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Die Nacht ist am dunkelsten...

FanFiction zur TV-Serie "Superman - die Abenteuer von Lois und Clark" (orig. "Lois and Clark - the New Adventures of Superman")

Die Nacht ist am dunkelsten...

Beitragvon Magss » Fr 15. Jun 2012, 21:10

Jetzt habt ihr mich doch tatsächlich darauf hingewiesen, dass ich diese Story hier noch gar nicht gepostet habe, das möchte ich hiermit nachholen. Ich habe sie zeitlich an das Ende der dritten Staffel platziert, zwischen 3.20 'It's a small world after all' und 3.21 'Through a glass darkly'. Eigentlich sollten sich Lois und Clark auf ihre (tatsächliche) Hochzeit vorbereiten, doch dafür bekommen sie gar keine Zeit. Perry überträgt ihnen gleich drei Fälle, die sie gemeinsam mit Jimmy lösen sollen. Aber vielleicht gibt es ja zwischen den Fällen einen Zusammenhang, wo zuerst gar keiner zu sehen ist. Auf jeden Fall bekommen sie es mit jemanden zu tun, gegen den die Neu-Kryptonier verblassen.

Altersfreigabe: ab 16 Jahren (ich habe mich entschlossen, hier eine Altersbeschränkung auszusprechen, es ist irgendwie ein Krimi und ich kann ja manchmal recht detailliert schreiben...)

Auch für diese Story hat mir KitKaos als Beta-Leserin mit Rat und Tat zur Seite gestanden und dafür möchte ich ihr meinen ganz herzlichen Dank aussprechen. Kaos, deine Hinweise und Anmerkungen sind so hilfreich und so qualifiziert. Ich kann gar nicht genug ausdrücken, wie froh ich darüber bin.

Disclaimer: Die Serie "Superman - die Abenteuer von Lois und Clark" gehört nicht mir und die Charakter auch nicht, nur die Idee für diese Geschichte ist meine. Ich schreibe nur für mich.

Über Kommentare (und damit meine ich wirklich positive wie negative) würde ich mich natürlich riesig freuen. Viel Spaß und spannende Unterhaltung wünsche ich.




Die Nacht ist am dunkelsten...


Tag 1, Montag 29. April 1996, 8:07 am


Jimmy sah noch einmal unruhig zu den Fahrstuhltüren, in der Hoffnung, dass diese sich gleich öffnen würden und Lois und Clark endlich in die Redaktion kamen. Perry sah immer mal wieder in die Runde, ob die beiden endlich angekommen waren und sie mit der Morgenbesprechung beginnen konnten. Jimmy kannte seinen Chef inzwischen ziemlich genau. Perry würde die Besprechung niemals ohne Lois und Clark starten, aber er durfte natürlich auch nicht den Eindruck entstehen lassen, als könnten sie sich alles herausnehmen, also tat er, als sei er beschäftigt. Obwohl Jimmy wirklich überzeugt war, dass Lane und Kent bei Perry White dieser Tage Narrenfreiheit genossen. Bei allem, was sie in der letzten Zeit durchmachen mussten!... Beim nächsten 'Ping' sah Jimmy auf und war erleichtert; Lois und Clark kamen gutgelaunt, eng umschlungen und scherzend in die Redaktion.

Lois' Lachen verstummte schuldbewusst, als sie erst zu Jimmy sah und dann zu ihrem Chefredakteur. Auch Clark versuchte ein ernstes Gesicht zu machen. Nicht wirklich überzeugend.

Perry White sah kurz so aus als wollte er einen Kommentar dazu abgeben, aber er schien es sich zu überlegen. Jimmy fand das nur logisch, ein Donnerwetter hätte schließlich noch mehr Zeit gekostet. Und so rief er nur kurz angebunden aber ruhig in die Runde: "Morgenbesprechung! In den Konferenzraum und gleich bitte. Es ist spät genug."

Nachdem alle um den großen Tisch herum Platz genommen hatten, kam Perry ohne Umschweife zur Sache. "Bei allen Songs von Elvis, kommen wir gleich auf den Punkt. Es gab heute Nacht zwei Einbrüche, die ein bisschen merkwürdig sind, es ist nicht klar, ob es sich dabei vorrangig um Raub oder um Mord handelt. Inspektor Davis ist der zuständige Ermittler. Dann gab es einen Überfall im Centennial-Park auf eine Frau, die sich wohl im letzten Moment retten konnte. Ist eigentlich nichts Aufregendes, aber ich dachte, wir könnten mal wieder etwas über die allgemeine Sicherheit auf unseren Straßen machen, da wäre dieser Überfall ein ganz guter Aufhänger. Und dann habe ich noch einen Einbruch in eine Computerfirma, Millers & Glas - nie gehört. Vielleicht geht das auch in den Sicherheitsartikel mit rein. Seht, was ihr daraus macht. Ich denke doch, dass ihr die aufregenden Sachen haben wollt." Mit diesen Worten sah Perry Lois und Clark erwartungsvoll an.

Lois' Augen weiteten sich, dann sagte sie zu ihrem Chef: "Drei Fälle, alle von heute Nacht und einer noch um eine Computerfirma... können wir Jimmy zur Unterstützung haben?"

Jimmy merkte auf, er fühlte sich immer richtig gut, wenn Lois ihn so selbstbewusst anforderte. Er war immer noch einer der jüngsten Reporter in der Redaktion und wenn jemand wie Lois Lane ihn haben wollte... Da konnte er sich wirklich etwas drauf einbilden und das tat er auch.

Perry zögerte nur einen kurzen Moment und sagte dann kurz: "Okay, dann aber gleich an die Arbeit ihr drei, alles andere auf meiner Liste hier ist Reisen, Sport, Klatsch, Wohnen oder etwas für die Familienseite." Perry sah Lois und Clark provozierend an, er zählte hier wohl ganz bewusst nur die Ressorts auf, von denen er sicher wusste, dass Lois sie nicht mal mit der Kneifzange anfassen wollte.

Lois stand hastig auf, als würde es sich bei einem Artikel für die Klatschecke oder die Schöner-Wohnen-Seite um eine ansteckende Krankheit handeln. Aber die Vorstellung, dass Lois Lane praktische Haushaltstips oder einen Artikel schrieb, bei dem nicht die Aussicht bestand, dass sie Superman traf, ließ Jimmy grinsen. Lois war nach Jimmys Meinung die weltbeste, professionellste und erfolgreichste Reporterin, die der Planet je beschäftigt hatte, aber bis heute riskierte sie für ein Zusammentreffen mit Superman gerne mal Kopf und Kragen. Genau genommen war das noch nicht mal anders geworden, seit Clark und sie verlobt waren. Wie Clark das wohl aushielt? Er merkte das doch auch. Manchmal verstand Jimmy einfach nicht, wie Lois und Clark tickten. Aber er bekam nicht die Zeit darüber nachzudenken. Lois und Clark verließen den Konferenzraum, sie wollten sicher nicht noch einen vierten Fall bearbeiten müssen. Jimmy folgte ihnen zu den Schreibtischen.

Kaum hatten sie die Tür des Konferenzraumes hinter sich geschlossen, als Clark zu Jimmy sagte: "Erst mal guten Morgen, Jimmy. Also, was hast du über die drei Fälle? Wie ich dich kenne, bist du doch schon eine Weile hier." Typisch Clark; immer freundlich, zuvorkommend und nicht aus der Ruhe zu bringen.

Lois sah sie beide an und fragte: "Sagt mal, drei Fälle, wir sind drei, wollen wir uns nicht aufteilen?" Clark nickte während er Lois und auch ihm einen Kaffee holte. Typisch Lois; sie ließ sich nicht so leicht ablenken, ihr Augenmerk immer auf den gerade aktuellen Fall gerichtet. Obwohl Jimmy schon das Gefühl hatte, dass ihr 'Biss' vor zwei, drei Jahren noch unnachgiebiger war. Nachdem Clark hier beim Planet aufgetaucht war, war sie nach und nach schon etwas ruhiger, etwas normaler geworden. Aber Jimmy war es auch recht, dass sie die Fälle aufteilten. Er fragte sich, wieweit sie ihn alleine an 'seinem' Fall arbeiten ließen. Lois nippte an ihrem Kaffee und fuhr fort: "Gut Jimmy, ich denke mal, du machst dann die Computerfirma, du verstehst noch am meisten, wenn die anfangen technisch zu werden. Clark, du den Überfall im Park? Und ich die Morde." Bei den letzten Worten lächelte sie erwartungsvoll. Ihre Vorliebe für blutrünstige Verbrechen war immer wieder erstaunlich.

Clark schüttelte den Kopf über seine Verlobte. "Wenn wir es umdrehen, wird es auch nicht besser. Aber wir werden erst mal ja doch nur mit der Polizei sprechen. Es wäre mir sehr recht, wenn du", dabei sah er Lois streng an, "keine Tatorte alleine aufsuchst. Lasst uns dann mittags wieder hier treffen und sehen, was wir haben. Dann können wir überlegen, wie wir weiter vorgehen."

Nun war Jimmy doch etwas irritiert und freudig überrascht. "Ihr wollt, dass ich den Computereinbruch alleine recherchiere? Wow!" Lois und Clark nickten beide und machten den Eindruck, als sei dies die selbstverständlichste Sache der Welt. Dann zogen sie sich an ihre Schreibtische zurück und griffen sofort beide zum Telefonhörer. Und er würde ihnen zeigen, dass er ihr Vertrauen verdient hatte. Er würde methodisch und logisch vorgehen, genauso wie er es von den beiden gelernt hatte.


9:02 am

Kaum eine Stunde später war Jimmy fast überrascht, wie viele Informationen er in dieser kurzen Zeit schon zusammen getragen hatte. Der Einbruch in der Computerfirma erfolgte nachts, irgendwann zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens. Millers & Glas war eine kleine Firma, die gerade begonnen hatte, sich auf dem Markt zu etablieren, weil sie eine neue Produktionstechnik für einen Chip entwickelt hatten, die ihn wesentlich schneller machte. Was praktisch in jeder Computerzeitschrift nachzulesen war. Das hieß, dass diese Firma auf dem sich schnell entwickelnden Markt erst seit neuester Zeit so gefragt war, so dass sie kaum Sicherheitstechniken installiert hatten, alles Geld floss in den Etat der Entwicklung. Das machte es den Einbrechern leicht und so hatten sie einige der besten und ausgereiftesten Chips gestohlen.

Jimmy beschloss den Inhaber der Firma zu besuchen. Der Polizeibericht war ihm einfach zu trocken, er würde sich gerne selber ein Bild machen. Vielleicht hatte er noch mehr Informationen, oder er konnte ein paar Fotos von dem Inhaber der Firma oder auch seinen Mitarbeitern machen. Er sprach sich kurz mit Clark ab und der sagte nur kurz: "Mach mal."

Der Mann, der Jimmy wenig später gegenüber saß, war wahrscheinlich gerade mal fünf, vielleicht sechs Jahre älter als Jimmy, aber er war der Chef von Millers & Glas, Roger Torres. Er hatte schulterlanges dunkelbraunes Haar, das für Jimmys Geschmack etwas zu lang war. Sonst war er lässig in Jeans gekleidet. Aber seine lockere Art sich zu kleiden konnte auch nicht verbergen, dass er über die Ereignisse der Nacht immer noch schwer erschüttert war. Jimmy hätte irgendwie eher einen älteren Mann erwartet, obwohl ihm auch gleich klar wurde, wie abwegig dieser Gedanke war. Die innovative Computerbrache lebte von jungen und unkonventionellen Menschen.

"Woher kommt der Firmenname Millers & Glas?", fragte Jimmy, während er aufmerksam alles aufschrieb. Jimmy sah sich um, er brauchte ein paar persönliche Details, wenn er seinem Artikel etwas mehr Seele geben wollte, genau das war es doch, was die Artikeln von Lois und Clark immer so packend machten - Persönlichkeit. Das Büro, in dem ihm Torres gegenüber saß, war unaufgeräumt. Auf jeder freien Fläche lagen Papiere oder technisches Equipment. Diese Firma hatte sicher weder eine Sekretärin noch eine Putzfrau.

Torres antwortete ihm mit einer hohen und leicht hektisch wirkenden Stimme: "Mein Vater hat sein ganzes Leben Restaurants mit dem Namen Torres aufgemacht und wieder pleite gehen lassen. Ich wollte nicht mit ihm in Zusammenhang gebracht werden. Und mein Großvater mütterlicherseits war ein hart arbeitender und angesehener Glaser, deswegen Millers & Glas. Ich fand, das ist ein viel besseres Karma."

"Was wurde gestohlen? Im Polizeibericht hieß es nur 'leistungsstarke Computerchips'. Noch etwas anderes?", fragte Jimmy, während er fleißig alles mitschrieb.

"Nein, nur verschiedene Chips aus der neuesten Prozessorgeneration, alle noch in der Entwicklung, aber voll einsatzfähig."

Jimmy blickte Torres ein wenig unsicher an. Eine Frage, die sich ihm gleich heute morgen beim ersten Sichten des Polizeiberichtes aufdrängte, musste er jetzt stellen. "Sieht es nicht so aus, als hätten die Täter genau gewusst, was sie suchen? Ich meine, hier gibt es doch sicher vieles, was interessant ist für Computerfreaks."

Torres zuckte mit den Schultern. "Könnte sein. Oder sie wurden gestört."

"Laut Polizeibericht hatten es die Einbrecher nicht besonders schwer hier reinzu¬kommen." Jimmy hatte schon beim Betreten der Produktionshalle gesehen, dass es wirklich ein Leichtes war, hier einzusteigen, die kleine Halle lag auf einem schlecht einzusehenden Hinterhof, nachts sah hier niemand etwas. Es gab nur eine einfache Metalltür, die selbst Jimmy in weniger als einer Minute aufbekommen hätte und im hinteren Teil sogar zerbrochene Fenster, was ein deutlicher Hinweis auf die nicht vorhandene Alarmanlage war.

Nun rutschte Torres leicht auf seinem Stuhl hin und her, als wenn ihm die Antwort peinlich war. "Noch vor einem Jahr wäre niemand auf die Idee gekommen, dass wir Sicherheitstechnik brauchen. Uns kannte niemand. Aber in den letzten Monaten waren wir plötzlich sehr gefragt. Ich muss gestehen, dass ich mich nicht darum gekümmert habe. Mein Steuerberater meinte noch vor drei Wochen, die Räume hier sind nicht gut. Ich hab es ignoriert, ich dachte, er übertreibt. Die haben einfach die Tür aufgebrochen - einfach so. Tja, hinterher ist man immer schlauer." Trotz der unbestreitbaren Katastrophe wirkte Torres recht gefasst und pragmatisch. Die Täter hatten die Arbeit von Monaten, wenn nicht Jahren gestohlen. Jimmy an seiner Stelle wäre vollkommen fertig. Aber vielleicht wusste Torres ja, wie schnell er diese Chips Mithilfe seiner Aufzeichnungen wieder herstellen konnte und war deswegen so gelassen.

Jimmy fragte Torres noch, wo die Chips denn gelagert worden waren. Dieser zeigte ihm einen einfachen Stahlschrank, auf dem 'Entwicklung' geschrieben stand. Jimmy schüttelte innerlich mit dem Kopf. Es machte fast den Anschein, als hätten es Torres und seine Mitarbeiter den Einbrechern vorsätzlich einfach gemacht. Dann glaubte er, dass er für den Moment genug Informationen hatte und bedankte sich bei Torres für das Interview. Er machte noch ein paar Fotos und fuhr zurück in die Redaktion. Auf dem Weg dorthin dachte er an das, was Perry bei der Morgenbesprechung gesagt hatte, dass dieser Einbruch vielleicht auch zum Thema allgemeine Sicherheit in Metropolis passen würde. Aber etwas in Jimmy sagte ihm, dass das nicht der Fall sei. Dies hier sah viel mehr danach aus, als wenn jemand sehr zielgerichtet ein ganz bestimmtes EDV-technisches Teil haben wollte. Sonst hätten die Einbrecher doch sicher noch alle möglichen Rechner mitgenommen, genug Equipment stand ja rum. Aber sie nahmen nur die Chips mit, wofür? Dafür war es jetzt sicher noch zu früh, um das zu beantworten. Aber er würde auf jeden Fall noch mal die Polizeimeldungen der letzten Tage durchsehen, ob es da auch schon Diebstähle gegeben hatte, die etwas mit Computertechnik oder vielleicht anderen technischen Dingen zu tun hatten.


9:25 am

Lois holte sich noch einen Kaffee. Sie war froh, dass Perry ihnen diese drei Fälle gegeben hatte und dass sich die beiden Männer so leicht hatten überredet lassen, dass sie sich um den Mordfall kümmern konnte. Nach der Geschichte um ihr High-School-Treffen, die Schrumpfung von Clark aus Geltungsdrang ihrer ehemaligen Mitschülerin Anette stand ihr der Sinn nach einer Story, in die sie sich ganz und gar vertiefen konnte. Irgendetwas, das geeignet war, sie von ihrer bevorstehenden Hochzeit abzulenken. Von der Hochzeit und der Tatsache, dass sie lieber heute als morgen heiraten würde.

