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Vom Regen in die Traufe

FanFiction zur TV-Serie "Superman - die Abenteuer von Lois und Clark" (orig. "Lois and Clark - the New Adventures of Superman")

Vom Regen in die Traufe

Beitragvon Vega » Do 7. Apr 2011, 18:10

Vom Regen in die Traufe

„Clark, kommst du?“ rief Lois ungeduldig und entnervt glitt ihr Blick über seinen verlassenen Platz.

Wo war der Kerl nur, wenn man ihn brauchte? Das war doch einfach unglaublich. Ihr Blick schweifte durch die Redaktion. Lois war fest entschlossen ohne ihn aufzubrechen, wenn er nicht innerhalb von zwei Sekunden auftauchte. Sie schüttelte verärgert den Kopf, als sie ihn vor der Kaffeekanne entdeckte, den Blick wieder einmal verträumt in die Luft gerichtet.

„Clark!“

Diesmal gab sie sich Mühe noch etwas lauter zu sein und einige Kollegen um sie herum zuckten zusammen, erschrocken und erwartungsvoll zugleich. Der Klang ihrer Stimme verriet, dass Mad Dog Lane gleich in Erscheinung treten würde. Auch Clark wandte sich ihr zu, offenbar aus seiner Trance erwacht.

„Lois, ich…“ stotterte er, doch sie ließ ihn nicht ausreden.

„Komm schon, wir müssen los. Hast du nicht mitbekommen, dass in der Metropolis Bank eine Geiselnahme stattfindet? Wenn wir uns nicht beeilen, bekommt jemand anderes die Story“, drängte Lois und war schon kurz davor ihn am Revers zu packen und mit sich zu zerren. „Wir haben nicht mehr viel Zeit bis Redaktionsschluss, also trödele nicht herum!“

So ungern sie es zugab, aber sie brauchte Clark für diese Story. Er hatte ein unglaubliches Gedächtnis und konnte sich jedes Zitat merken. Er war besser als jedes Tonband und schaffte es auch dann alles zu behalten, wenn nicht einmal Lois dazu kam sich etwas aufzuschreiben. Außerdem berichtete er über die menschliche Seite solcher Tragödien wie kein zweiter.

„Lois, ich…“ begann er erneut und sah ein bisschen so aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen. „Ich muss ganz schnell noch mal nach Hause, um…“

Er fummelte an seiner Krawatte herum, während er offenbar überlegte, was wohl wichtiger sein konnte, als diese Story. Lois Wangen brannten vor Ärger. War er ein solcher Angsthase? Bestand er nicht sonst immer darauf sie überall hin zu begleiten? Eigentlich war es ihr egal. Sie wollte gar nicht wissen, was er vorhatte. Sie hatte seine dummen Ausreden so satt.

„Schon gut, Clark. Tu was immer du für richtig hältst. Du hast bestimmt wichtigeres zu tun, als mir zu helfen, aber wundere dich nur nicht, wenn du in Zukunft über Hundeausstellungen schreibst.“ Mit diesen Worten drehte Lois sich auf dem Absatz um und eilte aus der Redaktion.

„Ich komme nach, Lois. Ich beeile mich“, rief Clark ihr noch hinterher, aber Lois tat so, als würde sie es nicht hören.

Wie bitte wollte er rechtzeitig da sein? Selbst wenn er flog, würde er bestimmt eine halbe Stunde brauchen um nach Hause und dann zur Bank zu kommen. Bis dahin konnte schon alles vorbei sein. Ihre Wut ließ Lois bis zur Aufzugtür kommen. Sie drehte sich nicht ein einziges Mal um. Zornig versprach sich, Clark keines einzigen Blickes zu würdigen, wenn sie ihn bei ihrer Rückkehr in die Redaktion wieder sehen würde. Sie hatte große Lust, Lex Luthors Einladung zum Abendessen anzunehmen. Am Besten wäre es, wenn sie ihn direkt vor Clarks Nase anrief, um ihm für diesen Abend zuzusagen. Lois wusste sehr gut, wie sehr das Clark auf die Palme treiben würde. Geschähe ihm recht!

Mir geradem Rücken, die Schultern gestrafft und erhobenen Hauptes betrat Lois den Aufzug. Clark sollte nicht glauben, dass sie Weise auf ihn angewiesen war. Der Fahrstuhl war leer, und seltsamerweise schien sich Lois Entrüstung in Luft aufzulösen, als die Türen sich hinter ihr schlossen und sich der Lift in Bewegung setzte. Ihr Zorn schien in letzter Sekunde zurück in die Redaktion geflüchtet zu sein. Zurück blieb eine enttäuschte Lois, die mit dem letzten Restchen Wut, das übrig geblieben war, vor allem wütend auf sich selbst war. Warum konnte sie ihr Herz nicht zur Abwechslung an einen Mann verlieren, der es wert war?

* * *

Clark hatte sich kaum die Zeit genommen, sich über seine eigene Dummheit zu ärgern, als er aus der Redaktion geeilt war. Doch nun, da er über seinen üblichen Weg aus dem Fenster des Treppenhauses hinaus gesprungen war und sich im Fallen in Superman verwandelte, hatte er genug Zeit sich all seine Fehler noch einmal vor Augen zu führen.

Es war wirklich haarsträubend. Allein bei dem Gedanken daran fuhr Clark sich noch einmal unwillkürlich über seine Haare, wie um festzustellen, ob sie auch wirklich noch in Superman – Manier am Kopf klebten. Kein Wunder, dass Lois nichts von ihm wissen wollte. Luthor beging viel größere Verfehlungen als er und schaffte es dennoch unschuldig wie ein Lamm auszusehen. Clark jedoch hielt sie wahrscheinlich für den größten Versager aller Zeiten - im besten Falle. Alles andere wollte er sich vielleicht gar nicht erst ausmalen.

Clark flog schneller. Es gab einen Grund, weshalb er sich so tief in die Nesseln gesetzt hatte - die Geiselnahme.

< Keiner rührt sich… Ihr legt euch alle auf den Boden und ich will schön eure Hände sehen…> Die Stimme des Geiselnehmers hatte vibriert wie Espenlaub und Clark konnte sich kaum vorstellen, das jemals ein Mensch nervöser gewesen war als dieser. Das hatte seinen Beschluss nur bestärkt, dass er sofort etwas tun musste.

Während er seinen Flug noch beschleunigte, lauschte er weiter nach jedem Hinweis auf den Zustand der Geiseln. Sie klangen verängstigt und Clarks Herz verkrampfte sich vor Mitleid. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er in den Lauf von Trasks Pistole geblickt hatte, wohl wissend, dass sie auch schon auf Lois gezielt haben mochte. Und er hatte auch gewusst, dass eine Kugel in seinem Körper ihn daran hindern würde, ihr oder seinen Eltern zu helfen.

Das Geheul von Polizeisirenen wurde lauter und begann jedes andere Geräusch in seinem Umfeld zu überdecken. Wenn er noch länger zuhörte, würde er nur Kopfschmerzen bekommen. Clark setze zur Landung an und beim Anblick des schillernden Superhelden ging ein allgemeines Aufatmen durch die Menge, die sich inzwischen vor der Bank angesammelt hatte.

Mehrere Polizeifahrzeuge standen um die Bank und hinter jedem von ihnen hatten sich Polizeibeamte postiert. Einer, offenbar der Einsatzleiter, winkte Superman zu sich heran.

„Gut, dass du hier bist, Superman. Wir haben leider keinen genauen Überblick, mit wie viel Tätern wir es zu tun haben. Ihr Vorgehen erscheint uns planlos. Sie sind bisher nicht auf Kontaktversuche eingegangen und wir haben keine Ahnung, was sie eigentlich wollen“, erklärte der Polizist. Er klang besorgt und Superman wusste auch weshalb.

Er nickte. „Unerfahrene Täter“, bemerkte er. „Das macht sie leider nur umso gefährlicher.“

Der Polizist seufzte zustimmend. „Es wäre hilfreich, wenn du die Situation erkunden könntest. Greife ein, wenn nötig. Am besten so schnell, dass sie dich gar nicht erst kommen sehen.“

Clark hörte den Rest des Satzes nur noch verschwommen, denn er war schon losgestürmt. Er ließ die Tür der Bank hinter sich und hatte rasch die Situation erfasst. Insgesamt waren es vier bewaffnete Männer, die eindeutig auf dem Gebiet von Metropolis noch keine Erfahrung hatten. Sie standen in einer Reihe und hatten sich so aufgestellt, dass Superman mit seinem Hitzeblick alle Waffen ausschalten konnte. Das klirrende Geräusch der zu Boden fallenden Waffen war Musik in seinen Ohren.

