immer nicht da zu sein, wenn sie ihn brauchte, beständig zunahm. „Lois Lane, Daily Planet.“

„Hi, ich bin's. Hast du einen Moment Zeit für mich?“ Lucy! Nun, das war ja mal eine Überraschung. Sie schien in der Stadt zu sein. Das Display zeigte ihr eine Nummer aus Metropolis. Sie hatte ihre Schwester bestimmt die letzten sechs Monate weder gesehen, noch etwas von ihr gehört.

„Hey, Luce. Klar hab ich Zeit, was gibt es? Wie lange bleibst du? Kann dir irgendwie aushelfen? Brauchst du Geld oder einfach nur einen Schlafplatz?“ Vielleicht war es ein wenig ungerecht, ihr diese Fragen so offen zu stellen, aber ihre Schwester hatte manchmal die Eigenart, sich immer nur dann zu melden, wenn sie etwas benötigte.

„Nein, ist okay“, winkte Lucy locker ab, „ich bleibe länger und hab mir deswegen auch gleich ein Apartment gesucht. Ich wollte dir praktisch nur Bescheid geben, dass ich wieder in der Stadt bin und dir meine neue Nummer geben. Vielleicht gehen wir mal einen Kaffee trinken?“

„Ja, gerne.“ Wer die beiden Tassen Kaffee dann wohl bezahlen dürfte? „Keine Lust mehr auf San Francisco? Was ist mit, wie hieß er doch gleich noch... Ted?“ Lois konnte es nicht unterlassen, ihren Finger in diese Wunde zu legen. Wenn Lucy wieder nach Metropolis zurückkehrte, dann war es offensichtlich, dass ihre Liaison mit Ted ein jähes Ende gefunden hatte. Tja, wahrscheinlich war er doch nicht so perfekt. Genau das hatte Lois ihrer jüngeren Schwester vorhergesagt, auch wenn sie für diese Einschätzung nichts als Lucys Schilderungen gehabt hatte. Aber warum sollte ihre Schwester mehr Glück haben als sie selbst?

„Weißt du... Ted“, sie spie den Namen fast aus als redete sie von einem Krichtier, „hat mir dann doch zu viel Interesse an seinen jungen Studentinnen gehabt. Der Mistkerl kann mir wirklich gestohlen bleiben.“ Das hatte Lucy nicht verdient, es tat Lois wirklich leid. Doch Lucy wollte offensichtlich schnell das Thema wechseln, sie ließ Lois gar nicht erst zu Wort kommen und fuhr hastig fort: „Aber lass uns nicht mehr von dem Idioten reden. Der ist es nicht wert. Was ist mir dir? Was ist mit Clark? Habt ihr da endlich was hinbekommen?“ Lois konnte Lucys Grinsen praktisch durchs Telefon hören.

Nun war es fast an Lois, schnell das Thema wechseln zu wollen. Aber sie kannte ihre Schwester, sie würde sowieso so lange fragen, bis sie ihre Antworten hatte. Da konnte Lois also auch gleich erzählen, was es gab oder eher, was es eben nicht gab. „Ach, das ist irgendwie kompliziert... Ich meine, es hatte eigentlich gut angefangen. Wir hatten ein Date.“

„Hey!“, rief Lucy begeistert aus.

„… es war sogar wirklich ein gutes Date... „, fuhr Lois fort. „Aber als er mich dann nach Hause gebracht hat, hab ich Panik bekommen und ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen.“

„Ach…“, was alles, was ihrer Schwester dazu einfiel.

„Ja, ich weiß auch nicht. Aber das haben wir dann am nächsten Abend ausgeräumt. Wir haben uns... nun ja, wir haben uns wirklich geküsst“.

„Hey!“ Lucy benutzte nicht gerade ein ausgefallenes Vokabular. Aber diese Begeisterung war verständlich.

„Ja, aber seitdem ist... ja, nichts mehr passiert.“ Lois wurde sich in diesem Moment bewusst, dass sie bei dieser Schilderung verzweifelter klang als sie es selber für möglich gehalten hatte. Es ging ihr näher als sie gedacht hatte.

„Hmm?“ Lucy schien natürlich auch keinen Rat zu haben. „Aber Lois, lass dir eines gesagt sein: Mach du etwas, werde aktiv, lass ihn dir nicht wegschnappen. Clark ist ein prima Kerl. Warte nicht zu lange“, erklärte sie weitsichtig. Oh-oh, so resigniert, wie ihre Schwester bei diesen Worten klang, kam es Lois so vor, als wenn da eine gehörige Portion verpasster Chancen aus ihr sprach.

Glaubte Lucy, sie hätte Ted verloren, weil sie sich nicht genug auf ihn eingelassen hatte? Doch das war definitiv kein Gespräch fürs Telefon. „Lucy, sei mir nicht böse, ich muss hier noch etwas erledigen. Wir sollten uns sehen, bald. Und dann reden wir. Okay?“ Lois hoffte, ihre Schwester nahm das jetzt nicht böse auf. Sie war wirklich etwas in Zeitdruck. Aber Lucy war damit einverstanden, es schien also okay zu sein. Sie machten einen Termin und Lois legte auf. Sie dachte noch einen Moment über das Gespräch nach und war wirklich froh, dass Lucy wieder in der Stadt war. Mit niemand anderem konnte sie so offen reden wie mit ihrer kleinen Schwester. Und sie freute sich auf das Treffen mit ihr, auch wenn der Preis dafür ganz sicher Details von Clark sein würden.

Aber das Gespräch hatte ihre Aufmerksamkeit wieder mehr auf die Date-Frage gelenkt. Date... Clark... sie sollte versuchen das zu entwirren, möglichst bald. Das ging aber nur, wenn er auch da war zum reden. Was er gerade einmal wieder nicht war.

Also, wie lange sollte sie noch auf Clark warten? Dieser Entschluss war leicht zu fällen. Es war bereits dunkel. Sie würde alleine zu Newtrichs Büro fahren. Wenn sie das auch bestimmt lieber tagsüber gemacht hätte, aber sie arbeitete gegen die Zeit, wie immer. Notfalls könnte sie diesen ganzen Fall um die Bedrohung Supermans wohl auch alleine bearbeiten. Wenn sie dann nominiert wurde, würde sie eben auch alleine den Preis bekommen. Oh ja, und wenn sie dann ganz alleine als Retterin dastand, würde sich jemand wie der fliegende Held ganz sicher dankbar zeigen. Vielleicht, so kam ihr auch gleich noch ein anderer Gedanke, sollte sie ihn um ein Gespräch über Clark bitten. Sein ständiges Verschwinden ärgerte sie. Und dann diese unfassbaren Ausreden. Es machte sie wahnsinnig! Clark und er waren Freunde. Das würde Superman ihr sicher nicht ausschlagen. Ganz sicher nicht, wenn sie ihn gerade vor dem Verderben gerettet hatte. Ja, das hatte etwas, das war ein Plan.

~ ~ ~

Lois lenkte ihren Wagen von der breiten und hell erleuchteten Hauptstraße in diese kleine, dunkle Nebenstraße. An der nächsten Ecke musste sie dann noch einmal abbiegen. Dabei sah diese Straße schon alles andere als einladend aus. Sie setzte den Blinker und hatte kein gutes Gefühl. Die Gasse, in die sie wollte, war noch etwas schmaler, noch etwas dunkler und in noch einem schlechteren Zustand. Keine Straßenlaternen, große Löcher im Asphalt und keine Menschenseele weit und breit. Die Häuser wirkten wie eine dunkle, schwarze Wand. Wie konnte hier jemand eine Geschäftsadresse haben? Nummer 478 in der Sharrotts Road war ein Bürogebäude, das sicher auch schon bessere Tage gehabt hatte, die Farbe blätterte ab und der Putz war rissig, aber es sah lange nicht so düster aus wie der Rest der Straße. Lois bog Richtung Parkplatz ab und stellte den Motor aus. Alle Fenster des anvisierten Hauses waren dunkel, sie konnte also damit rechnen, dass niemand in dem Haus anzutreffen war.

Die Reporterin schaltete das Licht an ihrem Wagen aus und wartete noch ein paar Minuten, ob etwas passierte. Nichts… diese Gegend schien vollkommen verlassen zu sein. Diese Gegend und auch dieses Gebäude, in dem Newtrich sein Büro hatte. So unheimlich das auch war, es erleichterte doch auch ihre Mission. Sie konnte schließlich kaum davon ausgehen, dass ihr ein Wachmann den Weg zu Newtrichs Büro zeigte, es für sie öffnete und sie dann in aller Ruhe suchen ließ. Nach Papieren, Beweisen oder was auch immer. Oh nein, sie rechnete eher damit, nun ja, sich Eintritt verschaffen zu müssen. Das Wort 'Einbrechen' mochte sie gar nicht. Es klang schon so nach Anklage.

„Lois, hast du auch alles dabei?“, fragte sie sich leise. Sie durchwühlte ihre Tasche: Dietrich, Taschenlampe, Schraubenzieher, Messer... „Ja, scheint alles da zu sein.“ Alle Utensilien verstaute sie in ihren Taschen. Glücklicherweise hatte sie sich heute Morgen für Hose und Jackett entschieden, das war sehr viel praktischer als zum Beispiel ein enger Rock. Tief durchatmen. Sie blickte sich noch einmal um, auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite schien sich nichts zu rühren. „Okay, Lane, dann los. Es gilt Superman zu retten – und der nächste Kerth soll wieder den Namen Lois Lane tragen...“

Sie öffnete leise die Tür ihres Wagens und stieg aus. Zum wiederholten Male hörte sie sich um. In weiter Ferne hörte sie einen Zug über die Schienen rattern, der Wind rüttelte an einem schäbigen Stahlzaun, entfernter Straßenlärm, sonst war es hier absolut still, fast unheimlich still. Leise ging sie auf einem gepflasterten Weg auf den Haupteingang des Gebäudes zu. Ursprünglich dürfte er mal von vier Lampen erhellt worden sein, heute brannte davon nur noch eine, die von unzähligen Mücken umschwirrt wurde. In dem dürftigen Licht konnte sie einige Firmenschilder erkennen. Die meisten davon hatten 'Im- und Export' in der Bezeichnung, wahrscheinlich waren es überwiegend Briefkastenfirmen. Geldwäsche und mehr oder weniger illegale Betrügereien fielen ihr dazu nur ein. Ganz unten sah sie dann das Schild, das sie suchte: 'Newtrich Geology' 1. Stock, Zimmer 227. Vielleicht bekam ein Geologe ja niemals Kundenbesuch, vielleicht brauchte er auch nur einen Ort, an dem ein Telefon und ein Anrufbeantworter standen.

Die Tür, eine schmutzige Glastür, war glücklicherweise offen. Keine Überwachungskameras. Das war schon fast zu einfach. Lois hielt die Luft an und ging leise hinein. Auch wurde ihr in diesem Moment bewusst, dass ihr das Herz bis zum Hals schlug. Sie blieb noch einmal kurz stehen und horchte, doch noch immer hörte sie nichts Verdächtiges. Links und rechts lag jeweils ein schlecht ausgeleuchteter Gang, doch sie wollte ja in den ersten Stock, also steuerte sie die Treppe nach oben an.

Dort angekommen nahm sie den linken Gang. Die Schilder an den Türen konnte sie nun beim besten Willen nicht mehr lesen. Sie nahm ihre Taschenlampe aus ihrer Hosentasche und las das erste Schild. Welch ein Glück, gleich die erste Tür und sie hatte das Büro von Newtrich gefunden. In der anderen Hosentasche hatte sie ihren Dietrich. Lois hatte inzwischen schon die Erfahrung gemacht, dass sie damit besser umgehen konnte, je weniger sie sah. Fast so, als konzentrierte sie sich dann mehr auf ihr Gefühl. Langsam und gefühlvoll bewegte sie den Dietrich im Schloss herum, versuchte zu fühlen, zu hören, wie die Stifte in die richtige Position rutschten und so Stück um Stück den Weg freigaben. Ein ‚Knack‘ nach dem anderen arbeitete sie sich vor.

Doch plötzlich drang ein Knarren an ihr Ohr.

Fortsetzung folgt…
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Re: Ich brauche deine Hilfe... Teil 3/?

Beitragvon Magss » Do 2. Aug 2012, 18:49

– Teil 3 –

Fast unmenschlich laut. Hatte sie sich doch auf die ganz leisen Geräusche konzentriert. Da noch einmal – wie eine Diele oder Holzbalken. Schritte? Kam jemand? Lois, beruhige dich, dies ist ein trister Betonbau, wie sollen da Dielen knarren? Atemlos lauschte sie. Sollte wirklich jemand kommen, hatte sie noch die Chance zu fliehen. So hoffte sie.

Die Minuten zogen sich endlos dahin, fühlten sich wie Stunden an, doch sie hörte nichts mehr. Kein Geräusch. Nur Stille. Das gelichmäßige Gurgeln einer Heizung. Und ihr eigenes Herz, das wie wild schlug, aber selbst das beruhigte sich langsam. Bis Lois sich sogar wieder traute die Luft aus ihren Lungen zu lassen. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie fast zu atmen aufgehört hatte.

Dann beschloss sie, dass sie hier auf dem Flur auch nicht sicher war und besser schnell versuchte in dieses Büro zu kommen. Einmal wieder auf das Schloss konzentriert, brauchte sie kaum eine Minute, da sprang die Tür auf und sie trat schnell ein. Hastig schloss sie die Tür wieder hinter sich.

Inzwischen hatten sich ihre Augen wenigstens ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt und doch konnte sie das Büro, das lediglich aus dem einen Raum zu bestehen schien, nur schemenhaft erkennen. Aber sicherheitshalber wollte Lois das große Licht nicht anmachen. Sie knipste lieber ihre Taschenlampe an. Gleich rechts neben der Tür entdeckte sie ein langes Regal, das von oben bis unten mit Ordnern vollgestellt war. Ihr Blick glitt weiter zum Fenster hinüber. Rechts daneben stand ein alter Sekretär, auf dem so viel Krimskrams lag, dass wohl kaum jemand daran arbeiten konnte. Der Strahl ihrer Taschenlampe fiel auf einen Schrank links neben der Tür. Er hatte viele flache Schubladen und sah ganz so aus, als würden darin Pläne und Karten gelagert. In einer Ecke daneben lagen verschiedene Werkzeuge herum. Lois sah Schaufeln, Spitzhacken und andere Dinge, die ein bisschen wie die klassischen Arbeitswerkzeugen eines Geologen aussahen. Ganz sicher war sie sich nicht. Auf dem Boden sah sie große Glasflaschen, die eine Flüssigkeit enthielten. Ein verschmierter Aufkleber mit der Aufschrift HCl darauf. Ein wenig unschlüssig ließ sie die Taschenlampe noch einmal durch das Zimmer leuchten und blieb schließlich an einem großen Schreibtisch hängen, der links neben dem Fenster stand.

Dieser Schreibtisch erweckte ihre größte Neugierde. Lois setzte sich daran... Da hörte sie plötzlich wieder ein Knarren. Leider war sie so auf den Schreibtisch konzentriert gewesen, dass sie nun noch nicht einmal mehr sagen konnte, woher es kam, oder wie weit entfernt es war. Sie hielt den Atem an. Das war eigentlich überflüssig. Sie war alleine in diesem Raum, ihr Atem sollte sie wohl kaum verraten, doch diesen Reflex konnte sie nicht kontrollieren. Dann ein Scharren. Als nächstes fiel eine Tür, oder etwas Ähnliches zu. Es klang, als käme es vom Parkplatz. Lois atmete erleichtert aus. Sie blickte noch einmal zur Sicherheit zur Tür, alles war in Ordnung, sie nahm nun die Taschenlampe in den Mund, um beide Hände frei zu haben. Die Fläche war über und über mit Papieren, Briefwechsel, Anfragen, aber auch Landkarten und Flächenplänen bedeckt. Kaum war noch etwas von dem Holz der Schreibplatte zu erkennen. Wonach sollte sie nun suchen? Alles, was darüber Aufschluss geben könnte, für wen Newtrich arbeitete. Wo er in den letzten Wochen gearbeitet hatte. Mittlerer Westen war ja nun ein weites Feld. Und natürlich, wo er das Kryptonit versteckt haben konnte.

Genau in diesem Moment flog der Schein der Taschenlampe über ein kleines Kästchen aus Metall, es hatte vielleicht eine Kantenlänge von knapp zehn Zentimetern. Wieder traute sich Lois nicht zu atmen und mit vor Aufregung klammen Händen öffnete sie das Kästchen und blickte gebannt auf einen intensiv grün leuchtenden Stein – Kryptonit, es musste das Kryptonit sein. Ein etwa faustgroßes Stück. Sie hatte es gefunden. Ja! Es passte haargenau in die Tasche ihres Jacketts, selbst mit dem Kästchen. Das bescherte ihr ein unglaubliches Hochgefühl. Welch ein Glück sie doch hatte, dass er das nicht besser versteckt hatte. Er schien nicht mit Besuch gerechnet zu haben.

Sie wühlte weiter in den Papieren. Mister Newtrich schien nicht sehr viel von Ordnung zu halten, wo immer sie ein Datum finden konnte, lag das meist schon Monate zurück. Als nächstes machte sie sich über die Schubladen her. Iihh! Das war eine schlechte Idee gewesen, dieses Sandwich war sicher schon etliche Tage alt und wies schon einen gewissen 'Bewuchs' auf. Schimmeliges Brot in der Schreibtischschublade, keine Ordnung in den Papieren, wie sollte sie da Beweise finden? Sonst enthielten die Schubladen nichts weiter als Büroutensilien, Stifte, Büroklammern, Briefumschläge, alles was der Mensch so brauchte, aber eben alles durcheinander.

Lois ließ den Lichtkegel der Taschenlampe noch einmal durch den Raum gleiten und stieß auf den Sekretär. Was mochte sie unter den Stapeln von Krimskrams wohl noch finden? Doch daran wollte sie nun lieber nicht denken. Als sie näher trat, entpuppte sich der 'Krimskrams' zumeist als Steinproben. Nun gut, damit war zu rechnen bei einem Geologen. Und es gab einen Stapel Papiere, von dem das oberste ein Datum trug, das erst zwei Wochen her war. Sie blätterte den Stapel auf die Schnelle durch. War das nicht das Logo von Smith & Chappel? Das war eine der Teilhaber-Firmen, die im Verdacht standen, zur Cost Mart-Gruppe zu gehören. Aufgeregt legte sie nun ihre Taschenlampe ab und wollte den Stapel genauer durchsehen, als sie plötzlich von weit entfernt ein Geräusch hinter sich hörte. Es musste draußen auf dem Flur sein. Sie hielt den Atem an.