Das Telefonat mit Inspektor Davis hatte ergeben, dass es in der letzten Nacht zwei Einbrüche gegeben hatte, die sehr viele Ähnlichkeiten aufwiesen. In beiden Fällen handelte es sich um eine Villa am Stadtrand. Im einen Fall hatten die Einbrecher keine Schwierigkeiten die recht ausgetüftelten Alarmanlagen auszuschalten, im anderen Fall umgingen sie die Einbrecher einfach, aber die Polizei hatte keine Ahnung, wie. Und in beiden Fällen war zum Zeitpunkt des Einbruchs nur eine Person im Haus gewesen, die den oder die Einbrecher wohl dann entdeckt hatten. Vielleicht hatten sie Geräusche gehört. Jedenfalls waren die Bewohner von dem oder den Einbrechern dann zum Schweigen gebracht worden. Beide Bewohner wurden allem Anschein nach mit Stichwunden in den Hals getötet. Da musste doch ziemlich viel Blut geflossen sein, Lois schüttelte es bei der Vorstellung daran. Aber sie schob den Gedanken an ein allzu deutliches Bild schnell beiseite und versuchte sich auf die Fakten zu konzentrieren. Eine Stichverletzung im Hals - das war eine merkwürdige Art jemanden zu Töten, warum in den Hals?

Lois arbeitete gerne mit Davis zusammen, er zierte sich nicht lange, mit Informationen herauszurücken. Es hatte sich in der Vergangenheit schon oft für ihn bezahlt gemacht, Lane und Kent gegenüber mit offenen Karten zu spielen. Sicher half es auch, dass er und Lois' Schwester Lucy sich mal recht gut gekannt hatten. Und er hatte eine ähnliche, ja man könnte fast schon sagen Begeisterung, wie Lois für eine bestimmte Art von Fall. Als sie ihn anrief, war er sofort bereit mit ihr zu sprechen und brachte sie auf den derzeitigen Stand der Ermittlung. Dann fragte sie ihn: "Okay, Davis, was gibt es noch Interessantes?"

"Also zwei Dinge gibt es noch, beide Opfer haben ihren Mörder vielleicht gekannt, jedenfalls haben wir keine Kampfspuren, oder etwas, was nach Abwehrhaltung aussieht, gefunden. Und dann scheint in den Häusern, soweit wir das bis jetzt beurteilen konnten, nichts zu fehlen, es wurde nichts gestohlen. Das könnte bedeuten, beide Fälle gehören wirklich zusammen, obwohl das eine im Norden der Stadt passiert ist und das andere im Süden."

Lois notierte sich alles, was Davis ihr erzählt hatte, die Frage ob und wenn ja, was für einen Zusammenhang es zwischen den beiden Opfern gab, musste sie versuchen für sich zu klären. "Davis, lass uns noch mal auf die Morde zu sprechen kommen. Erstochen? In den Hals? Warum sticht jemand in den Hals und wisst ihr womit, habt ihr eine Mordwaffe?"

"Lois, hätten wir eine Mordwaffe, hätte ich das wohl erwähnt, oder? Ja, warum in den Hals? Keine Ahnung. Wenn du die Hauptschlagader triffst, ist es sicher. Du kannst auch nicht an den Rippen abrutschen. Ich weiß nur, dass man Tiere zum Schlachten so ausbluten lässt, aber das passt wohl hier nicht. Vielleicht ein Hinweis auf jemanden, der oder die nicht viel Kraft hat. Wer weiß, eine Frau vielleicht, ein Kind. Wenn ich noch mehr habe, melde ich mich. Und Lois, wenn du was hast, findest du hoffentlich meine Telefonnummer, bevor etwas gedruckt wird."

Lois ignorierte diesen Seitenhieb mit einem Grinsen. Sie fragte Davis noch, ob es schon Ergebnisse von der Gerichtsmedizin gab, worauf er nur trocken lachte und dann verabschiedete sie sich von ihm. Sie hatte jetzt ihre Notizen zu ordnen, das erste Opfer, Gloria Alpert, einundvierzig Jahre alt, Witwe, wohlhabend, lebte allein und genau das war ihr wohl zum Verhängnis geworden. Ihre Ermordung passierte ungefähr eine halbe Stunde nach Mitternacht, was man aus dem Ausschalten der Alarmanlage schließen konnte. Und James Svenson, vierzig, auch alleinstehend, auch wohlhabend. Er starb zwischen ein Uhr und drei Uhr nachts. Ein Täter könnte durchaus beide ermordet haben. Was gab es noch, das die beiden verband, kannten sie sich, wo war die Verbindung? Wenn Lois die entdecken würde, hatte sie eine Chance, dem Täter näher zu kommen. Jetzt musste der Computer helfen.

Fortsetzung folgt...
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Teil 2

Beitragvon Magss » Sa 16. Jun 2012, 13:46

Teil 2


12:36 pm


Clark hatte sich, gleich nachdem er die Redaktion betreten hatte, mit einem Donut bewaffnet, er und Jimmy saßen jetzt am Tisch des Konferenzraumes, Lois ging auf und ab. Sie hielten, wie vereinbart ihre interne Mittagskonferenz ab.

Als erstes berichtete Jimmy von seinen Resultaten von dem Besuch bei Millers & Glas und davon, dass es in den vergangenen Wochen keinen ähnlichen Einbruch gegeben hatte und dass er nicht glaubte, dieser Einbruch würde sich für den allgemeinen Sicherheitsartikel, den sie schreiben sollten, eignen. Er glaubte vielmehr, dass die Einbrecher ganz genau wussten, was sie dort fanden. Vielleicht sogar ein Auftragsdiebstahl. "Vielleicht baut sich da jemand eine 'Super-Super-Waffe' zusammen. Aber mein Auto würde ich nicht drauf verwetten...", winkte Jimmy ab. Nur leider gab es überhaupt kein Hinweis auf die Täter, keine Überwachungs¬kamera, keine Spuren und natürlich keine Zeugen.

Dann bedeutete Lois Clark mit einem Nicken, dass er berichten sollte. Er knüllte das Papier seines Donuts zusammen und erzählte: "Es war leider wenig ergiebig, die Frau, ich habe sie kurz auf der Polizeiwache getroffen, kann sich praktisch an nichts mehr erinnern. Sie war vor Angst so gelähmt, dass sie zu dem Hergang und ganz besonders zu dem Täter nichts sagen kann. Sie war sich nur sicher, dass es ein Mann war. Der soll sich von hinten an sie herangeschlichen haben, sie dann gepackt und hinter einen Busch gezogen haben. Sie hatte Angst, er würde sie vergewaltigen und hat in Panik die Augen geschlossen. Der Täter hat ihr den Schal abgenommen und war dann ganz plötzlich weg. Vielleicht hat er irgendetwas gehört. Wir wissen es nicht. Als sie die Augen einen kurzen Moment später wieder öffnete, war niemand mehr zu sehen." Clark zuckte die Schultern. "Sie geht sicher nie wieder alleine durch den Park. Das ist aber auch besser so." Das Schicksal dieser Frau schien Clark sehr zu berühren, die Angst muss schrecklich gewesen sein.

Lois hielt in ihrer Lauferei inne. "Das passt doch viel eher zum Thema allgemeine Sicherheit. Aber das brauchen wir ja jetzt noch nicht entscheiden. Aber vielleicht passt es auch eher zu meinem Fall, nichts gestohlen, keine Gegenwehr. Womöglich gehören ja die beiden Mordfälle und der Überfall im Park zusammen." Lois grinste entschlossen, dann ging sie wieder auf und ab.

Clark sah Lois mit einem mitleidigen Lächeln an. "Vielleicht gehören die drei Fälle überhaupt nicht zusammen. Vielleicht sind sie genau das, wonach es auf den ersten Blick aussieht, drei Fälle, die nichts miteinander zu tun haben."

"Hm..." Wie konnte Lois ihm das jetzt am besten plausibel machen? Es gab da ein Gefühl in ihrem Inneren, dass hier irgendwo ein Zusammenhang war, sie wusste es einfach. "Intuition?"

Clark schüttelte seinen Kopf und verdrehte die Augen.

"Was? Traust du meinem Gefühl nicht?" Lois baute sich vor Clark auf, Hände in die Hüften gestützt.

Woraufhin Clark lachte. "Mehr als sonst jemand auf dieser Welt. Aber wenn du schon wieder mehrere Fälle zusammen gehen siehst, will ich einfach nicht, dass DER Fall dann zu groß wird."

Clark war süß, immer machte er sich Sorgen. "Großer Fall, große Möglichkeit damit einen Preis zu gewinnen." Dass Clark auf diese Bemerkung hin die Augen verdrehte, nahm sie amüsiert in Kauf.

Der nächste Schritt war, noch mehr Informationen zu sammeln, im Zweifel war es immer besser soviel Informationen wie möglich zu haben und vielleicht käme ihr ja noch etwas unter, womit sie Clark eindeutig beweisen konnte, dass es hier einen Zusammenhang gab. Also machten sie sich fürs Erste wieder an ihre Schreibtische und Telefone.


4:25 pm

Lois legte ihren Telefonhörer auf und schloss kurz die Augen. Sie hatte die letzten Stunden ununterbrochen am Computer gesessen und sich durch viel zu kleine Schrift gekämpft. Inzwischen verfluchte sie den Fall, der ihr anfangs so spannend erschienen war. Keine Tatortbesichtigung, keine Zeugenbefragung, keine Verfolgungsjagd, nichts, nur langweilige Protokolle und Archivrecherche. Und genau genommen hatte sie immer noch nichts, nichts Spannendes, keine wirklich packende Story. Alles was sie bisher geschrieben hatte, war eher nur ein Bericht über die Polizeiermittlung und die hatten auch nichts.

Das einzig Interessante, was Jimmy, Clark und sie herausgefunden hatten, war, dass es in den letzten Wochen noch andere Einbrüche in der Stadt gegeben hatte, bei denen nichts gestohlen worden war. Meist waren es nur kleine Artikel im Daily Planet gewesen. Die Ähnlichkeiten waren niemandem aufgefallen, wie auch, keine zwei dieser kleinen Artikel wurden von dem gleichen Reporter geschrieben. Es war erschreckend, dass ein Mord in Metropolis nur eine Randnotiz wert war. Dafür lagen die Gemeinsamkeiten auf der Hand, Alarmanlagen wurden scheinbar leichtfertig umgangen, die Polizei wusste aber niemals wie und nie gab es Zeugen. Und Bewohner, die die Einbrecher vielleicht überrascht hatten und dann ohne Gegenwehr zu Tode gekommen waren, gab es bereits mehrere. Und immer kamen diese Menschen durch Stichverletzungen im Halsbereichs ums Leben. Aber für einen Serienkiller war das alles viel zu unstrukturiert, die morden doch eher pedantisch nach dem gleichen Schema. Vielleicht sollten sie mal mit einem Profiler darüber reden, Davis wollte davon nichts wissen. Aber wie auch immer, nach vier Uhr würde sie ganz sicher keinen Profiler mehr ans Telefon bekommen. Zwischen den Opfern gab es scheinbar keine Zusammenhänge, bis auf die Tatsache, dass sie ähnlich blutig verstorben waren. Sie kamen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, schwarze und weiße, Männer und Frauen, Alte und sogar Kinder, meist Menschen die alleine lebten. Aber es waren mehr Frauen als Männer. Meist sehr schöne Frauen. Es gab kein Muster zu entdecken. Oder sie hatten es einfach noch nicht entdeckt. Gemeinsam war allen, dass sie sich offensichtlich nicht gewehrt hatten, nirgendwo hatte es Kampfspuren gegeben. Es war scheinbar nie etwas gestohlen worden, was die Morde unheimlich machte. Worum ging es hierbei? Lois war sich ganz sicher, dass es zwischen den Opfern eine Verbindung geben musste, die dann vielleicht, wenn sie sie erst mal entschlüsselt hatte, zu dem Täter führen würde. Vielleicht hatten sie alle mal am gleichen Ort gewohnt und es verband sie ein Geheimnis. Oder sie gehörten alle irgendeiner kuriosen Vereinigung an. Oder vielleicht waren sie alle entfernte Familienmitglieder. Oder, oder, oder... Aber das würde sie erst morgen klären, dann würde sich vielleicht irgendeine dieser Vermutungen in eine Spur verwandeln, die sie in einen Artikel einbringen konnte. Lois brauchte jetzt eine Aufmunterung.

Sie stand auf und ging zu Clark. Er tippte seinen Bericht über den Überfall im Park und hatte noch einige andere Überfälle der letzten Zeit mit eingestrickt. So bekam Perry seinen Artikel über die allgemeine Sicherheit auf den Straßen Metropolis' und die Frage, ob sich das in letzter Zeit geändert hatte, schlimmer geworden war, noch für die Abendausgabe.

Lois stellte sich hinter Clark und schmiegte sich an seinen Rücken, dann fuhr sie ihm mit den Händen über die Schulter. Wie so oft, hatte Clark hinter seinem rechten Ohr einen Bleistift stecken. Und auf der anderen Seite ließ Lois ihre Hand zu seinem Ohr gleiten, dann fuhr sie ihm durch die Haare. Clark genoss es offensichtlich, dass sie ihm durch die Haare fuhr, er legte seinen Kopf etwas zurück, lehnte sich gegen sie und gab Lois ein genießerisches "Hmm...", so leise, dass nur sie es hören konnte. Dieser Augenblick gehörte nur ihnen, für einen Moment hörte die Welt um sie herum auf zu existieren. Auch Lois genoss es, ihn einfach nur zu berühren, ihm nah zu sein. Es wurde wirklich Zeit, dass sie endlich heirateten und sich auf allen Ebenen kennen lernen konnten.

Lois rief sich zur Ordnung, sie waren im Redaktionsbüro, um sie herum waren mehr als zwanzig Menschen.

Und Perry wollte Ergebnisse haben. Aber das, was Jimmy und sie zu bieten hatten, reichte gerade mal für einen kurzen Bericht, der dann auf Seite zwölf bis fünfzehn wieder zu finden war. Clarks Artikel würde es vielleicht auf Seite drei bis vier schaffen.

Gelassen sagte Lois zu Clark, der gerade seinen Text abschloss und zu Perry schickte: "Man kann nicht jeden Tag eine pulitzerverdächtige Story abliefern. Aber wer weiß, was sich morgen ergibt. Lass uns Schluss machen für heute."

Clark fuhr seinen Computer runter. "Hast du Hunger?"

"Ich könnte einen Bären verschlingen." Lois sah ihn gespannt an.

"Dann sollten wir zu mir gehen, oder hast du etwas Essbares im Haus?"

Lois ging davon aus, dass er ihre Notfallration Schokoeis und Nussschokolade jetzt nicht meinte und schüttelte den Kopf. Sie lächelte ihn verschmitzt an. Die Aussicht, dass Clark für sie kochte, würde nach dem enttäuschenden Fall sicher das Highlight des Tages werden.


Tag 2, Montag 30. April 1996, 8:12 am

Metropolis erstrahlte an diesem Morgen frühlingshaft, der Himmel war blau, die Luft war klar und selbst der Verkehrslärm schien heute weniger laut zu sein. Doch Lois ließ sich dadurch nicht aufheitern, sie erschien alleine in der Redaktion. Clark ging wahrscheinlich seiner 'Nebenbeschäftigung' nach, jedenfalls hatte er sie heute morgen nicht abgeholt. Etwas hektisch stürmte sie gleich zu ihrem Schreibtisch, sie wollte vor Beginn der Morgenbesprechung möglichst noch alle Pressemitteilungen durchsehen, ob es zu ihren Fällen etwas neues gab. Wenn Perry gleich seine Besprechung beginnen würde, wollte sie vorbereitet sein. Und sie war vorbereitet. Sie hatte bereits von ihrem Apartment aus ein Telefonat mit Davis geführt, auch in dieser Nacht hatte es wieder zwei Einbrüche gegeben in Häuser, dessen Besitzer nun tot waren, erstochen, in den Hals. Das Morden ging weiter. Sie musste heute unbedingt versuchen mehr über die Opfer herauszufinden, aber inzwischen waren es mit den Fällen aus den vorigen Wochen vierzehn.

Auch Jimmy war schon seit fast zwei Stunden in der Redaktion und recherchierte in Absprache mit Lois alles was er finden konnte zu Soft Technics. In dieser Firma hatte es in der vergangenen Nacht auch einen Einbruch gegeben.

Lois dachte immer wieder über die gleichen Fragen nach, was verband die Opfer? Warum immer eine Stichverletzung im Hals? Warum hatte sich niemand gewehrt? Als sie plötzlich von Clark aus ihren Gedanken gerissen wurde, er stand hinter ihr und mit einem leisen "Guten Morgen" gab er ihr einen zarten Kuss auf den Hals.

"Wo bleibst du nur, Perry wartet schon auf uns?", fragte Lois ungeduldig.

Leise antwortet Clark: "Ich bin heute schon weit herum gekommen."

"Wo warst du denn?", fragte Lois lächelnd.

"Ein Tankerunglück vor der ostafrikanischen Küste und in Südfrankreich ist ein Fluss über die Ufer getreten." Dann nahm sich Clark erst mal zwei Donats und einen Kaffee.

Lois lächelte ihn an. "Und scheinbar alles vor dem Frühstück", Clark nickte darauf nur, "okay, lass uns gehen. Wir werden heute einiges zu tun bekommen, unsere beiden Fälle von gestern haben eine Fortset¬zung."