Supermans Blick schweifte umher um zu prüfen, ob sich noch irgendwo ein weiterer bewaffneter Mann versteckt hielt, aber offenbar hatte er alle erwischt. Ein Alarmglöckchen klingelte in seinem Hinterkopf. Das war viel zu einfach gewesen, selbst für Superman. Clark war daran gewöhnt, dass sich die meisten Gangster inzwischen Taktiken überlegten, wie sie ihm sein Eingreifen erschweren konnten. Nicht, dass das in der Regel viel nutzte.

„Wer bist du?“ rief einer der vormals Bewaffneten, während er entsetzt auf seine leeren, geröteten Hände starrte.

„Jemand, der keine Geiseln nimmt“, gab Superman mit fester Stimme zurück. „Und du solltest es dir besser überlegen, bevor du es noch einmal versuchst.“ Superman verschränkte seine Arme vor der Brust und blickte grimmig, während er auf die vier Männer zuging, die dastanden, wie versteinert.

„Superman!“ riefen ein paar der Menschen, die auf dem Boden lagen und begannen sich aufzurichten. „Superman!“ Es klang zunehmend begeisterter.

Während Clark die Arme ausstreckte, um die vier Männer den Polizisten zu übergeben, hatte er das merkwürdige Gefühl das etwas nicht stimmte - das etwas ganz und gar nicht stimmte. Wie beispielsweise der Kopfschmerz, der sich hinter seinen Augen ausbreitete und zu pochen begann. Seine Arme erschienen ihm unnatürlich schwer, und jeder der vier Männer musste ungefähr eine Tonne zu wiegen. Mit Mühe gelang es ihm trotzdem sie hochzuheben, auch wenn ihm das schier die Schultern zu brechen schien.

Wie durch einen Nebel hörte Clark herannahende Schritte und jemand legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Danke, Superman. Wir übernehmen sie ab hier“, sagt einer der Polizisten hinter ihm.

Clark hätte nicht sagen können, ob er die vier Männer absichtlich absetzte, oder ob sie ihm einfach aus den Fingern glitten. Seine Kräfte hatten sich in Luft aufgelöst. Es schien endlos zu dauern, bis er sich so aufrecht es gerade eben ging aus der Bank schleppte.

Die spärlichen Sonnenstrahlen, die ihn begrüßten, brachten keine wirkliche Linderung. Clark hatte nur wenig Hoffnung, dass er fliegen konnte. Aber mit zitternden Knien und Händen gelang es ihm doch sich in die Luft zu erheben und sich so weit es nur ging von der Bank zu entfernen. Der Schmerz ließ nach, die Erschöpfung jedoch nicht und so wurde aus seinem holprigen Flug sehr bald eine noch viel holprigere Landung.

* * *

Lois trommelte mit den Fingern auf ihrem Schreibtisch herum und schaute ungeduldig erst auf die Uhr und dann auf die Türen des Fahrstuhls. Sie war beinahe allein in der Redaktion. Außer Jack waren alle gegangen, sogar Perry und Jimmy, die ihren jährlichen Frühjahrsputz hinter sich gebracht hatten. Das Ergebnis war dasselbe wie immer – es hatte sich rein gar nichts in Perrys Büro verändert.

Lois selbst war eigentlich nur noch in der Redaktion, weil sie wissen wollte, was mit Clark war. Genauer gesagt, wollte sie ihm gehörig die Meinung sagen. Und sie wusste, dass er kommen würde. Er hatte schließlich Jack einen Kinoabend versprochen. Außerdem waren seine Aktentasche und auch seine Wohnungsschlüssel immer noch hier. Was immer auch seine sonstige Zuverlässigkeit anging, er würde weder Jack noch seine Aktentasche versetzen.

Der Gedanke gab Lois einen kleinen Stich, doch sie würde sich das um nichts in der Welt anmerken lassen. Lex Luthor hatte Lois schon angerufen, und er hatte mit Bedauern abgesagt. Allerdings musste Clark das nicht erfahren. Lois dachte genüsslich darüber nach, wie sie Clark ihre „Verabredung“ unter die Nase reiben konnte. Selbstverständlich erst nachdem sie ihn mit Honig übergossen den Mücken zum Fraß vorgeworfen hatte.

„Wo bleibt denn Clark?“ fragte Jack, der auch schon den ein oder anderen Blick zum Fahrstuhl geworfen hatte. „Er kommt doch zurück, oder?“ Es klang nicht so, als würde er tatsächlich daran glauben. „Sonst sagt er doch Bescheid, wenn es nicht klappt“, murmelte er, wie um sich selbst daran zu erinnern, dass es Menschen gab, die ihre Versprechen hielten. Lois fragte sich, ob Jack sich nicht den Falschen ausgesucht hatte, um sein Vertrauen in die Menschheit wiederzuerlangen.

Genau in diesem Moment klingelte der Fahrstuhl und die Türen eines Lifts gingen auf. Clark stand plötzlich in der Redaktion. Für einen Moment vergaß Lois, dass sie eigentlich sauer auf ihn war. Er sah aus, als hätte er zu Hause mit einem mittleren Bären gerungen. Sein Haar war zerrauft und seine Krawatte ungewohnt schlampig gebunden. Eine Schramme zog sich über seine Wange und Lois hatte den Eindruck, dass er humpelte.

„Clark!“ brachte sie überrascht hervor und lief auf ihn zu. „Alles in Ordnung?“ fragte sie besorgt und kam sich lächerlich dabei vor. Es war offensichtlich, dass nicht alles in Ordnung war.

„Ja, ja“, gab Clark zurück und strich sich die Krawatte glatt, als würde ihm seine desolate Erscheinung jetzt erst bewusst werden. „Ich, äh, wurde von einem Radfahrer umgefahren.“

Lois zog die Stirn kraus. Ein Fahrrad in Metropolis? Wer war denn so lebensmüde? Seine Ausrede vertrieb ihr Mitleid und ließ ihren Ärger wiederkehren.

„Wo um Himmelswillen warst du? Hast du nicht gesagt, dass du nachkommen würdest?“ schimpfte sie. „Ich jedenfalls hab dich da nirgendwo gesehen!“

Clark schien um eine Antwort zu ringen. „Tut mir leid, ich hab’s einfach nicht geschafft. Superman kam zu mir und erzählte mir was da los war. Er musste wohl direkt im Anschluss zu einem weiteren Notfall und hatte keine Zeit an der Bank jemandem Fragen zu beantworten.“

Das brachte das Fass zum Überlaufen. Lois konnte nicht glauben, was sie da hörte. Hatte doch tatsächlich Clark das Interview bekommen, das sie verdient gehabt hätte! Ihr schlug das Herz bis zum Hals und sie hatte das Gefühl, dass man es von außen sehen musste. Zu allem Überfluss ließ Lois Stimme sie auch noch im Stich, denn obwohl sie schreien wollte, brachte sie keinen Ton hervor.

„Du hast Superman gesehen?“ fragte Jack interessiert. Er hatte sich die Zeit damit vertrieben Nachrichten zu sehen und hatte seitdem die abenteuerlichsten Theorien aufgestellt zu dem was am Abend in der Bank geschehen sein mochte. „Und, was war mit ihm? Lois hat gesagt, dass er sich seltsam verhalten hat, als er aus der Bank kam.“

„Ich hab doch schon gesagt…“

„Mit dir spricht er…Ich glaube es nicht!“ fuhr Lois dazwischen. Ihr Gesicht war vor Wut und Enttäuschung verzerrt. Sie piekste ihren Finger in Clarks Brust und drängte ihn ein paar Schritte zurück, während sie mit jeder Silbe zu wachsen schien. „Du lässt mich hier im Stich und kassierst ohne auch nur mit der Wimper zu zucken das Interview!“

„Was hätte er denn tun sollen?“, gab Jack zu bedenken.

„Bist du auch noch auf seiner Seite?, schrie Lois ihn an.

Jack schrumpfte unter ihrem vernichtenden Blick ein paar Zentimeter und eilte mit einer gemurmelten Entschuldigung aus der Redaktion in Richtung Toiletten. Lois schnaubte und wandte sich wieder Clark zu. Diesmal war er zu weit gegangen. Lois würde es nicht zulassen, dass ihr jemand die Storys klaute, schon gar nicht Clark.

„Ich unterbreche die traute Zweisamkeit ja nur ungern, aber ich würde Ihnen beiden raten, die Hände zu heben und keine Dummheiten zu machen!“ sagte plötzlich jemand von der Empore vor den Aufzügen her. Lois zuckte zusammen. Sie hatte niemanden kommen gehört.