Eine Tür klappte.

Schritte.

Kamen näher.

Ihr Blutdruck schoss ins Unermessliche. Was sollte sie tun? Taschenlampe aus! Es gab nur eine einzige Fluchtmöglichkeit: die Tür. Ein Wachdienst? Oder vielleicht Mr. Newtrich selbst? Auf beides konnte sie sehr wohl verzichten. Gebannt starrte sie auf die Tür. Die Schritte kamen näher. Würde, wer auch immer, an dieser Tür vorbei gehen? Sie hatte nichts dabei, was sich als Waffe eignete. Obwohl... diese Steinproben waren durchaus geeignet.

Der Verursacher der Schritte musste nun genau vor dieser Tür sein.

Die Klinke wurde herunter gedrückt. Verdammt! Lois zwängte sich so weit an das Regal wie nur möglich. Doch war ihr auch gleich klar, dass sie das nicht unsichtbar machen würde.

Die Tür öffnete sich und sie sah einen älteren, aber noch agil wirkenden Wachmann im dünnen Kegel des Flurlichts. Er tastete nach dem Lichtschalter und murmelte vor sich hin: „Ich hab' doch hier noch Licht gesehen...“ Oh verflixt! Er hatte wahrscheinlich den Schein ihrer Taschenlampe von draußen gesehen. Daran hatte sie dummerweise nicht gedacht.

Inzwischen hatte er den Lichtschalter gefunden, denn der Raum war mit einem Mal hell erleuchtet. Er sah sie erschrocken an und griff sich sofort an seinen Schlagstock, den er an seinem Gürtel befestigt hatte. Das fehlte ihr gerade noch zu ihrem Glück. Aber er würde sie doch wohl nicht ernsthaft angreifen wollen? Oder?

Innerhalb weniger Sekunden war Lois aber klar, dass dieser Wachmann seinen Job sehr ernst nahm und offensichtlich nicht vorhatte, sie zu verschonen. So ruhig und besonnen er gerade noch die Tür geöffnet hatte, so angriffslustig und kampfbereit stand er nun da – mit seinem Schlagstock zum Ausholen bereit. Sie musste sich unbedingt einen Vorteil verschaffen. Instinktiv griff sie sich eine von den Steinproben und warf sie zur Deckenlampe. Sie traf. Glassplitten fielen auf den Boden. Augenblicklich war es wieder sehr dunkel in Newtrichs Büro, vom Flur fiel kaum Licht herein. Lois konnte kaum noch etwas sehen, aber sie hatte sich lange genug in dem Raum aufgehalten, um sich orientieren zu können. Sie musste den Wachmann unbedingt von der Tür weglocken, sonst würde sie nie an ihm vorbeikommen können. Lois sprang in Richtung des Schreibtischs und schleuderte etwas auf die Erde, vielleicht war es die Schreibtischlampe. Jedenfalls fiel es krachend zu Boden und sie hoffte, dass das Geräusch den Wachmann nun in die Ecke des Raumes und damit weg von der Tür locken würde. Ihre Rechnung schien aufzugehen. Er bewegte sich zum Geräusch hin und gab die Tür frei.

Doch sofort darauf spürte Lois, wie sie etwas mit einer unglaublichen Wucht am Kopf traf. Wäre es nicht dunkel gewesen, hätte sie sicher Sterne gesehen. Blitzartig spürte sie einen dumpfen Schmerz an ihrem linken Auge. Sie unterdrückte es ihren Schmerz heraus zu brüllen, biss sich dabei auf die Lippe, schmeckte den metallischen Geschmack ihres Blutes. Ihr wurde ein wenig schwindelig, sie schwankte. Ihre Hände griffen etwas hartes, kaltes, Metall, die Schreibtischlampe? Sie schleuderte es mit aller Wucht in die Richtung, in der sie ihren Angreifer vermutete. Der Wachmann schrie auf und fluchte. Sehr gut, sie schien ihn getroffen zu haben. 'Lois!, Sieh zu, dass du hier raus kommst!', feuerte sie sich selbst an.

Aber nein, da waren noch die Papiere mit dem Smith & Chappel-Logo. Die vielleicht beweisen könnten, wer der Auftraggeber von Newtrich war. Die musste sie haben! Diese Chance käme nie wieder. Sie sprintete also kurzentschlossen in die Ecke des Raumes, in der der Sekretär stand und streckte bereits ihre Hand dorthin aus, wo sie die besagten Papiere erinnerte und griff schon danach...

Ein unglaublicher Schmerz durchzog ihre Hand, ihren Arm, ihre Schulter... alles tat ihr weh.Erst danach nahm sie das krachende Geräusch war. Sicher hatte er die Klappe des Sekretärs zugeschlagen. Aber das war eindeutig zu viel! Er musste wohl links von ihr stehen, dort hörte sie seinen Atem. Jedenfalls trat sie in genau die Richtung mit aller Kraft, die sie mobilisieren konnte. Und wenn sie etwas beim Tea-Kwon-Do gelernt hatte, dann ihre Kraft zu bündeln. Sie trat und stieß dabei einen ohrenbetäubenden Schrei aus. Das half, um die Kraft noch mehr zu konzentrieren und um den Gegner einzuschüchtern. Es schien wirklich zu wirken. Der Wachmann stöhnte herzerweichend auf und es klang, als ob er zu Boden ging.

'Jetzt nichts wie weg! Du weißt, was du gesehen hast.'

Lois nahm ihre Beine in die Hand und stürmte die Treppe herunter. Sie nahm sich keine Zeit um zu horchen, ob sie verfolgt wurde. Ihr Arm schmerzte bei jedem Schritt. Nun war sie bereits an der Glastür angelangt. Sie kam kurz mit ihrer rechten Hand daran und ein stechender Schmerz durchzuckte sie. Mit der Schulter drückte sie die Tür auf und lief so schnell sie konnte über den Parkplatz zu ihrem Wagen. Tür aufschließen mit links, rechts tat ihr alles weh. Hineinspringen und sofort wieder alle Türen verschließen. Er schien ihr nicht gefolgt zu sein. Trotzdem, nichts wie weg hier!

Doch nun gab es ein Problem: Ihre rechte Hand tat unglaublich weh, aber sie musste den Zündschlüssel mit rechts einstecken. Das ging auch mit links. Starten, Fahrgang einlegen, all das ging auch mit links. Noch ein kurzer Blick zur Eingangstür und dann fuhr sie los. Der Motor heulte auf, die Reifen quietschten. Die kleine Gasse entlang, auf die Seitenstraße und dann auf die Hauptstraße. All das nur mit links und ohne zu blinken. Mit nur einer Hand ging es nicht besser.

Einfach nur weiter fahren! Je näher sie dem Zentrum von Metropolis kam, desto belebter wurde der Verkehr. Doch nach ein paar Minuten höchst konzentrierten Fahrens lenkte Lois ihren Wagen an den Straßenrand. Noch einmal ein Blick zurück. Sie war sich einigermaßen sicher nicht verfolgt zu werden. Ein Blick auf ihre Hand, die sie bisher krampfhaft still gehalten hatte, ließ sie erschaudern. Selbst im Schein der schwachen Straßenbeleuchtung konnte sie erkennen, dass sie geschwollen war, bereits blau wurde und sie spürte unglaubliche Schmerzen. Sie hatte das Gefühl, je mehr sie sich den Schaden besah, desto stärker wurden die Schmerzen. „Oh, du verdammter, blöder, idiotischer, unverschämter Kerl! Musste das wirklich sein?“ Langsam schossen ihr die Tränen in die Augen. „Oh, das tut so höllisch weh! Wenn das mal nicht gebrochen ist...“ Verdammt! Was, wenn es genau das war? Es konnte durchaus sein. Ihre Hand fühlte sich an wie zertrümmert. Bei dem Gedanken kamen ihr gleich die nächsten Tränen. Dann sah sie in den Rückspiegel, besah sich ihr Gesicht. Ihr linkes Auge sah wirklich alles andere als gut aus. Auch hier konnte sie eine beträchtliche Schwellung erkennen. Das würde sicher ein wundervolles Veilchen werden. Und sie schmeckte Blut. Entweder hatte sie auch etwas auf die Lippe bekommen oder sie hatte sich selbst gebissen. Alles war denkbar.

Doch dann tastete sie an sich herunter, gerade so, als fürchtete sie noch mehr Blessuren zu entdecken. Stattdessen spürte sie ihre ausgebeulte Tasche. Sie hatte das Kästchen mit dem Kryptonit immer noch. Wenigstens das. So hatte sich dieser Ausflug also doch gelohnt. Noch ein Blick auf ihre Hand. Es fühlte sich immer schlimmer an. Sie sollte in ein Krankenhaus fahren. Lois hasste Krankenhäuser und doch hatte sie das Gefühl, sie sollte auf die vernünftige Stimme hören. Also startete sie schweren Herzens den Motor wieder, immer noch mit links, und steuerte das nächstliegende an.

Das erste, was Dr. Meadows, ein junger Arzt von vielleicht Mitte 30, vom Central Hospital ihr sagte, war, dass sie Glück hatte. Es fiel Lois schwer, diesen Gedanken nachzuvollziehen. „Glück?!“, rief sie entsetzt aus. Er hatte ihr gesagt, sie solle auf der Behandlungsliege Platz nehmen, was sie auch tat. „Ich fühle mich, als hätte ich die letzte Stunde in einem Betonmischer verbracht und Sie reden von Glück?“, schleuderte sie dem Diensthabenden entgegen, als wäre er Schuld.

Dr. Meadows sah sie aus seinen freundlichen, blauen Augen an und lachte verhalten. „Doch, Sie haben Glück, glauben Sie mir. Normalerweise ist unsere Notaufnahme voll. Dann hätten Sie auch noch zwei bis drei Stunden warten dürfen. Aber Sie haben das Glück, dass ich Sie mir sofort ansehe.“

Er begann ihren Arm abzutasten. Drückte hier und dort. „Aauuaahh!“ Der Schmerz durchzuckte sie wie ein Stromschlag. Lois fuhr den Arzt an: „Sie Grobian! Das tut weh! Man sieht doch, dass der Arm verletzt ist. Da hätten Sie doch ein wenig vorsichtiger drücken können.“

„So, meinen Sie?“ Er nahm eine kleine Lampe und leuchtete ihr in die Augen, führte die Lampe dabei nach links und nach rechts. „Ich denke, er ist nicht nur verletzt. Gebrochen, meiner Meinung nach. Aber darüber wird uns die Röntgenaufnahme Aufschluss geben. Was ist denn eigentlich passiert? Sollen wir die Polizei rufen?“ Nachdem er die Lampe wieder in seine Kitteltasche gesteckt hatte, betastete er nun ihr linkes Auge.

Lois hätte schon wieder aufschreien können, doch diesmal unterdrückte sie das. Auch das Auge tat wirklich weh. Lange nicht so wie der Arm, aber ihr reichte es. „Nein, keine Polizei. Und das geht sie gar nichts an“, antwortete sie ihm möglichst gelassen. „Sie meinen, er ist gebrochen? Wie soll ich denn dann schreiben?“ Das hörte sich dann aber nicht mehr gelassen, sondern eher verzweifelt an.

„Fragen Sie das ihren Schläger. Hören Sie, Miss Lane. Ich sehe solche Verletzungen hier ständig. Er ist es nicht wert, glauben Sie mir das“, redete er eindringlich auf sie ein. „Sie sollten zur Polizei gehen und Anzeige erstatten. Ich könnte Ihnen auch die Telefonnummer einer Gewaltberatungsstelle geben...“ Offenbar glaubte er, dass er ihr helfen musste. Natürlich konnte dieser Arzt nicht wissen, dass sich eine Lois Lane mit dem fünften Dan in Taekwondo sehr gut zur Wehr setzten konnte, normalerweise. Dann begann er ihre Lippe abzutasten.

„Hah! Sie glauben, mein... mein... Liebhaber oder Ehemann hat mich so zugerichtet? Sehe ich so aus, als würde ich mir das gefallen lassen? Außerdem sollten Sie mal den anderen sehen!“ Die Bemerkung: 'Sehe ich so aus, als hätte ich einen Liebhaber?' unterdrückte sie. Konnte er nicht endlich aufhören sie anzufassen?

Der junge und eigentlich recht sympathische Arzt sah sie ernst an. „Haben Sie Kopfschmerzen?“ Lois schüttelte den Kopf. „Gut. Die Stelle an Ihrer Lippe hat bereits aufgehört zu bluten, da würde ich gar nichts mehr machen. Nur, ob sie Sie nun einen Liebhaber haben oder nicht, das Küssen wird im Moment keinen Spaß machen...“, sagte er mit einem schelmischen Lächeln. Dann fuhr er aber ernst fort: „Das Auge ist nur eine Prellung. Es wird ein schönes Veilchen geben. Sie können nichts anderes tun als es zu kühlen. Nach ein paar Tagen sollte es wieder ganz abgezogen sein. Wie ich schon sagte, Sie haben Glück gehabt. Also, auf zum Röntgen...“ Damit übergab er sie der Obhut einer Schwester.

Etwa eine Stunde und etwa einhundert Flüche später stand Lois wieder vor dem diensthabenden Arzt. In dieser Stunde hatte sie noch einmal Höllenqualen durchlitten, weil sie die Schwester ständig aufgefordert hatte ihren Arm in Positionen zu bringen, die ihrer Meinung nach unnötig, anatomisch unmöglich und nebenbei nur sehr schmerzhaft zu realisieren waren. Dr Meadows sah sich nun aufmerksam die Bilder an und fragte sie mit mitleidigem Blick: „Es gibt eine gute Nachricht und eine schlechte. Welche wollen Sie zuerst hören?“

„Die schlechte...“ Lois wappnete sich für das, was nun kam. Gleichzeitig wollte sie ihm aber auch die Stirn bieten, wenn er wieder meinte ihr so unangebrachte Gemeinheiten sagen zu müssen.

„Der Metacarpale V, der Mittelhandknochen ist gebrochen. Ulna und Radius, Elle und Speiche leider auch“, sagte er ganz ungerührt.

Lois hingegen fühlte, wie ihr bei dieser Nachricht die Tränen in die Augen stiegen. Dieser blöde Wachmann! Warum musste er unbedingt zu der Zeit seine Runde machen? Warum musste sie auch unbedingt alleine in das Büro von Newtrich einsteigen? Wie sollte sie diesen Artikel schreiben? Sie schluckte ihre Tränen hinunter. „Und? Die gute Nachricht?“, fragte sie ihn bockig. In Anbetracht der Tatsache, dass sie in nächster Zeit große Probleme haben würde ihrem Tagesgeschäft nachzugehen, konnten die Worte 'gute Nachricht' ihrer Meinung nach nur ironisch zu verstehen sein.

Er hatte auch noch die Frechheit zu lächeln, als er gelassen entgegnete: „Wir müssen nicht operieren. Beides ganz glatte Brüche, die gut liegen. Kein Trümmerbruch. Das Handgelenk ist intakt. Ich sagte ja schon einmal, Sie haben Glück gehabt.“

* * *

Noch eine weitere Stunde und abermals einhundert Flüche später verließ Lois das Krankenhaus mit einem Gips, der ihren ganzen rechten Arm umfasste. Er begann oberhalb des Ellenbogens und hüllte auch die Finger ein. Mit diesem Arm konnte sie nichts mehr tun. Natürlich war es der rechte Arm, wie sollte es auch anders sein? Während sie in ihrem Wagen saß und sich schon wieder fragte, ob sie so fahren konnte, merkte sie noch einmal, wie ihr die Tränen in den Augen brannten. Doch diesmal waren es weniger Tränen des Schmerzes als mehr der Wut. Warum musste ihr das passieren? Warum hatte sie nicht besser aufgepasst? Warum hatte sie nicht ein wenig mehr Glück haben können? Aber dann glitt ihre Hand wieder über ihre ausgebeulte Tasche, in der sich noch immer das Kästchen mit dem vernichtenden Kryptonit befand. Wenigstens das hatte sie erreicht.

Inzwischen hatte sie bereits eine gewisse Routine darin entwickelt einhändig zu fahren. Obwohl sie wirklich froh war, dass die Straßen nachts um vier Uhr nicht so stark befahren waren. Sie fühlte sich so gehandicapt. Als sie den Wagen vor ihrem Haus parkte, war sie einfach nur unendlich froh, dass diese unglaublich lange Nacht nun endlich zu Ende war. Sie wollte einfach nur noch schlafen. Keine Schmerzen mehr spüren. Sich um nichts mehr Sorgen und Gedanken machen.

Das konnte natürlich nichts werden. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass diese Nacht lange noch nicht zu Ende war. Lois begann bereits der Hauch eines unguten Gefühls zu beschleichen, als sie im fünften Stock ankam. Die Sicherheit ihres Apartments war nur noch wenige Meter entfernt. Langsam, vorsichtig, schlich sie bis zu ihrer Apartmenttür und wollte gerade den Schlüssel ins Schloss stecken, als sie bemerkte, dass ihre Tür gar nicht verschlossen war. Mit dem Schlüssel in der Hand drückte die Tür einfach immer weiter auf. Niemand sonst hatte einen Schlüssel für ihr Apartment und sie hatte es ganz sicher verschlossen, als sie es heute Morgen vor ungefähr Tausend Stunden verlassen hatte. Diese offene Tür ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Das war gar kein gutes Zeichen. Ihr Herz schlug so aufgeregt, dass sie meinte, alleine das Geräusch musste bis auf die Straße zu hören sein.

Sachte stieß sie die Tür noch ein kleines Stückchen weiter auf. Lois hielt den Atem an. Nur wenige Zentimeter, bis sie einen Blick hinein werfen konnte. Sie sah nur einen kleinen Spalt. Alles war vollkommen durchwühlt worden. Dinge lagen auf dem Boden, Schubladen waren herausgezogen und die Schränke geöffnet. Stühle umgeworfen.

Ihr Herz schien einfach auszusetzen. Was, wenn die Einbrecher noch in ihrem Apartment waren? Sie hatte ja sehr wohl eine Vorstellung, wonach die suchten. Was, wenn sie ihnen nun direkt in die Arme lief? Ihnen das Kryptonit, um das sie so hart gekämpft hatte, gleich wieder auslieferte? Oh nein, bitte nicht noch eine Begegnung mit einem Schläger, flehte sie innerlich. Sie konnte kaum noch atmen.