Nur wenige Augenblicke später das übliche Stühlerücken im Konferenzraum, bis Ruhe herrschte. Perry sah in die Runde, ließ seinen Blick kurz über seine Mitarbeiter kreisen, sah jeden einzelnen kurz an. Dieser intensive Blick sicherte ihm die volle Aufmerksamkeit. "Nun, was haben wir denn heute? Lois, Clark, Jimmy? Irgendetwas Neues zu den Aufhängern von gestern? Oder sollten diese kleinen Berichte, Artikel möchte ich es mal nicht nennen, schon alles gewesen sein?"

Lois beobachtete amüsiert, wie Jimmy unter dieser Ansprache ihres Chefredakteurs erschrocken aufblickte. Aber das wunderte sie nicht, sie wusste zwar seit langem, dass Perry gerne mal laut bellte, aber nie wirklich zubiss. Doch Jimmy war jetzt genau an der Schwelle, wo er gerade anfing, eigene Artikel zu schreiben, da wollte er es natürlich besonders gut machen. Aber das, was Jimmy und sie selbst gestern geschrieben hatten, war nicht wirklich Qualitätsarbeit, nicht die große Enthüllung, es war eher der Prolog für den wirklich großen Artikel, der noch kommen sollte - und der sich ja auch gleich heute morgen weiter entwickelte, genau so, wie Lois es vorausgesagt und auch gehofft hatte. Einzig Clark hatte den erwarteten Artikel über die allgemeine Sicherheit auf Metropolis' Straßen geliefert.

Doch bevor Perry jetzt noch weiter bohrte, musste Lois natürlich Stellung beziehen, sie hatte schließlich auch einen Ruf zu verlieren und 'kleine Berichte' konnte sie nicht auf sich sitzen lassen. "Perry, mehr war gestern einfach nicht zu machen. Aber heute Nacht hat es wieder zwei Einbrüche mit zwei Toten gegeben. Ich habe auch schon mit Davis gesprochen, der noch am Tatort ist. Da wollte ich gleich mit Clark hin. Ich kann sowieso besser schreiben, wenn ich mir selber ein Bild machen kann." Sie sah Clark an und bat ihn stumm um Unterstützung.

Clark ergänzte dann, während er kurz auf die Notizen blickte, die Lois ihm gereicht hatte: "Chef, es ist wirklich das gleiche Muster, Alarmanlage ausgeschaltet, keiner weiß bisher wie, Stichwunde am Hals, keine Kampfspuren und scheinbar nichts gestohlen. Wir brauchen einfach noch etwas Zeit um alle Fakten zusammen zu bekommen."

"Ganz genau, aber dann wird auch eine wirkliche Story draus", Lois nickte, um das Gesagte zu untermauern, "Außerdem gibt es auch in der Sache um die Computerfirma etwas Neues - Jimmy." Damit gab sie das Wort an Jimmy weiter. Sie wusste genau, dass Jimmy außer der Pressemeldung schon etliches an Hintergrundmaterial recherchiert hatte.

Jimmy trug ruhig und gelassen die Informationen vor. Er war gut vorbereitet. "Auch hier haben wir ein wiederkehrendes Muster, ein Einbruch in eine Computerfirma, Soft Technics, die entwickeln Sofwarebeschleunigung. In dieser Firma gab es aber eine gute Alarmanlage, kaum verwunderlich, sie lieferten ihre Software unter anderem ans Militär, aber die Einbrecher schienen sich gut auszukennen, sie haben die Anlage gezielt überbrückt. Das Verbindende mit dem Fall von vorletzter Nacht scheint die Geschwindigkeit zu sein. Irgendjemand braucht etwas um seine Anlage schneller zu machen. Und zwar richtig schnell; vielleicht will ja jemand ins All fliegen..."

"Gut, gut, ihr drei, ihr macht da einfach weiter. Heute Nachmittag hätte ich gerne einen Zwischenbericht." Mit diesen Worten entließ Perry Lois, Clark und Jimmy. "Sam und Gina, nun zu dem Börsenbericht..." Doch da hörten sie schon nicht mehr zu und verließen den Konferenzraum.

Fortsetzung folgt...
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Teil 3

Beitragvon Magss » So 17. Jun 2012, 13:32

Teil 3


9:37 am


Kurze Zeit später waren Lois und Clark auf dem Weg zu der Behausung eines der Opfer der letzten Nacht. Lois sah an dem Haus hoch und schlagartig war das frühlingshafte dieses schönen Morgens wie weggeblasen denn nur beim Anblick des Hauses fröstelte sie bereits. Es lag im hinteren Teil eines großen Grundstücks und war von vielen Bäumen umgeben. Diese großen Bäume nahmen aber auch jedes Licht, so dass das Haus vollkommen im Schatten lag, selbst tagsüber musste man im Haus sicher überall das Licht einschalten. Hier lebte bis gestern Roger Ocean. Heute war er tot. Wie schon in den vorangegangenen Fällen, sah es so aus als hätte er nachts einen Einbrecher bemerkt und wäre dann von diesem erstochen worden. Doch trotz der fast unheimlichen Atmosphäre, die das Haus ausstrahlte, wollte Lois es von Innen sehen, sie musste sich einfach selber ein Bild machen. Clark klingelte an der Haustür und die Tür öffnete sich gleich darauf. Lois versuchte ihren Schrecken zu verbergen und Clark zeigte sein charmantestes Lächeln. Ein weiblicher Officer, eine Frau, deren körperliche Ausmaße an sich schon bedrohlich wirkten, versperrte ihnen den Zugang mit den Worten: "Keine Presse!", die sie ihnen böse entgegen schleuderte. Die angehefteten Presseausweise an ihren Revers mussten sie wohl verraten haben.

"Hören Sie Officer... Heavers", las Lois auf ihrem Namensschild, "wir möchten zu Inspektor Davis, er weiß Bescheid, dass wir kommen, wir haben heute morgen schon telefoniert, Lois Lane und Clark Kent, Daily Planet." Versuchte es Lois so charmant wie es nur ging.

Heavers schien keinen guten Tag zu haben, jedenfalls bemühte sie sich redlich, ihre schlechte Laune sehr deutlich zum Ausdruck zu bringen. "Davis ist nicht mehr hier. Aber er hat gesagt, dass Sie kommen. Ich soll Sie reinlassen. Ich weiß zwar nicht, was das soll, Presse ist eigentlich nicht zugelassen..." Damit machte sie den Weg frei und ließ sie eintreten. Heavers zeigte dann noch stumm auf die hinterste Tür und zog sich in die Küche zurück.

Lois und Clark kamen in einen Flur, in dem sie im ersten Moment gar nichts sehen konnten, weil er so dunkel war. Kein Fenster erhellte ihn und Lois lief unwillkürlich ein Schauer über den Rücken. In diesem Haus war vor wenigen Stunden ein Mord passiert und jetzt stand sie hier in fast vollständiger Dunkelheit und konnte sich kaum orientieren. Es gab drei offen stehende Türen, die in angrenzende Zimmer führten. Doch auch durch die offenen Türen kam viel zu wenig Licht, denn auch die Zimmer lagen im Halbdunkeln durch die großen Bäume vor den Fenstern, wie sie mit einen Blick in die halbdunklen Zimmer feststellen konnte. Und an der Decke hing eine einsame Lampe, der aber eine Glühlampe fehlte. Doch nach einem kurzen Moment hatten sich Lois' Augen soweit an die Dunkelheit gewöhnt, dass sie nach und nach immer mehr erkennen konnte.

Gleich rechts ging es durch die erste Tür in die Küche. Diese wirkte recht zweckmäßig eingerichtet und mit den farblos-Beigen Fronten der Einbauküche etwas kühl. An dem schmucklosen Esstisch saßen jetzt die Polizeibeamten und Officer Heavers, die scheinbar gerade nichts zu tun hatten und tranken einen Kaffee. Gelangweilt schauen zwei von ihnen auf als Lois hereinschaute. Heavers hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah sie provozierend an.

Die zweite Tür ging in eine Art Arbeitszimmer. Der düstere Eindruck setzte sich auch in diesem Raum fort. Die Wände des Zimmers waren bis unter die Decke mit Schränken voller Bücher voll gestellt, die etwas Erdrückendes ausstrahlten, der Raum wirkte dadurch kleiner, enger als er war. Auch dieser Raum wirkte zweckmäßig und lieblos, nicht eingerichtet sondern praktisch eingeräumt. Einzig ein großer Ohrenbackensessel neben einer Leselampe zeugte von einer gewissen Gemütlichkeit. Aber die Armlehnen waren vom häufigen Darüberstreichen abgewetzt, er hatte seine beste Zeit schon lange hinter sich.

Die letzte offene Tür führte sie wohl in das Wohnzimmer. Lois sah von der Tür aus hinein und blieb wie angewurzelt stehen, sie war schockiert, Mr. Ocean lag noch auf dem Boden! Umrandet von den weißen Kreidestrichen, die die genaue Position der Leiche markierten. Lois hatte nicht damit gerechnet, Mr. Ocean noch zu sehen. Während sie mit Clark langsam und sehr zögerlich in das Zimmer ging, hielt sie sich krampfhaft an Clarks Hand fest, Dann rief Officer Heavers laut und ungerührt aus der Küche: "Nichts anfassen! Das ist ein Tatort." Lois erschrak bei diesen Worten Heavers, denen jede Spur von Pietät fehlten. Heavers sagte dann noch etwas zu ihren Kollegen, was Lois aber nicht verstand. Sie hätte sicher Clark fragen können, aber es klang nicht gerade freundlich und sie konnte sich auch so denken, was es wohl war, also beschloss sie, dass sie es gar nicht hören wollte.

Lois wollte sich nicht von solchen Nebensächlichkeiten ablenken lassen und versuchte sich auf das zu konzentrieren, was sie vorfanden.

Mr. Ocean war laut des Gesprächs mit Davis fünfzig Jahre alt und hatte alleine gelebt. Und jetzt lag er auf dem Boden seines Wohnzimmers auf dem Bauch und glücklicherweise mit dem Gesicht nach unten. Schlimm genug, dass er noch hier lag, aber Lois war froh, nicht auch noch seine vielleicht noch offenen Augen sehen zu müssen oder sein vielleicht schmerzverzerrtes Gesicht. Er passte in diese Räume, oder diese Räume passten zu ihm. Auch seine Kleidung hatte etwas Liebloses und Farbloses an sich, er trug eine braune Hose und einen grauen Pullover. Ganz zu schweigen davon, dass er sehr blass war, aber er war ja auch tot. Seine Körperhaltung ließ den Eindruck entstehen, er läge entspannt auf dem Boden, so als würde er gleich wieder aufstehen wollen.

Zwei Dinge machten Lois wirklich zu schaffen, der süßliche Geruch nach Blut in diesem Raum und die kleine Blutlache neben seinem Kopf, oder genauer gesagt auf der Höhe seines Halses. Dieser Geruch war ihr schon beim Betreten des Hauses aufgefallen und je näher sie Ocean gekommen waren, desto stärker wurde er. Ihr Magen zog sich zusammen und sie spürte, wie ihr der kalte Schweiß auf die Stirn trat.

Aber Lois wollte keine Schwäche zeigen; dies war ein Tatort, wie Heavers ihnen gesagt hatte, aber sie waren hier, um sich ein besseres Bild von den Fakten zu machen, obwohl Lois plötzlich das Gefühl hatte viel zu viel gefrühstückt zu haben. Sie bemerkte einen vermehrten Speichelfluss und schluckte schwer. Doch sie ignorierte diese Symptome und beugte sie sich in Höhe des Halses zu Mr. Ocean herunter und sah sich die tödliche Wunde genauer an. Davis hatte von einer Stichwunde gesprochen, aber sie sah nicht einen sondern zwei Einstiche, nur wenige Zentimeter voneinander entfernt und mit einem Durchmesser von etwa einem halben Zentimeter. Soweit Lois' anatomische Kenntnisse sie nicht trogen, waren sie auch tatsächlich genau dort, wo der Mensch seine Hauptschlagader hatte. Aber wenn jemand Mr. Ocean mit zwei Stichen in die Hauptschlagader getötet hatte, müsste dann nicht das Blut geradezu heraus gespritzt sein? In den Filmen war das zumindest immer so.

Plötzlich hatte Lois das Gefühl, dass die Luft zum Atmen in dem Zimmer immer dünner wurde und ihr Magen rebellierte inzwischen unverkennbar. Sie musste hier raus! Sofort! Schnell ging sie durch den dunklen Flur und trat vor die Tür. Nur wenige Augenblicke später war Clark bei ihr.

Mit einem besorgten Blick fragte er sie, "Liebes, ist dir nicht gut?"

Lois lehnte sich mit dem Rücken an die Hauswand, ihr war schlecht, ihr war schwindelig und ihre Knie waren ganz weich. Frische Luft, das tat so gut. "Sprich leise. Die da drinnen müssen doch nichts mitbekommen." Sie fuhr sich mit der Hand über ihre kaltschweißige Stirn.

Leise setzt Clark dann nach: "Besser jetzt? Du bekommst jedenfalls schon wieder Farbe um die Nase." Er sah sie besorgt an.

Lois atmete tief durch. "Ja, besser. Hast du irgendwelche Spuren finden können, oder irgendetwas gesehen?" Es ging ihr mit jeder Sekunde besser.

Clark blickte Richtung Küche und sagte dann leise, so dass die Polizisten es sicher nicht hören konnten. "Nichts. Ich habe nichts gefunden, was da nicht hingehört. Keine Spuren, keine Haare, nicht mal Schuppen, außer denen von Mr. Ocean selbst. Es ist, als wäre niemand Anderes in diesem Raum gewesen."

Lois ging es inzwischen deutlich besser, ihr Magen hatte sich inzwischen beruhigt und der Schwindel war glücklicherweise auch wieder weg. "Clark, warum meinst du hat er zwei Einstiche? Sieht aus, als hätte ihn jemand mit einer Gabel erstochen. Oder eine Schlange? Wer macht so etwas, Satanisten? Meinst du, er wurde betäubt? Ist er an der Stelle gestorben, wo er jetzt liegt?"

"Soweit ich das beurteilen kann, ja. Er wurde nicht bewegt, nachdem er verstorben ist. Die Leichenflecken stimmen mit seiner jetzigen Position überein."
Lois hakte Clark unter. "Hm, lass uns in die Redaktion fahren. Ich muss von diesem Haus weg. Es ist unheimlich hier." Noch im Gehen schüttelte sie sich, um das schaurige Gefühl loszuwerden.


10:25 am

Wieder in der Redaktion angekommen, versorgte Clark Lois erst einmal mit Kaffee und einem Donat. Im Nachhinein betrachtet war Clark nur froh, dass diese Tatortbesichtigung erst heute stattgefunden hatte. Gestern wäre Lois womöglich alleine dort hingefahren, während er noch die Frau aus dem Park befragt hatte. Und ganz so taff, wie sie sich selber gerne sah, war sie eben doch nicht.

Aber Kaffee und der Schokodonat wirkten Wunder, jedenfalls war sie lange nicht mehr so blass.

Clark fand auf seinem Schreibtisch eine Notiz von Jimmy, dass er noch etwas Zeit bräuchte und wohl erst mittags wieder in der Redaktion sein würde.

Während sich Lois weiterhin daran machte, das verbindende Element zwischen den verschiedenen Opfern heraus zu finden - sie war immer noch der Überzeugung, dass sie das dem Täter näher bringen würde - rief Clark in der Gerichtsmedizin an, vielleicht würden sie von dort noch zusätzliche Informationen erhalten. Auch hier hatten sie wirklich unglaubliches Glück. Neben Davis, der keine Hemmungen hatte mit der Presse zusammen zu arbeiten, ganz besonders wenn diese als Lane und Kent daherkamen, war Watkins der zuständige Gerichtsmediziner in diesem Fall. Er war nicht nur bereit, mit der Presse zusammen zu arbeiten, sondern tat das auch noch gerne, besonders, wenn es Lane und Kent waren.

Clark wusste allerdings, Lois beschränkte den Kontakt mit ihm am liebsten auf das Telefon, Watkins hatte einen recht trockenen Humor, den sie mochte, aber sie hatte ihn schon zwei-, dreimal in einer Aufmachung gesehen, die schon fast ekelerregend war. Watkins war ein netter und ausgesprochen schlauer Mensch, aber mit vierzig hatte er kaum noch Haare, war eher der blässliche, blonde Typ und hatte sehr große, leicht hervortretende blassblaue Augen. Vielleicht litt er an der Basedowschen Krankheit. Wenn er dann noch diese grüne Plastikschürze und seine weißen Gummistiefel anhatte und blutverschmiert auf sie zukam, war das alles andere als appetitlich. Clark konnte es vollkommen verstehen, dass Lois mit ihm lieber nur telefonierte. Doch heute sollte Clark mit Watkins in Kontakt treten.

"Watkins, was haben Sie für uns? Irgendetwas Interessantes?"

"Oh ja, etwas sehr Interessantes, Olivia Barnes, das erste Opfer aus dieser Nacht in Davis' Fall, sie ist siebenunddreißig Jahre alt und sie ist tot. Aber das ist auch gut so, sonst läge sie hier bei mir auf dem falschen Tisch. Für die Lebenden sind die Ärzte da. Aber Spaß beiseite. Sie war kerngesund, keine koronaren Vorerkrankungen, Herzinfarkt durch Schock schließe ich aus. Ihre letzte Mahlzeit waren gedünstete Karotten und Salzkartoffeln. Ist das nicht furchtbar? Kent, was würden Sie essen, wenn Sie wüssten, es wäre Ihre letzte Mahlzeit?", Clark konnte vor seinem inneren Auge sehen, wie sich Watkins bei der Vorstellung an Karotten und Kartoffeln schüttelte.