* * *

Clark versuchte sich einzureden, dass er auch mit Superkräften nichts an ihrer Situation hätte ändern können. Selbst wenn er schneller als eine Pistolenkugel wäre, hätte er die Eindringlinge kaum davon abhalten können, wenigstens einen von ihnen zu verletzen oder sogar zu töten. Aber es war nicht gerade einfach sich vor sich selbst zu rechtfertigen. Lois finsterer Blick machte es ihm auch nicht eben leichter.

„Immerhin haben sie Jack nicht geschnappt“, murmelte Lois, klang aber nicht so, als ob sie das besonders ermutigen würde. Dabei sah sie Clark herausfordernd an, so als würde sie ihn fragen wollen, warum er nicht auch längst auf dem Weg war sie zu retten. „Er ist zuverlässiger, als gewisse andere Leute, die ich kenne.“

„Es tut mir Leid, Lois“, versuchte Clark die Wogen zu glätten und er verfluchte sich, dass er sie überhaupt erst zur Weisglut getrieben hatte.

Es blieb nicht viel mehr zu sagen. Keine Entschuldigung konnte aufwiegen, was er ihr tatsächlich schuldete – die Wahrheit. Das ganze Schlamassel wäre nicht so schlimm, wenn er ihr erzählt hätte, was ihn wirklich davon abhielt ihr ein zuverlässiger Freund zu sein. Stattdessen verstrickte er sich in immer neuen Lügen.

„Es tut dir also Leid“, sagte Lois schnippisch und verzog verächtlich ihren Mund. „Ich sag dir mal was, Clark…“

„Lois, bitte“, flehte Clark. „Es hilft uns nicht im Geringsten weiter, wenn wir uns jetzt gegenseitig bekriegen. Ich kann nicht mehr tun, als mich bei dir zu entschuldigen.“ Das konnte er tatsächlich nicht. Er hätte in diesem Moment liebend gern seine Tarnung geopfert, wenn er dafür Lois aus der Gefahrenzone hätte bringen können. „Lass uns lieber überlegen, was wir jetzt tun.“

Clark spähte durch die Jalousien hindurch. In der Redaktion waren ein paar dunkel gekleidete Männer und Clark war sich fast sicher, dass er auch eine Frau gesehen hatte. Sie beugten sich über Pläne und gestikulierten heftig. Clark bemühte sich etwas zu hören, aber mehr als Lois verärgertes Schnauben neben sich hörte er nicht. Die Gangster hatten Waffen und sie machten keinen Hehl daraus. Einer von ihnen sah, dass Lois und Clark sie beobachteten und bedeutete ihnen mit der Pistole von der Scheibe zurückzutreten.

„Superman wird uns helfen“, sagte Lois voll tiefer Überzeugung. Ihm gab sie offenbar keine Schuld an dem unverdienten Interview.

Clark war versucht ihr zu erzählen, dass die Aussicht auf Supermans Hilfe mindestens bis zum nächsten Morgen äußerst trüb war. Aber er hielt sich davon ab, denn Lois war auch ohne dass er ihr zeigte wie viel mehr er von der Geiselnahme wusste kurz vor der Explosion.

„Und was sollte er deiner Meinung nach bitte tun?“ wandte Clark dennoch ein. „Selbst Superman wäre kaum schnell genug, sie alle auf einmal davon abzuhalten uns zu erschießen.“ Das klang selbst in seinen Ohren merkwürdig und Clark wusste, dass es nicht stimmte. Wäre Superman jetzt hier, dann könnte er etwas tun. Anders als Clark, der unter seinen geprellten Rippen litt und dessen Knöchel mit jedem Schritt schmerzhaft protestierte. Clark unterdrückte einen Fluch.

„Vielleicht hast du Recht. Wir sollten nicht darauf vertrauen, dass Superman uns rettet. Wir müssen selbst etwas tun“, sagte Lois bestimmt und schritt entschlossen auf die Tür zur Redaktion zu.

„Lois, nein!“ rief Clark entsetzt und sprang auf sie zu, um sie zurückzuhalten. „Mach jetzt nichts Unüberlegtes, wenigstens dieses eine Mal“, bat er.

„Wage es ja nicht, mir vorzuschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe, Clark.“ Ihre Stimme klang bedrohlich. Sie musterte ihn von oben bis oben. Die Art, wie sie ihn ansah, tat ihm fast mehr weh, als die Begegnung mit dem Kryptonit in der Bank. „Du kannst von mir aus ruhig hier herumsitzen und warten bis sie dich erschießen, wenn du das unbedingt willst. Aber du wirst mich nicht davon abhalten, etwas zu tun.“

„Okay, ich gebe zu, dass ich deinen Ärger verdient habe, Lois. Aber du solltest mich nicht unbedingt strafen, indem du dich in Gefahr begibst!“ flehte Clark und fühlte sich ziemlich hilflos. „Wir werden hier herauskommen. Aber wir müssen einen kühlen Kopf bewahren!“

„Ich habe einen kühlen Kopf“, versetzte Lois, aber sie klang längst nicht mehr so selbstsicher, wie zuvor. Sie schien in sich zusammen zu sinken. Clark konnte sehen, dass sie Angst hatte, egal, wie sie nach außen hin erscheinen wollte.

Clark hätte nicht sagen können, wie es geschehen war, aber plötzlich war sie in seinen Armen und lehnte ihren Kopf an seine Schultern. Er spürte sie zittern und strich mit der Hand sanft über ihren Rücken. Er liebte wie stark Lois war, auch wenn er ihren Zorn zu spüren bekam. Doch auch in den Momenten, in denen alle Stärke von ihr abfiel und sie plötzlich so zerbrechlich war, fühlte er sich so stark zu ihr hingezogen, dass er ihr eine Liebeserklärung ins Ohr hauchen wollte.

„Glaub bloß nicht, dass ich dich vom Haken gelassen habe, Clark. Du schuldest mir noch eine Erklärung und mindestens eine Entschuldigung“, murmelte Lois und ihre Stimme klang dumpf an seiner Schulter.

„Damit habe ich keine Sekunde gerechnet. Und ich entschuldige mich so oft du willst.“

* * *

„Also, wir brauchen ein Ablenkungsmanöver. Einer von uns muss an ihnen vorbei und Hilfe holen“, erklärte Lois, entschlossen sich nicht hängen zu lassen.

„Vielleicht ist ja schon welche unterwegs“, warf Clark ein. „Immerhin ist Jack offenbar entkommen. Er war nicht in der Redaktion, als sie kamen.“

Er erntete einen schiefen Blick, doch Lois beschloss seinen Kommentar ansonsten zu ignorieren. Es fiel ihr schwer, das einzugestehen, aber Clark hatte schon Recht. Es half ihnen nicht weiter sich gegenseitig das Leben schwer zu machen.

Schwere Schritte näherten sich der Tür des Konferenzraums und plötzlich wurde sie aufgerissen. Der Mann sah die beiden grimmig an, die Waffe in seiner Hand ließ ihn nur unwesentlich gefährlicher erscheinen, als wenn er ohne sie gekommen wäre. Er richtete sie nacheinander auf Clark und dann auf Lois. Sein Blick durchbohrte sie und Lois fragte sich, wozu er die Waffe eigentlich brauchte.

„Kann einer von euch beiden mit dem Computer umgehen?“, bellte der Mann.

„Ich“, sagten Lois und Clark gleichzeitig.

Der Blick des Kerls wurde noch ein bisschen tödlicher. Er schaute von Lois zu Clark und wieder zurück. Er schien ein wenig unentschlossen zu sein, was er hinter seiner finsteren Miene zu verbergen suchte, ohne dabei besonders erfolgreich zu sein. Schließlich packte er Lois hart am Arm und richtete seine Waffe auf Clark.

„Ihr kommt beide mit“, befahl er. „Und du...“, er schaute Clark durchdringend an. „...versuch ja nicht den Helden zu spielen. Sonst ist die Kleine da dran.“

Lois fragte sich, ob Clark wohl überhaupt auf die Idee gekommen wäre, den Helden zu spielen. Sie erinnerte sich noch gut an ihre erste gemeinsame Story. Clark war in die Lagerhalle gestürmt, in der sie und Jimmy angebunden waren. Für einen Moment hatte sie zu hoffen gewagt, aber dann hatte Clark unter vorgehaltener Waffe nur die Hände gehoben und sich lammfromm anbinden lassen. Das war nicht das, was sie unter Heldenmut verstand.