Langsam ging sie Schritt für Schritt zurück. Kein Geräusch machen. Nicht das Kleinste. Lautlos. Einfach nur noch weg von hier! Sie schlich umsichtig und äußerst vorsichtig nach unten. Erst auf der Straße angekommen, traute sie sich wieder zu atmen. Doch wohin nun? Wohin sollte sie gehen? Wer würde ihr helfen, mitten in der Nacht...?

~ ~ ~

Fortsetzung folgt…
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Re: Ich brauche deine Hilfe... Teil 4/?

Beitragvon Magss » Mo 6. Aug 2012, 18:46

– Teil 4 –

2. Kapitel


Clark stand in höchst versunkener Konzentration an seinem Spülbecken in der Küche und versuchte den Rußfleck von der Schulterpartie seines Superman-Outfits zu tupfen. Dieser Lava-Ausbruch mit dem dazugehörigen Ascheregen hatte es wirklich in sich gehabt. Als er vor einer halben Stunde in seine Wohnung geflogen kam, hatte er richtiggehend farblos ausgesehen, fast wie eine Schwarzweißfotografie. Aber selbst, wenn er den Anzug nicht wieder sauber bekommen würde, war es den Einsatz wert gewesen. Es war ihm gelungen, den Lavastrom ins Meer umzulenken und dadurch ein Dorf und viele Menschenleben zu retten.

Aber sicher würde seine Mutter noch einmal Zustände bekommen, weil er die Anzüge so schnell verschliss.

Er fing nun doch an ein wenig zu reiben. Ach verflixt, vielleicht sollte er sowieso seine Mutter fragen, meist hatte sie den ultimativen Flecken-Tipp auf Lager. Konnte er sie jetzt anrufen? Nein. Der Blick auf die Uhr sagte ihm, es war noch nicht einmal fünf Uhr. Selbst für Farmer war das zu früh.

Da klopfte es plötzlich und energisch an seine Tür. Wer bitte kam auf die Idee, ihn um diese Zeit zu besuchen? Sein Röntgenblick, den er flüchtig zur Tür fliegen ließ, gab ihm Aufschluss – Lois. Natürlich Lois! Er schüttelte seinen Kopf. Die Frage war eigentlich überflüssig. Aber diese Zeit war selbst für Lois außergewöhnlich.

Auf dem Weg zur Tür verstaute er noch schnell den Anzug und überlegte, wie überrascht oder sogar erbost er bei ihrem Anblick sein sollte. Doch jede Art von Vorwurf, ernst oder scherzhaft, war wie weggeblasen, nachdem er die Tür geöffnet und sie angesehen hatte.

„Lois!“ Schon das Wort blieb ihm fast im Halse stecken. Sie sah schrecklich aus. Ihr linkes Auge zierte ein gewaltiges Veilchen. Ihr rechter Arm lugte unter ihrem Mantel hervor und war offensichtlich vollkommen eingegipst. Sie musste einen Unfall gehabt haben. Doch das Schlimmste war ihr panischer und schmerzverzerrter Gesichtsausdruck. „Um Himmels Willen! Was ist passiert?“ Seine Partnerin so zu sehen, verursachte ihm körperliche Schmerzen. „Komm rein“, hauchte er tonlos, so schockierte ihn ihre Erscheinung.

„Clark, ich bin froh, dass du noch wach bist oder schon...?“ Sie kam herein und gab ihm umständlich ihren Mantel. Es war wirklich der ganze Arm, bis über den Ellenbogen eingegipst. Und kaum, dass sie ins Licht getreten war, sah er, dass auch ihre Lippe geschwollen war. Warum hatte sie ihn nicht gerufen? Ach verdammt, er war die ganze Nacht auf den Philippinen gewesen und hatte sich um den Vulkan Mayon gekümmert. Vielleicht hatte sie es sogar getan und er hatte es nicht gehört...

„Keine Sorge, ich lebe noch. Ich glaube, es sieht auch schlimmer aus als es ist. Ich war einer heißen Sache auf der Spur und habe halt etwas auf die Finger bekommen.“ Lois versuchte offensichtlich gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Aber er bezweifelte, dass sie wirklich so taff war. Entgegen ihrer Worte, sah er die Angst in ihren Augen.

„Wo bist du gewesen? Wer hat dir das angetan?“ Clark war immer noch ganz fassungslos. Sie waren inzwischen bei seinem Sofa angekommen und setzten sich beide. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen und festgehalten. Fast so, als wollte er sie noch nachträglich vor allen Widrigkeiten des Lebens beschützen. Aber er fragte sich gleichzeitig, ob das wohl so eine gute Idee wäre. Wer wusste, was sie noch für Blessuren davon getragen hatte.

Doch nun wich sie seiner Frage aus: „Das ist jetzt nicht so wichtig. Aber... Ich... Also...“ Er versuchte all sein Verständnis in seinen Blick zu legen und bedeutete ihr, sie solle einfach weiter reden. „Ich wollte dich fragen, ob ich... ob ich vielleicht bei dir bleiben könnte?“, fragte sie kleinlaut. In ihren Augen stand die pure Angst, sie traute sich kaum, ihn anzusehen, während sie das sagte.

Clark war glücklich, dass sie ihm die Chance gab, etwas für sie zu tun. Und wenn sie bei ihm bleiben wollte, weil sie sich hier sicherer fühlte, so nahm es ihm ein wenig von seinem schlechten Gewissen, nicht da gewesen zu sein. „Aber natürlich kannst du das.“

Daraufhin entspannte sie sich ein wenig, lehnte sich in dem Sofa zurück, als wenn sie begann, sich wohl zu fühlen. „Danke Clark. Du bist wirklich ein Freund. Weißt du, ich war bei meinem Apartment. Die Tür war aufgebrochen. Alles war durchwühlt und ich hatte Angst, die Einbrecher wären noch dort. Bei dem Gedanken hat mich so eine Panik ergriffen... und da bist du mir eingefallen.“ Sie zeigte fast ein Lächeln, während sie das sagte, aber nur ein ganz zartes.

„Natürlich kannst du hier bleiben. Du bekommst mein Bett und ich nehme das Sofa...“, sagte er erleichtert. Clark war froh, ihr helfen zu können. Er war froh, dass sie zu ihm gekommen war. Er war glücklich zu wissen, dass sie ihm vertraute.

„Nein, Clark“, entrüstete sie sich. „Das kann ich nicht annehmen. Ich werde auf dem Sofa schlafen und du in deinem gemütlichen Bett.“ Sie klang sehr bestimmt.

„Du willst mit dem Ungetüm von Gips wirklich auf dem schmalen Sofa schlafen?“ Er schüttelte schon bei der Vorstellung belustigt den Kopf. „Kommt nicht in Frage. Du Bett, ich Sofa. Das mache ich auch immer, wenn meine Eltern hier sind. Das funktioniert gut.“

Lois blickte an sich hinunter und ihr Blick blieb an ihrem Arm hängen. Dieser Argumentation konnte sie sich schließlich schlecht entziehen. „Okay... Danke.“

„Soll ich nach deinem Apartment sehen? Ist die Tür immer noch offen? Warum sind die, wer auch immer das sein mag, bei dir eingebrochen? Und was haben sie gesucht?“, fragte er voller Sorge, aber auch neugierig.

„Ja-ah... das ist... Weißt du, eigentlich wollte ich diesen Fall mit meinem Partner klären, aber der hat manchmal die Angewohnheit sonstwo, irgendwo, irgendwie unauffindbar zu sein...“ Sie versuchte ihn offenbar zu provozieren, indem sie diese Worte betont gelassen aussprach. Es verfehlte seine Wirkung nicht. Sofort machte sich sein permanent schlechtes Gewissen bemerkbar. Sein Geheimnis, das so schwer auf ihm lastete, das er so gerne teilen würde. Aber nie schien der richtige Zeitpunkt dafür da zu sein. Lois quälte ihn absichtlich, da war er sich sicher und fuhr genauso locker fort: „Also bin ich alleine los. Aber weißt du was? Es geht um Superman und ich werde das nur mit ihm persönlich besprechen.“ Der schon wieder, dachte Clark nur bei sich. „... Ja“, fuhr sie nun wieder kleinlauter fort: „… und dabei bin ich auf diesen Wachmann getroffen. Tja, und als ich dann aus dem Krankenhaus kam, war mein Apartment aufgebrochen. Auf der Fahrt mit dem Taxi hierher, durfte ich dann auch noch feststellen, dass mein Presseausweis verschwunden ist. Wahrscheinlich habe ich ihn dort verloren...“

Er musste es wenigstens versuchen. „Und das war wo...?“

„Nun ja, dort, wo ich gewesen bin, wo ich ermittelt habe, dieser Fall, bei dem es um Superman geht...“, antwortete sie ihm schnippisch. Sie wollte ihm wirklich nicht mitteilen, worum es dabei ging. Nur dass es um Superman ging. Genauso schnippisch fuhr sie dann fort: „Es wäre nett, wenn du ihm sagen könntest, dass ich ihn sprechen möchte. Wenn du ihn siehst oder sprichst oder sonstwie mit ihm in Kontakt kommst. Es ist wichtig.“

Es war doch immer das Gleiche. Sie wollte mit Superman reden. Es war wichtig. Um ihr zu helfen, da war ihr Clark gut genug. Aber diesen angeblich so wichtigen Fall, den konnte sie nur mit dem Mann aus Stahl persönlich besprechen. Er hatte kurzzeitig sogar gedacht, sie hätte diese Fixierung auf diesen Überhelden endlich überwunden, hätte endlich angefangen ihn als Mensch, als Mann wahrzunehmen. Aber nein, diesen so überaus wichtigen Fall wollte sie nicht mit ihm teilen. Sie waren doch Partner! Oh Lois. Seine Antwort fiel dann viel beleidigter aus als er das wollte. „Ich weiß nicht, wann ich ihn sehe.“ Dabei verschränkte er sogar eingeschnappt seine Arme vor der Brust.

Doch das schien sie nicht zu beeindruckte. „Sag's ihm einfach, wenn du ihn triffst. Das mit meinem Apartment hat übrigens Zeit bis morgen. So, Clark, sei mir bitte nicht böse, aber ich falle fast um und ich habe eine wirklich harte Nacht hinter mir. Wenn es okay für dich ist, würde ich jetzt gerne schlafen.“

Natürlich war das okay für ihn. Wahrscheinlich hätte er sie gar nicht so mit Fragen bedrängen sollen. Dass sie wirklich einiges durchgemacht hatte, war ja nun offensichtlich. Er gab ihr noch ein T-Shirt und Boxershorts, die sie sich mit einem Zugband enger stellen konnte. Auch eine neue Zahnbürste hatte er da. Während Lois im Bad war und ununterbrochen fluchte – sie hatte wohl Schwierigkeiten aus ihren Sachen zu kommen – bezog er schnell das Bett für sie. Kurz darauf erschien Lois verzweifelt und hielt das Bändchen fest, mit dem sie die Boxershorts binden konnte. „Clark...“, beschwerte sie sich entnervt, „das geht nicht. Ich brauche deine Hilfe. Mit einer Hand kann ich keine Schleife binden.“

„Warte, ich helfe dir.“ Natürlich half er ihr. Er band das Bändchen, dann gab er ihr einen flüchtigen Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn. Doch Lois schien so müde zu sein, dass er sich noch nicht einmal sicher war, ob sie das überhaupt bemerkte. Sie drehte sich ohne ein weiteres Wort um, ging ins Bett und schien fast augenblicklich einzuschlafen. Das Licht musste Clark löschen.

So leicht fiel es Clark nicht, zur Ruhe zu kommen. Zu viel ging ihm durch den Kopf. Wo war sie bloß gewesen? Was war das für ein wichtiger Fall über Superman? Ob sie immer noch in Gefahr schwebte? Andererseits sollte er sie nicht so mit Fragen bedrängen. Musste er nicht endlich einmal dafür sorgen, dass der richtige Zeitpunkt kam, um ihr sein Geheimnis mitzuteilen? Wo würde sich diese ganze 'Sache' mit Lois hin entwickeln? Fragen über Fragen.

~ ~ ~

Bereits kurz nach sieben Uhr erwachte Clark nach einer unruhigen Nacht wieder. Lois schlief anscheinend noch tief und fest, das entnahm er ihrem gleichmäßigen Atemgeräusch, das er ohne weiteres bis zu seinem Wohnzimmer hören konnte. Er war froh, dass sie keine bösen Träume plagten. Nein, sie schlief tief und fest und ganz ruhig. Kein Wunder, sie hatte sich erst vor zwei Stunden hingelegt und es war wahrlich eine lange Nacht für sie gewesen. Glücklicherweise fühlte er sich, dank seiner kryptonischen Physiologie, bereits nach diesen zwei Stunden Schlaf vollkommen ausgeruht.

Er beschloss kurzerhand einige Erledigungen zu machen, bevor Lois aufwachte. Da war zum einen ihr Apartment, das er sich unbedingt ansehen wollte. Auf der anderen Seite würde er gerne ein paar Dinge einkaufen, um ein wirklich gutes Frühstück machen zu können. Auf Übernachtungsbesuch war er normalerweise nicht eingestellt. In Supergeschwindigkeit sollte sich das alles erledigen lassen, ohne dass er zu lange weg sein müsste.

* * *

Die aufgebrochenen Tür zu Lois‘ Apartment hatte Clark ja erwartet, doch auf diese Verwüstung war er nicht vorbereite. Er konnte wirklich verstehen, dass sie sich nicht mehr getraut hatte, es zu betreten. Stühle und Sofas waren umgeworfen. Alle Schränke standen offen. Die drei Kerths lagen auf dem Boden, waren aber alle unbeschädigt. Die Bilder hingen schief. Auch alle Schubladen waren herausgezogen; der Inhalt war über den ganzen Boden zerstreut. Selbst in der Küche herrschte das reinste Chaos. Die wenigen Lebensmittel, die Lois im Haus hatte, lagen nun durcheinander und verstreut auf dem Boden. Doch trotz des vollkommenen Durcheinanders wunderte sich Clark darüber, dass so wenige Dinge kaputt oder zerstört waren. Keine zerschnittene Kleidung oder Polster. Kein Glas in den Bilderrahmen war zerbrochen, keine Möbel zerschlagen. Jemand hatte etwas gesucht, das lag auf der Hand, aber vielleicht hatten ihre nächtlichen Besucher ja nur sie gesucht.

Clark ließ noch einmal seinen Blick durch den Raum wandern und entdeckte dabei am Rahmen ihrer Apartmenttür ihren Presseausweis, durchstochen von einem Brieföffner. Das sah sehr nach einer Warnung aus. Lois sollte auf jeden Fall in seiner Wohnung bleiben. Solange er noch nicht wusste, wen sie hier eigentlich als Gegner hatten, sollte sie sich nicht alleine hier aufhalten. Die fünf Schlösser an ihrer Tür hatten diese Kerle nicht aufgehalten und sie konnten schließlich jederzeit wieder kommen.

In weniger als fünf Minuten hatte er das komplette Chaos beseitigt. Alles lag und stand wieder an seinem Platz, wenigstens so gut wie Clark das in Erinnerung hatte. Selbst in der Küche räumte er auf, auch wenn er dort kaum etwas retten konnte. Pasta gemischt mit Zucker und Mehl war einfach rettungslos verloren. Ihren Presseausweis nahm er natürlich mit. Dann richtete er noch die Tür. Zwei der Schlösser waren so malträtiert worden, dass er sie nur noch austauschen konnte. Die neuen Schlüssel würde er Lois später geben. Dann sah ihr Apartment eigentlich so aus wie immer. Also war er hier fertig.

Clark war bereits im Begriff zu gehen, als ihm einfiel, dass er Lois vielleicht etwas mitbringen sollte. Es war ja nun klar, dass sie länger bei ihm wohnen würde. Ein wenig Kleidung, vielleicht einiges aus ihrem Bad, er hätte sie fragen sollen. Aber es war ja ein Leichtes, er würde erst einmal einpacken, was er dachte und was sie dann noch bräuchte, konnte er ja noch nachholen.

Also führte ihn sein Weg in ihr Schlafzimmer. Der einzige Raum in Lois' Apartment, den er noch nie betreten hatte. Genau das bereitete ihm gleich ein wirklich merkwürdiges Gefühl. Plötzlich fühlte er sich wie ein Eindringling, wie ein Dieb. Doch er schob diesen Gedanken pragmatisch beiseite. Lois hatte ihm schließlich ihren Schlüssel gegeben. Der Raum war in der gleichen schlichten Eleganz eingerichtet wie das Wohnzimmer, war nur deutlich kleiner. Er wirkte dadurch recht gemütlich. Clark nahm die Reisetasche, die oben auf dem Schrank lag und öffnete ihren Kleiderschrank. Doch augenblicklich verfluchte er sich für diesen Gedanken. Natürlich war der Kleiderschrank voll. Doch für ihn wäre es in diesem Moment sehr viel einfacher, wenn Lois nur über eine Handvoll Kleidungsstücke verfügt hätte. Dann hätte er einfach alles eingepackt, aber so...

Vieles von dem, was sich ihm da offerierte, kannte er bereits. Lois hatte es schon einmal in der Redaktion getragen. Auch einige von den festlichen Kleidern erkannte er wieder. Nun gut, Abendgarderobe und Gipsarm passten dann vielleicht doch nicht wirklich zusammen. Links im Schrank waren in den Fächern einige Stapel mit Wäsche, Jeanshosen, Jogginghosen, Sweatshirts, Hemden, T-Shirts; das schienen ihre Wohlfühlklamotten zu sein. Clark mochte diese Sachen, Lois wirkte darin immer so entspannt. Er packte wahllos ein paar Sachen in die Tasche. Figurbetonte Blusen, Blazer und Kleider schieden sowieso aus, weil sie sie sicher gar nicht über den Arm bekommen würde.

Als nächstes öffnete er die oberste Schublade der Kommode und wünschte sich sofort, dass ihm diese Idee niemals gekommen wäre – Unterwäsche, Slips und BHs. Oh Himmel hilf! Clark merkte gerade noch, dass sich seine Wangen anfühlten, als würden sie glühen. Wahrscheinlich waren sie feuerrot. Das war an sich vollkommen lächerlich, er war ganz alleine hier. Er bemühte sich einfach nur an die Decke zu starren, während er blind in die Schublade griff und einpackte, was er zwischen die Finger bekam. So konnte er später behaupten, er hätte nicht angesehen, was er eingepackt hatte. Schnell schloss er die Schublade wieder und machte sich mutig an die nächst tiefere. Socken und Strumpfhosen, das war natürlich nur geringfügig einfacher. Sich Lois‘ lange Beine in verführerischen Nylons vorzustellen, kühlte ihn nicht gerade ab. Auch hier griff er einfach wahllos zu. Die unterste Schublade enthielt Schlafanzüge. Gleich zu oberst musste er bei dieser Gelegenheit feststellen, dass auch Lois einen Frottee-Schlafanzug in rot-blau-gelb mit S-Logo ihr Eigen nannte. Er schüttelte leicht belustigt seinen Kopf und schob den beiseite. Der nächste Schlafanzug sah kuschelig aus und war einfach nachtblau. Das erleichterte seine Wahl.