Bei dieser Vorstellung lachte Clark. "Nun, ganz sicher nicht Karotten und Kartoffeln. Ohne Soße? Ohne Fleisch?"

"Ja. Das war sicher so ein Diätfertigessen. Keine Kalorien, kein Geschmack und garantiert kein Genuss. Dazu Pfefferminztee. Natürlich, kein Rotwein, kein Dessert. Aber das liegt wohl auf der Hand, wer nur Karotten und Kartoffeln isst, wird doch kein Dessert schlemmen. Wie auch immer.", dies sagte er recht provozierend, um dann sachlich fortzufahren, "Genauso wie bei den anderen Fällen aus der letzten Nacht auch schon, keine Kampfspuren, keine abgebrochenen Nägel, keine Hautfetzen unter den Fingernägeln, nichts an den Fingerknöcheln, keine blauen Flecken oder sonstigen Verletzungen, die auf einen Kampf schließen lassen.", er sagte das ganz ruhig und unbekümmert. Er war es bei seinem Berufsalltag schließlich gewohnt, von Toten, von Hautfetzen oder dem Mageninhalt von Opfern zu sprechen.

Clark schrieb alles auf, was Watkins ihm sagte, versuchte dabei aber sich alles, was Watkins ihm erzählte nicht bildlich vorzustellen. "Hat sie ihren Mörder gekannt?"

"Kent, ich bin Gerichtsmediziner, kein Wahrsager. Das müssen Leute wie Sie und Davis heraus finden. Aber eine Sache gibt es noch, die ist interessant: Sie hatte wenig Blut im Körper, weniger als bei der Wunde zu erwarten gewesen wäre. Wie übrigens die anderen Opfer auch, ich habe es nachgeprüft."

Clark notierte sich 'hoher Blutverlust'. "Noch etwas zur Mordwaffe, Watkins?"

"Zwei ähnliche Einstiche, nah beieinander, von etwas mäßig Spitzem, gingen nicht sehr tief, ein, maximal zwei Zentimeter. Was es war - keine Ahnung."

"Watkins, wir sollten wirklich versuchen, bald etwas zu finden, die Regenbogenpresse spricht schon von einem Serienmörder, nennt ihn den Villen-Mörder und versetzt die Stadt damit in Angst und Schrecken." Clark war von dieser Tatsache wirklich besorgt. Eine Massenhysterie half niemanden.

Der Gerichtsmediziner lachte dazu nur trocken. "Kent, woher wissen Sie, was die schreiben? Nehmen Sie diese Revolverblätter etwa in die Hand?" Dann versprach er sich noch einmal zu melden, nachdem er Ocean gesehen hatte.

Clark ging dann zu Lois und erzählte ihr, was Watkins ihr berichtet hatte.

Lois hörte ihm aufmerksam zu, bei den Worten 'wenig Blut im Körper' riss sie entsetzt die Augen auf und sah ihn hilfesuchend an. "Wenig Blut? Clark, das wird immer merkwürdiger. Wir haben die Tatortfotos gesehen und heute morgen bei Ocean war es genauso, da war kaum Blut ausgetreten, wo ist es geblieben? Was hat das jetzt zu bedeuten?" Doch sie bekamen keine Zeit, diesen Gedanken weiter zu führen. Dr. Clyte war hier.


12:13 pm

Clark erkannte Dr. Helen Clyte sofort. Lois und er hatten zwar noch nicht mit ihr zusammen gearbeitet, aber sie war in der Ermittler-Szene durchaus bekannt. Sie war berüchtigt dafür, gerne mal unkonventionelle Wege zu gehen, wenn es erfolgversprechend war. Gerüchten nach zu urteilen war sie die 'Mad Dog Lane' unter den Profilern. Sie soll maßgeblich an der Ergreifung des Knochenjägers von New York beteiligt gewesen sein, genauso an der von Buffalo Bill, oder dem Januar Mann. Und dabei sagte man ihr nach, dass sie niemals laut würde, dass sie immer freundlich und zuvorkommend sein sollte. Für Clark war es besonders spannend, dass Lois und er nun dieser unkonventionelle Weg sein sollten. Es war ihm durchaus klar, dass sie nicht nur im Planet war, um ihnen bei der Ermittlung zu helfen, sie wollte etwas dafür haben. Das war bei den Ermittelnden Behörden eigentlich immer so, die kooperative Zusammenarbeit mit der Presse erkauften sie sich mit Informationen. Ein Gentlemans-Agreement. Aber wenn für beide Seiten etwas dabei herauskam, war es durchaus in Ordnung, außerdem verfolgten sie ja ein gemeinsames Ziel.

Lois machte sie alle miteinander bekannt, während Clark die Zeit nutzte und Helen Clyte beobachtete. Es war wirklich erstaunlich, dass jemand, die schon mehr Serienkiller und Triebtäter verhört hatte als vorstellbar, so sympathisch wirkte. Sie war etwa Ende vierzig und ihr auffälligstes Merkmal waren sicher ihre extrem kurzen Haare, ursprünglich wohl mal schwarz, inzwischen aber von silbrigem Grau durchzogen standen sie ihr igelig und nur einen Zentimeter lang in allen Richtungen vom Kopf ab. Sie hatte ein gewinnendes Lächeln, womit sie Lois und Clark begrüßte und dann senkte sie gelegentlich ihren Kopf und sah einen über ihre Brille hinweg an. Dieser direkte Blick vermittelte Clark sofort das Gefühl von Nähe. Sie war sicher jemand, mit dem sie offen reden konnten. Und sie schien bequeme Kleidung zu bevorzugen, die dunkelblaue Hose und eine ebenfalls blau-gemusterte Wolljacke saßen leger und ließen ihre schlanke Figur nur erahnen.

Den Anlass für dieses Treffen erklärte sie ihnen mit einer warmen und sympathischen Stimme: "Miss Lane, Mr Kent, ich habe Sie um dieses Treffen gebeten, nachdem ich auch schon mit Inspektor Davis gesprochen habe. Er ist der Meinung, dass der 'Alpert-Fall', benannt nach dem ersten Opfer, keine Arbeit für einen Profiler hergibt. Ich bin da anderer Ansicht. Und dann erwähnte Davis, dass Sie auch ältere Fälle mit in ihre Ermittlungen einbeziehen. Darüber würde ich gerne mehr erfahren."

Sie hatten inzwischen im Konferenzraum Platz genommen, um ungestört sein zu können. Clark öffnete den Ordner, den er mit in den Konferenzraum gebracht hatte, ihre 'Ermittlungsakte'. "Sie glauben, wir haben es mit einem Serienkiller zu tun?"

Helen Clyte schenkte ihm so einen Über-die-Brille-Blick und antwortete: "Dafür ist es noch zu früh, Mr Kent. Wissen Sie, meine Aufgabe als Profiler ist es nicht nur einen Serientäter zu identifizieren und seine Festnahme zu beschleunigen, oder ihn zu verhören. Mein erster Ansatz ist es meist überhaupt zu analysieren, ob von einem Serientäter gesprochen werden kann. Davis ermittelt vier Mordfälle aus den vergangenen beiden Nächten. Und Sie?" Jetzt schenke sie Lois diesen Blick.

Lois hatte nicht oft das Glück einen Fall mit so jemand Kompetentem diskutieren zu dürfen; sie hatte ein Funkeln in ihren Augen, während sie ruhig und sachlich antwortete: "Das verbindende Element dieser vier Mordfälle ist die Todesursache, eine Stichwunde im Hals. Und die Opfer haben sich nicht gewehrt, es gibt keine Kampfspuren. Wir haben diese beiden Merkmale als Ausgangspunkt genommen und noch weitere zehn Opfer gefunden. Alle hier in Metropolis, oder metropoliser Vorstädte. Das erste Verbrechen dieser Art fand vor sechs Tagen statt. Alle kamen durch eine Stichwunde im Hals ums Leben und sie haben sich offensichtlich nicht gewehrt. Problematisch ist, dass sie gar nicht alle als Mord eingestuft wurden und somit von unterschiedlichen Polizeieinheiten behandelt werden." Lois reichte Dr. Clyte ihre Aufzeichnungen. Von jetzt an zurückgerechnet hatten in jeder Nacht zwei Menschen ihr Leben verloren und in der ersten Nacht vor sechs Tagen waren es vier Opfer. Clyte nahm sich die Zeit und las die Aufzeichnungen von Lois und Clark sorgfältig und konzentriert durch, dabei blätterte sie gelegentlich vor und zurück.

Nach ein paar Minuten hob sie den Blick wieder und sagte: "Sehr professionell recherchiert. Aber ich glaube nach dieser ersten, flüchtigen Durchsicht muss ich Davis Recht geben. Das Muster ist ähnlich, aber für einen Serientäter, der meist sehr planvoll, ja geradezu akribisch vorgeht, gibt es mir zu viele Abweichungen. Es sieht fast so aus, als hätten wir es mit einer Gruppe von Tätern zu tun, die ähnlich vorgehen."

"Danke für das Kompliment", auch wenn es Lois gefiel das zu hören, konnte sie nicht anders, als ihre Motivation klar zu machen, "aber wir sehen es als unsere Aufgabe, fundiert zu recherchieren. Uns geht es nicht nur um eine fette Schlagzeile für die Titelseite, eine kurzfristige Auflagensteigerung. Wir wollen wissen, was wirklich passiert ist. Sie sagten eine Gruppe?!", Lois sah erst Clyte und dann Clark an. "Sie meinen wir haben es hier mit einem Ritualmord zu tun?"

"Nein, ich denke eher nicht. Es fehlt das Ritual, wenn Sie verstehen, was ich meine. Haben Sie eine Idee, was die Opfer verbindet?"

Clark suchte ein bestimmtes Blatt Papier aus dem Ordner, der vor ihm lag, heraus. "Wir suchen nach diesem verbindenden Element seit gestern morgen, Herkunft, Beruf, Zugehörigkeit zu Kirche, Vereinen oder Parteien, Freizeitaktivitäten, Irgendetwas - aber bisher nichts. Es waren neun Frauen und fünf Männer. Je drei gehörten der selben Kirche an, zwei haben sich für Greenpeace engagiert, zwei von ihnen waren Anwälte, vier waren schwarz, zwei Südstaatler, zwei von der Ostküste und zwei von der Westküste als Geburtsort. Ob nur die vier, die Davis ermittelt oder alle vierzehn, diese Personen kennen sich nicht, haben kein gemeinsames Interesse, sind sich nie begegnet. Sie haben einfach nichts gemeinsam." Clark machte ein zerknirschtes Gesicht. "Aber wir werden weiter in dieser Richtung forschen. Es muss etwas geben, was die Opfer verbindet."

"Nun Mr. Kent, sollten Sie in dieser Richtung noch irgendetwas finden, sollten Sie sich auf jeden Fall mit Davis absprechen oder Sie rufen mich direkt an. Sie wissen ja, dass er recht vernünftig sein kann. Ich bin eigentlich froh, fürs Erste keinen weiteren Anhalt für einen Serientäter finden zu können. Sollten sich neue Fakten ergeben, sprechen wir noch einmal miteinander."

Dann verabschiedeten sie sich voneinander. Clarks "Tolle Frau", nachdem sie gegangen war, brachte ihm von Lois einen Stoß in die Rippen ein, der ihm aber nur ein Lächeln entlockte.

Fortsetzung folgt...
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Teil 4

Beitragvon Magss » Mo 18. Jun 2012, 20:18

Teil 4


1:38 pm


Ihr Mittagsimbiss bestand aus zwei großen gemischten Salaten, die sie in einer Salatbar bestellt hatten. Lois aß schon eine ganze Weile in ihren Gedanken versunken. Sehr konzentriert und in sich gekehrt pickte sie sich bestimmte Zutaten auf ihrer Gabel zusammen. Clark war sich sicher, sie brütete mindestens einen Gedanken aus. Und je länger dieser Zustand anhielt, desto verrückter konnte es werden, was Lois dann ausbrütete. Clark würde einfach abwarten, was das für ein Gedanke sein würde. Denn so verrückt er sein mochte, auf Lois Reporterinstinkt hatte er sich bisher immer verlassen können.

Während sie die letzten Reste der Salatsoße mit einem Stück Weißbrot aufnahm, ließ sie ihn an ihren Gedanken teilhaben. "Clark... aber nein, der Gedanke ist zu abwegig." Aber Clark gab ihr zu verstehen, dass sie fortfahren sollte. Wenigstens anhören wollte er ihren Gedanken. "Also... Blutarmut, jeweils zwei Löcher am Hals, wie von einem Schlangenbiss, keine Gegenwehr... Ich frage mich, ob es vielleicht doch Vampire gibt. Nicht die fliegenden Menschen, die die Nacht in Gräbern schlafen. Aber jemand könnte doch Vampirfledermäuse abgerichtet oder gentechnisch manipuliert haben. Nur wozu? Aus Lust am Töten? Was meinst du?" Sie sah ihn gespannt aber auch etwas skeptisch an.

Gentechnisch manipulierte Vampirfledermäuse von der Größe eines mittleren Hundes, wenn man die Größe der 'Bissstellen' in Betracht zog? Abwegig ja, aber es war nicht das erste Mal, dass sie es mit abwegigen Gegnern zu tun hatten. "Lois, ich bin bereit, jeder Spur nachzugehen. Wir sollten mit Jimmys Hilfe versuchen herauszufinden, ob jemand Experimente mit Vampirfledermäusen macht."

Lois schien froh zu sein, dass er sie nicht ausgelacht hatte, aber bei der Vorstellung schien es sie zu schütteln. Clark sah sie an und lächelte, sein "Uh-uh" und seine ausgebreiteten Arme, wie zum Flug, fand sie scheinbar nicht lustig, aber auch sein Lächeln kam nicht wirklich von Herzen.

Als sie kurz darauf wieder in der Redaktion eintrafen, war auch Jimmy wieder da. Er saß an seinem Schreibtisch und sortierte seine Notizen, während Lois und Clark auf ihn zukamen. "Okay, wollt ihr hören, was ich habe?" Beide nickten sie.

"Gut. Das Verbindende zu dem Fall von gestern ist die Geschwindigkeit. Ich habe das Gefühl", hier stockte Jimmy und sah erst Clark dann Lois unsicher an, bevor er fortfuhr, "wenn ich denn von meinem Gefühl reden darf... Ich würde sagen, da will sich jemand einen wirklich schnellen Computer zusammen bauen. Wofür er oder sie den auch immer braucht, das könnte wirklich alles mögliche sein. Also, die noch in der Entwicklung befindliche, aber voll einsatzfähige Beschleunigungs¬software wurde geklaut. Dazu haben die Einbrecher die Alarmanlage deaktiviert. Aber niemand weiß, wie sie das gemacht haben, weder die Polizei noch die Leute von der Sicherheitsfirma. Ansonsten das gleiche wie gestern auch, keine Spuren, keine Bilder einer Überwachungskamera, keiner hat etwas gesehen. Und meine Recherchen haben auch noch nichts ergeben. Es tut mir leid, das ist leider alles." Jimmy wirkte über den Umstand, dass er nicht mehr zu berichten hatte, betrübt.

"Ist okay Jimmy, wir haben in unserer Sache doch auch noch nicht mehr. Irgendwie stockt es gerade." Lois ließ ihren Blick gedankenverloren durch den Raum gleiten. "Ich hasse es, wenn nichts passiert!"

Clark sah Lois noch einen kurzen Moment fragend an und dann sagte er zu Jimmy gewandt: "Bleib einfach dran. Wir würden dich bitten für uns eine Recherche zu machen. Vielleicht bringt dich das auf andere Gedanken. Manchmal hilft es einem, neue Ideen zu bekommen. Versuche doch bitte herauszufinden ob es jemanden gibt, der hier in Metropolis oder im weitesten Sinne in diesem Teil des Landes, Vampirfledermäuse beforscht, vielleicht gentechnisch manipulierte, abgerichtete oder... ich weiß nicht so genau, wir suchen auf jeden Fall nach großen Tieren." Clark blickte Lois an, ob sie noch etwas ergänzen wollte, aber sie nickte nur.

Doch Jimmy sah Clark an, als hätte er einen Scherz gemacht. "Vampir-Fledermäuse?!", fragte er ungläubig. "Ihr macht einen Scherz... Ihr glaubt doch nicht, die Löcher in den Hälsen der Opfer könnten von Tieren stammen? Hm, wohl doch, also Vampirfledermäuse."

Während sie den kopfschüttelnden Jimmy in Ruhe seine Arbeit machen ließen, gingen Lois und Clark zu ihren Schreibtischen, sie wollten noch mal alle an dem Fall ermittelnden Personen anrufen, allen voran Inspektor Davis und den Gerichtsmediziner Watkins.


4:27 pm

Jimmy kam auf Lois und Clark zu, die gerade mal wieder am Kaffeeautomaten standen und sagte nur kurz: "In den Konferenzraum."

Lois ließ daraufhin sofort Milch und Zucker in Ruhe und folgte Jimmy. Es war ungewöhnlich, dass er diese Anweisung so bestimmt hervor gebracht hatte. Das konnte nur bedeuten, dass er etwas gefunden hatte.