Und wieder machte Clark keine Anstalten sich zu wehren, sondern folgte dem großen Kerl, der Lois unsanft mit sich in die Redaktion zerrte. Während Lois gegen die Umklammerung der Hand an ihrem Arm ankämpfte, ging Clark voraus. Der große Kerl drückte ihm immer wieder den Lauf seiner Waffe in den Rücken. Obwohl sie eigentlich mit anderen Dingen beschäftigt sein sollte, konnte Lois nicht umhin wieder festzustellen, wie schwerfällig Clark ging. Die Tatsache, dass er offensichtlich Schmerzen hatte, ließ ihre Wut ein wenig verrauchen.

„Hey, nicht trödeln“, wies sie der große Kerl zurecht und zerrte an ihrem Arm.

„Au!“, rutschte es Lois heraus, obwohl sie eigentlich nichts hatte sagen wollen.

Clark fuhr herum. „Lass sie los!“ sagte er drohend und schien plötzlich zu wachsen. „Wir haben euch nichts getan, ihr stürmt hier herein und...“ er holte tief Luft und schien nach den richtigen Worten zu suchen.

Der große Kerl lachte nur. „Du gehst jetzt besser weiter, bevor ich wütend werde. Was ich mit der Kleinen hier mache, ist meine Sache.“ Er drückte den Lauf der Waffe herausfordernd in Clarks Bauch. So irrational es auch war, Lois wünschte sich nichts sehnlicher, als das Clark dem Kerl seine Waffe entreißen würde, und kurzen Prozess mit ihm machte. Natürlich wusste Lois, dass das hoffnungslos leichtsinnig gewesen wäre, aber dennoch...

Clark nickte nur ergeben und ging dann weiter in die Richtung, in die der große Kerl ihn drängte. Vorbei an verschiedenen Schreibtischen, hin zu der Gruppe Krimineller, die sie an diesem Abend gefangen hielten. Ein bisschen erleichtert war Lois, dass die Sache noch glimpflich ausgegangen war. Aber es blieb auch ein Gefühl von Enttäuschung, von dem Lois wusste, das es unbegründet war. Clark hatte aufbegehrt, aber letztlich nichts getan, um sie zu retten.

„Wir brauchen Baupläne von diesem Gebäude“, verlangte einer der Kriminellen von ihnen.

Er sah etwas netter aus, gepflegt. Seine Augen waren dunkel und glühten in einer Intensität, als könnten sie durch alles hindurch sehen. Mit seinem fast jungenhaften Lächeln hätte er sogar charmant gewirkt, wenn seine Waffe nicht auf sie gerichtet gewesen wäre. Lois versuchte sich einzureden, dass er ihr keine Angst machte. Aber das stimmte nicht.

„Wozu?“ Die Frage war ihr so herausgerutscht. Lois erwartete nicht ernsthaft eine Antwort zu bekommen.

„Interviews geben wir später“, gab der Nettere mit einem boshaften Grinsen zurück. „Die Pläne“, drängte er und unterstrich seine Forderung, indem er Lois die Waffe noch dichter unter die Nase hielt.

* * *

Clark kämpfte mit seinem Temperament, von dem Lois wahrscheinlich glaubte, dass er es gar nicht besaß. Er kämpfte mit seiner inneren Stimme, die ihm befahl, jetzt endlich etwas zu tun. Und er versuchte sich daran zu erinnern, dass ihm seine Kräfte fehlten und dass einzugreifen ungleich gefährlicher war als sonst. Clark fürchtete sich nicht davor zu kämpfen. Er war auch mit menschlichen Kräften kein Schwächling. Allerdings konnte er Lois nur helfen, wenn sie ihn nicht vorher umbrachten. Deshalb war es ratsam erst zu denken und dann zu handeln.

Seinem guten Vorsatz treu zu bleiben hörte sich allerdings leichter an, als es tatsächlich war. Die Art, wie die Gangster mit Lois umsprangen, stellte Clarks Selbstbeherrschung auf eine harte Probe. Er ballte die Fäuste, während er sich selbst daran erinnerte, dass er nicht unverwundbar war.

Lois starrte den Kerl, der ihr die Waffe unter die Nase hielt, unverwandt an. Sie zuckte mit keiner Wimper und regte keinen Finger. Clark nickte möglichst unauffällig zu dem Computer hinüber. Warum fing sie nicht an, die Baupläne aus der Datenbank zu holen? Er würde viel leichter etwas unternehmen können, wenn nicht gerade eine Waffe auf sie gerichtet war. Ein kleines Ablenkungsmanöver, während die Pläne am anderen Ende der Redaktion aus dem Drucker kamen... Tausend Sachen fielen ihm ein, die er tun konnte, sobald Lois die Pläne besorgt hatte.

„Was wollen Sie?“, fragte Lois wieder, diesmal herausfordernder. „Wozu die Pläne? Das ist nur eine Redaktion, hier gibt es nichts zu holen.“

„Lassen Sie das mal schön unsere Sorge sein“, erwiderte der Mann ungeduldig und wedelte noch einmal mit der Waffe. „Na los, sonst werde ich ihn dazu bringen.“ Der Kerl mit der Waffe machte eine Kopfbewegung zu Clark hinüber.

„Er würde Ihnen gar nichts nützen. Die Baupläne sind im alten System und das kennt er nicht“, gab Lois unbeeindruckt zurück. „Und ich werde sie Ihnen nur verschaffen, wenn sie mir sagen, weshalb Sie sie brauchen.“

Clark verstand die Welt nicht mehr. Warum legte Lois sich mit den Gangstern an? Hatte Superman sie inzwischen so oft aus den Klauen des Todes gerettet, dass sie sich für unverwundbar hielt? Oder wollte sie Clark beweisen, dass sie, Kräfte hin oder her, viel tapferer war als er?

„Ich verliere langsam die Geduld, Lady!“ Das Lächeln war aus dem Gesicht des Gangsters verschwunden. Sein Blick wurde eiskalt, berechnend. Clark zweifelte nicht daran, dass er alles tun würde, um sein Ziel zu erreichen. „Muss ich sie erst davon überzeugen, dass ich es ernst meine?“, fragte er drohend.
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Vom Regen in die Traufe

Beitragvon Vega » Do 7. Apr 2011, 18:11

Dass sie zu weit gegangen war, wurde Lois erst so richtig bewusst, als sie einen lauten Knall hörte. Im ersten Moment konnte sie das Geräusch nicht zuordnen, aber bald dämmerte ihr, dass ein Schuss abgefeuert worden war. Der Mut der Verzweiflung, der sie eben noch hatte widersprechen lassen, war mit einem Mal verschwunden.

„Sie können mir glauben, dass ich diesmal absichtlich daneben geschossen habe, Lady. Der nächste Schuss wird sitzen!“ Der „Nettere“ hatte seine Waffe wieder auf sie gerichtet und deutete mit ihr auf den Computer. „Sie beeilen sich besser, bevor ich richtig wütend werde.“

Lois wollte gar nicht so genau wissen, was Clark davon hielt, dass sie es auf die Spitze getrieben hatte. Dennoch suchte sie seinen Blick. Sein Gesicht war noch blasser als zuvor und war verkniffen. Er hielt sich den Arm und biss sich auf die Lippen. Entgeistert stellte Lois fest, dass der Schuss nicht in die Luft gegangen war. Er hatte getroffen.

„Wird’s bald?“, grollte der Gangster. Er packte Lois hart an der Schulter, und drängte sie zum Computer hin. „Die Pläne. Los!“

Lois Finger schnellten über die Tastatur, während sie immer wieder zu Clark hinüber sah. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Vor sich sah sie immer nur ihn, wie er sich den Arm hielt und versuchte sich seine Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Lois tippte panisch weiter. Sie hatte keine Ahnung, ob sie überhaupt das suchte, was sie suchen sollte. Nur die vorgehaltene Waffe hielt sie auf dem Stuhl.

„Schneller! Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.“

Lois fühlte, wie sich eine Pistole in ihren Rücken bohrte. Sie zwang sich dazu sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Je eher sie erfolgreich war, desto schneller konnte sie bei Clark sein. Sie suchte sich durch die Verzeichnisse, bis sie schließlich eines gefunden hatte, das viel versprechend aussah. Rasch öffnete sie den Ordner. Sobald sie festgestellt hatte, dass es sich um den richtigen handelte, druckte sie die Dokumente.

„Es sollte an dem Drucker dort hinten herauskommen“, erklärte Lois und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, um einen besseren Blick auf Clark zu erhaschen.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals vor Angst und Schuldgefühlen. Was immer Clark ihr zumutete, war bestimmt kein Grund ihm Schmerzen zu wünschen. Aber Clark stand immer noch aufrecht, hatte seine Hand auf seinen Oberarm gepresst und ließ sie keinen Moment aus den Augen. Er wirkte angespannt und Lois konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er etwas plante.