Das Bad war lange nicht so kompliziert wie er gedacht hatte. Clark packte einfach alles ein, was direkt am Waschbecken stand und lag, weil er annahm, dass das ihre Dinge des täglichen Gebrauchs waren. Tuben, Tiegel, eine Bürste und lauter solche Sachen. Dann nahm er von der Badewanne noch ihr Duschmittel und Shampoo mit und befand, dass dies für seinen ersten Besuch wohl reichen sollte. An der Garderobe nahm er noch ein paar Schuhe mit und damit verließ er Lois' Apartment.

Wie einfach gestaltete sich dagegen doch der Einkauf. Er kaufte einfach all die Dinge ein, von denen er wusste, dass Lois sie gerne mochte: Ihren Lieblingskaffee, Schokoeis, Double-Fudge-Crunch-Bars, Zartbitterschokolade und dann noch ein paar Kleinigkeiten für das Frühstück: Müsli, Früchte für einen Obstsalat, Joghurt, Saft und Croissants.

Mit dieser reichhaltigen Ausbeute war Clark dann gegen neun Uhr wieder in seiner Wohnung. Es hatte wirklich zwei Stunden gebraucht, kaum zu glauben. Er horchte einmal aufmerksam in Richtung Schlafzimmer und stellte zufrieden fest, dass Lois immer noch schlief. Also machte er sich an die Zubereitung des Frühstücks. Wenn Lois schon eine kurze, anstrengende, schmerzhafte und auch noch erfolglose Nacht hinter sich hatte, sollte sie diesen Tag wenigstens mit einem wirklich guten Frühstück beginnen. Auch sollte er bald im Planet anrufen.
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Re: Ich brauche deine Hilfe... Teil 5/?

Beitragvon Magss » Mo 13. Aug 2012, 17:43

Teil 5

Lois bewies dann ein ausgesprochen gutes Timing, als sie genau in dem Moment ihren Kopf in die Küche steckte, in dem Clark fertig war. Er war gerade dabei gewesen darüber zu sinnieren, ob er sie wecken oder lieber schlafen lassen sollte. Perfekt.

Sie rieb sich noch ein wenig verschlafen die Augen. „Morgen... Was riecht hier so gut? Hast du Kaffee gemacht?“

Clark drehte sich daraufhin glücklich um. „Ja, Kaffee kommt sofort. Dir auch einen guten Morgen! Ich hoffe, du konntest schlafen?“ Er sah sie aufmerksam und mit einem zufriedenen Lächeln an. Versuchte das Entsetzen, das ihn jedes Mal packte, wenn er ihre Blessuren der Nacht musterte, zu unterdrücken. Die Färbung zeigte heute eine mehr dunkelrötlich-blaue Schattierung und das sowohl oberhalb als auch unterhalb des Auges. Der Wachmann, oder mit wem auch immer sie zusammen gestoßen war, hatte sie wirklich sehr großflächig getroffen. Bei Tageslicht sah es jedenfalls noch mitleiderregender aus als schon in der Nacht.

Zufrieden nahm Lois Clark den Kaffeebecher ab, den er ihr reichte. „Ich hab recht gut geschlafen“, sie nahm einen großen Schluck Kaffee, „nur ein bisschen wenig.“ Sie setzte sich auf einen der Stühle und gähnte ausgelassen. „Oh Clark, ich habe das Gefühl, mir tut jeder Knochen weh... Und ich denke, ich sollte mich langsam beeilen, um in den Planet zu kommen.“ Schwermütig blickte sie dabei auf Clarks Küchenuhr.

„Du willst in die Redaktion heute?!“, entschlüpfte es ihm entsetzt. „Soll ich dir mal einen Spiegel bringen?“ Das war sicher nicht besonders feinfühlig, aber vielleicht hatte sie ihr Auge heute noch gar nicht im Spiegel betrachtet. Außerdem sollte es nun wirklich in Ordnung sein, wenn der Planet einmal einen Tag ohne sie auskommen musste. Doch Lois schien ihm seine unbedachte Bemerkung wirklich krumm zu nehmen, sie sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Also ergänzte er schnell: „Sie würden dir ziemlich dumme Fragen stellen. Ich könnte Perry sagen, dass du heute einfach nicht kommen kannst oder ich sage ihm, du bist an einer großen Story dran...“

„Du würdest für mich lügen...?“, fragte sie mit einem provozierenden Grinsen.

„Wieso, du warst doch für eine Story unterwegs, Superman... du erinnerst dich?“ Er würde einfach zu gerne wissen, was es mit dieser Story um sein Alter Ego auf sich hatte? „Willst du mir nicht erzählen, worum es dabei ging?“, versuchte er es noch einmal so ganz beiläufig. Mit ein wenig Glück, war sie noch nicht wach und angriffslustig genug, um ihn wieder abzuwehren.

„Nein.“ Lois stellte ihren Kaffeebecher bestimmt auf dem Tisch ab. „Ich erzähle es nur ihm persönlich.“ Vielleicht hätte er sie vor dem Kaffee fragen sollen.

Einen Versuch war es wert gewesen. Clark baute all seine vorbereiteten Speisen auf dem Tisch auf, Obstsalat, Müsli, frische Croissants, dazu die selbstgemachte Erdbeermarmelade seiner Mutter. Mit jedem einzelnen Teil hellte sich Lois' Miene mehr auf. Er würde schon noch herausfinden, an was für einer geheimnisvollen Aktion sie arbeitete. Vorerst beschloss er das Thema zu wechseln: „Lois, dein Apartment...“

Doch sie unterbrach ihn sofort, schnitt ihm gleich das Wort ab und das mit einem ausgesprochen erschrockenen Gesichtsausdruck: „Ich... ich will da jetzt nicht hingehen. Wenn sie nun wieder kommen. Ich habe wirklich Angst.“ Das hätte sie noch nicht einmal sagen müssen. Alles an ihr, der Blick, ihre Körperhaltung, ihre Stimme drückte genau das aus – Angst. Clark konnte das wirklich verstehen. Er hatte noch nie erlebt, dass Lois in der Ermittlung eines Falles an einen Gegner geraten war, der so brutal zu ihr war und sie dabei so sehr den Kürzeren gezogen hatte. Es war ja nun mal so typisch für Lois, dass sie sich immer wieder in Schwierigkeiten brachte, weil ihr Riecher ihr das sagte, weil ihre Intuition etwas sah, was sie weiterbringen würde. Doch bisher hatte sie sich immer im letzten Moment retten können. Oder er hatte sie davor bewahren können, dass sie Prügel bezog oder noch weit Schlimmeres. Aber ein gebrochener Arm, ein blaues Auge, eine aufgesprungene Lippe – und dabei war sich Clark noch nicht einmal sicher, dass das alles war – er konnte diese Angst sehr gut verstehen.

„...Könntest du vielleicht...?“ flehte sie ihn geradezu an. So sehr, dass es ihm wirklich einen Stich ins Herz gab. Er könnte ihr doch sowieso nichts abschlagen und wenn sie ihn auch noch so ansah schon gar nicht.

„Ich war schon dort“, antwortete er nicht ohne Stolz. Sofort entspannte sie sich wieder. „Ja, deine Tür ist repariert. Ich habe sogar versucht, ein wenig aufzuräumen...“ Das entlockte ihr nun ein Strahlen. „Und ich habe dir auch ein paar Sachen eingepackt...“, stammelte er immer leiser werdend. Clark war nun bei dem unangenehmsten Teil seines Berichtes angelangt. Dem Teil, bei dem er eingestehen musste, dass er in ihrem Schlafzimmer gewesen war, in ihren Schränken gewühlt hatte. Dabei hatte er gar nicht gewühlt, aber würde sie ihm das glauben?

Lois machte es mit ihrer Reaktion dann auch noch schlimmer; sie grinste breit. „So, so...“, kommentierte sie seine Schilderung vieldeutig. Sie ließ ihn eine unglaublich lange Minute zappeln, ließ ihren Blick durch den Raum wandern und entdeckte ihre Reisetasche – und kombinierte. Dann schob sie ihr Müsli beiseite. Immer noch grinsend fragte sie ihn: „Du hast mir etwas eingepackt? Von meinen Sachen? Was denn?“

Clark wünschte sich in diesem Moment, er könnte im Erdboden versinken. Warum wurde Superman niemals in so einem Moment gebraucht? Das Gefühl war ganz ähnlich dem, das ihn bereits beim Einpacken überkommen hatte. Er bemerkte, wie seine Wangen anfingen zu glühen und ihm wurde immer wärmer. Lois würde sich nun gleich ansehen, was er nach dem Durchwühlen ihre Wäsche eingepackt hatte.

Als wollte sie ihn noch ein wenig mehr leiden lassen, stand sie nun ganz langsam auf und ging dann, immer noch mit diesem gemeinen Grinsen im Gesicht, zu der Reisetasche.

„Lois, ich dachte...“, begann Clark sich schon vorsorglich heraus zu reden, „ich wusste ja nicht... ich dachte... wo ich schon einmal da bin... Du wirst doch etwas brauchen. Da ist auch Duschgel und Shampoo drin und ein paar weite Sachen, damit du sie auch über den Gips bekommst...“

Inzwischen hatte sie etwas umständlich den Reißverschluss der Tasche geöffnet und begutachtete seine Ausbeute. „Du hast mir sogar Wäsche eingepackt?“, fragte sie etwas erstaunt. Sie sah ihn an, lächelte entspannt und freundlich.

Doch Clark fühlte sich von ihrem Blick durchbohrt. Er fühlte sich ertappt, wie jemand, der etwas gesehen hatte, was er gar nicht durfte. „Ich... ja, also... das musste ich doch. Du brauchst doch etwas zum Anziehen.“ Und bevor sie noch nur einen einzigen Gedanken ansprechen konnte, setzte er schnell nach: „Ich hab auch gar nicht hingesehen... Und ich kann jederzeit noch einmal in dein Apartment gehen und dir etwas anderes mitbringen – wenn du mir sagst, was und wo ich es finde...“ Diese ganze Situation war so merkwürdig. Ihm war heiß, als stände er inmitten eines Vulkans. Und er redete sich um Kopf und Kragen. Normalerweise war das doch Lois' Part.

Sie hingegen war noch immer so entspannt und inzwischen schien sie sich sogar ein wenig über ihn zu amüsieren. „Nein, es ist alles okay. Du hast gut ausgewählt. Ich hätte nur niemals gedacht, dass ich einmal darauf angewiesen wäre, dass du meine Wäsche durchsiehst...“, ihr Grinsen wurde wieder frecher, „und dass dich das so sehr durcheinander bringt.“

Clark vergrub seine Hände tief in seinen Hosentaschen und fragte sich gerade, ob Lois es wohl doch noch schaffen würde, dass er wirklich ins Schwitzen kam. Er war auf dem besten Weg dorthin. Er musste einfach das Thema wechseln, unbedingt, möglichst schnell, am besten jetzt sofort... „Hier, du solltest unbedingt die Marmelade von meiner Mutter probieren. Einfach göttlich, schmeckt wie zu Hause.“ Dieser Versuch war so offensichtlich, er hätte es kaum ungeschickter anstellen können.

Doch Lois schien beschlossen zu haben, ihn gnädigerweise vom Haken zu lassen und kam wieder an den Tisch zurück. Sie nahm sich ein Croissant und polterte demonstrativ mit ihrem eingegipsten Arm gegen den Tisch. Es war ein stummes Ich-brauche-deine-Hilfe. Oh ja, das war doch viel einfacher als die Wäsche-Diskussion. Inzwischen konnte er wieder entspannt lächeln und nahm das Croissant und bestrich es für sie mit der Marmelade.

„Mmhh... echt lecker.“

Auch wenn Clark es schon tausendmal gesehen hatte, es faszinierte ihn immer wieder, wie genussvoll sie aß. „Lois, ich denke, ich werde mich bald aufmachen in die Redaktion“, lenkte er das Gespräch in ernstere Regionen, „ich werde Perry sagen, dass du heute nicht kommst. Und dann versuche ich möglichst bald wieder hier zu sein. Da ist noch eine ganze Kanne Kaffee, im Kühlschrank findest du alles Mögliche und Eis ist im Froster...“

Überrascht sah sie ihn an. „Schokoeis?“ Er nickte. „Du hast Schokoeiscreme im Haus? Seit wann das denn?“

„Ich war schon einkaufen heute Morgen.“ Auf dieser Ebene war es sehr leicht, sie glücklich zu machen.

„Okay, ich werde schon zurechtkommen. Es ist genug zu lesen und zu essen da, ich lasse niemand Fremdes in die Wohnung und ich fasse nichts an – versprochen.“ Sie hob verschwörerisch die Finger zum Pfadfinderschwur und sagte ganz beiläufig: „Und denke daran, wenn du Superman siehst, dass ich ihn sprechen muss.“

Clark war gerade dabei gewesen, sich richtig wohl zu fühlen in seiner Haut. Doch mit dem letzten Satz hatte sie es augenblicklich geschafft, dieses Gefühl wieder zu zerstören. Er bemühte sich jedoch nach Kräften, das nicht zu deutlich zu zeigen. Es war schon kompliziert genug, dass er auf sich selbst eifersüchtig war. Er wollte das nicht auch noch mit Lois diskutieren und dann so tun müssen, als handelte es sich bei diesem Konflikt um drei Personen. Irgendwann einmal, in einer fernen Zukunft oder vielleicht auch in einer näheren Zukunft, musste er mit dieser Geheimniskrämerei aufhören. Aber das war nun besonders kompliziert. Er hatte seiner gesamten Umwelt diese Lüge aufgetischt, um sich zu schützen und die Menschen die ihm nahe standen, ganz besonders Lois. Auf der anderen Seite waren sie ausgegangen, hatten sich sogar geküsst. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass ihre Beziehung sich immer mehr vertiefen würde. Doch dann musste er ihr die Wahrheit sagen. Ja, irgendwann einmal...

~ ~ ~

Jimmy sah auf das Display seines Telefons, als es sich mit schrillem Klingeln in sein Bewusstsein drängte: Clarks Nummer. Das war eher ungewöhnlich; es war fast zehn Uhr, von Lois und Clark war weit und breit nichts zu sehen. Clark war schon mal gelegentlich einen Tag nicht in der Redaktion, doch niemals weil er eine Erkältung hatte. Meist war er dann an einer Story dran und sehr beschäftigt. Rief aber dafür nicht an und schon gar nicht morgens. Doch Jimmy würde es ja gleich erfahren und nahm gespannt ab. „Ja, hallo.“

„Hi, Jimmy! Ich bin's, Lois.“ LOIS?! Von Clarks Anschluss aus? Morgens? Aha! Das war ja dann doch sehr schnell gegangen. Die beiden hatten doch erst vor ein paar Tagen ihr Date gehabt. TNT und Streichhölzer? War es nicht das, was der Chef gesagt hatte? Lois sprach leise, verschwörerisch: „Clark ist noch nicht da, oder?“ Ah ja. Sie war alleine in seiner Wohnung. War sie bei ihm eingezogen...? Wirklich sehr interessant.

„Äh, nein. Clark ist noch nicht hier.“ Er grinste vergnügt vor sich hin.

Daraufhin wirkte Lois erleichtert. „Das ist gut. Jimmy, hör mir zu. Es geht noch einmal um Newtrich. Aber ich möchte nicht, dass Clark etwas von diesem Gespräch erfährt, hörst du?“

„Ja, kein Problem“, sagte er ganz locker. Dass er seinen Kopf dabei schüttelte, sah sie ja nicht. Er recherchierte für Clark in Sachen Mayson, aber Lois sollte nichts davon wissen. Und nun würde er für Lois in Sachen Newtrich weiter recherchieren, aber Clark durfte davon nichts erfahren. Die beiden waren ein merkwürdiges Paar. „Was soll ich tun?“

„Also, mach bitte da weiter. Kontakte, wen kennt er? Mit wem ist er zusammen? Wen trifft er? Auf was für Partys geht er? Mit wem? Die Frauen, die ihn begleiten, bezahlt er sie oder gibt es eine ständige Begleiterin? Kinder? Verheiratet? Alimente? Ich will einfach alles über seine persönlichen Kontakte. Und dann Geld. Wie viel? Woher? Wofür gibt er es aus? Dann musst du herausfinden, ob es eine Verbindung zwischen Newtrich und Cost Mart gibt. Stand er dort mal auf der Gehaltsliste? Und kein Wort zu Clark!“

Jimmy hatte sich alles notiert. „Intergang? Ja, gut. Wann wirst du heute hier sein, wie viel Zeit hab ich?“

„Ähm... ich komme heute nicht in den Planet... ich... mir geht's nicht so gut.“ Jimmy riss die Augen auf. Lois Lane meldete sich krank?! Was war das denn für eine Nacht gewesen? Mad Dog Lane krank?! Lois nicht im Planet – hatte es das schon einmal gegeben? Dafür, dass sie den Kopf unter dem Arm trug, klang sie noch ganz okay. Lois verhinderte, dass er sich noch mehr Fragen stellen konnte und fuhr fort: „Das Beste wird sein, wenn ich dich wieder anrufe.“ Warum war diese Sache um Newtrich nur so geheimnisvoll? Nun ja, er sollte recherchieren, nicht verstehen.

„Okay...“ Jimmy versuchte sich zu sammeln. Aber das waren doch ziemlich viele Überraschungen auf einmal. Lois, die bei Clark in der Wohnung war, obwohl ihr Date erst ein paar Tage her war. Lois, die sich krank meldete. Und Lois, die ein Geheimnis vor Clark hatte. Aber das zählte höchstens halb, Clark hatte ja auch ein Geheimnis vor ihr. Ohne genau zu wissen, was sie hatte, wünschte er ihr gute Besserung und versprach herauszufinden, was möglich war. Jimmy grinste vergnügt vor sich hin, während er auflegte.

Ganz gleich was nun Lois und Clark miteinander hatten, eines hatten sie ganz bestimmt: Ein perfektes Timing. Clark trat genau in dem Moment aus dem Fahrstuhl, in dem Jimmy das Gespräch mit Lois beendete.