Clark schloss die Tür hinter sich. "Okay, bevor du loslegst, erzähle ich kurz, was ich habe. Aber das geht sehr schnell, mit Watkins habe ich gesprochen, kein Gift. Aber erhöhte Endorphin-Werte, alle vier Opfer. Zu den vorherigen Fällen können wir da natürlich nichts sagen. Sonst habe ich nichts Neues. Lois?"

"Glückshormone? Du meinst, sie waren glücklich oder erregt, als sie starben? Hm", Lois schüttelte sich, "Mein Part ist auch sehr schnell berichtet, bei Davis gibt es nichts Neues, bis auf die Tatsache, dass er immer noch glaubt, es nur mit vier Mordfällen in zwei Nächten zu tun zu haben. Aber das ist ja nichts Neues. Und Jimmy, was hast du?" Gespannt sahen sie ihn beide an.

Jimmy setzte sich, stubste den Stapel Notizen, die er mitgebracht hatte, auf und legte sie wieder auf den Tisch, dann begann er ganz sachlich. "Also, um es erst einmal vorweg zu nehmen, da sind zwei Dinge, die nicht zusammenpassen. Vampirfledermäuse und groß. In der Gattung der Fledertiere gibt es die Vampirfledermäuse, die sind aber relativ klein, die größten Fledertiere sind die Flughunde, die können bis zu 40 cm groß werden, Spannweite bis 1,70 m. Aber das sind ausnahmslos Vegetarier, ernähren sich von Früchten. Die Vampirfledermäuse, die blutsaugenden Fledertiere hingegen sind kleiner als 10 cm. Die Bissstellen wären kleiner. Und jetzt noch eine Unstimmigkeit, Flughunde kommen in Asien, Afrika und Australien vor. Vampirfledermäuse gibt es ausschließlich auf dem amerikanischen Kontinent, aber nur in den warmen Regionen, Texas ist da schon das Nördlichste.

Gut, Forschungen zu dem Thema Fledermäuse, viele Arten gelten als bedroht, gibt es in Nordamerika tausende. Aber die beschränken sich aufs Beobachten, ihr Ortungssystem, Zählen des Bestandes und den Schutz der Tiere. Zum Thema Fledermäuse und Genversuche habe ich absolut nichts gefunden. Gar nichts. Auch nicht zum Stichwort Abrichtung. Ich glaube die lassen sich gar nicht dressieren."

Jimmy ließ seine Worte etwas wirken, sah die Endtäuschung in den Augen von Lois und Clark und während er nun seine Notizzettel auf dem Tisch hin und her schob, fuhr er dann fort: "Aber ich habe noch etwas anderes herausgefunden..." Lois' Augen weiteten sich vor Spannung und auch Clark wurde jetzt ganz ruhig. Jimmy machte es wirklich spannend.

Jimmy grinste zufrieden. "Ich habe mir gedacht, dass euch das nicht zufrieden stellen wird und habe weiter gesucht."

Lois feuerte ihn begeistert an. "Klasse! Jemand mit Eigeninitiative. Genau so etwas brauchen wir. Und? Was hast du herausgefunden?", gespannt sah sie ihn an.

Ermutigt durch Lois fuhr Jimmy jetzt selbstbewusster und mit einer Spur von Stolz im Blick fort: "Selbst auf die Gefahr hin, dass es im ersten Moment klingt, als würden wir jetzt in das Reich der Fabeln treten, hört mir erst einmal zu. Erst habe ich die polizeilichen Ermittlungsakten in Nordamerika nach diesen übereinstimmenden Punkten - Stichwunde im Hals und keine Gegenwehr der Opfer - durchsucht. Fehlanzeige. So etwas scheint es in diesem Land noch nicht gegeben zu haben. Unglaublich aber wahr. Aber dann bin ich in den Polizeiarchiven von verschiedenen europäischen Ländern fündig geworden. 1993 in der Schweiz und 1989 in Italien zum Beispiel... Aber es gibt durchaus noch mehr, London 1992, Paris 1976, oder auch in Griechenland und Moskau."

"Jimmy", Lois hatte ihre Augenbrauen skeptisch gehoben, "du kommst in die Polizeiarchive anderer Nationen?" Ungläubig sah sie ihn an.

"Frag mich nicht wie", druckste er herum, "es ist besser, wenn ihr es nicht wisst. Aber letztlich ist es nicht schwerer als die amerikanischen Archive." Er zuckte mit den Schultern. "Und natürlich habe ich das Ganze unterstützt durch Zeitungsmeldungen. Was ja nun völlig legal ist. Okay, weiter im Text. In den beiden Fällen, die ich mir genauer angesehen habe, gab es jede Nacht ein, zwei oder drei Mordfälle, Stiche im Hals und kein Kampf, als hätten die Opfer ihren Mörder gekannt. In beiden Fällen hat die Polizei versucht ein verbindendes Element zwischen den Opfern zu finden, um so auf den Tätern zu kommen. Genauso wie Davis oder auch wie ihr. Aber nichts gefunden." Er legte nun ein paar Seiten seiner Notizen umgedreht beiseite, als seien sie inzwischen abgearbeitet. Dabei hatte er nicht einmal auf einen seiner Zettel gesehen. "Die Polizei hatte es aber auch nicht leicht, die Morde ereigneten sich in verschiedenen Bezirken, so dass es auch verschiedene Polizeieinheiten gab, die nicht zusammen gearbeitet haben. So sind ihnen viele Dinge gar nicht aufgefallen, die für mich bei der Recherche jetzt ganz offensichtlich waren. Und jetzt kommt das wirklich Spannende: Sowohl in der Schweiz, wie in Italien gab es Zeugenaussagen, die in die Ermittlungen nicht miteinbezogen wurden - sie stammen von Kindern und die wollen fliegende Menschen gesehen haben. Ein Mädchen soll gesagt haben, ein Mann, der fliegen konnte, landete auf der Fensterbank und hätte dann den Mann in den Hals gebissen, den Mann, den man später tot aufgefunden hat..."

"Jimmy...?" und dann trat etwas höchst Ungewöhnliches ein, Lois schien sprachlos zu sein. Sie saß einfach nur da und sah Jimmy mit großen Augen an, vielleicht in der Erwartung, dass er gleich sagen würde 'war nur ein Scherz...' Aber Jimmy sagte nichts dergleichen. Es gab nicht viel, dass Lois so beeindrucken konnte, dass ihr wirklich die Worte fehlten. Obwohl es ihr Clark vollkommen nachfühlen konnte, Jimmys Ausführungen waren wirklich sehr abwegig.

Clark fand schneller seine Sprache wieder. "Du führst uns mit dieser Geschichte von Vampirfledermäusen zu fliegenden Menschen?! Dir ist aber schon klar, wie unwahrscheinlich das klingt?"

Jimmy ließ sich nicht verunsichern. "Was stört dich an den fliegenden Menschen? Gerade wir hier in Metropolis sehen mindestens einmal in der Woche Superman und der fliegt auch."

Da hatte er natürlich recht. Und Lois konterte. "Die fliegenden Menschen könnten eine optische Täuschung sein. Aber lass uns Jimmys Idee mal nach dem abklopfen, was realistisch ist. Was ist, wenn wir es mit einer Gruppe von Leuten zu tun haben - die Idee haben wir mit Clyte entwickelt - die morden, warum auch immer und dabei so eine Art Vampirkult zelebrieren oder vielleicht auch Täter, die glauben Vampire zu sein. Sie töten, saugen den Opfern Blut ab, weiß der Teufel wofür und irgendwie schaffen sie es, dass die Opfer sich nicht wehren, vielleicht Drogen, Hypnose und lassen das Ganze aussehen wie von einem Vampir... ja, wie nennt man so etwas, Angriff, Überfall?"

Das war auf jeden Fall eine Spur, die man verfolgen könnte. Dann gab Clark zu bedenken: "Aber das heißt, wir haben nichts. Wir wissen nicht, wie sie ihre Opfer auswählen. Wir wissen nicht, warum sie töten. Mord aus Freude am Verbrechen?" Alleine schon bei der Formulierung 'Freude am Verbrechen' und dann auch noch Mord, lief es Clark kalt den Rücken herunter. Wie konnte jemand soetwas abscheuliches tun? "Wir wissen gar nichts."

"Nein", sagte Lois betreten. Auch ihr schien es bei der Vorstellung dieses grässlichen Verbrechens nicht gut zu gehen, "aber wir haben einen Anfang. Wir sollten anfangen, indem wir uns mit Vampirismus beschäftigen. Je mehr wir von diesem Kult verstehen, umso eher kommen wir vielleicht dahinter, wie solche Leute ticken, was sie machen und warum."

Jimmy lächelte zufrieden. "Ich wusste, dass du das sagen würdest. Deswegen bin ich sogar noch einen Schritt weiter gegangen. Es gibt einen Sachverständigen über Vampirismus in Metropolis, er ist Historiker, heißt Thomas Bynecky und - und ihr habt einen Termin bei ihm, heute noch, so gegen sechs Uhr."

"Jimmy, da hast du aber wirklich ganze Arbeit geleistet." Clark sah ihn zufrieden an. "Schade, dass es bei deiner Computergeschichte nicht so voran geht. Aber vielleicht erreichst du ja noch was. ich denke mal, wir entlassen dich damit für heute."

Auch Lois gab ihm beim Verlassen des Konferenzraumes noch ein "Gut gemacht Jimmy" mit auf den Weg.


6:04 pm

Lois und Clark saßen Professor Dr. Thomas Bynecky in seinem kleinen Büro gegenüber. Er wirkte sehr sympathisch, aber Lois gruselte es etwas bei der Vorstellung in diesem schlecht ausgeleuchteten Raum mit ihm ganz ernsthaft über Vampire zu sprechen. Clark erklärte ihr Anliegen, die Mordfälle ohne jede Spur für das 'Warum', die Fälle in der Schweiz und Italien, von denen Jimmy ihnen berichtet hatte und die Idee, dass jemand in einer Art Vampirkult scheinbar zusammenhanglos Menschen tötet.

Während dieser Zeit betrachtete Lois das Büro etwas genauer, soweit das bei dem schlechten Licht überhaupt ging. Überall lagen Papiere, Bücher, zum Teil aufgeschlagen, und Ordner mit noch mehr Papieren. Das alles wirkte sehr chaotisch, entweder war Bynecky ein Mensch, der in diesem Chaos versank oder er wusste über jedes Stück Papier genauestens Bescheid. Auch sein Schreibtisch war sehr vollgestellt und ließ nur etwas Platz um die Tastatur herum. Und auf der Fensterbank stapelten sich weitere Papiere und Bücher, sie verdeckten fast das ganze Fenster, der Grund, warum es hier so schummrig war.

Die warme und tiefe Stimme Thomas Byneckys riss Lois aus ihren Gedanken. "Sie wollen also alles über Vampire wissen."

Lois löste ihren Blick von den Unmengen an gestapelten Büchern und sah Bynecky direkt an. "Natürlich reden wir hier nicht über tote Grafen, Mr. Bynecky, die tagsüber in Gräbern schlafen und nachts als Fledermäuse durch die Luft fliegen. Nein, unsere Idee ist es eher, dass irgendjemand einen Vampirkult zelebriert oder sich in einem Irrglauben für einen hält."

"Einfach nur Thomas. Ich möchte gleich von Anfang an etwas klarstellen", sagte er nun ruhig und bestimmt, "für Sie mögen Vampire einfach eine Fantasiefigur der frühen Neuzeit sein, ich hingegen glaube, dass es sie gibt, nein, ich weiß es sogar. Inzwischen schreibe ich keine wissenschaftlichen Arbeiten mehr darüber, um meinen Job hier an der Uni zu behalten. Aber ich weiß, dass es sie gibt. Und bei dem, was Sie gerade geschildert haben", dabei sah er Clark an, "könnten wir derzeit durchaus eine Gruppe in Metropolis haben."

Lois hielt das einfach nur für einen Scherz, obwohl Thomas sie sehr ernst ansah. "Sie reden über Menschen, die vom Blut anderer leben und die fliegen? Sie wissen, wie unwahrscheinlich das klingt."

Thomas lächelte Lois daraufhin an. "Und das sagt die Frau, die öfter als jeder andere Mensch in den Armen von Superman geflogen ist."

Lois zog die Augenbrauen zusammen und konterte: "Aber Superman kommt von einem anderen Planeten. Das ist etwas anderes."

"Miss Lane, es zeigt einfach nur, dass es auch in unserer heutigen aufgeklärten Zeit, wo es auf jede Frage eine Antwort geben muss, Dinge gibt, die so unglaublich sind... Und doch passieren sie. Es gibt noch viele Rätsel, auf die es keine Antwort gibt." Mit diesen Worten gab er ihr ein bezauberndes Lächeln.

"Nennen Sie mich Lois. Aber Sie wollen wirklich behaupten, es gibt Vampire? Hier mitten unter uns? In Metropolis?"

"Ich sagte, es könnte sein. Ob es so ist, dazu müsste ich erst ein paar mehr Fakten haben, ich sollte einen Blick in Ihre Ermittlungen werfen. Die Akten der Polizei werde ich sicher nicht einsehen dürfen." Er sagte das ohne jeden Groll, als hätte er diese Ablehnung bereits öfters erlebt. "Aber ich kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass ich mich auf diesem Gebiet sehr gut auskenne."

Clark hatte ja vom ersten Moment an klar gemacht, dass er bereit war, jeder Spur nachzugehen und so ging er jetzt auf das Angebot von Thomas ein. "Wir haben die Ergebnisse unsere Ermittlungen jetzt nicht dabei, vielleicht könnte ich sie Ihnen nachher noch durchfaxen und wir sprechen morgen nochmal miteinander. Ginge das?"

Thomas nickte daraufhin und reichte Clark eine Karte, auf der wohl die Faxnummer stand. Clark steckte die Karte ein.

Lois und Clark standen dann auf, doch Lois brannte noch eine Frage unter den Nägeln, die sie am liebsten schon beim Betreten des Büros gestellt hätte, doch die schummrige, auf eine gewisse Art gruselige Atmosphäre dieses Raumes hatte sie davon abgehalten. "Thomas, darf ich Sie noch etwas fragen? Warum beschäftigen Sie sich mit diesen dunklen Geschöpfen der Nacht, mit dieser finsteren Seite der menschlichen Natur? Ist das nicht auf Dauer beängstigend?"

Er lachte daraufhin. "Lois, die Nacht ist am dunkelsten kurz vor Sonnenaufgang. Aber das Angstmachende der Nacht und das Lebendige des Tages gehören zusammen, sind ein Paar. Wie Feuer und Wasser oder Mann und Frau. Die gegensätzlichen Pole des Yin und Yang, die zusammen die vollkommene Einheit bilden. Es geht beim Vampirismus um Anbetung und Selbstaufgabe, um das Blut des Lebens und das ewige Leben, um Geben und Nehmen. Und nebenbei, wenn man weiß, wie man sich schützen kann, wenn man die Zeichen erkennt, ist es auch nicht mehr so beängstigend."

Diese Bemerkung warf mehr Fragen auf als sie Antworten gab. Sie verabschiedeten sich daraufhin und verließen Byneckys Büro. Clark wollte Lois nach Hause bringen, dann wollte er noch in den Planet um Thomas die bisherigen Ermittlungsergebnisse zu faxen. Kaum waren sie außer Hörweite von Thomas, da sagte Lois flüsternd zu Clark, so als könnte er sie auch hier noch hören. "Mir ist der Typ unheimlich."

"Er machte einen recht kompetenten Eindruck und er gilt wirklich als Koryphäe auf dem Gebiet des Vampirismus. Lass uns abwarten, was er sagt, wenn er unsere Ergebnisse gelesen hat."

"Er wirkte sogar sympathisch und auch auf mich machte er einen kompetenten Eindruck. Aber Koryphäe hin oder her, dieses ganze Thema ist irgendwie... Clark, glaubst du wirklich, wir suchen einen Vampir?"

Clark lachte. "Nein. Ich denke jemand ganz und gar Menschlichen, der sich dafür hält oder jemand, der einen Kult zelebriert. Das ist es, was wir suchen."

Lois hakte sich erleichtert bei ihm unter. "Puh, da bin ich aber wirklich froh. Ich habe schon befürchtet, jetzt drehst du auch völlig ab."

"Aber lass uns sehen, soviel wie möglich über Vampire heraus zu finden. Das kann nur helfen. Nacht, Schatz!" Sie waren vor Lois' Apartment angekommen. Clark gab ihr einen Kuss und ging dann.

Fortsetzung folgt...
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Teil 5

Beitragvon Magss » Di 19. Jun 2012, 19:24

Teil 5


8:01 pm


Während Lois aus der Dusche stieg, ging sie die Ereignisse des Tages im Geiste noch einmal durch. Was für ein Tag. Binnen weniger Stunden hatte sich der harmlose Mordfall von gestern, wenn man denn bei Mord von harmlos sprechen darf, in eine turbulente Fahrt durch die Geisterbahn entwickelt. Vampirismus! Sie hätte niemals gedacht, soetwas je recherchieren zu müssen. Sie trocknete sich ihre Haare. Die derzeit wahrscheinlichste Variante eines Menschen, der glaubte ein Vampir zu sein, beziehungsweise eine Gruppe solcher Menschen, war auf ihre Art schon beängstigend. Was trieb jemanden zu so etwas? Wo war der Nutzen?