„Wie lange dauert das denn?“, fragte der Gangster ungeduldig, während sich der Drucker langsam zu regen begann. „Wehe, wenn das ein Trick ist.“

„Kein Trick“, antwortete Clark, noch bevor Lois etwas sagen konnte. „Es ist ein langsamer Drucker.“

Der Gangster blickte ihn grimmig an, als würde er Clark die Schuld für diesen Umstand zuschreiben. Er sagte aber nichts, sondern ging zu dem Drucker hinüber. Wahrscheinlich wollte er sich selbst überzeugen, dass die gewünschten Pläne auch tatsächlich kamen.

Lois sah nervös und plötzlich auch hoffnungsvoll zu Clark hinüber, als sich ihre übrigen Bewacher ebenfalls von ihnen weg bewegten. Die Tür zum Flur war nicht weit und für den Moment waren sie geradezu unbewacht. Lois sah Clark eindringlich an.

* * *

Clark hatte das Gefühl Lois würde ein Schild mit der Aufschrift „Fluchtmöglichkeit“ hoch halten. Natürlich war ihm die Gelegenheit nicht entgangen. Keiner der Eindringlinge beachtete sie, nicht einmal der offensichtliche Anführer. Mit jeder Sekunde, die sie verstreichen ließen, wurde das Risiko entdeckt zu werden größer. Das Problem war nur, dass er nicht wusste, wie schnell und vor allem lautlos er rennen konnte.

Währenddessen zog Lois herausfordernd ihre Schuhe aus, wohl wissend, dass sie in ihren Pumps unmöglich schleichen konnte. Es waren nur wenige Meter und der Eingang zum Treppenhaus lag von den Gangstern aus gesehen um eine Ecke. Selbst wenn sie die Tür hörten, konnten Lois und Clark das Treppenhaus unbeschadet erreichen.

Lois hatte sich halb erhoben, geräuschlos. Noch immer schaute keiner zu ihnen hin. Clark vermutete, dass er Lois so oder so nicht von ihrem Vorhaben abhalten würde. Und wenn man bedachte, dass diese Gangster ziemlich schnell mit der Waffe bei der Hand waren, so war es vielleicht leichter, das Heil in der Flucht zu suchen. Clark nickte Lois zu.

Obwohl die stumme Konversation nur ein paar Augenblicke gedauert hatte, war sie beiden unendlich lange vorgekommen. Clark fühlte sein Herz immer schneller schlagen. Es wunderte ihn beinahe, dass offenbar niemand außer ihm es hörte. Auch Clark schlüpfte aus seinen Schuhen. Probeweise machte er einen Schritt nach vorne, und einen weiteren, als der erste niemanden aufschreckte. Die nachfolgenden Schritte waren mindestens genauso leise, doch wesentlich schneller hintereinander. Lois war dicht hinter ihm, als sie die Tür ungesehen erreichten.

Clark versuchte sich zu erinnern, ob die Tür zum Treppenhaus knarrte oder quietschte. Er hatte sie schon oft genug geöffnet. Aber sein Gedächtnis ließ ihn im Stich. Sollte er sie möglichst leise öffnen, um ihnen soviel Zeit wie nur möglich zu verschaffen? Oder sollte er sie lieber aufstoßen, damit sie soweit nach unten kamen wie möglich?

Mit klopfendem Herzen und einem flauen Gefühl im Magen entschied Clark sich für das langsame und leise öffnen. Die Tür knarrte entsetzlich. Erschrocken blickten Lois und Clark sich an. Sofort änderte Clark die Taktik und Lois stürmte nach unten, Clark hinter ihr her. Wütende Rufe folgten ihnen und der Anführer stieß laute Flüche aus.

„Hinterher! Lasst sie nicht entkommen! Ihr verdammten Idioten! Hatte ich euch nicht befohlen aufzupassen?“ brüllte er zornig.

Clark rannte die Stufen hinunter, so schnell wie nur selten zuvor in seinem Leben. Und das musste etwas heißen, denn immerhin hielt Superman jeden Rekord in Sachen Schnelligkeit. Hinter ihm klangen schwere Stiefel. Das Geräusch erinnerte ihn daran, dass er selbst zusammen mit Lois hoffnungslos in der Unterzahl war. Er wusste nicht, wohin und es hatte auch keinen Sinn das jetzt zu besprechen. Selbst wenn er den Atem dazu gehabt hätte, hätten ihre Verfolger sie unweigerlich gehört.

Die Stiefel kamen näher und Clark rannte noch schneller. Lois war nur wenig vor ihm und hielt sich am Geländer fest, während sie manchmal mehrere Stufen hintereinander übersprang. Clark tat es ihr nach und spürte einen scharfen Schmerz in seinem Arm und seinem Knöchel, die beide gegen die plötzliche Erschütterung protestierten. Plötzlich macht Lois kurz halt und schlüpfte durch eine Tür, die nur angelehnt war. Clark folgte ihr und fand sich in der Anzeigenabteilung des Daily Planet wieder.

Hier waren wesentlich mehr Schreibtische, als in der Redaktion. Es war ein unfreundliches Großraumbüro. Lois hastete durch die Reihen mit Schreibtischen. Es dauerte einen Moment, bis Clark sie eingeholt hatte. Er warf einen kurzen Blick zur Tür zurück, der ihn beinahe zu Fall brachte. Auf der Etage war noch niemand erschienen. Dann griff er nach Lois Arm und zog sie hinter einen der Schreibtische. Von der Tür aus würden sie zunächst nicht zu sehen sein und Clark hoffte, dass das ihre Verfolger hinreichend verwirren würde.

* * *

Lois gab sich große Mühe ihr Entsetzen nicht laut kund zu tun, als sie Clarks blutgetränkten Ärmel sah. Während sie gerannt war, hatte an nichts weiter gedacht, als den bewaffneten Männern zu entkommen. Clarks Verletzung war erstmal in den Hintergrund getreten. Aber nun drang sie ihr wieder mit aller Macht ins Bewusstsein, vor allem die unangenehme Gewissheit, dass es ihre Schuld war.

<Oh, Clark.> Lois bewegte eher ihre Lippen, als dass sie sprach. <Es tut mir Leid.>

<Ist schon okay.>, gab Clark auf die gleiche Weise zurück, dann bedachte er sie mit einem fragenden Blick, als erhoffte er sich von ihr die rettende Lösung.

Lois konnte nur mit den Schultern zucken. Sie hatte keine Vorschläge zu machen. Wenn sie ehrlich war, wäre sie nun aufs Dach gelaufen und hätte nach Superman gerufen, so laut sie nur konnte. Nur um überhaupt etwas zu tun, deutete sie mit dem Finger nach oben. Dann legte sie ihre Daumen und Zeigefinger aneinander und formte etwas, dass man mit viel Liebe als Supermans Zeichen interpretieren konnte.

Clarks Stirn runzelte sich und er blickte leicht gequält, dann schüttelte er den Kopf. Lois verstand nicht ganz, warum er sich nun noch gegen Supermans Hilfe sträubte. Immerhin war das Blut, dass aus seiner Armwunde sickerte Beweis genug, dass sie tatsächlich in Not waren. Und Superman hatte Lois schon aus weit weniger gefährlichen Situationen gerettet. Wusste Clark vielleicht etwas, dass er Lois verschwiegen hatte – zum Beispiel im Zusammenhang mit den Vorgängen in der Bank?

<Warum?>, stellte Lois ihre stumme Frage.

Clark sagte nichts, er zuckte nicht mal mit den Schultern. Stattdessen verharrte er reglos hinter dem Schreibtisch und schien auf etwas zu lauschen. Auch Lois spitzte die Ohren und ihr Herz begann laut zu pochen, als sie in ihrer Nähe Schritte hörte. Hektisch blickte sie sich um und suchte nach einem Weg, auf dem sie ungesehen entkommen konnten.

Sie fühlte Clarks Hand auf ihrer, erst sanft, bevor der Griff fester wurde und er sie mit sich zog. Auf Knien und Händen krabbelte er leise um den Schreibtisch herum, der vor ihnen stand. Dann weiter, immer weiter weg von der Tür, durch die sie die Anzeigenabteilung betreten hatten. Sie bewegten sich so lautlos wie möglich, atmeten beide beinahe geräuschlos und die Schritte eines ihrer Verfolger begannen Lois in den Ohren zu dröhnen.