Clark kam dann auch gleich mit einem entspannten Lächeln auf ihn zu. Er wirkte auf Jimmy locker und zufrieden. Das war an sich noch nichts Ungewöhnliches für Clark, er war meist eine Ausgeburt guter Laune und Optimismus. Aber wirkte er heute nicht vielleicht noch ein wenig zufriedener als sonst? Doch Jimmy bekam keine Chance das herauszufinden. Kaum hatte er ihn mit dem üblichen: „Morgen, C.K.“ begrüßt, als Perry von seiner Bürotür aus nach ihnen rief.

„Clark, Jimmy, in mein Büro und bitte gleich!“ Der Ton ihres Chefredakteurs war nicht unfreundlich, ließ aber trotzdem keinen Zweifel aufkommen.

Clark und er betraten das Büro von Perry und Jimmy glaubte, dass er seinen Augen nicht trauen konnte. Auf dem Stuhl lümmelte genau der Mann, den er in Maysons versiegeltem Büro angetroffen hatte. In dem Büro, das er gerade kurz davor aufgebrochen hatte. Der seiner Ansicht nach genausowenig dort hätte sein dürfen, wie er selbst. „SIE?!“, rief er daraufhin entsetzt aus.

Sein Gegenüber, heute in einem blauen Hemd mit großen roséfarbenen Blüten darauf, war nicht sehr viel einfallsreicher: „SIE?!“ Ob er hier war, um Jimmy Ärger zu machen? Immerhin war er während der laufenden Ermittlung in das Büro einer ermordeten Staatsanwältin eingebrochen. Aber das war Mr Oberlässig schließlich auch.

Während Clark nur von einem zum anderen schaute, versuchte es Perry betont gelassen: „Darf ich vorstellen, Agent Daniel Scardino“ und doch betonte er das Wort ‚Agent‘ ein wenig schärfer. Clark rechnete nun fest damit, dass Jimmy oder er dem Chief später sicher eine gute Erklärung bieten mussten, warum sie diesen Bundesagenten bereits kannten.

Jimmy war sich sicher, er mochte diesen betont lässigen Typen mit dem schmierigen Strahle-Lächeln immer noch nicht. Aber was wollte er hier? Hier im Planet? Normalerweise weigerte sich die Polizei, egal von welcher Ermittlungseinheit, strikt mit der Presse zusammen zu arbeiten. Sprich, sein Auftreten hier konnte nur Ärger bedeuten.

Dieser Scardino zeigte ihnen ein Lächeln. Jimmy fand es nur schmierig und beschloss, er fand ihn daraufhin nur noch widerlicher. „Ich denke, wir sollten unser Wissen zusammenlegen... Die ermittelnden Beamten haben noch keinen blassen Schimmer. Und ehrlich gesagt, ich habe auch noch nicht wirklich eine Spur. Aber ich wäre bereit zu teilen, wenn Sie...“ Er zog aus der Innentasche seiner Lederjacke ein kleines, schwarzes Notizheft. Provozierend wedelte er damit vor ihren Augen herum.

Das brachte Jimmy in eine ziemlich prekäre Lage. Es war das Notizheft, das er bei Mayson auf dem Schreibtisch entdeckt hatte und das Scardino, Agent Scardino ihm abgenommen hatte. Es wäre sicher hilfreich zu erfahren, was darin stand. Aber er hätte diese Entscheidung gerne vorher mit Clark abgesprochen. Doch dazu hatten sie ja bisher gar keine Zeit gehabt. Außerdem, was hätten sie denn anzubieten?

Jimmy sah in das Gesicht von Perry White – es war vollkommen verschlossen. Und Clark? Im Gegensatz zu Perry hatte er einen neutralen Gesichtsausdruck, aber es schien Jimmy fast so, als würde er ganz minimal mit dem Kopf schütteln. In der Hoffnung, dass er die Mienen der beiden richtig interpretierte, beschloss Jimmy einfach den Mund zu halten und gar nichts zu tun. Auch wenn es ihn noch so sehr reizte, einen Blick in dieses Notizheft zu werfen. Er hatte es schließlich schon einmal in der Hand gehabt.

Eine Weile schwiegen sie alle, während Scardino erwartungsvoll von einem zum anderen sah. Perry übernahm es dann, Scardino sehr diplomatisch darauf hinzuweisen, dass sie leider gar keine Informationen im Tausch anzubieten hätten. Auch war er der Meinung, sagte er zu dem Agenten der Drogenfahndung, dass der Planet im Allgemeinen selbst in der Lage wäre, sich seine nötigen Indizien und Beweise zu beschaffen. Es war zuvorkommend und freundlich formuliert, aber es war eine verbale Ohrfeige an Scardino, gepaart mit der Aufforderung die Redaktion zu verlassen. Offensichtlich ging es Perry genauso wie Jimmy und er konnte diesen aufgeblasenen, viel zu lässigen Bond für Arme nicht leiden.

Das schien auf Scardino einen gewissen Eindruck zu machen und er ging tatsächlich. Allerdings nicht, ohne ihnen beim Verlassen von Perrys Büro noch eines von diesen Schmeichler-Lächeln zukommen zu lassen. Kaum dass sie unter sich waren, fragte Perry dann, ob Clark oder er noch Informationen zu dem Fall hätten. Beide schüttelten sie mit einer Unschuldsmiene den Kopf.

* * *
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Re: Ich brauche deine Hilfe... Teil 1/?

Beitragvon Magss » Mo 20. Aug 2012, 20:36

Teil 6

Kurz darauf bekam Jimmy endlich die Möglichkeit, Clark zu erzählen, was er denn wirklich in der Zwischenzeit herausgefunden hatte. Jimmy sprach leise. Der Chef saß zwar in seinem Büro und die Tür hatte er verschlossen, aber Jimmy fühlte sich, als würde er ihnen zuhören. „Also, C.K., ich habe schon noch einiges herausgefunden. Als erstes: MacCarthy kann mir nicht mehr so viel mitteilen, er ist tot.“ Darauf sah ihn Clark mit einer Mischung aus Entsetzen und Überraschung an. Sie waren inzwischen an Jimmys Schreibtisch angekommen. „Ja, sie haben ihn vor fünf Tagen beerdigt. MacCarthys Mutter war dagegen recht mitteilsam. Sie hat mir ein paar Briefe, die er ihr aus dem Gefängnis geschrieben hat, gezeigt. Ich hab sie immer wieder und wieder gelesen. Ganz besonders sein letzter ist spannend. Er schreibt, er sei bald an einem besseren Ort...“ Er sah Clark dann erwartungsvoll an.

Der schien Jimmy nicht ganz folgen zu können. „Und? Meinst du, er hatte eine Vorahnung oder wollte er ausbrechen?“

In Jimmy reifte mit dieser Frage eine neue Idee, während er sich langsam setzte. „Ausbrechen...? Das ist natürlich auch eine Möglichkeit. Ich habe bisher nur immer gedacht... besserer Ort... Wiederauferstehung?“

Clark schien daraufhin eine Idee zu kommen: „Das dürfte aber nur funktionieren, wenn jemand auf dem Friedhof mitmacht... Versuch doch mal herauszufinden, auf welchem Friedhof die Insassen des Metropolis-Gefängnis üblicherweise beerdigt werden, welcher Platz, welcher Beerdigungsunternehmer... diese Sachen halt.“

Ja, das könnte durchaus eine Spur sein; jedenfalls bekam das Wort 'Wiederauferstehung' so eine ganz neue Bedeutung, weniger eine spiritistische, sondern eher eine lukrative, unter Umständen. Das würde ihn sicher ein paar Stunden beschäftigen.

~ ~ ~

Jimmy hasste es, den Planet schon vor dem Hellwerden zu betreten, doch er hatte die Party erst so gegen fünf Uhr morgens verlassen können. Wäre er dann in seine Wohnung gefahren, hätte er bei seinem Schlafdefizit sicher bis mittags durchgeschlafen. Das konnte er sich aber überhaupt nicht erlauben. Da hatte es auch wenig genützt, dass er gestern Abend noch ein paar Stunden vorgeschlafen hatte.

Er war gestern recht früh gegangen, hatte aber noch einige Anfragen per Fax gestartet; genau dort erwartete er schon die eine oder andere Antwort. Er wollte auf jeden Fall vorbereitet sein, wenn Clark in die Redaktion kam.

Die Redaktion wirkte gespenstisch, wenn sie fast still und offenbar verlassen da lag. Nur das Gurgeln der Heizkörper und das gleichmäßige Surren der Klimaanlage waren zu vernehmen. Geräusche, die in dem üblichen Trubel niemals zu hören waren, aber solange noch keiner der Kollegen anwesend war, fehlte die betriebsame, gewohnte Unruhe. Dann erweckte das Gebäude den Anschein, es wäre ein lebendes Wesen. Das erste, was Jimmy nun machte, war die Kaffeemaschine zu starten. Doch noch während er dem durchlaufenden Kaffee sehnsüchtig zusah – er brauchte diese Dosis Koffein ganz dringend – hörte er das 'Bing' des Fahrstuhls. Wer würde denn so verrückt sein, um diese frühe Zeit hier aufzutauchen?

Es war Clark. Vollkommen unpassend gut gelaunt und scheinbar ausgeschlafen. Warum konnte er nicht, wie jeder andere Mensch auch, wenigstens ein bisschen müde wirken, wenn er hier schon mitten in der Nacht auftauchte? Was wollte er jetzt schon hier? „Morgen, C.K.“, grummelte Jimmy. Seine Stimme klang nach Reibeisen, wie nach einer durchzechten Nacht. Kein Wunder, er hatte ja auch eine durchzechte Nacht hinter sich.

„Morgen, Jimmy. Ich dachte, ich schau mal kurz vorbei, bevor Lois wach ist... und sehe, was du schon hast.“ Clark wirkte ganz locker und entspannt, wie eigentlich immer.

Das entlockte Jimmy nun aber doch ein Grinsen, wenn auch ein müdes. 'Bevor Lois wach ist...' Sicher, meist kam Lois in letzter Zeit in Begleitung von Clark zum Planet. Aber wenn er diesen Satz mit den Informationen aus Lois' Telefongespräch vom gestrigen Tag zusammen setzte, dann war es ja wohl eher so, dass Clark sehr wohl mitbekam, wann sie aufwachte... Trotz seiner lähmenden Müdigkeit gingen seine Mundwinkel also nach oben. Seine Fantasie ging mit ihm durch.

Clark fragte ihn ausgelassen: „Und? Hast du schon etwas herausgefunden?“ Doch offenbar irritierte ihn Jimmys Grinsen. Wahrscheinlich war ihm die Brisanz seiner gerade gemachten Bemerkung gar nicht bewusst. „Was?! Warum grinst du so? Hab ich Krümel auf der Krawatte?“ Clark überprüfte das, indem er an sich herunter sah, fand aber natürlich nichts.

„Nein, nein, deine Krawatte ist okay“, sagte er, während er versuchte ein wenig ernster auszusehen. Doch er fühlte sich jetzt einfach nicht in der Lage mit Clark über Lois und die Frage, wer bei wem nächtigte, zu philosophieren. Da beantwortete er doch lieber Clarks erste Frage, das war sehr viel unverfänglicher.

Er gab Clark eine Zusammenfassung der Ermittlungsergebnisse des gestrigen Tages. Alle Insassen des Gefängnisses von Metropolis wurden grundsätzlich auf Zur stillen Kiefer beerdigt, wenn sie während der Haft verstarben. Alle, bis auf die, deren Angehörige bereit waren, mehr zu bezahlen, als die Stadt Metropolis für ein spärliches Staatsbegräbnis ausgab. Doch das waren die Wenigsten. Sonst war es immer Zur stillen Kiefer, derselbe Beerdigungsunternehmer und... „Tote Häftlinge scheinen schneller zu verwesen als andere Menschen. Es gibt einige, die immer auf demselben Platz beerdigt werden, Parzelle 29B. Der Platz scheint immer bereits nach wenigen Wochen wieder frei zu sein...!“ Diese Provokation hatte die gewünschte Wirkung. Clark sah ihn mit großen Augen an.

Und es schien Clark zu gefallen. „Ah ja! Das ist ja wirklich interessant. Mach da bitte weiter. Wer wurde jemals auf Platz 29B beerdigt? Was haben sie gemeinsam? Vielleicht sind es ja sogar genau die, die so plötzlich und so überraschend jung verstorben sind...“

Dieser Gedanke war Jimmy auch gerade gekommen. Langsam mehrten sich die Hinweise auf eine ausgesprochene Häufung von 'unnatürlichen' Todesursachen. Das war sehr interessant, wer wählte die Kandidaten aus, die so befreit wurden? Und wonach? Geld? Oder wurden sie vielleicht für ein spezielles Projekt herausgeholt? „Gut, wird gemacht.“

Ein wenig mitfühlender, vielleicht sogar nachdenklicher, fuhr Clark dann fort: „Du siehst immer noch so müde aus. Was macht Jeannie?“

Mit dieser Frage, im Zusammenhang mit der bleiernen Müdigkeit, die ihn zur Zeit quälte, hatte Clark den Nagel natürlich auf den Kopf getroffen. „... hmpfg... irgendwie unverändert. Aufregend, aber anstrengend... sehr anstrengend.“ Jimmy war sich klar, dass er nicht gerade den Eindruck eines enthusiastischen, Jungverliebten machte, aber was sollte er tun?

Clark klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Weißt du, Jimmy, eine Zeitlang kannst du ihr etwas vormachen, von nächtlichen Einsätzen für den Planet erzählen, Observationen, Verfolgungsjagden, Lebensgefahr, aber das geht nur eine begrenzte Zeit. Irgendwann wirst du ihr die Wahrheit sagen müssen...“ Nur warum betonte Clark das Wort 'Wahrheit', als hätte er ein Problem damit? Gerade er war doch ein Garant für Ehrlichkeit.

„Ja, ich weiß“, antwortete Jimmy darauf geknickt, „aber wann ist der richtige Zeitpunkt, um mit einer viel zu langen Lüge aufzuräumen...?“

Als Clark dann kurz darauf ging – er wollte schließlich wieder daheim sein, bevor Lois aufwachte – wirkte er auf Jimmy auch ein wenig bekümmert. Das machte für Jimmy jetzt so gar keinen Sinn. Aber er beschloss, darüber zu einem anderen Zeitpunkt nachzudenken. Jetzt wollte er die Gunst des Augenblicks nutzen und etwas anderes machen: Lois anrufen. Sie hatten gestern nicht mehr miteinander gesprochen. Doch in diesem Moment, da Clark die Redaktion gerade verlassen hatte, war es ja vollkommen sicher. Er war ja schließlich auf dem Weg. Jimmy konnte Lois also gefahrlos anrufen. Sie würde ihm auch sicher die unchristliche Uhrzeit nachsehen, denn schließlich wollte sie von Jimmy auf dem Laufenden gehalten werden. Er wählte Clarks Nummer.

Lois meldete sich bereits nach dem dritten Klingeln und das lange nicht so verschlafen wie er es erwartet hatte: „Ja...?“

„Ich bin's, Jimmy...“

Nun schien Lois wirklich wach zu sein. „Jimmy! Ich hatte dir doch gesagt, dass ich anrufe!“, fuhr sie ihn an. „Ich will doch nicht, dass Clark davon Wind bekommt.“

„Kein Problem“, beruhigte er sie, dann erklärte er selbstsicher, „Clark war gerade hier. Er ist auf dem Weg, wird noch eine Weile brauchen. Willst du nun wissen, was ich heraus gefunden hab? Oder soll ich schnell wieder auflegen?“

„Nein, natürlich nicht. Leg los, was hast du für mich?“, forderte sie.

Jimmy war klar gewesen, dass er Lois mit ihrer Neugierde einfangen konnte. „Also vorneweg... nichts, was uns irgendeinen Beweis liefert. Aber Gene Newtrich und Bill Church jr. haben zur selben Zeit dasselbe College besucht...“

Diese Information schien ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Lois reagierte begeistert: „Ah ja! Das gibt einen Sinn... Church – Intergang... Die Cost Mart-Unterlagen dort... Superman im Visier von Intergang... Ich wusste es! Jimmy mach dort weiter. Ich ruf dich wieder an.“ Sie legte auf.

Lois wusste es, wie schön für sie. Doch Jimmy hatte keine Ahnung. Er konnte sich aus Lois' kryptischen Andeutungen keinen Reim machen. Aber er würde sicher auch noch den notwendigen Brocken Informationen bekommen. Im Allgemeinen waren gerade Lois und Clark genau die Kollegen, die ihn immer am besten in die Ermittlungslage eines Falles integrierten. Das war ja auch ausgesprochen sinnvoll, so wusste er immer am besten, in welcher Richtung er weiter ermitteln sollte. Nur bei dem momentanen Fall ließ ihn Lois etwas im Dunkeln.

~ ~ ~

Clark öffnete die Tür zu seiner Wohnung möglichst leise, er wollte Lois nicht wecken. Doch diese Vorsichtsmaßnahme war vollkommen überflüssig, wie er sofort darauf feststellen musste. Lois stand, bereits wach, in seinem Wohnzimmer neben dem Telefon. Hatte sie telefoniert? Nicht, dass ihn das stören würde oder dass es ihn etwas anging. Sie konnte schließlich telefonieren mit wem auch immer sie wollte. Aber es war gerade mal sieben Uhr in der Früh.

Er versuchte so unbekümmert zu wirken wie es ging, schließlich wollte er nicht den Eindruck erwecken, er würde ihr nachspionieren. „Hey, guten Morgen. Schon wach? Ich hoffe, du hast gut geschlafen.“ Lois nickte daraufhin freundlich. Dafür, dass es noch relativ früh war, sah sie bereits sehr fit aus, viel besser als am gestrigen Tag. Sie hatte die eine Nacht ohne Schlaf wohl bereits kompensiert. „Frühstück?“ Aber ihr blaues Auge hatte noch einmal zugelegt. Die Schattierung war noch ein wenig dunkler, noch etwas mehr blau und sah wirklich zum Fürchten aus.

Trotzdem lächelte Lois sehr entspannt. „Oh, Clark, du verwöhnst mich zu sehr. Nachher will ich gar nicht wieder ausziehen...“

'Ich hätte nichts dagegen', dachte Clark still für sich. Obgleich ihn dieser Gedanke auch ein wenig erschrak. Natürlich würde er gerne mit Lois zusammen leben. Selbstverständlich. Der Gedanke war so verlockend; alles teilen, sie wirklich in allen Facetten kennen lernen, neue Seiten an ihr entdecken, davon träumte er schon seit Monaten. Aber sie hatten gerade mal ein Date gehabt. Ein wundervolles Date und erst einen Kuss. Ein Kuss allerdings, der ihm bis heute den Atem nahm.