Sie wollte bald schlafen gehen und brachte ihren Laptop schon mal ans Bett. Ob sie das wohl auch noch machen würde, wenn Clark und sie verheiratet wären? Wie es wohl sein würde? Sie kannte Clark besser als jeden anderen Menschen. Aber wenn sie verheiratet wären, würden sie natürlich zusammen leben. Ob es Überraschungen geben würde? Wie würde es sein, Tag für Tag und Nacht für Nacht...?

Aber diese Gedanken führten zu nichts, es lenkte sie nur ab. Schweren Herzens versuchte sie sich wieder auf den Fall zu konzentrieren. Thomas schien wirklich den Eindruck erwecken zu wollen, als wollte er tatsächlich über Vampire reden. Aber das war natürlich abwegig, wir lebten schließlich in einer rationalen Welt, da war kein Platz für Fabelwesen! Sie sollte aber morgen doch noch mal herausfinden, ob es Vampire eigentlich nur in der Literatur gegeben hatte oder ob da vor Jahrhunderten doch etwas Wirkliches war. Vielleicht eine Tierart, die inzwischen ausgestorben war. Doch Flughunde vielleicht, und die wenig aufgeklärten und leichtgläubigen Menschen des Mittelalters oder auch noch früher haben darin fliegende Menschen gesehen. Einfach weil sie es sehen wollten. Wäre doch möglich. Vielleicht konnte Jimmy da etwas herausfinden.

Auf der anderen Seite hatte Thomas natürlich recht, fliegende Menschen waren so unglaubwürdig und doch würde sie genau so jemanden demnächst heiraten wollen. Er konnte fliegen. Er war der wundervollste Mann, den sie sich überhaupt nur vorstellen konnte. Und sie hatten es sich so schwer gemacht zueinander zu finden. Clark war so rücksichtsvoll, sie vertraute ihm mehr als sonst jemandem. Und zärtlich war er, oh ja, wenn Clark sie küsste blieb einfach die Erde stehen. Er schaffte es sie auf eine Art zu berühren, wie das noch nie ein Mann zuvor geschafft hatte. Und er war Superman, letztlich würde sie doch Superman bekommen. Wie es wohl sein würde Superman zu lieben? Was sie wohl noch entdecken würde? Ob es vielleicht eine Super-Fähigkeit gab, von der Lois bis jetzt noch gar nichts wusste, von der vielleicht nicht mal Clark etwas wusste. Und sie würden es zusammen entdecken. Oh ja, entdecken und genießen. Sie bemerkte ein Kribbeln in ihrer Magengegend, das sich nach und nach über ihren Körper ausbreitete. Sie war nervös und aufgeregt und - es ließ sich wirklich nicht leugnen - sie war erregt. 'Lois Lane, reiß dich zusammen!', rief sie sich streng zur Ordnung.

Obwohl sie schon zugeben musste, dass die Idee von Thomas, es könnte sich wirklich um Vampire handeln, alle offenen Fragen beantworten würde. Das mysteriöse Ausschalten aller Alarmanlagen, Vampire konnten fliegen. Der Blutverlust, Vampire ernährten sich vom Blut ihrer Opfer. Alle Morde passierten nachts, Vampire waren nachtaktiv. Die Toten hatten zwei kleine Löcher im Hals, Vampire bissen ihre Opfer um an ihr Blut zu kommen. Aber was hatte es mit der fehlenden Gegenwehr der Opfer auf sich? Warum hatte sich niemand gewehrt? Und warum erhöhte Endorphin-Werte? Das gab alles keinen Sinn, vielleicht würde sie das ja verstehen, wenn sie sich weitergehend mit Vampirismus beschäftigt hatten.

Also wohl doch eher jemand, der einen Vampir imitierte oder eben mehrere Täter, eine Gruppe, deren Mitglieder sehr merkwürdige Vorstellungen hatten.


8:55 pm

Lois war gerade noch im Bad, während sie alle Gedanken über Vampire, irre Mörder, Bisswunden und Tote, zwischen denen es keine Verbindung zu geben schien, ständig in ihrem Kopf hin und her schob. Sie dachte gerade darüber nach, ob sie diese unheimlichen Gedanken nicht lieber versuchen sollte zu verdrängen. Doch ihr anderes großes Thema, was sie derzeit ständig beschäftigte, machte sie auch nervös - die bevorstehende Hochzeit - und alles, was damit zusammenhing.

Gerade als sie die Zahnpasta auf ihre Zahnbürste tat, hörte sie nebenan das vertraute Landegeräusch. Und sie dankte innerlich dem Himmel, das war die denkbar beste Aufmunterung, die sie sich vorstellen konnte. Lois drehte hastig die Zahnpastatube zu, legte sie schnell beiseite und ging nach nebenan. Jetzt mit Clark ihre Gedanken teilen zu können, war ein Geschenk des Himmels. Natürlich wollte sie sich das kaum eingestehen, aber diese Ermittlung, dieser merkwürdige Fall verängstigte sie doch etwas.

Doch es war niemand da.

Sie fand ihr Wohnzimmer genauso leer vor, wie sie es gerade eben noch verlassen hatte. Die Gardine am offenen Fenster wehte ganz leicht im Wind. Alles erschien ihr plötzlich kalt und düster. "Clark...?", fragte sie vorsichtig, obwohl ihr klar war, dass er nicht da war. Ihr fröstelte und sie schloss das Fenster. Als nächstes kontrollierte sie die anderen Fenster, wobei sie sich so durchs Zimmer bewegte, dass sie immer alles im Blick hatte. Nichts und niemandem den Rücken zukehren! Nachdem sie auch alle Schlösser ihrer Tür noch einmal überprüft hatte, traute sie sich langsam wieder zu atmen. Und doch sah sie in allen Räumen und in allen Ecken nach.

Es war niemand da, Lois war alleine in ihrem Apartment. Sie beschloss vor dem schlafen gehen noch ein Eis zu essen, das würde sie sicher beruhigen. Hoffentlich.


10:02 pm

Bevor Lois tatsächlich schlafen ging, hatte sie sich noch etwas ausgerüstet, sie hatte eine Taschenlampe am Bett stehen, deren Batterie sie noch überprüft hatte, hatte sich ihre zwei größten Messer neben das Bett gelegt und sogar überlegt, ob sie vielleicht das Licht anlassen sollte, sich aber doch dagegen entschieden. Das war der Universaltrick ihrer Kindheit gewesen. Als Erwachsene hatte sie schließlich keine Angst mehr vor der Dunkelheit.

Sie hatte zweimal versucht Clark anzurufen, doch er war nicht da gewesen, ging sicher seiner 'Nebenbeschäftigung' nach.

Lois legte sich ins Bett, löschte das Licht und schloss ihre Augen. Doch augenblicklich erschienen Bilder vor ihren Augen, wie im Traum, doch sie war sich sicher, sie war noch wach. Sie sah sich selber in einem dünnen und durchsichtigen Nachthemd über eine Wiese laufen. Barfuß durch das kalte Gras. Es war Nacht. Sie fror. Ein zunehmender Halbmond stand am Himmel. Sie hörte in der Ferne eine Eule rufen. Im Mondlicht erkannte sie ihre Umgebung. Das war nicht nur einfach eine Wiese. Ein leichter Wind fuhr ihr durch die Haare. Sie stand vor einem schmiedeeisernen Tor. Die Türen hingen schief in den Angeln. Sie konnte einfach hindurchgehen. Angst erfasste sie, ihr war kalt und doch trieb sie die Neugierde immer weiter. Diese Wiese führte zu einem Friedhof. Sie verschränkte ihre Arme. Die Grabsteine waren versunken, standen schräg oder waren umgestürzt. Durch die wenigen Bäume fiel ein bläulich, kaltes Licht. Gänsehaut am ganzen Körper. Die Schatten waren tief schwarz. Alles sah dadurch grotesk aus. Doch sie war nicht alleine.

Lois wusste, dass dies kein gewöhnlicher Traum war, sie wollte ihre Augen öffnen, um dem ein Ende zu bereiten, um den Bildern zu entfliehen, es war so unheimlich und beängstigend, dass sie kaum atmen konnte und ihr Herz schlug wild, aber da war auch eine Spannung, die sie nicht verstand, der sie aber auch nicht widerstehen konnte, alles schien so realistisch, zum Greifen nah und sie musste wissen, wer da war und so trieb sie ihre Neugierde weiter und immer weiter.

Plötzlich waren Menschen um sie herum. Eine Frau und drei Männer. Die Figuren schienen zu schweben. Einer der Männer zog wie magisch Lois Blick auf sich. Er hatte blondes, langes Haar. Er war so schön. Nie hatte sie jemand schöneres gesehen. Lois wollte ihn berühren. Der Mann lächelte. Sein Gesicht hatte sehr feine Züge. Er hatte wunderschöne Lippen. Die anderen tanzten um Lois und den Mann. Sie lachten dabei. Das Lachen klang kalt und fern. Der blonde Mann trug sein Hemd offen. Es war ein altmodisches Rüschenhemd. Sie sah seine blanke Brust. Lois wollte seine Haut berühren. Ihre Hände gingen zu seinem Brustkorb. Doch der Mann trat einen Schritt zurück. Sie folgte ihm. Er ging zurück. Immer wieder und wieder. Und es gab nichts, was sie mehr wollte.

Lois wusste, dass sie die Augen öffnen musste, sie musste diesem Traum entfliehen, sie musste sich von dieser Vorstellung befreien, sie musste sich dieses Verlangen untersagen, aber alles in ihr wollte, dass sie weiterging, weiter und tiefer in diese Vorstellung hinein, sie wollte es auskosten, bis zum Letzten, denn dieser Mann schien eine Seite in ihr zum Klingen zu bringen, von deren Existenz sie bis jetzt noch nicht mal etwas geahnt hatte, sie wollte dieses Bild nicht verlieren und sie spürte ein Verlangen von so unglaublicher und überwältigender Natur, dass sie nicht widerstehen konnte.

Dann sah sie ihn nicht mehr. Er war weg. Der Verlust drohte ihr das Herz zu zerreißen. Doch plötzlich - seine Lippen auf ihrem Hals. Sie waren kalt und doch brannte die Stelle wie Feuer. Lois lehnte sich nach hinten. Wollte ihm noch näher sein. Ließ sich in seine Arme fallen. Seine Hände auf ihrem Körper. Sie drehte sich zu ihm um. Ihre Blicke begegneten sich. Sie versank in seinen Augen. Ihre Lippen suchten seine. Sie küsste ihn. Leidenschaftlich, fordernd. Biss sich in seinen Lippen fest. Noch fester. Saugte bis sie sein Blut schmeckte. Süßlich und metallisch.

Abrupt setzte sich Lois in ihrem Bett auf, sie unterdrückte einen Schrei, atmete schwer und brauchte einen Moment, um sich in der Dunkelheit ihres Schlafzimmers zurecht zu finden. Sie war hier, sie war alleine, alles war gut. Es war nur ein Traum, eine Vision. Und doch ließ sie ihre Hand zu ihrem Kinn wandern und wischte sich das Blut fort, das sie auf ihrer Haut spürte. Warm und klebrig lief ihr ein kleines Rinnsal von der Lippe herunter. Lois machte hektisch und mit zittrigen Händen ihre Nachttischlampe an. Sie sah ängstlich auf ihre Hand, sie erwartete Blut zu sehen, so wirklich hatte es sich angefühlt. Doch da war nichts.

Solch einen Traum hatte sie bisher noch nie erlebt und damit meinte sie nicht nur das, was sie tat. Es war so - real. Noch jetzt hatte sie den spezifischen Geruch der feuchten Erde des Friedhofs in der Nase. Spürte den kalten Wind auf ihrer Haut. Sie hörte die Geräusche der Nacht. Und schmeckte das Blut...

Das alles war sicher nur die Schuld von Mr. Ocean, warum musste sie sich auch unbedingt eine Leiche ansehen? Sie rieb sich die Augen, aber sie traute sich nicht sie zu schließen. Aus Angst wieder an diesen unheimlichen Ort zu gelangen. Und da war noch etwas, doch sie traute sich kaum, diesen Gedanken bis zum Ende zu denken, aber es war nicht zu leugnen: Sie hatte noch niemals zuvor etwas so Erregendes erlebt, weder in der Realität noch im Traum. Aber das konnte sie doch niemandem erzählen. Auch nicht Clark; oh nein, ganz besonders nicht Clark.

Sicher war sie nur nervös wegen der bevorstehenden Hochzeit - und der Hoch¬zeits¬nacht. Und die Leiche von Mr. Ocean sowie Thomas' Diskussionen über Vampire. Da musste man doch die Nerven verlieren. Lois holte sich ein Buch, die Unterlagen zu Jimmys Computerfirmen-Einbruch-Serie und machte den Fernseher an, bei Clark war immer noch nur der Anrufbeantworter zu hören. Sie sprach aber keine Nachricht darauf. Was hätte sie sagen sollen? 'Wenn du wieder zu Hause bist, ruf mich doch mal an. Ich hatte gerade den mysteriösesten und zugleich erotischsten Traum meines Lebens.' Wohl kaum.


Tag 3, Montag 1. Mai 1996, 8:19 am

Was für eine Nacht! Katastrophen über Katastrophen und ein unvorhersehbares Ereignis nach dem anderen. Clark war in den Stunden, seit die Dunkelheit in Metropolis herrschte, mehrfach um die Erde geflogen. Er rettete Menschen in China, Peru, Island, Neuseeland, Thailand und Mexiko. Es war, als wollte ihn diese Nacht nicht zur Ruhe kommen lassen.

Gegen Morgen schaffte er es gerade noch in seine Wohnung zu fliegen, um in Supergeschwindigkeit zu duschen, damit er frisch im Planet erscheinen konnte. Kaum hatte er dort den Fahrstuhl verlassen, überfiel ihn Jimmy auch gleich, der ungeduldig darauf wartete ihn mit den neuesten Meldungen der letzten Nacht zu versorgen. "C.K., endlich! Es gab wieder einen Einbruch in einer Computerfirma oder eher in einer Forschungsabteilung - die S.T.A.R. Labs - und Davis hat schon zweimal angerufen, aber Lois sagte mir, dass du das machen sollst. Es gab auch letzte Nacht wieder zwei Tote. Aber ich fürchte, die weiteren Einzelheiten muss ich dir nach der Morgenbesprechung erzählen, der Chef ist schon ungeduldig." Jimmy reichte ihm die Gesprächsnotizen von dem Telefongespräch mit Davis und die Agenturmeldung des Einbruchs bei den S.T.A.R Labs.

"Danke Jimmy." Er konnte ja nicht ahnen, dass es für Clark kein Problem darstellte dies alles in ein paar Sekunden durchzulesen. Er brauchte dafür nur einen unbeobachteten Augenblick. Warum hatte Lois zu Jimmy gesagt, dass er sich darum kümmern sollte, hatte sie etwas anderes zu tun? Oder hatte sie vielleicht eine heiße Spur, die sie verfolgte?

Mit dem Betreten des Konferenzraumes sah Clark endlich Lois und nickte ihr nur kurz zu. Sie erwiderte seinen Gruß genauso flüchtig, machte aber auf Clark einen leicht abgelenkten Eindruck. Sie sah gleich darauf verträumt aus dem Fenster und die Unterlagen, die vor ihr lagen, schienen sie nicht zu interessieren.

Die Vorstellung ihrer beiden Storys, der Mordserie und der Einbruchsserie in Firmen, die Computertechnik auf höchstem Niveau entwickelten, in dieser Nacht immerhin die S.T.A.R Labs, übernahm wieder mal Jimmy. Perry hatte sie alle drei nacheinander kurz angesehen, doch Clark hatte abgewinkt, er war schließlich gerade mal ein paar Minuten in der Redaktion. Auch Lois hatte abgewinkt und auf Jimmy gedeutet. Lois machte auf Clark einen unausgeschlafenen Eindruck. Sie hatte an diesem Morgen leichte Ringe unter den Augen und gelegentlich sah es so aus, als müsste sie sich konzentrieren, dass ihr die Augen nicht einfach zufielen. Clark würde sie fragen, ob sie nicht gut geschlafen hatte, sowie sie unter sich waren.

"Nun Chef", Jimmy machte diesen Morgenbericht inzwischen recht selbstsicher, "auch diese Nacht haben unsere beiden Storys Fortsetzungen nach dem gleichen Schema wie die vorherigen Nächte auch schon."

"Habt ihr denn eine Idee", fragte Perry ihn und sah Jimmy dabei aufmerksam an, "wer dahinter stecken könnte, für das eine oder das andere? Gibt es schon eine heiße Spur?"

"Ehrlich gesagt - nein, aber wir arbeiten dran." Das war ganz sicher nicht die Antwort, die Perry sich erhoffte hatte, aber er nickte ihnen aufmunternd zu. Perry ließ den dreien freie Hand, er war sich wohl sicher, dass er sich auf sie verlassen konnte, sie würden einfach alles Menschenmögliche und manchmal sogar noch etwas mehr als das tun, um die beiden Fälle aufzulösen und die richtige Story dazu zu schreiben, so war es doch immer gewesen.

Alle weiteren Fakten tauschten die drei kurz darauf unter sich aus.

Clark sagte zu Jimmy, dass er gleich als erstes bei Davis anrufen würde, um die letzten Fakten zu erfahren, er hatte sowohl für Lois als auch für Jimmy einen Kaffee mitgebracht. "Okay, Jimmy, leg los, was genau ist bei den S.T.A.R. Labs passiert?" Lois nahm ihren Kaffee geistesabwesend an.