Sie rechnete damit jeden Moment wieder den Lauf einer Waffe in ihrem Rücken zu spüren oder ein höhnisches Lachen zu hören, das ihre Hoffnung zu entkommen zunichte machen würde. Zu ihrer Überraschung geschah nichts dergleichen. Clark gelangte mit ihr im Schlepptau immer weiter durch den großen Raum, vorbei an einem Schreibtisch nach dem anderen. Lois wusste nicht, wohin Clark wollte. Jede Möglichkeit das Stockwerk zu verlassen, lag in einer anderen Richtung, als der der sie gerade zustrebten und hätte sie wahrscheinlich auch früher oder später ins Blickfeld der Gangster gebracht.

Wieder krochen Lois und Clark um eine Ecke herum und hatten sich damit völlig außer Sichtweite gebracht. Verständnislos sah Lois Clark an, als er leise die Tür zum Lagerraum öffnete. Was um Himmels Willen wollte er dort?

* * *

Clark stellte sich im selben Augenblick in etwa die gleiche Frage. Er zweifelte ernsthaft an seinem Verstand. Zwar war der Lagerraum sonst einer seiner bevorzugten Wege den Daily Planet zu verlassen, aber davon konnte im Augenblick ja keine Rede sein. Dennoch hatte er keine bessere Idee. Das Beste, was er zu seiner Verteidigung anbringen konnte, war, dass die Gangster bestimmt nicht damit rechneten, dass er versuchte durch das Fenster zu entkommen.

„Bist du von allen guten Geistern verlassen?“, flüsterte Lois, als sie gemeinsam zum Fenster im Abstellraum gingen.

Das Fenster war das gleiche, wie zwei Stockwerke über ihnen in der Redaktion. Aber auch dieses war immer noch vier Stockwerke über der Erde. Aus dem Fenster zu springen, stand nicht zur Debatte.

„Wahrscheinlich“, murmelte Clark und schlich zum Fenster, um es zu öffnen.

Er hatte wenig Hoffnung, dass es völlig geräuschlos vonstatten gehen würde. Aber vielleicht würde zur Abwechslung ja mal ein Wunder geschehen. Und tatsächlich, dieses Exemplar war weitaus besser geölt, als sein üblicher Fluchtweg. Clark kletterte hinaus auf den äußerst schmalen Sims, von dem er nur hoffen konnte, dass er sie beide tragen würde. Lois folgte ihm und lehnte das Fenster so gut es ging wieder an.

„Und nun?“, fragte sie mit offensichtlichem Unbehagen, während sie einen kurzen Blick auf die spärlich erleuchtete Straße unter ihnen warf. „Rufen wir Superman?“

Clark biss sich auf die Lippen. Sollte er ihr sagen, dass das keinen Sinn hatte?

„Komm schon, Clark. Es tut mir Leid, dass ich dich kritisiert habe. Ich weiß ja, dass du dich nicht allzu gerne auf Superman verlässt. Ich meine, ich kann mich nicht erinnern, dass du ihn jemals gerufen hättest, wenn wir in einer prekären Situation waren. Aber meinst du nicht, das wäre jetzt der richtige Zeitpunkt?“, beharrte Lois.

Clark seufzte und ergab sich in sein Schicksal. „Lois, Superman wäre dir jetzt genauso hilfreich, wie ich. Er ist zu keinem anderen Einsatz geflogen, als ich ihn getroffen habe. Jemand in der Bank hatte Kryptonit dabei.“

Lois riss die Augen auf. „Soll das heißen, es gibt diese Substanz tatsächlich?“

Clark nickte nur und überließ es Lois sich alles weitere auszumalen. Sie stellte keine Fragen mehr, sondern hatte sich offenbar dazu entschlossen, sich erstmal auf den Augenblick zu konzentrieren. Vorsichtig gingen sie Schrittchen für Schrittchen an die Wand gepresst über das Sims. Beide bemühten sich, nicht nach unten zu schauen.

Sie schienen überhaupt nicht voran zu kommen, obwohl sie nicht stehen blieben. Immer wieder warf Clark einen Blick zurück zu dem Fenster, durch das sie das Gebäude verlassen hatten. Jedes Mal erwartete er den Lauf einer Waffe daraus hervorblitzen zu sehen. Doch das Fenster blieb leer.

Nach eine schieren Ewigkeit erreichte Clark endlich eine Ecke des Gebäudes, die sie ein für alle Mal aus dem Schussfeld der Gangster bringen würde. Clark wusste, dass auf der Seite des Gebäudes nur wenige Fenster waren. Es war unwahrscheinlich, dass man ihn oder Lois zufällig entdecken würde. Nur was ihnen das nutzen sollte, war Clark nicht ganz klar.

„Clark!“ rief Lois mit einem Mal und entsetzt sah Clark sie mit den Armen rudern und um ihr Gleichgewicht kämpfen.

Er griff nach ihrem Arm, als sie auch schon abrutschte. Plötzlich hing Lois nur von Clark gehalten über dem Abgrund. Ihr Gewicht zerrte an seinem Arm, und riss ihn selbst fast mit in die Tiefe.

„Clark!“, schrie Lois angsterfüllt und kümmerte sich nicht mehr um das Gebot möglichst unauffällig zu flüchten.

„Lois, keine Angst, ich hab dich“, gab Clark zurück und fühlte sich dabei mehr an Superman erinnert, als an sich selbst. Sein Alterego mochte so etwas vielleicht so selbstsicher behaupten, Clark Kent nicht.

Aber fühlte Lois sich nicht ein wenig leichter an als erwartet? Konnte es sein, dass...? Clark wollte sich dieser Hoffnung erst gar nicht hingeben. Stattdessen biss er die Zähne zusammen und zog Lois mit aller Kraft Zentimeter um Zentimeter höher, bis sie auf dem Sims halt fand und ihm helfen konnte. Sterne tanzten vor seinen Augen, als er schließlich erschöpft an der Mauer lehnte und Atem schöpfte.

„Du hast mich gerettet“, sagte Lois mit zitternder Stimme und ein wenig außer Atem.

Sie konnte nicht verbergen, dass ihre Knie weich waren. Die Angst war aus ihrem Gesicht noch nicht völlig verschwunden. Clark stellte es mit einer gewissen Verwunderung fest. Er war daran gewöhnt, dass Lois nichts schrecken konnte. Andererseits hatte sie sonst einen unverwundbaren, persönlichen Superhelden im Rücken, der sie beschützte.

„Alles okay bei dir?“, fragte Clark und suchte sie nach äußerlichen Blessuren ab. Sie war mit dem Schrecken davon gekommen.

„Ja“, antwortete Lois etwas einsilbig.

Sie starrte Clark an, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen. Er überlegte, ob wirklich alles in Ordnung war, schob den Gedanken aber dann beiseite. Sie war nicht verletzt, andere Probleme konnte er momentan so oder so nicht lösen. Clark wollte im Augenblick nicht mehr, als von dem Gebäude auf die Straße hinunter.

„Wir müssen weiter, Lois. Glaubst du, du schaffst es?“, wollte Clark wissen.

Lois sah ihn weiter an, dann nickte sie. „Natürlich.“

Clark sah sie schlucken, wahrscheinlich bei der Vorstellung weiter über das schmale Sims gehen zu müssen – vor allem weil die Ecke noch vor ihnen lag. Diese Ecke machte ihm selbst Sorgen. Sie ohne Netz und doppelten Boden zu umschiffen, kostete ihn einigen Mut. Clark machte den ersten Schritt und bald darauf den zweiten. Das Sims sah nichts sehr Vertrauen erweckend aus. Nachdem Lois nur knapp einem Absturz entgangen war, trat Clark das nur umso deutlicher ins Bewusstsein. Das Gebäude war alt und hatte wahrscheinlich in den zwanziger Jahren schon hier gestanden. Es war nicht dazu gedacht, dass man über die Simse kletterte.

Clark hatte Lois an der Hand gehalten, doch als es nun um die Ecke ging, blickte er zu ihr zurück.

„Stehst du sicher?“ fragte er Lois und kam sich auf einmal merkwürdig vor. Normalerweise hätte Lois wahrscheinlich bemängelt, dass er sie wie ein unfähiges Kind behandelte. Doch sie beschwerte sich mit keiner Silbe. Stattdessen nickte sie nur, etwas zaghaft vielleicht, aber sie nickte. „Gut, dann lasse ich dich für einen Moment los, damit ich um diese Ecke da komme.“

„Sei vorsichtig“, murmelte Lois. „Wird es auch gehen, dein Arm, ich meine... Es tut mir Leid Clark. Es war meine Schuld. Ich hätte ihn nicht reizen sollen. Ich hätte damit rechnen müssen, dass er es ernst meint. Aber ich war wütend auf dich, ich dachte, du wolltest gar nichts tun und einfach abwarten, bis sie...bis sie...“ Lois schluckte wieder und Clark war sich nicht sicher, ob er nicht auch ein Schluchzen hörte.