Er war in die Küche gegangen um das Frühstück zuzubereiten, Lois war ihm still gefolgt. So stand er jetzt in seine Gedanken versunken dort und rührte den Teig für die Pfannkuchen, die er gleich braten wollte, zusammen. Er rührte verträumt den Teig und dachte an ihre Lippen. Spürte bis zu diesem Moment ihre Weichheit, verlor sich in dem honigsüßen Geschmack.

Doch bevor er sich noch weiter in diesen weichen Teig verliebte, rief er sich zur Ordnung, sich auf die Zubereitung des Frühstücks zu konzentrieren. Es war einfach diese merkwürdige Situation; sie hatten ein Date gehabt, es war gut gelaufen, sehr gut sogar. Sie hatten sich geküsst, wenn auch erst einen Tag später. Doch dieser Kuss war so himmlisch gewesen. Und nun? Nun traute sich keiner von beiden den nächsten Schritt zu gehen. Vielleicht war die Lage, in der sie sich gerade befanden, ja auch einfach zu schwierig. Durch ihren Unfall wohnte Lois vorübergehend bei ihm, verbrachte die Nacht in seinem Bett und war auf seine Hilfe angewiesen. Vielleicht trauten sie sich ja nur deshalb beide nicht, den nächsten, nötigen Schritt zu machen.

Das Frühstück verlief ähnlich gelassen und unterhaltsam wie schon der ganze gestrige Tag. Lois und er plauderten; sie erzählten sich zum Beispiel gegenseitig wie Frühstück gelaufen war, während sie noch Kinder waren. Ihre Schilderungen differierten doch sehr, Clark hatte eher die Erfahrungen einer behüteten und glücklichen Kindheit, während Lois sehr früh gelernt hatte, dass nur eines sicher war: Dass nämlich nichts sicher war. Doch so unterschiedlich die Qualität ihrer Erinnerungen auch war, während sie darüber sprachen, lachten sie beide, verstanden sie sich mehr als gut. Die ganze Stimmung war einfach nur entspannt, locker und harmonisch.

Clark war sich noch nicht einmal sicher, ob er eher etwas anderes erwartet hatte, aber er genoss jeden Augenblick mit Lois. Es hatte einfach etwas sehr Angenehmes an sich und heute konnte selbst Lois lachen, während sie von ihrer Mutter erzählte, die sie ständig versucht hatte sie zu manipulieren.

Begleitend dazu half Clark Lois natürlich, wo er nur konnte. Er drehte ihr die Flasche Ahornsirup auf, weil es mit nur einer Hand schwierig war. Er schenkte ihr Kaffee mit einer dicken Haube Milchschaum ein. Doch nach dem Frühstück trat sie mit einer Bitte an ihn heran, die ihm die Schwierigkeit der Situation noch einmal sehr deutlich vor Augen führte. Jedenfalls empfand er die Lage als ausgesprochen verhängnisvoll. Offensichtlich schwieriger als es für sie zu sein schien.

Lois sprach ihn betont ruhig, aber überlegt an. Wenn sie auch ein wenig zögerlich begann: „Clark, die Sachen, die du mir eingepackt hast, du hast sie wirklich gut ausgewählt. Ob du nun wirklich nicht hingesehen hast oder doch...“ Warum zog sie das jetzt in Zweifel? Lois schob ihren leeren Kaffeebecher ein wenig spielerisch über den Tisch. „Aber es gibt da einen Punkt, an dem ich wirkliche Probleme habe. Das habe ich gestern bemerkt, als ich mich dann angezogen habe...“ Worauf nur lief das jetzt hinaus? Ihn beschlich ein leichtes Gefühl von Unbehagen. „Ich meine, vielleicht kommt ja mal jemand vorbei oder ich möchte mal kurz deine Wohnung verlassen. Ich weiß“, griff sie seinem Einwurf voraus, „das blaue Auge sieht immer noch schrecklich aus. Ich habe durchaus in den Spiegel gesehen. Aber vielleicht muss ich ja mal kurz etwas erledigen. Wäre doch möglich. Jedenfalls wäre ich dafür dann ganz gerne richtig angezogen...“ Richtig angezogen? War sie bisher nicht richtig angezogen? Clark fragte sich immer noch, worauf Lois eigentlich hinaus wollte mit ihren Ausführungen. Sie holte ziemlich weit aus und was meinte sie mit richtig? Nun drehte sie den Becher in imaginären Kreisen. „Ich... ich kann mir keinen BH anziehen. Ich bekomme ihn weder zu noch auf.“ Bei den letzten Worten sah Lois offenbar ganz bewusst an ihm vorbei und er war froh darum.

Clark merkte, wie ihm langsam immer wärmer wurde, aber er versuchte mit aller Kraft, sich das nicht anmerken zu lassen. Wo sollte diese Ansprache bloß hinführen? Er konnte ihr doch unmöglich helfen einen BH anzuziehen! Er hatte diese Teile kaum anfassen können. Andererseits konnte er ihr nichts abschlagen – aber einen BH…!

„Meinst du“, fragte sie nun auch ein wenig leiser und unsicherer, „du könntest mir da irgendwie helfen? Wir sind doch beide erwachsene Leute...“, setzte sie noch schnell nach.

Sein Temperaturempfinden hatte 'warm' längst überschritten, nun war ihm heiß. Er könnte ihr zur Beruhigung natürlich erzählen, dass das Sehen dabei gar kein Problem war. Das hätte er die ganze Zeit haben können, wenn er es gewollt hätte. Aber selbstverständlich hatte er niemals nachgesehen, was Lois für Wäsche trug, das verstand sich von selbst, jedenfalls für ihn. Nein, das Problem wäre viel eher, dass er ihrer Haut dann so nah sein würde. Er hatte keine Vorstellung, was passieren würde, wenn seine Finger etwas von ihrer Haut spüren würden. Aber konnte er ihr das sagen? Nein, das konnte er nicht. Weder würde er ihre Bitte ablehnen, noch würde er ihr sagen, dass er Angst vor seiner eigenen Fantasie hatte. „Ich denke, das ist kein Problem. Ich werde einfach meine Augen schließen. Wie du schon gesagt hast, wir sind doch beide erwachsen.“ Wer hatte das jetzt gesagt? Clark erschrak über seine eigenen Worte. Über den Inhalt des Gesagten genauso wie über die scheinbare Sicherheit seiner Worte.

„Gut“, Lois lächelte daraufhin entspannt und zufrieden, „dann geh ich jetzt duschen.“ Damit verließ sie den Frühstückstisch und ließ ihn zurück mit seinen Skrupeln und Bedenken. Seinen Ängsten und Hoffnungen und seinen Wunschträumen.

'Verdammt, Clark, was hat dich da bloß geritten? Du hättest nein sagen müssen.' Er vergrub seine Augen kurz hinter seinen Händen. Doch das half ihm auch nicht wirklich weiter. Natürlich war er in einem recht guten Training, wenn es darum ging, sich von Lois nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Zum einen, weil er sich bereits wenige Minuten, nachdem er sie gesehen hatte, in sie verliebt hatte. Zum anderen lag es aber auch einfach an Lois selbst, der Art, wie sie mit ihm umging. Schon seit geraumer Zeit berührte sie ihn hin und wieder, wie gute Freunde das einfach taten. Obwohl Lois doch weit mehr tat, sie war offenbar ein recht körperlicher Mensch, immer wieder legte sie ihm ihre Hand auf den Arm, streifte mal leicht seine Schultern oder berührte seine Brust. Es war fast, als könnte sie die Hände nicht von ihm lassen. Lois tat das auch nur mit ihm. Sie hatte sicher gar keine Vorstellung, was sie ihm damit gelegentlich antat. Er war im Laufe der Zeit ein Meister der Beherrschung geworden. Aber dies hier würde eine ganz neue Herausforderung werden, so viel war sicher.

Clark merkte, wie er zunehmend nervöser wurde. Bis vor wenigen Momenten hatte er noch das Wasser der Dusche rauschen gehört. Doch nun war es still. Das konnte nur bedeuten, dass Lois sich bereits abtrocknete. Dann würde sie sich anziehen. Um dann als nächsten Schritt seine Hilfe zu benötigen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und seine Kehle wurde ganz trocken. Warum hatte er bloß gesagt, das sei kein Problem für ihn? Sicher, für eine x-beliebige Frau könnte er diese Kleinigkeit problemlos bewerkstelligen. Aber es ging um Lois!

Seit zwei Jahren träumte er davon, dass sie beide sich näher kämen. Seit zwei Jahren träumte er davon, dass er ihr mehr bedeutete, als nur ihr Kollege zu sein. Nur ihr Partner. Als Clark, der ganz gewöhnliche Mann. Und endlich war es soweit, Lois hatte ihre Schwärmerei für Superman überwunden, sie hatte begonnen ihn als Mensch wahrzunehmen. Sie beide hatten sich getraut ein Date zu haben und es war ein wundervolles Date gewesen. Es hatte das Potential in sich getragen, dass sie sich wirklich näher kämen. Sie hatten sich geküsst – oh, was war das nur für ein Kuss gewesen? Clark war gerade dabei sich in dieser Erinnerung, in diesem Gefühl, das ihre süßen Lippen beim ihm auszulösen vermochten, zu verlieren. Doch dann wurde ihm bewusst wurde, dass das wirklich der denkbar schlechteste Augenblick dafür war. In nur wenigen Augenblicken würde Lois zu ihm kommen und ihn bitten, er möge ihr den BH schließen. Oh, Himmel hilf‘, flehte er innerlich. Warum hatte er sich nur darauf eingelassen?
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Re: Ich brauche deine Hilfe... Teil 7/?

Beitragvon Magss » Fr 7. Sep 2012, 21:38

Teil 7

Er saß auf seinem Sofa und versuchte sich zu entspannen, als er die Tür hinter sich klappen hörte. Augenblicklich schloss er seine Augen so sehr, dass sich sein ganzes Gesicht verkrampfte. „Ich habe meine Augen geschlossen... hier“, demonstrativ wedelte er mit seinen Händen vor seinen Augen herum, „ich sehe nichts, absolut nichts...“, versicherte er ihr.

Lois lächelte, das konnte er deutlich an ihrer Stimme hören: „Hey, Clark. Beruhige dich! Ich vertraue dir.“ Sie stand nun vor ihm, er hörte ihren Herzschlag, hörte leise ihre Atmung. Sie schien viel ruhiger zu sein als er. Doch sie hatte ihm den Rücken zugekehrt. Auch das hörte er an ihrer Stimme, die nun etwas leiser fortfuhr: „Wem, wenn nicht dir, würde ich sonst so vertrauen?“

Das war sicherlich wahr. Clark war sich bewusst, dass Lois ihm mit der ganzen Situation, mehr Vertrauen gezeigt hatte, als jemals zuvor. Es war diese ganz besondere Situation – dass sie seine Hilfe erbeten hatte, dass sie ihn gefragt hatte, bei ihm wohnen zu dürfen, dass sie ihm offenbart hatte, dass sie Angst hatte – und damit mehr Vertrauen zeigte als jemals zuvor.

Vorsichtig ließ er seine Hände in ihre Richtung gehen. Aber nein! Mit geschlossenen Augen wusste er doch gar nicht, wo sie war, wie weit weg von ihm. Das würde nur dazu führen, dass seine Hände ihren Rücken – ihren nackten Rücken – berühren würden. Nein. Das ging gar nicht, auf keinen Fall! Sein Puls hörte sich an als ginge er tausendmal in der Minute. Er musste hinsehen, um ein Desaster zu verhindern. Vorsichtig öffnete er sein rechtes Auge, nur ein ganz kleines Stück. Ja, dort stand sie, genau vor ihm, hatte ihm den Rücken zugewandt, so wie er es vermutet hatte. Über ihren Schultern lagen die beiden Träger eines weißen BHs. Die beiden Enden mit dem Verschluss hingen offen herum. Er bemühte sich mit aller Kraft, nur diesen weißen Verschluss zu sehen und Lois dabei möglichst zu ignorieren. Das beanspruchte fast seine ganze Kraft.

Clark atmete möglichst leise einmal tief durch und fasste dann beherzt, aber mit spitzen Fingern, die beiden losen Enden. Diese Verschlusshaken waren so klein, das hätte er mit geschlossenen Augen niemals geschafft. Aber wen wunderte das denn auch? Er hatte noch niemals in seinem Leben einen BH geöffnet, geschweige denn geschlossen. Er musste sich beeilen, seine Hände wurden schwitzig. Wann hatte er jemals geschwitzt? Diese Frau brachte ihn vollkommen aus dem Konzept. „Gut. Das war's“, sagte er freudestrahlend. Zufrieden ließ er seine Hände sinken. Schloss gleich darauf und auf unerklärliche Weise glücklich seine Augen wieder. Glücklich, dass es vorbei war und auf der anderen Seite doch unglücklich, dass es vorbei war.

Er war ihr noch niemals körperlich so nah gewesen. Natürlich beflügelte das seine Fantasie. Diese Fantasie, die ihn schon seit fast zwei Jahren begleitete. Diese Fantasie, einfach alles teilen zu wollen... Sofort floss das Blut schneller durch seine Adern. Clark, denk an etwas anderes! beschwor er sich selbst.

Lois war wieder in sein Schlafzimmer gegangen, um sich weiter anzuziehen. Danach würde alles sehr viel leichter werden. Langsam beruhigte sich auch seine Atmung wieder und auch seine Hände schienen nicht mehr zu glühen. Dies war eindeutig die Grenze für ihn, den Meister der Beherrschung. Aber was würde heute Abend sein? Musste sie dieses Ding nicht auch wieder ausziehen? Und morgen wieder anziehen? Wie würde er es ertragen, das jeden Morgen und jeden Abend zu machen? Genauso wahrscheinlich wie er alles, was Lois in den letzten zwei Jahren mit ihm angestellt hatte, immer besser ertrug: Er würde lernen sich zu beherrschen, eben wieder zu einem Meister der Beherrschung zu werden.

~ ~ ~

Seit ein paar Tagen genehmigte Clark sich, seine Artikel unter Zuhilfenahme von ein wenig Supergeschwindigkeit zu schreiben. Er wollte den Planet möglichst früh verlassen. Lois war schließlich den ganzen Tag alleine in seiner Wohnung. Wegen des immer noch sehr beeindruckenden blauen Auges kam sie lieber nicht in die Redaktion. Für sie war das sicher mehr eine auferzwungene Pflicht als ein paar Erholungstage. Gerade deswegen sollte er sie nicht so lange alleine lassen. Dann hatte Clark sich vorgenommen, noch einmal bei Lois' Apartment vorbeischauen.

Schon beim Betreten des Treppenhauses in der Carter Street beschlich ihn ein merkwürdiges Gefühl. Kaum dass er den fünften Stock betreten hatte, bestätigte sich diese Vorahnung dann auch augenblicklich: Die Tür zu Lois' Apartment war wieder aufgebrochen worden und stand offen. Mit seinem Röntgenblick stellte er dann jedoch schnell fest, dass sich niemand mehr in dem Apartment seiner Partnerin befand. Auch war diesmal nichts durchwühlt oder kaputt gemacht worden. Das war Clarks Ansicht nach ein Hinweis darauf, dass es die gleichen Einbrecher waren wie beim letzten Mal. Wahrscheinlich hatten sie bei diesem 'Besuch' nichts gesucht, sondern sich vergewissern wollten, wo Lois steckte. Sie sollte auf jeden Fall noch in seiner Wohnung bleiben. Die Frage war jetzt nur, ob er Lois davon erzählen sollte. Er wollte ihr keine Angst machen, doch genausowenig konnte er riskieren, dass sie die Situation als zu harmlos einschätzte. Das würde er sich noch überlegen müssen, bis er wieder bei ihr war. Bis dahin brachte er die Tür wieder in Ordnung.

Als er Lois kurz darauf in seiner Wohnung gegenüber saß und sie ihn fragte hatte, was der Tag ihm so gebracht hatte, was passiert war, was es für Neuigkeiten gab, was für interessante Fälle, da fiel es ihm aber doch sehr schwer, ihr etwas zu antworten. Von der Entdeckung, dass wieder jemand in ihr Apartment eingebrochen war, wollte er ihr nicht berichten, um sie nicht zu beunruhigen. Von dem Fall, der ihn nun auch schon ein paar Tage beschäftigte, die Umstände von Maysons Tod, beabsichtigte er ihr auch nichts zu erzählen, weil er fürchtete, dass sie selbst im Nachhinein noch eifersüchtig auf die Staatsanwältin sein könnte.

Dabei hatte es gerade heute einige spannende Wendungen gegeben. Es wäre eigentlich so ein richtiger Fall für Lois. Gleich morgens hatte ihn Jimmy mit der Neuigkeit begrüßt, dass der betroffene Beerdigungsunternehmer vor einigen Jahren selbst einmal im Gefängnis von Metropolis gesessen hatte. Ihm dürften zum einen die Gepflogenheiten dort bekannt sein, zum anderen könnte er auch entsprechend kriminelle Kontakte haben.

Ein wenig später hatte Jimmy dann von einem befreundeten Angestellten der Aservatenkammer erfahren, dass jemand während der letzten Nacht etwas in Maysons Wagen gesucht hatte. Daraufhin hatte sich auch Jimmy den Wagen vorgenommen. Nach einer Stunde Suche hatte er dabei eine Pille zutage gefördert, die sich in einer Kapsel, gut versteckt unter einer der seitlichen Leisten der Fahrertür, befunden hatte. Und noch kurz bevor Clark beschlossen hatte den Planet zu verlassen, um Lois nicht so lange alleine zu lassen, kam das Ergebnis, um was es sich bei dieser 'Pille' handelte, aus dem Labor: Ein sehr starkes Schlafmittel, das den Nebeneffekt hatte, Puls und Atmung so weit herunter zu regeln und zudem die Körpertemperatur so weit zu reduzieren, dass der Eindruck entstand, die betreffende Person sei tot. Das war ein perfektes Mittel, um aus dem Gefängnis auszubrechen. Aber würde jemand für diesen Hinweis eine Staatsanwältin töten?