Jimmy hingegen nahm einen großen Schluck und allem Anschein nach war er mit Begeisterung bei seinem Thema. "Ich habe mit Baileys, dem Leiter der Computer-Abteilung bei den S.T.A.R. Labs, telefoniert. Der ist nervlich völlig am Ende. Ich dachte ja schon manchmal, Klein wäre schwach mit den Nerven, aber dieser Baileys ist echt fertig." Jimmy schien das zu amüsieren.

Clark war sich nicht sicher, ob Lois Jimmy überhaupt zuhörte. Beide Hände schlossen sich um ihren Kaffeebecher und ihr Blick schien auf einen Punkt in der Ferne gerichtet zu sein, der wahrscheinlich gar nicht existierte. Was war bloß los mit ihr?

Jimmy hingegen fuhr begeistert mit seinem Bericht fort. "Die Täter müssen sich wirklich sehr gut auskennen, immerhin haben sie das Alarmsystem einer der am besten gesicherten Forschungseinrichtung dieses Landes scheinbar problemlos umgangen. Die Polizei ist sich noch nicht ganz sicher, wie die Täter das geschafft haben, aber sie gehen davon aus, dass es mehrere Täter sein müssten, Alarmanlage umgangen, Stahlsicherheitstür aufgebrochen und diverse andere Türen geöffnet, das alles sieht nach verschiedenen Fähigkeiten aus. Jedenfalls arbeiten die bei den S.T.A.R. Labs an einem vollkommen geheimen Projekt, aber glücklicherweise konnte ich meinen Kontakt zu Angelina wieder etwas auffrischen und so...", Jimmy lächelte verschmitzt, "... so weiß ich jetzt natürlich bestens Bescheid. Es geht darum, kleinste Teilchenbeschleuniger in einen Prozessor zu integrieren. Ich habe wirklich nicht genau verstanden, wie das funktionieren soll, aber es geht mal wieder um Geschwindigkeit. Vor ein paar Wochen haben sie den Durchbruch geschafft und einen funktionsfähigen Prototyp hergestellt, aber den haben jetzt die Diebe." Erwartungsvoll sah Jimmy nun Clark an.

Von Lois schien er schon gar keine Antwort mehr zu erwarten, so still, wie sie sich den ganzen Morgen schon gezeigt hatte. Am liebsten würde Clark Jimmy mit einer x-beliebigen Recherche beauftragen und wegschicken, damit er endlich mit Lois alleine sprechen konnte.

"Aber Jimmy", sagte Clark daraufhin bestimmt, "der Vorteil bei diesem Einbruch ist, dass es kein kommerzielles Unternehmen ist, bei der es eine unendliche und unüberschaubare Gruppe von Leuten gibt, die irgendetwas wissen. S.T.A.R. Labs heißt, da gibt es eine vorgeschriebene Geheimhaltung, die Gruppe derjenigen, die Bescheid wissen, ist begrenzt - und bekannt. Genau da werden wir ansetzen. Ruf doch noch mal Baileys an und frag ihn, wer darüber überhaupt etwas wusste. Wissenschaftliche Mitarbeiter, Verwaltungsangestellte, Financiers oder Leute aus dem Vorstand." Jimmy nickte nur.

Während Jimmy schon dabei war vom Tisch aufzustehen um sich an diese Recherche zu machen, meldete sich plötzlich Lois zu Wort. "Und forsche in deren Umfeld, ob es da Informatik-Studenten gibt - beispielsweise...", sagte sie leise. Jimmy nickte wieder und verließ daraufhin den Konferenzraum.

Clark schloss hinter ihm die Tür um endlich ungestört mit Lois reden zu können. Er ging auf sie zu. Auch in diesem Moment war er sich nicht sicher, ob sie wirklich mitbekommen hatte, dass Jimmy nicht mehr im Raum war oder dass er da war, sie wirkte so abwesend. Auch hatte sie sich heute ungewöhnlich gekleidet. Ganz besonders in den letzten Wochen, seit sie sich beide auf ihre Hochzeit freuten, schien es Lois eine besondere Freude zu bereiten, seine Aufmerksamkeit zu erringen. Sie kleidete sich in den letzten Tage ausgefallen und gerne figurbetont. Doch heute erschien ihm Lois eher wie eine graue Maus, farblos und hoch geschlossen, fast so, als versuchte sie ihre Reize, die sie unbestreitbar hatte, zu verstecken.

"Lois, was ist los mit dir? Was geht dir im Kopf herum?" Besorgt sah er sie an.

Doch sie wehrte seine Umarmung ab und stand auf. "Ach nichts, es ist gar nichts. Ich habe nicht besonders gut geschlafen, das ist alles. Rufst du bitte Davis an und fragst ihn nach den weiteren Opfern?" Diese Antwort wirkte kraftlos. Warum hatte sie nicht gut schlafen können?

Clark antwortete ganz ruhig und ohne jeden Vorwurf in seiner Stimme: "Natürlich mache ich das. Aber... da ist wirklich nichts, was du mir sagen möchtest?", fragte er sie besorgt.

"Nein!", schleuderte ihm Lois ihre Antwort entgegen, "Habe ich doch schon gesagt, es ist nichts! Ich bin nur ein wenig müde." Mit diesen Worten verließ auch sie den Konferenzraum und ging zu ihrem Schreibtisch. Womit sie ihm die Möglichkeit nahm, noch weiter nachzufragen. Außerhalb des Konferenzraumes waren sie nie ungestört. Aber er würde sie nicht aus den Augen lassen.

Fortsetzung folgt...
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Re: Die Nacht ist am dunkelsten... Teil 6

Beitragvon Magss » Mi 20. Jun 2012, 17:38

Teil 6


9:03 am


Clark machte sich Sorgen um Lois, aber was sollte er tun, wenn sie ihn nicht an dem teilhaben ließ, was sie beunruhigte? Wenn sie sagte, sie wollte nicht darüber - worüber auch immer - reden, hatte er das zu akzeptieren. Aber was war, wenn sie selbst - in was auch immer - so verstrickt war, dass sie gar nicht mehr einschätzen konnte, ob es ihr gut tun würde zu reden? Oder dramatisierte er da nicht etwas? Nicht das erst Mal in seinem Leben wünschte er sich, seine kryptonische Natur hätte ihm statt des Röntgenblicks die Fähigkeit gegeben, in die Gedanken eines Menschen blicken zu können - jedenfalls bei Lois wünschte er sich das manchmal.

Jimmy riss ihn aus seinen Gedanken. "Dieser Baileys leidet glaube ich an Verfolgungswahn." Bei diesen Worten tippte sich Jimmy an die Stirn und lachte. "Er will nicht mit mir telefonieren - 'wer weiß, wer so alles mithört!' Glaubt der wirklich, die CIA hört Telefongespräche des Daily Planet ab?" Jimmy schüttelte ungläubig den Kopf. "Ich fahre hin und rede persönlich mit ihm." Diese Vorstellung schien Jimmy sehr zu amüsieren. Auch Clark fand diese übertriebene Vorsichtsmaßnahme eher lächerlich.

"Okay, mach das. Wir reden heute Mittag darüber, wie wir dann weiter vorgehen."

Als erstes wollte Clark den anstehenden Anruf bei Inspektor Davis erledigen. Wenn er die Fakten der letzten Nacht hatte, würde er damit zu Lois gehen und sie ihr berichten und dabei hoffentlich besser mit ihr ins Gespräch kommen. Er musste einfach herausfinden, was sie bedrückte.

Er erreichte Davis auf seinem Handy in einem der Häuser, in die letzte Nacht eingebrochen worden war und dessen Bewohnerin diese Nacht nicht überlebt hatte. "Kent, Guten Morgen! Wollen Sie sich diesen Tatort mit Lois auch ansehen? Oder können wir hier alles zumachen?"

Verglichen mit dem, was andere Ermittler gewöhnlich für einen Widerstand hatten mit der Presse zusammen zu arbeiten, war Davis wirklich sehr kooperativ. Aber dieses Angebot war selbst für seine Verhältnisse sehr entgegenkommend. Clark fragte sich, ob die Polizei selber nicht wusste, in welche Richtung sie diese Ermittlung führen sollte und sich aus der Zusammenarbeit mit Lane und Kent Indizien, Hinweise, eine Spur oder einen Verdacht erhoffte? Schließlich hatten sie in der Vergangenheit schon so manches Rätsel gelöst, an dem die Polizei gescheitert war.

Aber bei der Erinnerung an das ungemütliche Haus von gestern und Lois' Reaktion auf die Leiche von Mr. Ocean hatte er kein Interesse an einer Wiederholung. Und wenn es unbedingt einen Tatort zu besichtigen gab, an dem sie versehentlich über eine Leiche stolpern könnten, so würde er sich den alleine ansehen. Aber ob das überhaupt nötig war? "Davis, ich vertraue Ihrem kompetenten Urteilsvermögen. Oder gibt es bei den neuen Fällen aus der letzten Nacht etwas Besonderes, etwas, das wir unbedingt sehen müssten?"

"Kent, ganz ehrlich", er zögerte, bevor er weitersprach, als würde er sich erst genau überlegen wollen, was er sagen würde oder vielleicht was er sagen durfte, "ich sage Ihnen ganz offen, ich verstehe nicht, was hier passiert. Ich habe jetzt sechs Leichen auf meinem Schreibtisch, die alle auf die gleiche Art getötet worden sind. Aber ich habe nichts, gar nichts, keinen Verdacht, keine Spur, keine Vorstellung, in welche Richtung ich ermitteln soll. Die Forensiker haben die Häuser der Opfer und die Leichen Millimeter für Millimeter abgesucht, aber nichts, kein einziges Haar, keine Hautschuppe, kein Speicheltropfen, kein Sperma, kein Schweiß, nichts was für eine DNA-Analyse taugen würde. Es ist, als wäre niemand da gewesen. Es wurde nichts gestohlen, was in diesem Fall furchtbar ist, weil Diebesgut immer eine hervorragende Spur ergibt, aber auch da habe ich nichts zu ermitteln. Keine Zeugen, keine Überwachungsbilder und das, obwohl die meisten der Opfer eine Alarmanlage hatten. Hat ihnen aber auch nicht viel genützt. Mein Chef wird schon nervös. Die Presseabteilung spielt das Ganze natürlich herunter, aber wie lange werden die Leute das noch glauben? Haben Sie eine Idee, Kent?" Diese Betroffenheit machte auf Clark einen sehr aufrichtigen Eindruck.

"Wir haben leider auch keine Spur, weder eine naheliegende noch eine abwegige und schon gar keine heiße Spur. Aber was ist mit den beiden Opfern von dieser Nacht?"

"Mein Kollege faxt Ihnen die Personaldaten der beiden Opfer und die Tatortbeschreibungen gerade durch, müsste gleich bei Ihnen sein."

"Danke Davis, wir bleiben in Kontakt. Sowie wir irgendetwas haben, melden wir uns."

Clark ging daraufhin zum Faxgerät und tatsächlich kam da gerade Seite sechs von sechs Seiten an. Er las die Seiten schnell durch und ging damit zu Lois. Sie sah immer noch nicht besser aus, aber Clark hatte sich fest vorgenommen, erst mal mit ihr nur über den Fall zu reden und sie erst danach noch einmal zu fragen, ob es ihr nicht gut ging. "Hier Schatz, das kam gerade von Davis. Die Opfer dieser Nacht passen insofern in das Muster, als sie in kein Muster passen. Gemeinsam mit den anderen Opfern ist ihnen aber, dass sie durch eine Stichverletzung in den Hals ums Leben kamen, sich nicht gewehrt haben und dass scheinbar nichts gestohlen wurde. Eine der beiden war die Hausangestellte, die andere war die Hausbesitzerin. Was ist, wenn die Opfer völlig zufällig ausgewählt werden?"

Lois sah immer noch müde aus, es schien sie eine erhöhte Aufmerksamkeit zu kosten, sich auf die Fakten zu konzentrieren. "Wer wählt Mordopfer zufällig aus? Und warum jede Nacht zwei?" Sie sah ihn mit müden Augen an.

Die Informationen aus dem Gespräch mit Davis schienen aber Lois' Lebensgeister wieder zu erwecken. Sie las die Faxseiten, die Clark ihr gegeben hatte, konzentriert durch. Nach der letzten Seite legte sie die Blätter auf ihren Schreibtisch, neben ihre Tastatur. "Stimmt, du hast Recht. Die Umstände ihres Todes passen 100%-ig. Ich werde mal überprüfen, inwieweit sie in das Muster, dass es kein Muster gibt, hineinpassen. Also, Mrs Smith und Miss Ellis, in welche Kirche geht ihr? Wo seid ihr geboren und aufgewachsen? Und so weiter." Sie sah Clark mit einer Spur Langeweile an, fuhr gleich darauf aber pflichtbewusst fort: "Ich überprüfe das, okay?"

"Ja, mach das." Clark war froh, dass diese Überprüfung ihre gewohnte Energie wiedezubeleben schien, wenn auch nur ansatzweise.

Sein Kollege Steven rief ihm zu: "Clark, Leitung zwei. Ein Thomas will dich sprechen." Ach ja, diese 'Vampir-Koryphäe'. Er ging zu seinem Schreibtisch und nahm das Gespräch von seinem Apparat aus entgegen. "Thomas, guten Morgen. Schön, dass Sie anrufen. Haben Sie mein Fax von gestern Abend durchgesehen?"

"Morgen Clark. Ja, ich habe Ihr Fax bekommen. Aber sagen Sie mir erst, was gibt es von der letzten Nacht zu berichten?"

"Der oder die Täter haben wieder zugeschlagen, selbes Muster, zwei Frauen Anfang dreißig, getötet durch eine Stichverletzung im Hals, keine Gegenwehr, nichts gestohlen, soweit die Polizei das beurteilen kann." Clark sah keine Veranlassung, Thomas etwas vorzuenthalten. Die Polizei tappte im Dunklen und Lois und er hatten bis jetzt auch keine Idee, womit sie es hier zu tun hatten.

Thomas klang besorgt bei dem, was er sagte. "Clark... ich weiß, dass Sie als Reporter immer für alles Beweise brauchen, Sie glauben, was Sie sehen..."

Clark schwante Böses. Wenn ein Experte für Vampire, für Übernatürliches so eine Einleitung machte, konnte er sich auf etwas gefasst machen, aber er wollte doch hören, was er zu sagen hatte. "Hören Sie Thomas, so muss ich meine Artikel schreiben. Da zählen nur Fakten, Beweise und die unumstößliche Wahrheit. Aber ich höre Ihnen zu, was wollten Sie mir sagen?"

"Gut, ohne lange drum herum zu reden, ich glaube, wir könnten tatsächlich eine Gruppe von Vampiren hier in Metropolis haben. Ich würde sagen, wir reden von einer Gruppe von mindestens drei, maximal sechs. Und sie morden so lange, bis sie jemand aufhält."

Clark glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, bei ihrem gestrigen Besuch in Thomas' Büro hatte dieser so kompetent gewirkt und jetzt wollte er ihm wirklich glaubhaft machen, dass Metropolis von einer Gruppe Fabelwesen heimgesucht wurde? "Thomas! Das können Sie nicht ernst meinen - oder?", rief er entsetzt aus.

"Clark!", Thomas schien bemüht zu sein, einen ganz ruhigen und sachlichen Eindruck zu erwecken. Er sprach ruhig weiter, "Sie sind ein vernunftbegabter Mensch. Sie werden mir zuhören, wenn ich überzeugende Argumente habe, aber dafür brauche ich etwas Zeit, ein paar Stunden. Könnten wir uns heute noch sehen, vielleicht so gegen Abend, aber es könnte spät werden? Zu dem Zeitpunkt weiß ich ganz sicher mehr."

Waren sie wirklich so verzweifelt, dass sie sich auch solche abwegigen Ideen anhören mussten? Ja, das waren sie leider. Es gab keine andere Spur. Er würde sich anhören was Thomas ihm heute Abend berichten würde, kritisch und distanziert, denn was hatte er zu verlieren? "Gut Thomas, sehen wir uns heute Abend. Ich komme zu Ihnen in das Büro auf dem Universitätsgelände, okay?"


6:13 pm

Lois beschloss für heute Schluss zu machen. Sie hatte zwar noch den ganzen Tisch voller Arbeit, unendlich viele Dinge, die sie heute erledigt haben wollte, aber sie konnte sich beim besten Willen nicht mehr konzentrieren.

Eigentlich wollte sie noch Mary Sayer angerufen haben, ihre 'Bankinformantin'. Mary arbeitete in der größten Bank Metropolis' in der Verwaltung und hatte Zugriffsrechte auf alle Kundendaten. Und Lois konnte sich immer auf ihre Loyalität verlassen, nachdem sie Mary vor Jahren aus einer recht peinlichen Situation namentlich heraus gehalten hatte. Clark und sie hatten beschlossen, dass sie Mary nach allen Opfernamen fragen würde; es gab zwar keine Hinweise, dass zwischen den Opfern ein finanzieller Zusammenhang bestand, aber sie waren inzwischen bereit, jede noch so abwegigen Idee zu verfolgen.