„Es war nur ein Streifschuss. Nur ein Kratzer, Lois“, erklärte Clark. So ruhig war er nicht gewesen, als die Kugel ihn getroffen hatte. Im ersten Moment hatte es höllisch wehgetan. Aber Clark hatte den Schock, dass ihn etwas verletzt hatte, schnell überwunden, weil Lois in Gefahr schwebte. Der Gedanke an sie lenkte ihn von seinen eigenen Problemen recht gut ab. „Es wird gehen.“

Lois schaute nicht sehr überzeugt drein und auch Clark war sich nicht ganz sicher, wie sehr er seinen verletzten Arm brauchen würde. Bisher war er auch ohne ihn ganz gut zurechtgekommen, aber... Es half nichts. Er musste es probieren.

Vorsichtig tastete sich Clark näher an die Ecke heran. Seine Knie zitterten leicht, als er einen Fuß auf die andere Seite setzte. Langsam zog er den zweiten hinterher und sein Herz klopfte bei dem Gedanken daran was geschehen würde, wenn er jetzt das Gleichgewicht verlor.

„Ihr da, rührt euch nicht!“ kam ein wütendes Brüllen von hinten. Clark hörte das unschöne Geräusch einer Pistole, die durchgeladen wird.

„Clark!“ rief Lois entsetzt und beeilte sich, ihm hinterher zu kommen.

„Ich sagte: Stehen bleiben!“ Die Drohung hallte die Wand entlang.

„Lois, nimm meine Hand.“ Clark streckte sich, um Lois zu erreichen. Vielleicht konnte er Lois noch einmal halten und hoch ziehen. „Ich halte dich.“

Er fühlte ihre kalten Finger in seinen, ihr Griff wurde fest, während sie einen Fuß auf die andere Seite des Simses setzte. Ein Schuss krachte und sauste an Lois vorbei. Ein weiterer folgte. Clark hielt den Atem an und unterdrückte mühsam den Wunsch sie sofort zu sich zu ziehen. Das würde ihr kaum helfen. Lois gab keinen Laut von sich und Clark hoffte, dass das ein gutes Zeichen war. Bald konnte er nach ihrem anderen Arm greifen und zog Lois zu sich. Noch ein Schuss zerriss die Nacht und es folgte ein wütendes Brüllen, als Lois sich endlich in Clarks Armen befand – in Sicherheit.

Jedoch nur für einen Moment. Dann dröhnte ein viel unauffälligeres, doch ungleich gefährlicheres Geräusch Clarks Ohren. Bevor er noch die Zeit hatte zur Seite zu treten, fühlte er schon, wie das Sims unter seinen Füßen erfüllte, was es schon die ganze Zeit angedroht hatte. Clark verlor den Halt, als das Sims unter seinen Füßen brach.

Die Hand, die er ausgestreckt hatte, um sich an einer Bruchkante festzuhalten, griff ins Leere. Clark packte Lois fester, die sich ohnehin schon krampfhaft an ihn krallte.

„Hilfe, Superman!“ gellte Lois Schrei durch die Nacht.

* * *

In diesem Moment schien alles vorbei zu sein, der tiefe Fall unaufhaltsam. Lois fie plötzlich ein, was sie alles vergessen hatte. Wollte sie sich nicht noch einmal bei Clark entschuldigen? Dafür, dass sie ihn so harsch begrüßt hatte. Dafür, dass sie ihm das Leben manchmal ziemlich schwer machte. Und dafür, dass sie ihm nie gesagt hatte, wie viel er ihr wirklich bedeutete. Doch dazu mochte sie gerade noch Zeit haben.

„Ich liebe dich!“ flüsterte sie ihm in wilder Verzweiflung ins Ohr.

Clark antwortete nicht. Er sah sie nicht an, war tief versunken und sein Atem kam in schnellen Stößen. Sie sah Schweißperlen auf seiner Stirn, sein Gesichtsausdruck wirkte verzerrt, so als würde er sich fürchterlich anstrengen.

Es dauerte einen Moment, bis Lois bewusst wurde, dass sie immer noch fielen – und dass das gar nicht sein konnte. Es waren nur vier Stockwerke und die hätten sie längst hinter sich haben sollen. Lois hatte eine gewisse Erfahrung im Fallen und dieses Mal war es definitiv anders als sonst. Lois riss die Augen auf. Sie näherten sich immer noch dem Erdboden, unaufhaltsam - und dennoch wie in Zeitlupe. Aber Superman war nirgends zu sehen.

Die Landung war unsanft und würde Lois bestimmt blaue Flecken bescheren. Doch sie lebte und war bis auf ein paar Schrammen weitgehend unverletzt. Es war wie ein Wunder. Lois suchte die Umgebung ab, um ihren geheimnisvollen Retter vielleicht doch noch zu finden. Aber die Seitenstraße war einsam, menschenleer und dunkel.

War es möglich von Superman gerettet zu werden, ohne es zu spüren? Hatte er Clark gepackt und nicht sie? Der Gedanke an Clark verdrängte das Mysterium um ihre Rettung für einen Augenblick aus Lois Kopf. Ihr Partner hatte sich bisher nicht gerührt. Besorgt krabbelte Lois zu ihm hinüber.

„Clark?“ Wieder kam keine Antwort. „Clark?“ fragte Lois erneut und tastete nach ihm, schüttelte ihn leicht.

Er reagierte nicht. Panik stieg in Lois auf. Er würde doch nicht...er konnte nicht...Clark hatte ihr doch gesagt, dass die Kugel ihn nur gestreift hatte – ein Kratzer, schmerzhaft, doch letztlich relativ harmlos. Oder nicht? Lois verfluchte die Dunkelheit, verfluchte sich, dass sie ohne ihre Handtasche geflohen war, in der sich eine Taschenlampe befand. Ihre Finger fuhren wie von selbst über den reglosen Körper neben ihr. Sie fühlte undeutlich, wie sich seine Brust unter ihrer Berührung hob und senkte.

Lois Hände verharrten an Ort und Stelle und sie hielt vor Aufregung den Atem an, ihr Herz hämmerte in ihren Ohren. Sie wartete darauf, dass er die Bewegung wiederholte und ihr damit bestätigte, dass sie sich nicht nur eingebildet hatte, dass er atmete. Tatsächlich spürte Lois, wie sich seine Brust unter ihrer Hand regelmäßig auf und ab bewegte. Er lebte. Diese Erkenntnis verursachte ein Glücksgefühl, wie Lois es sich kaum hätte vorstellen können. Clark lebte. Aber er war bewusstlos und brauchte ärztliche Hilfe.

Plötzlich war die Nacht nicht mehr still. Lois hörte Schritte, die schnell näher kamen. Sie sah auf und ein dunkler Schatten bewegte sich auf sie zu. Erschrocken packte Lois Clark an den Armen, wollte ihn verstecken, damit ihm nicht noch mehr passierte. Doch sie war nicht stark genug, um ihn weiter in den Schatten des Daily Planet zu ziehen – um ihn überhaupt zu bewegen. Verängstigt ließ Lois los und machte sich bereit ihre Haut so teuer zu verkaufen, wie es nur ging.

Die schwarze Gestalt wurde langsamer, als sie sich näherte. Sie konnte schweres Atmen hören, und ein Zittern überlief Lois. Sie wusste, dass der andere sie gesehen hatte. Nun konnte nur noch eine Flucht nach vorn helfen.

„Halt! Keinen Schritt weiter“, rief Lois und hoffte, dass ihre Stimme trotz des Zitterns immer noch bedrohlich klingen würde. „Ich...ich habe eine Waffe!“

„Lois?“ Die Stimme kam ihr bekannt vor, auch wenn Lois sie im ersten Moment nicht zuordnen konnte. „Lois? Gott sei dank! Ist Clark auch entkommen?“ Es war Jack. „Ich habe die Polizei gerufen. Sie müssten gleich kommen.“

Bevor Lois noch antworten konnte, hörte sie Polizeisirenen. Normalerweise fand sie das Geräusch nicht sehr angenehm, doch dieses Mal klang es äußerst tröstlich.

„Clark ist verletzt. Er hat das Bewusstsein verloren, als wir abgestürzt sind. Superman muss uns gerettet haben“, fasste Lois zusammen, was Jack nicht wissen konnte. Dann wandte sie sich wieder Clark zu. „Komm schon, wach auf, Clark!“ flehte Lois.