Doch an all dem wollte er Lois nicht teilhaben lassen. So blieb ihm also nichts weiter zu tun als ihr ein betretenes Schweigen anzubieten. Genau diese drückende Stille, die nun schon seit ein paar Minuten zwischen ihnen herrschte, diese greifbare, peinliche Stille. Auch Lois schien das zu bemerken. Eigentlich wäre es ihre Art gewesen, diese Sprachlosigkeit zum Thema zu machen. Aber vielleicht wollte sie Clark ja auch nicht vor den Kopf stoßen, er war schließlich ihr Gastgeber. Doch dann schien ihr noch etwas gegen diese unangenehme Stille einzufallen. „Hast du inzwischen Superman mal erreichen können? Ich wollte doch mit ihm reden?“

Clark seufzte. Gerade in diesem Moment wollte er nicht mit seinem 'Alter-Ego' Superman in Konkurrenz treten. Der Mann in dem roten Cape stand sowieso schon mehr zwischen Lois und ihm als ihm lieb war. Wie sollten sie sich näher kommen, wenn der fliegende Held sie immer wieder ablenkte. Er grummelte mehr als er das gewollt hatte: „Nein, hab ich nicht...“ Lois sah ihn daraufhin ungläubig, ja fast vorwurfsvoll an. „Ich... hab ihn nicht getroffen...“, versuchte er sich zu retten, „vielleicht hat er ja etwas zu tun... Ich weiß nicht, wo er ist...“ So viele Lügen in nur einem Satz. Clark hätte sich am liebsten in der so gut eintrainierten Ich-bringe-schnell-ein-Video-zurück-Manier aus dem Staub gemacht, bevor sie ihm noch mehr solcher Fragen stellen konnte. Er hasste es zu lügen, ganz besonders Lois gegenüber. Aber sie würde weiter bohren, das wusste er. Ob er nicht schon mal mit dem Abendessen beginnen sollte...?

Doch Lois schien offenbar längst beschlossen zu haben, was sie tun oder sagen wollte, wenn er, wie in diesem Augenblick, wieder auswich. Es sah aus wie eine lang geplante Aktion: Sie nahm sich ihre Handtasche, die unerklärlicherweise auf dem Stuhl neben ihr lag, griff hinein und holte ein etwa faustgroßes Kästchen heraus. Clark fragte sich gespannt, was darin sein konnte. Doch sein Röntgenblick zeigte ihm schnell, dass er das nicht feststellen könnte, da dieses metallene Kästchen offenbar aus Blei bestand.

Während er sich noch fragte, warum dieses Kästchen in Lois' Hand mit Blei abgeschirmt war, schleuderte sie ihm ungeduldig ihre Worte entgegen: „Okay – dann zeig ich es eben dir...“

Zeitgleich dazu dachte er: Blei – abgeschirmt – erst da wusste er es. Er wollte gerade noch rufen: NEIN! Nicht öffnen!, als er auch schon den bekannten Schmerz spürte. Ein Stechen in seinem Kopf, als würde ihm jemand den Schädel zermalmen. Er konnte nicht mehr atmen. Jeder Muskel schmerzte. Ihm wurde schwarz vor Augen. War er eben gerade noch aufgesprungen, um Lois aufzuhalten, so fühlte er nun nur noch, wie ihm seine Beine unter der Wirkung des Kryptonit wegglitten. Doch niemals hätte er vermutet, dass Lois ihn dieser unerträglichen Gefahr aussetzen würde – warum?

Der Schmerz wurde stärker. Rauschen in den Ohren. Atemnot. Abwehren wollen. Vollkommen kraftlos. Bitte... Aufhören... Bitte... nicht mehr! Stummes, ungehörtes Flehen.

Wie durch einen dichten Nebel hörte er ihre Stimme, erschrocken, entsetzt: „Clark!? Was ist mit dir?“ Er hörte etwas poltern, unerträglich laut in seinen Ohren. Sah die Welt nur noch durch einen weißen, undurchdringlichen Schleier. Leise und gedämpft hörte er Lois sagen: „Warum reagierst du auf Kryptonit?“ Er spürte etwas in seinem Gesicht, derb und rau. Lag er mit dem Gesicht am Boden? War es der Teppich, den er fühlte? Er konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Lois‘ Stimme kam von sehr weit weg. „CLARK!“ Das klang so schrill und zu hoch, war sie besorgt, verängstigt? „Was ist mit dir... euch... er... du bist... du musst... Das glaub ich einfach nicht...“ Und dann, nach einer schieren Unendlichkeit, die rettenden Worte: „Ich helfe dir.“ Er hörte etwas klappen, dann ließ der Schmerz nach, augenblicklich, genau wie das Rauschen in seinen Ohren. Der Nebel vor seinen Augen lichtete sich und er konnte wieder atmen, schwer erst, doch mit jedem Atemzug ging es besser, ging es ihm besser, pumpte sein Herz den nötigen Sauerstoff wieder durch seine Adern.

Langsam kam er zu sich. Er lag tatsächlich auf dem Boden und Lois saß neben ihm, in der Hand immer noch das metallene Kästchen, fast so, als wollte sie ihm damit drohen. Sie sah ihn an, besorgt, sah, dass er langsam wieder zu sich kam. Doch je besser es ihm ging, umso mehr gewann die Wut in ihrem Ausdruck die Oberhand.

Er hatte es immer gewusst, wenn sie sein Geheimnis erfahren würde, sie würde ihn umbringen. Sie würde ihn vierteilen, ihm die Haut abziehen. Oder noch viel schlimmer, sie würde einfach nur entgeistert schweigen. Genau wie in diesem Moment. Das ließ seinen Atem gleich wieder stocken.

Wenn sie doch nur etwas sagen würde, ihn anschreien würde, ihm vielleicht eine Ohrfeige geben würde, all das wäre besser als dieses vorwurfsvolle Schweigen! Und doch konnte er sie so gut verstehen. Er hatte viel zu lange geschwiegen, viel zu lange gelogen.

Er richtete sich auf, wollte ihr in die Augen sehen. Er würde Zeit brauchen, das alles hinreichend zu erklären. Wo sollte er nur anfangen? Immerhin waren sie Partner, Freunde, waren vielleicht sogar gerade dabei Liebende zu werden. Aber womöglich hatte er das nun zerstört. Diese Aussicht nahm ihm alle Kraft.

Doch Lois schwieg weiterhin. Und sie machte es noch schlimmer. Sie sah ihn genau an, fragte sich vielleicht, ob er noch Hilfe brauchte und scheinbar entschied sie sich dagegen, denn das erste, das sie dann zu ihm sagte, nahm ihm noch einmal jeden Mut. Lois offenbarte ihm betont beherrscht und scheinbar gefühllos: „Ich sehe, du kommst jetzt alleine zurecht. Ich geh dann schlafen...“ Mit undurchdringlichem Blick stand sie vom Boden auf und ging. Sie ging und ließ ihn alleine. Ließ ihn alleine dort sitzen. Das war vernichtender als jedes böse, wutentbrannte Wort.

Er hatte einfach alles falsch gemacht. Er hätte es ihr viel früher sagen müssen. Er hätte ehrlicher zu ihr sein müssen. Er hätte es ihr vor dem Date oder wenigstens vor dem Kuss sagen müssen. Er... ob es wohl noch eine Chance auf ein Wir gab?

~ ~ ~

Es gab zwei Dinge, die Clark vom nächsten Morgen noch sehr gut in Erinnerung geblieben waren: Lois‘ Auge hatte in seiner Färbung noch einmal zugelegt, wenn auch die Schwellung immer weiter zurückging. Heute hatte es noch eine zusätzliche grünliche Färbung angenommen. Es sah wirklich zum Fürchten aus. Das andere war Lois‘ Stimmung gewesen.

Sie war nach der Offenbarung des gestrigen Abends praktisch wortlos ins Bett gegangen. Ohne jeden Kommentar. Clark hatte sich die ganze Nacht von einer Seite zur anderen gewälzt. Hatte jeden Gedanken immer wieder durchdacht. Wie hätte er es besser machen können? Er hätte es einfach früher sagen müssen. Aber wann? Wann wäre dafür der richtige Zeitpunkt gewesen? Das, was gestern passiert war, hatte er nicht vorhersehen können. Niemals hätte er gedacht, dass Lois ihn mit Kryptonit konfrontieren würde. Sicher, das war bestimmt nicht ihre Absicht gewesen. Wahrscheinlich ging es bei dieser ominösen Story, von der sie ihm die ganzen Tage nichts hatte erzählen wollen, um Superman. Wahrscheinlich hatte sie ihn, beziehungsweise sein Alter-Ego schützen wollen. Das war löblich. Wahrscheinlich war sie selbst überrascht gewesen, dass nicht nur Superman, sondern auch ihr Kollege, ihr Partner, der Provinz-Schreiber aus Kansas auf diesen grünlich leuchtenden Stein von seinem Heimatplaneten reagierte.

Er war sich immer klar darüber gewesen, dass es ein Schock für sie werden würde, wenn sie die Wahrheit erfahren würde, die ganze Wahrheit. Aber er hätte es besser ertragen können, wenn sie ihm etwas gesagt, ihm meinetwegen sogar böse Worte an den Kopf geschmissen hätte. Doch dieses Schweigen war unerträglich gewesen. Unerträglicher als jeder Streit.

Das Frühstück war nicht sehr viel besser verlaufen. Zwar sprach sie mit ihm, doch sie war in ihrem ganzen Verhalten zurückhaltend. Fast so, als würde sie noch überlegen, was sie mit ihm machen würde, wie sie ihn bestrafen wollte. Ihre Gespräche betrafen dann auch ausschließlich das Frühstück. „Möchtest du noch etwas Kaffee?“ – „Reichst du mir die Marmelade?“ – „Schmeckt das Croissant?“

Kein 'Wie hast du geschlafen nach dieser Nachricht?' oder 'Kannst du mich nicht sogar ein ganz klein wenig verstehen?' Noch nicht einmal ‚Wie konntest du nur?!‘

Clark haderte mit sich, er hatte fast das Gefühl, er würde platzen, wenn er nicht bald ansprach, was ihm auf der Seele brannte. Aber was sollte er sagen? Dass es ihm leid tat? Dass er es gehasst hatte, sie anzulügen? Dass er froh war, dass sie endlich die Wahrheit wusste? All das entsprach der Wahrheit. Aber wie sollte er ihr das alles erklären, wenn sie nichts als abweisende und strafende Blicke für ihn hatte?

Sie trank gerade einen Schluck Kaffee, als er sich durchrang, endlich etwas zu sagen. „Lois, wegen gestern...“, begann er betreten.

Sie sah ihn mit großen Augen an, abwägend, doch er hatte auch gleich das Gefühl, da lag eine Warnung in ihrem Blick.

Doch noch während er nach den nächsten Worten suchte, hörte er etwas, was er sofort verfluchte: Feuerwehrsirenen, mehrere – Großeinsatz. Sanitätsfahrzeuge, auch mehrere. Wahrscheinlich viele Verletzte. Eine Explosion vielleicht. Im Osten der Stadt, vielleicht im Industriegebiet oder am Hafen. Das bedeutete, es gab keine Zeit zu verschwenden.

Abrupt stand er auf. „Lois“, sagte er nun mit einem Blick, der auf einen unbestimmten Punkt in der Ferne gerichtet war und mit sehr fester Stimme, „ich werde gebraucht... Superman wird gebraucht.“ Ihm war immer klar gewesen, dass er als Superman mit einer anderen Stimme sprach, selbstbewusster, bestimmter, unnachgiebiger. Und doch musste er das noch nachsetzen: „Aber ich bin froh, dass ich mir jetzt keine dummen Ausreden mehr einfallen lassen muss.“

Lois‘ Blick hatte ein ganz klein wenig von der Strenge verloren, während sie sagte: „Die Parkuhren oder Videos... hm? Ich wusste doch immer, dass das gelogen war.“ Konnte es vielleicht für sie ein relativ großes Problem darstellen, dass sie seine diversen und teilweise recht dummen Ablenkungen nicht eher durchschaut hatte? Doch auch das mussten sie später klären.

Und doch entlockten ihm die Worte 'Parkuhren' und 'Videos' ein Lächeln und die Erkenntnis, dass sie früher oder später von selber darauf gekommen wäre, dass Superman und Clark Kent eine Person waren. „Das hier wollte ich schon immer mal vor dir machen...“ Er rotierte in seine 'Arbeitskleidung', das rotblaue Kostüm, das immer so eine große Distanz zwischen sie brachte. Er dankte dem Himmel, dass dieses enervierende Versteckspiel nun endlich vorbei war. Dann sah er wieder Lois an; zu sagen, dass sie lächelte, war sicher zu wohlwollend, aber ihr Blick wurde immer freundlicher, hatte fast etwas Bewunderndes. Ja, das bedeutete Hoffnung.

„Wir sollten reden, wenn ich wieder da bin.“ Mit diesen Worten war er auch schon an seiner Balkontür, stieg schnell in die Höhe und ließ Lois zurück. Sie, das Frühstück, seine Wohnung und die vielen Fragen, Erklärungen und Rechtfertigungen. All das musste warten.

~ ~ ~

Es war ähnlich schlimm wie er befürchtet hatte, wenn nicht gar noch ein wenig schlimmer. Im Hafen war in einer Werft der Gastank einer Schweißanlage explodiert. In der Folge waren Kraftstofftanks beschädigt worden und ins Hafenbecken ausgelaufen. Es hatte viele Schwerverletzte gegeben und der höchst brennbare Kraftstoff war im Wasser gelandet. Das alles hatte ihn Stunden gekostet.

Superman-Einsätze wie dieser hinderten ihn immer wieder für Stunden daran seiner Arbeit im Planet nachzugehen. Meist versuchte er die Tatsache dadurch wett zu machen, dass Clark Kent gleich den fertigen Artikel darüber brachte; so auch über diese Hafenexplosion. Es fiel ihm nicht wirklich leicht, ein Loblied auf den fliegenden Helden zu schreiben, aber so konnte er am besten erklären, wo er den ganzen Vormittag gesteckt hatte. Perry dankte es ihm.

Aber das alles führte dazu, dass er erst am frühen Nachmittag wieder bei Lois sein konnte. Er wollte doch mit ihr reden. Es gab so viel zu klären. Sie sollten über diese Superman-Sache reden, über seine Superman-Sache.

Clark betrat seine Wohnung dann auch mit einem gewissen Zögern. Es stand so vieles auf dem Spiel – zwischen ihnen: Die Aufdeckung seiner Doppelidentität, die Tatsache, dass in Lois' Apartment schon wieder eingebrochen worden war und die ganze Geschichte um ihr Date und den einen, einzigen Kuss. Ob sie das alles klären konnten, ohne etwas zu zerstören?

Wie sollte er denn nun auf Lois zugehen? Klein und schuldbewusst? Nein, eigentlich nicht. Die Beweggründe für sein Versteckspiel hatte er ihr ja nicht einmal erläutern können. Es war ja nun nicht so, dass er das alles nur getan hatte, um sie hinters Licht zu führen.

Doch kaum hatte er seine Tür geöffnet, traf ihn fast der Schlag – damit hatte er nun gar nicht gerechnet – er hatte gehofft, sie hatten doch eine Chance letztlich noch alles aufzuklären. Lois war es ihm doch wohl schuldig, ihn wenigstens anzuhören. War das wirklich zu viel verlangt?

Das erste, was er durch die geöffnete Tür sah, war Lois' Reisetasche. Gepackt stand sie gleich am Fuße der Treppe.

Sie wollte gehen!

Keine Chance alle Missverständnisse auszuräumen. Das war nicht fair.

War das nicht die vollkommene Bankrotterklärung an ihre Freundschaft?

Lois saß auf seinem Sofa und schien auf ihn gewartet zu haben. Nur warum war sie nicht einfach gegangen, wenn sie ihn verlassen wollte?

Sie kam langsam auf ihn zu, ihr Blick flog hektisch von einer Seite des Raumes zur anderen und sie schien unsicher jedes Wort abzuwägen: „Clark, ich... ich brauche deine Hilfe...“

Fortsetzung folgt…
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Re: Ich brauche deine Hilfe... Teil 8/?

Beitragvon Magss » Fr 21. Sep 2012, 15:33

Teil 8

– Kapitel 3 –


Hilfe? Was für eine Hilfe? Wollte sie doch nicht gehen oder sollte er sie auch noch nach Hause bringen? „Was?“ stieß er viel heftiger hervor als er das gewollt hatte. Aber er sollte sie wenigstens anhören, erfahren, was sie vorhatte. „Was kann ich für dich tun?“, setzte Clark dann ein wenig besonnener nach.

Lois sah ihn an und sah ihn doch nicht an. Ihr Blick schien durch ihn hindurch zu gehen. Für Clark gab ihr Verhalten einfach keinen Sinn. Was sollte dieses Zögern? Sie hatte doch sonst keine Probleme ihre Meinung lautstark kund zu tun, ganz besonders wenn sie wütend war. Doch Lois begann langsam, unsicher: „Ich...“ Lois stammelte! Clark konnte es kaum fassen. „Ich...“ Ihr fehlten die Worte! „Clark, ich...“ Sie räusperte sich, wohl um ihrer Stimme etwas mehr Nachdruck zu verleihen. „... also, ich wollte dich bitten, dass du mich fährst.“

So, nun war es heraus. Aber was um alles in der Welt war denn so schwierig daran, dass er sie irgendwohin fuhr? Nun, er würde es sicher gleich erfahren. „Okay, wohin?“

Lois‘ Blick wurde noch ruheloser; sie versuchte ihre gesunde Hand in ihrer Hosentasche zu verstecken, wand sich wie ein Aal, was war denn bloß los? „Ich...“, begann sie genauso stotternd und drehte ihm den Rücken zu, entzog ihm auch noch den letzten Blick auf ihre verräterische Mimik. Lois begann durch sein Wohnzimmer zu laufen. „Könntest du mich nur einfach fahren, ohne zu wissen, wohin es geht?“ Unsicher, bittend, ja fast flehend, sah sie Clark nun an.

Clark verstand die Welt nicht mehr. „Lois, wie soll das gehen? Wie soll ich fahren, ohne zu wissen, wohin es geht?“

Schon lief sie wieder wie ein unruhiges Raubtier im viel zu engen Käfig herum. „Ich werde dir den Weg weisen. Aber ich möchte einfach nicht, dass du weißt, wohin ich will... ähm muss.“

Lois hatte ein Geheimnis! Diese Erkenntnis traf Clark wie ein Blitz. Ein Geheimnis, das sie offenbar nicht preiszugeben bereit war – noch nicht. Nachdem sie am Vorabend unabsichtlich sein größtes Geheimnis erfahren hatte und sie beide noch immer nicht bereit waren, darüber zu reden, bot sich ihm hier vielleicht die Möglichkeit, etwas von seiner langjährigen Kollegin zu erfahren, das so brisant war, dass sie es nicht eingestehen konnte oder wollte.