Wie durch einen Nebel hindurch erlebte Lois, was weiter geschah. Die Polizeisirenen kamen immer näher, bis blaue und rote Lichter über die Mauern und Fenster des Daily Planet zuckten. Auch ein Rettungswagen war dabei, doch das merkte Lois erst, als Sanitäter neben ihr niederknieten und sich mit Clark beschäftigten. Es gelang ihr, bemühte Sanitäter von sich selbst abzuwehren, während sie beobachtete, was mit Clark geschah.

Ein Zugang wurde in seinem Arm platziert und jemand streifte ihm eine Atemmaske über das Gesicht. Mit geübten Händen kümmerten sich die Sanitäter um Clark, hoben ihn scheinbar mühelos auf die Trage und nahmen ihn mit sich. Jemand nahm Lois am Arm und führte sie sanft zum Rettungswagen, half ihr hinein und deutete auf einen Platz, auf dem sie während der Fahrt neben Clark sitzen konnte.

Das Licht im Rettungswagen zeigte Lois, wie fahl Clark war. Sein Gesicht war nass geschwitzt und seine Lippen trotz des Sauerstoffs, den er bekam, schwach bläulich. Ein stetiges Piepsen verriet, dass Clarks Herz schlug, schnell und regelmäßig. Lois hatte den Eindruck, dass das Piepsen langsam höher wurde und wusste nicht, ob sie das erleichtern oder beunruhigen sollte.

Sie wurde auf ihrem Sitz durchgerüttelt, während sich der Rettungswagen mit hoher Geschwindigkeit vom Daily Planet weg bewegte. Jemand sagte etwas zu ihr, doch Lois konnte die Worte nicht verstehen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das Fahrzeug zum stehen kam und die Türen aufgerissen wurden.

* * *

Das erste, was Clark sah, als er zu sich kam, war ein paar brauner Augen. Anfangs war es nur verschwommen, dann deutlicher. Clark blinzelte und sah dann ein Lächeln, das zunehmend klarer wurde.

„Lois.“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, aber Lois musste es gehört haben, denn ihr Lächeln wurde breiter.

„Schön, dich wieder zu haben“, sagte Lois und beugte sich vor um einen Kuss auf seine Stirn zu hauchen. „Ich dachte schon fast, dass ich dich verloren hätte. Die Ärzte sagen, dass du Glück gehabt hast. Dein Kreislauf war im Keller, als sie begonnen haben, dich zu behandeln. Sie haben nicht ganz verstanden, wieso, denn soviel Blut hattest du wohl gar nicht verloren.“

„Wir sind also entkommen?“ fragte Clark und versuchte sich zu erinnern, was geschehen war, bevor er das Bewusstsein verloren hatte. Sie waren gefallen und Clark hatte versucht zu mobilisieren, was er an Kräften noch besaß. Mit aller Macht hatte er an Lois gedacht - und daran zu fliegen.

„Superman muss uns gerettet haben“, antwortete Lois und ergriff Clarks Hand. „Obwohl ich ihn nirgendwo gesehen habe. Glaubst du, es geht ihm gut?“ Ihre Frage klang anders als sonst. Clark hörte nicht die übliche Bewunderung in ihrer Stimme, nur Dankbarkeit.

„Ich denke schon“, antwortete Clark. Er sah sich um und fand bestätigt, was er schon vermutet hatte. Er war in einem Krankenhaus. Nicht der Ort, an dem er unbedingt sein wollte.

„Ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt. Ohne dich hätte auch Superman uns nicht mehr helfen können. Danke.“ Sie beugte sich vor und hauchte einen Kuss auf Clarks Lippen, die plötzlich zu kribbeln begannen, als bedeutete diese Kuss den Anfang von etwas Besonderem.

„Lois, ich möchte hier weg.“ sagte Clark plötzlich. „Bitte, hilf mir. Ich kann nicht hier bleiben. Ich erkläre dir später, wieso.“

Lois runzelte die Stirn. „Nein, du erklärst es mir jetzt. Clark, was soll das? Du brauchst Ruhe, du bist verletzt und wärst beinahe gestorben. Du bist in einem Krankenhaus gut aufgehoben.“

Clark überlegte fieberhaft, wie er Lois beibringen sollte, worum es ging. Natürlich konnte er es sich einfach machen und behaupten, dass er eine Krankenhausphobie hatte. Lois hatte nicht erraten, wie Superman sie in Wahrheit gerettet hatte. Es gab keinen zwingenden Grund ihr sein Geheimnis zu verraten. Außer vielleicht den, dass er es plötzlich so sehr mit ihr teilen wollte, wie nie zuvor in seinem Leben. Lois hatte ihn gesehen, Clark, sie hatte ihm gedankt, ihn geküsst. Und er glaubte sich dunkel daran zu erinnern, dass sie ihm ihre Liebe gestanden hatte.

„Lois, ich kann nicht hier bleiben, weil... weil...“

Die Worte schienen ihn ersticken zu wollen, blieben in seinem Hals stecken, als wären sie zu lange ungesagt geblieben und wollten es dabei belassen. Clark wusste, dass dies kein einfaches Geständnis war. Lois würde es nicht so einfach hinnehmen. Er hatte sie belogen, über Monate.

* * *

Lois wartete darauf, dass er es sagte. Doch Clark stotterte weiter vor sich hin und schien nicht damit herausrücken zu wollen, warum er nicht im Krankenhaus bleiben wollte. Sie beobachtete seine Hilflosigkeit und sehr zu ihrer eigenen Überraschung stieg diesmal kein Ärger in ihr auf.

„ ...ich Superman bin.“ Er hatte es mehr gehaucht als gesagt. Seine Lippen zitterten, während er Lois ansah und ihr langsam aufging, was seine Worte bedeuteten.

Ihr Blick glitt über sein Gesicht, über seine Augen, die nicht, wie üblich hinter dicken Brillengläsern verborgen waren. Das leicht strubbelige Haar gehörte eindeutig zu Clark, aber Lois sah plötzlich auch Superman. Sie begriff nicht ganz, wie sie das vorher hatte übersehen können. Aber der verbundene Arm und die Blutergüsse auf seinem Körper passten so wenig zu Superman, dass ihr für einen Moment der Gedanke kam, dass zwischen den beiden vielleicht nur eine frappierende Ähnlichkeit bestand.

„Du... aber wie?“ brachte Lois nur hervor. In ihrem Kopf drehte sich alles.

<Komm schon, Clark. Es tut mir Leid, dass ich dich kritisiert habe. Ich weiß ja, dass du dich nicht allzu gerne auf Superman verlässt. Ich meine, ich kann mich nicht erinnern, dass du ihn jemals gerufen hättest, wenn wir in einer prekären Situation waren. Aber meinst du nicht, das wäre jetzt der richtige Zeitpunkt?>

< Lois, Superman wäre dir jetzt genauso hilfreich, wie ich. Er ist zu keinem anderen Einsatz geflogen, als ich ihn getroffen habe. Jemand in der Bank hatte Kryptonit dabei.>

<Soll das heißen, es gibt diese Substanz tatsächlich?>


Wenn Superman seine Kräfte verloren hatte, erklärte das natürlich, warum Clark sie nicht schon viel früher aus der Hand der Gangster befreit hatte.

„Du hattest keine Kollision mit einem Radfahrer, nicht wahr?“ fragte Lois sachlich.

Clark schüttelte den Kopf. „Als ich aus der Bank kam, konnte ich nur mit Mühe fliegen. Ich hatte recht bald eine Bruchlandung. Es tut mir Leid, Lois. Ich wollte dich nie belügen, ich wollte nur ein normales Leben als Clark, auch nachdem du mich auf die Idee gebracht hattest, *Superman* zu werden.“ Das Wort Superman formte er lediglich mit den Lippen. Sie verstand es trotzdem.

Lange sah Lois ihn an. So sehr sie sich auch Mühe gab, sich enttäuscht und verärgert zu fühlen, es wollte nicht recht funktionieren. Clark hatte ein normales Leben gewollt. Wenn man bedachte, wie schwer sie ihm dieses Leben manchmal gemacht hatte, so konnte Lois doch durchaus verstehen, warum er sein Geheimnis bisher nicht mit ihr geteilt hatte.

„Ich habe dich auf diese Idee gebracht?“ fragte Lois erstaunt. Es war nur die erste Frage von vielen, die noch folgen würden. Es gab eine Menge, worüber sie sprechen mussten.

Ende
Vega
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