Inzwischen hatte Clark die Tür hinter sich geschlossen und war ein paar Schritte auf sie zu gegangen. Plötzlich kam ihm eine Idee. „Ahh! Ich weiß es.“ Lois blieb abrupt stehen in ihrer Lauferei und sah ihn erstarrt an. „Du willst dorthin, wo du offenbar jedes Wochenende hinfährst.“ Auf diese Worte hin entspannte sie sich ein wenig. Machten sie doch nur zu deutlich, dass Clark doch nichts Konkretes wusste, sondern nur riet... Und kombinierte. „Du bist nie erreichbar am Wochenende... Was erstaunlich ist, denn jemand wie du“, diese Worte ließen ihr offenbar wieder den Schrecken in die Glieder fahren, „jemand, die so ein Workaholic ist, würde eigentlich auch das Wochenende durcharbeiten. Aber nicht du. Du bist einfach nicht da. Gehst nicht ans Telefon, bist auf keiner Party anzutreffen... Also... Was machst du das ganze Wochenende?“

Clark bemerkte natürlich, wie sehr sich Lois ihm ausgeliefert fühlte. Normalerweise war es überhaupt nicht seine Art, sie auch noch absichtlich zu quälen. Aber die Aufdeckung seines Geheimnisses bekümmerte ihn immer noch – und dass sie nicht darüber sprachen – und dass er keine Chance bekommen hatte sich zu erklären – und dass sie ihm seine monatelangen Gewissensbisse nicht nachsah.

Außerdem... „Lois, es interessiert mich schon seit einer Ewigkeit, was du eigentlich am Wochenende so machst...“ Provozierend sah er sie an und ließ diese Worte stehen.

Lois sagte nichts darauf, also fuhr er fort: „Du bist einfach nicht der Typ, die sich am Wochenende auf das Sofa legt und durch das Fernsehprogramm zappt.“ Was machte sie also? Gab es da vielleicht einen entfernten Onkel, der Alkoholiker war? Aber nein. Ihre Mutter war Alkoholikerin – sie hatte offenbar keine Probleme darüber zu reden. Oder ein krimineller Großvater? Sie bekämpfte die ganze Woche Verbrechen – das passte nicht zusammen. Litt sie vielleicht an Spielsucht und flog nach Vegas? Aber dann könnte sie sich bestimmt ihr Apartment nicht mehr leisten. Sein nächster Gedanke ging zu einem schmierigen Buchmacher, der Lois zu etwas zwang, was er sich überhaupt nicht mehr vorstellen wollte... oder noch schlimmer, Beschaffungskriminalität... aber auch darüber wollte er einfach nicht nachdenken.

Interessanterweise kreisten all seine Gedanken um Männer. Hatte er Angst, sie zu verlieren?

Ja, musste er sich eingestehen, das hatte er wirklich. Es würde ihm das Herz brechen. „Lois“, sagte er daraufhin ganz ruhig, „ich fahre dich. Wohin du willst. Jetzt sofort?“

Lois nickte. Sie wirkte immer noch angespannt, aber vielleicht ein wenig beruhigt. Jedenfalls saßen sie nur wenige Minuten später in Lois' Landrover und fuhren los.

Clark hatte mit einem kurzen Blick gerade noch festgestellt, dass sie wirklich alles eingepackt hatte, auch alles aus dem Bad. Wo auch immer sie also hin wollte, sie plante über Nacht zu bleiben. Vor seinem geistigen Auge sah Clark einen herunter gekommenen, schlampig gekleideten Liebhaber mit fettigen Haaren, der sich aufgrund seiner extremen politischen Ansichten nicht öffentlich zeigen durfte. Schon wieder ein männliches Hirngespinst. Clark versuchte auch diese unangenehme Vorstellung zu verjagen.

Sie hatte ihr blaues Auge sehr stark überschminkt. So war es kaum noch zu sehen. Sie wollte also nicht, dass – wer auch immer – es sofort sah.

Lois hatte ihn von der Insel herunter zu einer der großen Ausfallstraßen Richtung Westen dirigiert. Glücklicherweise hatte die freitägliche Rushhour noch nicht wirklich eingesetzt und so kamen sie gut voran. Sie hatte weiterhin jede Frage zu ihrem Ziel ignoriert. Einfach so getan, als hätte sie ihn nicht gehört, wann immer er gefragt hatte. Clark hatte zuerst auf North Bridge und dann Jersey City oder Newark getippt. Doch Lois ließ ihn immer weiter auf der 78 fahren, immer weiter Richtung Westen. Ihr beharrliches Schweigen zu ihrem Zielort machte es schwierig ein Gespräch am Laufen zu halten.

Das hielt an, bis sie durch Springfield fuhren. Sie hatten vor ein paar Monaten über einen Betrug bei einem Architektenwettbewerb hier berichtet. Inzwischen waren die Bauarbeiten viel weiter gediehen als bei ihrem damaligen Besuch. Genau diese Monumente aus Glas und Stahl gaben ihnen wenigstens für eine Weile Gesprächsstoff. Wenn es auch Clarks Neugierde nicht befriedigte.

Doch das Thema Architekten und ihr Hang sich durch hypermoderne Bauten, die sich nicht gerade durch Zweckmäßigkeit auszeichneten, ein Denkmal zu setzten, hatte sich nach kurzer Zeit erschöpft. Wieder trat dieses unangenehme, eisige Schweigen auf. Clark hatte es längst aufgegeben, sie nach dem Ziel ihres Ausflugs zu fragen. Normalerweise bewunderte er Lois für ihre Durchsetzungskraft und ihrer Fähigkeit, ein einmal anvisiertes Ziel nicht mehr aus den Augen zu lassen. Doch nicht um den Preis, dass er sich an ihrem Willen die Zähne ausbiss.

Clark überlegte krampfhaft, wie er Brücken bauen konnte.

Die Orte, die sie inzwischen durchfuhren, wurden kleiner und gemächlicher. Sie hatten inzwischen mehr als 100 Meilen zwischen Metropolis und sich gebracht, als sie Lenhartsville passierten. Eine kleine, weiße Kirche, eine Schule aus Backsteinen, ein Sportplatz, hier und dort ein kleines Restaurant und einige wenige Geschäfte, die wahrscheinlich alles Notwendige zum Leben führten. Es war Freitagnachmittag und gerade mal fünf Uhr vorbei. Doch auf den Straßen und den Bürgersteigen bewegten sich nur wenige Menschen und diese mit einer auffällig gemütlichen Ruhe. „In so einer kleinen und übersichtlichen Stadt zu leben, kann auch sehr nett sein. Ich weiß das, ich bin schließlich auch in einer Kleinstadt aufgewachsen.“ Die Ampel schaltete auf grün und Clark ließ den Landrover wieder anfahren.

Einen Moment hatte Clark das Gefühl, sie hätte ihm nicht zugehört, schaute gedankenversunken aus ihrem Seitenfenster. Doch als er schon nicht mehr mit einer Reaktion gerechnet hatte, sagte sie abwesend: „Ich könnte Metropolis niemals verlassen. Sperr mich in so einen Ort und ich würde verrückt werden.“

„Was ist so schlimm an Kleinstädten?“, fragte er. Er hatte den größten Teil seines Lebens in Smallville verbracht und es niemals als kleinbürgerlich empfunden, wie Lois ihm vielleicht entgegen halten könnte. Gut, mit dem Kampf um seine zwei Identitäten lebte es sich in einer Metropole sehr viel besser. Die Anonymität gab ihm einen gewissen Schutz.

Aber offensichtlich war Lois dieses Thema schon wieder zu dicht an seinem Geheimnis. Denn statt auf diesen belanglosen Gesprächsfetzen einzugehen, winkte sie ohne jeden weiteren Kommentar ab.

Es war zum Verrückt werden. Er kam einfach nicht an sie heran.

Clark warf seiner Beifahrerin kurz einen Seitenblick zu. Sie hatte ihre Augen auf etwas weit jenseits des Seitenfensters gerichtet. Suchte sie etwas? Dachte sie über etwas nach? Darüber, wie sie ihm doch noch erklärte, wohin sie fuhren? Wie sie ihn doch noch loswerden konnte? Lois war ihm ein Rätsel. Was war denn bloß so schlimm, dass sie ihm nicht sagen konnte, wohin sie wollte? Aber Clark hatte längst keine Lust mehr, sich von seiner Fantasie zu immer neuen Horrorszenarien führen zu lassen und versuchte sich einfach nur auf den Verkehr zu konzentrieren.

„Da vorne an der Kreuzung rechts herum.“ Sie klang monoton.

Ah ja. Dass sie die 78 verließen, konnte nur bedeuten, dass sie ihrem Ziel näher kamen. Clarks Spannung stieg. Sie hatten inzwischen ja sogar New Jersey schon wieder verlassen und waren in Pennsylvania gelandet. Wo wollte Lois hin? Doch wahrscheinlich brachte es gar nichts, seine Gedanken auszusprechen, er musste einfach abwarten, wo sie sie hinführte.

Nur wenige Minuten später, sie durchfuhren gerade eine mittlere Kleinstadt namens Pottsville, sagte Lois dann: „Du kannst da vorne irgendwo anhalten und mich rauslassen. Ich brauche das Auto nicht, du kannst...“

Er unterbrach sie: „Lois! Irgendwo?! Das heißt, du bist noch nicht am Ziel, richtig?“ Sie sah ihn an, sagte aber nichts. Das war auch nicht nötig; er hatte Recht. Sie glaubte sicher, von hier aus ein Taxi oder den Bus nehmen zu können. Meinte immer noch, sie könnte gewinnen. Doch nun war es an Clark, sie ein wenig zappeln zu lassen. Demonstrativ legte er die Finger seiner linken Hand auf den Knopf für die Zentralverriegelung, sah ungerührt geradeaus und sagte ganz gelassen: „Ich lass dich nicht raus, bevor wir nicht da sind, wo du wirklich hin willst.“

Lois zischte ihn an: „Das wagst du nicht!“

Ihr scharfer Ton irritierte ihn. Mehr als er gedacht hatte. Sofort begann Clark zu zweifeln. Ging er zu weit? Hatte er das Recht, Lois zu zwingen, ihm zu zeigen, was er ihrer Meinung nach nicht sehen sollte? Aber sie waren doch Freunde. Konnte es vielleicht sogar sein, dass sie gar nicht beurteilen konnte, was wirklich gut war in dieser Konstellation? Es wäre nicht das erste Mal, dass seine Partnerin sich in eine Situation verrannte, die sie blind werden ließ. Über all diesen zweifelnden Gedanken, lenkte Clark den Wagen einfach immer weiter geradeaus. Für Lois sah es wahrscheinlich so aus, dass er einfach stur weiterfuhr. Von seinem inneren Kampf sah sie sicher nichts.

Pottsville hatten sie auf diesem Wege schon längst wieder verlassen. Inzwischen waren sie in einem Ort mit dem schönen Namen Saint-Clair angekommen, noch ein wenig kleiner und beschaulicher als alle vorherigen. Es begann langsam dunkel zu werden und die Stadtväter von Saint-Clair hatten genau das Richtige entschieden und die Straßenlaternen schon anschalten lassen. Der Ort wirkte mit seinen langen Schatten dadurch noch ein wenig verlassener.

„Clark, bitte... Halt einfach an und lass mich hier raus. Den Rest kann ich zu Fuß gehen“, beschwor sie ihn, ohne ihn anzusehen.

Sie waren also am Zielort: Saint-Clair. Er hielt in einer Parkbucht, schaltete den Motor aber nicht aus. „Lois, warum willst du dir das antun, deine riesige Reisetasche wer weiß wie weit zu tragen?“ Sie hatte natürlich noch ihre Handtasche und ihren Laptop dabei. „Das alles nur mit einer Hand. Sag mir einfach, wo ich dich hinfahren soll.“

Sie sah ihn in dem kränklich-gelblich Licht der Straßenlaterne an, blickte ein wenig gehetzt auf ihre Uhr und versuchte noch ein Überredungsmanöver: „Clark, bitte“, bedrängte sie ihn, „ich verspreche dir, ich werde dich nie wieder um etwas bitten. Aber lass mich einfach gehen. Du kannst mein Auto haben – das ganze Wochenende. Wenn du mich nur am Sonntag hier wieder abholst. Glaub mir, es ist so viel einfacher... für mich... für dich... für uns alle...“

Fast hätte sie ihn mit ihrer herzerwärmenden Ansprache erreicht, aber eben nur fast. Denn mit ihren letzten Worten 'für uns alle' hatte sie den Beschützer in ihm geweckt. Und die Eifersucht. Wer waren 'uns alle'? Er musste das wissen. Sich darüber im Klaren, dass Lois wahrscheinlich für Monate mit ihm schmollen würde, sagte er nur kurz: „Nein“ und lenkte den Landrover wieder auf die Straße. Er versuchte alle Einwände, dass er ihren Standpunkt zu akzeptieren hätte, beiseite zu wischen und ließ den Wagen langsam weiter rollen.

Ein paar Augenblicke sagte sie nichts. Minuten, die sich wie Stunden anfühlten, verstrichen. Sie waren alleine auf der Straße, so war es kein Problem, dass sie einfach im Schritttempo fuhren.

Lois atmete genervt durch. „An der Tankstelle rechts und am Ende des Weges dann links, bis ans Ende.“

Clark atmete langsam und so geräuschlos wie nur möglich aus und lenkte den Wagen auf dem beschriebenen Weg. Sie gab auf. Sie hatte nachgegeben. Wie lange er dafür wohl büßen musste? Ob sie ihm das jemals verzeihen würde?

Nur wenige Minuten später parkte Clark Lois' Wagen vor einem weißen Haus, das ihn an das Farmhaus seiner Eltern in Kansas erinnerte. Es war ein wenig kleiner, aber genauso mit weißem Holz verkleidet und strömte eine ähnliche, einladende Gemütlichkeit aus. Aus den Fenstern strahlte ein warmes, einladendes Licht. Davor lag ein kleiner Garten mit einer Bank, von der aus man sicher in den Abendhimmel blicken konnte.

Kaum hielt der Wagen, öffnete Lois die Autotür und lief auf das Haus zu. Als sie etwa zwei Meter vor der schlichten Eingangstür angekommen war, wurde die Tür stürmisch von innen aufgerissen und ein kleiner Junge mit fast schwarzen Haaren kam mit offenen Armen auf Lois zugelaufen und rief laut und begeistert: „MOM!“

Lois ging in die Hocke und umarmte den Jungen, der vielleicht vier oder fünf Jahre alt sein mochte, genauso stürmisch mit ihrem gesunden Arm. Sie erschien Clark wie ausgewechselt. Es war deutlich zu sehen, dass beide sich auf dieses Wiedersehen gefreut hatten, konnten sie sich doch kaum wieder loslassen.

„Hhh“, der Junge stockte, „was ist mit dein Arm passiert?“

„Mommy hatte einen Unfall. Ist aber gar nicht mehr schlimm. Es tut auch nicht mehr weh.“ Sie strich dem Kleinen mit einer zärtlichen Geste den Pony, der ein wenig zu lang war, aus der Stirn. Dann gab sie ihm noch einen Kuss auf die Wange und stand auf. „Na komm. Es wird kalt. Und du musst ins Bett. Es ist schon spät.“ Indem sie in Richtung Tür nickte, forderte sie Clark auf, ihnen ins Haus zu folgen.

Er holte alle Taschen aus dem Wagen, verschloss den Landrover und kam der Einladung nach. Seine Gedanken überschlugen sich währenddessen. 'Mom' und 'Mommy' waren ja nun Hinweise, die kaum fehlinterpretiert werden konnten. Der kleine Junge, dessen Name er noch nicht kannte, sah Lois wirklich auch sehr ähnlich, ihre Augen, ihre Nase. Es war ihr... Kind... ihr Sohn. Lois hatte einen Sohn! Einen, den sie vor allen versteckt hielt, warum bloß? Und wo waren sie hier eigentlich? Bei dem Vater, dem Kindsvater? Dieser Gedanke erstickte Clark fast.

Doch er bekam keine Zeit sich ein weiteres Horrorszenario auszumalen. Drinnen angekommen entdeckte er Lois und den Jungen auf einem Sofa sitzend, wobei sich der Kleine an Lois angekuschelt hatte. Er erzählte aufgeregt von dem, was er in den letzten Tagen, wohl seit dem letzten Wochenende, erlebt hatte. Er hatte ein Tor geschossen, hatte es endlich geschafft auf den großen Kastanienbaum zu klettern, was Lois mit einem skeptischen Blick quittierte, und im Kindergarten hatte es schon wieder Spinat zu essen gegeben. Außerdem gab es in der Nachbarschaft bei einem seiner Freunde Hundewelpen. Als sie Clark bemerkte, sagte Lois: „So, jetzt musst du aber richtig guten Tag sagen. Das ist Clark, mein Arbeitskollege vom Planet. Ich hab dir von ihm erzählt.“

Clark war sich sicher, wenn er erst wieder wirklich denken konnte, wenn er wirklich erfassen würde, was sich hier vor seinen Augen gerade abspielte, würde er sich fragen, was Lois ihrem… ihrem… Sohn von ihm erzählt hatte. Aber in diesem Moment ging das gerade nicht.

Der Junge sprang voller Elan vom Sofa auf und kam auf Clark zu. Er reichte ihm seine kleine Hand und legte sie in seine große Hand, ohne jeden Händedruck. Dabei sagte er „Tag...“ und grinste verschlagen.

Clark lächelte ihn an und fragte auch gleich: „Hi. Und, wie heißt du?“

„Jesse“, sagte er stolz, „Jesse Lane.“ Um ja keinen Zweifel aufkommen zu lassen.

„So, mein Großer, du musst nun aber ins Bett. Es ist schon spät“, schaltete sich Lois energisch wieder ein, „wir haben morgen noch den ganzen Tag Zeit. Dann kannst du mir auch mal die Kastanie zeigen.“ Lois war aufgestanden und fuhr ihm durch die Haare. Sie bugsierte ihn sanft in Richtung Treppe, die in das Obergeschoss führte. Jesse ließ es geschehen. Schlafen gehen schien nicht so ein Mienenfeld zu sein wie bei manch anderen Kindern. Jesse blieb auf der Treppe noch einmal kurz stehen, drehte sich um und winkte Clark zu. Er schien zu erwarten, dass Clark auch morgen noch da sein würde. Würde er denn...?

Fortsetzung folgt…
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