Doch Lois war inzwischen so müde und abgespannt, dass sie das Gefühl hatte, sich kaum noch aufrecht halten zu können. Es war natürlich nicht verwunderlich, sie hatte in der letzten Nacht, nach diesen merkwürdigen Visionen, die sie überfallen hatten, nicht mehr eine einzige Stunde geschlafen. Sie hatte aus Angst ihre Augen nicht mehr geschlossen. Wann immer sie das getan hatte, ganz gleichgültig ob letzte Nacht oder auch heute während des Tages, immer wenn sie ihre Augen nur für eine Sekunde geschlossen hatte, waren diese Visionen wieder da gewesen und das war das Schlimmste daran. Bilder vor ihrem inneren Auge, das Gefühl von Berührungen, das Kribbeln, wenn sich Haut auf Haut berührte, erotische Begierden, Verlangen - und das mit einer nie gekannten Intensität. Konnte einen eine bevorstehende Hochzeit so irritieren? Wie sollte sie die kommende Nacht überstehen, wenn sie sich nicht trauen würde ihre Augen zu schließen? Was passierte hier mit ihr? Was konnte sie tun? Und das alles, während sie so müde war.

Genau, sie war so müde, dass sie unmöglich noch weiter arbeiten konnte. Clark war leider mit Jimmy noch nicht wieder zurückgekehrt, sie waren noch einmal zusammen zu den S.T.A.R. Labs gefahren, in der Hoffnung, dass Clarks Beziehung zu Klein ihnen den Weg ebnen konnte. Die Zusammenarbeit mit Dr. Baileys, dem Leiter der computertechnischen Entwicklungsabteilung, schien sehr schwierig zu sein. Sie würde Clark einfach einen Zettel auf seinen Schreibtisch legen.

Aber was sollte sie ihm aufschreiben? Dass sie ihn heute noch sehen wollte? Lieber nicht, sie war so müde, dass sie heute sicher keine gute Unterhalterin mehr sein würde. Sie wäre ganz bestimmt nicht mehr in der Lage, sich noch auf ein Gespräch mit ihm zu konzentrieren. Denn konzentrieren konnte sie sich schon den ganzen Tag nicht, auf gar nichts.

Dieser ganze Tag war so anstrengend, sehr lang und anstrengend. Und merkwürdig. Seit gestern Abend war alles nur noch merkwürdig. Der Tag hatte heute Morgen damit angefangen, dass sie große Probleme hatte sich anzuziehen. Alles, was zu zuerst ausgewählt hatte, war bei näherer Betrachtung nicht geeignet für den Planet. Sie war sich niemals klar gewesen, wie viel wirklich aufreizende Sachen sie in ihrem Kleiderschrank verbarg. Und heute Morgen hatte sie das ungebändigte Verlangen gehabt, sich provokant zu kleiden, ihr stand der Sinn nach ihrem kürzesten Rock, nach einem sehr tiefen Dekolletee und besonders hauteng. Doch nachdem sie sah, was sie sich da zusammen gestellt hatte, machte sich ein Rest von Vernunft in ihrem Kopf breit und so hatte sie schließlich Kleidung ausgewählt, die das genaue Gegenteil von aufreizend war, nur damit niemand auf die Idee kommen könnte, sie würde sich provozierend kleiden.

Und dann diese Träume. Diese Art von Träumen oder Visionen hatte Lois wirklich noch nie vorher erlebt. Nicht dass sie noch niemals eine erotische Fantasie gehabt hatte, wer hatte das nicht? Es war die Intensität ihrer Empfindungen. Wenn sie ihre Augen schloss, bestand ihre gesamte Wahrnehmung nur noch aus ihrem Körper und seinen Begierden. Alle Sinne waren angesprochen, sie fühlte, sie hörte, sie schmeckte all das, was sie sah. Und es fühlte sich so gut an, so gut, dass sie immer mehr davon wollte. Immer sah sie dabei diesen fremden Mann, und immer wollte sie nichts mehr, als ihm nah zu sein, ihn berühren. Sie wusste nichts von ihm, aber diese Vision war so klar, so natürlich, als würde sie ihn ganz tief in ihrem Herzen kennen und schon immer gekannt haben. Sie wollte ihn berühren und von ihm berührt werden, überall, wirklich überall und auf jede nur vorstellbare Weise. Und sie wollte ihn wieder sehen, am besten jetzt sofort. Oh ja. Wenn sie jetzt ganz schnell in ihr Apartment fahren würde, ob sich diese Visionen wiederholen würden? Konnte sie die traumhafte Begegnung mit diesem Mann herauf beschwören? Konnte sie ihn 'wieder sehen'?

Hastig packte Lois ihre Tasche und ihre Jacke und verließ die Redaktion. Im Fahrstuhl fragte sie sich noch kurz, ob sie ihren Computer herunter gefahren hatte, aber wen kümmerte das?


9:47 pm

Seit Lois den Entschluss gefasst hatte, in ihr Apartment zu fahren, war die Müdigkeit wie weggefegt, sie war von einer kribbeligen Spannung erfasst, von einer Erwartung, dass diese Nacht etwas Besonderes für sie bereit hielt, dass ihr etwas Aufregendes passieren würde - sie war erregt. Und all das steigerte sich, je näher sie zu ihrem Apartment kam. Sie verschwendete auf diesem Heimweg keine Minute mit irgendwelchen Einkäufen oder Besorgungen, sie würdigte kein Schaufenster eines Blickes. Die Spannung nahm fast mit jedem Schritt zu.

So sehr wie sie den ganzen Tag unter diesen wiederkehrenden Visionen gelitten hatte, diesen sich ständig wiederholenden Bildern, die sie von allem abgelenkt hatten, so konnte sie es jetzt nicht erwarten, das Erlebnis vom gestrigen Abend noch einmal zu erleben. Vielleicht hatte die Anwesenheit von Clark oder anderer Kollegen ihr nur ständig vor Augen geführt, dass sie im Planet war, um ihre Pflicht zu erfüllen. Aber hier in ihrem Apartment und jetzt am Abend war sie alleine. Hier konnte sie tun und lassen, was sie wollte. Niemand würde je erfahren, was sie machte. Niemand ahnte, warum sie den Planet so überstürzt verlassen hatte. Und genau darin lag ein ganz besonderer Reiz, es war, wie wenn sie etwas Verbotenes tat, etwas, von dem niemand etwas wissen durfte. Und auch niemand jemals etwas erfahren würde. Die Verlockung des Geheimnisvollen und des Unbekannten ließ sie erzittern. Vor Aufregung konnte sie kaum noch atmen.

Kurz darauf hörte sie plötzlich das vertraute Landegeräusch am Fenster. Sie schloss ihre Augen und hob zögerlich den Kopf, zwei Gedanken kamen ihr fast gleichzeitig 'so hatte es gestern auch begonnen' und 'was, wenn das nun Clark ist?' Gespannt drehte sie sich langsam zu ihrem Fenster um - aber es war nicht Clark...

Im Zimmer stand ein junger Mann und sah sie mit dem bezauberndsten Lächeln an, das Lois je gesehen hatte. Er war vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt, hatte langes, blondes Haar, das er zu einem Zopf gebunden hatte und wunderschöne blaue Augen. Sein Dreitagebart brachte sein markantes Kinn gut zur Geltung. Er trug eine einfache schwarze Hose und ein Hemd ohne Kragen, darüber eine dunkelblaue seidene Weste. Lois war sich nicht ganz sicher, aber seine Kleidung sah altmodisch aus. Das Hemd war nicht zugeknöpft, sodass Lois gleich einen Blick auf seine glatte Brust werfen konnte. Doch das Erstaunlichste war, es war der Mann aus ihren Visionen der letzten Nacht, nur war er in Natura noch viel schöner.

Er verstärkte sein Lächeln, was seine Lippen noch mehr zur Geltung brachte. "Lois." Seine Stimme war warm und tief und jagte ihr einen Wonneschauer über den Rücken. Woher kannte er ihren Namen?

Am liebsten wäre sie sofort auf ihn zugestürmt, hätte ihn in ihre Arme geschlossen, ihn berührt und noch viel mehr und ihn niemals wieder losgelassen. Sie wollte alles von ihm. Aber sie wollte ihn auch nicht zu deutlich zeigen, was sie empfand, wie sehr sie bereits den Verstand verloren hatte, wie sehr sie begehrte, also ging sie langsam und Schritt für Schritt auf ihn zu.

Ganz entfernt kam ihr noch der Gedanke, dass sie eigentlich entsetzt, ängstlich sein müsste, darüber, dass er hier aufgetaucht war, hier in ihrem Apartment im fünften Stock, durch das Fenster oder darüber, dass er sie zu kennen schien. Doch diese kleine Stimme in ihrem Kopf rückte immer weiter in den Hintergrund. Sie war froh, dass er hier war und es erschien ihr auf einmal vollkommen normal, es gab überhaupt keine Veranlassung ihn zu vertreiben. Es war das Ergebnis von etwas, was sich seit gestern Abend bereits angekündigt hatte. Ganz genau das war es, die Visionen der letzten Nacht waren nur die Vorbereitung für diesen Moment. Sie war einfach nur froh, obwohl, euphorisch traf es besser. Sie war aufgeregt und sie war so glücklich dabei. Und sie konnte sich kaum satt sehen an ihm.

Auch Lois lächelte den Mann jetzt an. "Wie... wie ist dein Name?", fragte sie vorsichtig, sie wollte ihn auf keinen Fall verschrecken. Sie wollte diesen Mann kennen lernen, wollte alles von ihm wissen und sie wollte ihm nah sein, wollte ihn berühren. Dieser Drang wurde mit jeder Sekunde stärker. Er übte eine geradezu magnetischen Anziehungskraft auf sie aus.

"Ich heiße Vadim." Wieder erschien es Lois, als brächte seine Stimme den ganzen Raum zum vibrieren. "Und ich bin hier, weil ich nur dich sehen wollte - meine Göttin." Bei den letzten Worten ließ er seinen Blick sinken, was seinen Augen einen geheimnisvollen Glanz verlieh.

Natürlich wollte er sie sehen, was auch sonst? Und auch seine Anrede kam ihr vollkommen selbstverständlich vor. Er schien in Wirklichkeit kein Alter zu haben, erschien ihr so weise wie ein reifer Mann, so lebenslustig wie ein junger Mann. So kraftvoll und doch so zart. Poetisch und bodenständig. Dieser Mann schient alles in einer Person zu sein, was sie sich je erträumt hatte. Aber Lois spürte, dass sie es nicht mehr lange aushalten würde, ihn nur anzusehen. Sie wollte ihn berühren, ihre Finger über die glatte Haut seiner männlichen Brust gleiten lassen.

Gleichzeitig gingen sie beide einen Schritt aufeinander zu. Lois konnte vor Erregung kaum noch atmen, jetzt brauchte sie nur noch ihren Arm auszustrecken und sie konnte ihn endlich spüren. Er übte eine körperliche Anziehung auf sie aus, die sie kaum noch kontrollieren konnte. Er nahm ihre Hände in seine und lächelte sie wieder an. Seine Hände waren ein wenig kalt, doch bei dieser Berührung kam es Lois so vor, als würde sie vollkommen den Verstand verlieren. Er führte ihre Hände zu seinen Mund und hauchte ihr einen zarten Kuss auf ihre Finger. Genießerisch schloss Lois ihre Augen, sie wollte diesen Moment auskosten, das Kribbeln spüren, die Spannung erleben und die Erregung ganz in sich aufnehmen. Als sie ihre Augen wieder öffnete, war er hinter sie getreten, sie spürte, wie er sich an ihren Rücken schmiegte und sie genoss seine Nähe. Sie wollte ihn mit jeder Faser ihres Körpers spüren. Sollte sie ihn das noch deutlicher zeigen? Konnte es noch den geringsten Zweifel an ihrem Begehren geben?

Lois ließ ihre Hände auf seinen Rücken wandern und zog ihn noch dichter an sich heran. Nicht konnte jetzt noch zwischen sie kommen.

"Lois, meine Schöne. Meine Liebe. Ich verehre dich so. Sei meine Göttin für diese Nacht..." Leise hauchte er ihr diese Worte ins Ohr.

Lois spürte seine Worte mehr als dass sie sie hörte. Das Timbre seiner Stimme machte sie fast wahnsinnig.

Während seine Hände leicht ihre Hüften umspielten, spürte Lois seine Lippen auf ihrem Hals, dieses Gefühl elektrisierte sie. Noch nie zuvor hatte sie etwas so Erregendes erlebt. Sie streckte sich etwas, um es ihm leichter zu machen. Die Intensität dieses Kusses war überwältigend und wurde immer stärker, fast fühlte es sich wie ein Biss an. Ihre ganze Wahrnehmung bestand nur noch aus seinen Lippen auf ihrer Haut. Der Raum begann sich zu drehen, ihr wurde schwindelig, sie verlor sich und während sie noch dachte, dies sei mit Abstand das Erotischste, was sie je erlebt hatte, versank Lois in vollkommener Dunkelheit.

Fortsetzung folgt...
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Re: Die Nacht ist am dunkelsten... Teil 7

Beitragvon Magss » Do 21. Jun 2012, 18:38

Teil 7


9:52 pm


Clark ging über das Gelände der Universität, hier war alles ruhig und die Fenster, die hier auf den Hof gingen waren wahrscheinlich schon seit Stunden dunkel. Doch in dem Trakt, in dem Thomas sein Büro hatte, sah er noch Licht. Thomas schien ihn zu erwarten, denn genau die Gänge, die zu seinem Büro führten, waren erleuchtet. Er klopfte an Thomas' Tür und der öffnete sie daraufhin sofort und bat ihn herein. Thomas sah etwas abgespannt aus und wie zur Bestätigung strich er sich etwas erschöpft über die Augen.

"Kommen Sie rein, Clark, ich bin froh, dass Sie gekommen sind." Er zeigte auf einen der zwei freien Stühle und nahm ihm gegenüber Platz. "Wir haben wirklich ein ernstes Problem und ich hoffe, ich kann Sie überzeugen...", er wirkte kraftlos, während er das sagte. Warum war er so von Müdigkeit befallen, genau wie Lois?

"Thomas, Sie wollen mit mir über Vampire sprechen?", er betonte das Wort 'Vampire', um seine Skepsis zum Ausdruck zu bringen. Clark dachte sich, kein Geheimnis daraus zu machen, sei das Beste.

Thomas sah ihn mit einem festen Blick an. "Ja!", sagte er ganz ruhig.

"Diese Fabelwesen, die durch die Luft fliegen"; Clark hörte selber den sarkastischen Ton in seiner Stimme, sah aber keine Veranlassung das zu ändern, "Jungfrauen beißen und ihnen das Blut aussaugen, sie damit töten und davon ewig leben. Und tagsüber schlafen sie in einer Gruft, weil das Sonnenlicht sie töten würde. Über diese Wesen wollen Sie mit mir sprechen?" Wahrscheinlich war dieser Abend doch nur vertane Zeit. Auf der anderen Seite hatten Lois und er sich doch vorgenommen, so viel wie möglich über Vampirismus heraus zu finden, falls sie es doch mit einem Täter zu tun hatten, der einen Vampir imitierte.

"Sie haben da soeben fast alle Vorurteile über Vampire aufgezählt, die als allgemein bekannt gelten. Es ist natürlich etwas komplizierter." Thomas lehnte sich jetzt entspannt zurück. Er machte auf Clark den Eindruck, dass er sich in einem Thema befand, bei dem er sich auskannte, sein Heimspiel-Thema. "Fangen wir vorne an: Fliegen - ja. Vampire können fliegen. Jungfrauen - nein, aber Vampire beißen bevorzugt gegengeschlechtlich und da die meisten Vampire Männer sind, beißen sie bevorzugt Frauen, oftmals recht attraktive Frauen. Wobei Ausnahmen die Regel bestätigen. Sie saugen Blut - ja. Davon leben sie, wenn man das denn Leben nennen will. Wir verwenden gerne den Begriff Untote und meiner Meinung nach existieren sie mehr, als dass sie leben. Durch das Blutsaugen töten sie - ja und nein. Es kommt darauf an, was der Vampir will, will er überleben, tötet er. Will er einen neuen Vampir rekrutieren, tötet er nicht; er entscheidet das im Moment des Beißens. Tagsüber schlafen sie in einer Gruft - muss nicht sein. Irgendetwas, das dunkel ist, reicht aus, ein Sarg, eine Kiste, ein Keller, ein Gewölbe, Kanalisation, eine abgelegene Lagerhalle, soetwas halt. Und was die tödliche Wirkung von Sonnenlicht angeht - das stimmt leider auch nicht. Nur wenn ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, ist das Sonnenlicht tödlich. Doch dazu später."

Er schlug ein Bein über das andere und beugte sich jetzt etwas vor, wie um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen. "Aber zum Schluss das Wichtigste überhaupt - Vampire sind keine Fabelwesen! Sie existieren! Haben immer existiert. Jemand wie Bram Stoker hat schon sehr viel verstanden, aber auch ihm war bewusst - genau wie mir selbst auch - wenn man sich in der Öffentlichkeit hinstellt und behauptet, es gibt sie wirklich, wird man bestenfalls verlacht und ist seinen Job los, im schlechtesten Fall landet man in der Klapsmühle. Also schweigen Leute wie er oder ich. Schweigen und kämpfen. Und ich könnte Unterstützung gebrauchen..." Mit diesen Worten sah er Clark erwartungsvoll an.

Aber was sollte er darauf antworten? Clark war immer noch skeptisch. "Sie sagten am Telefon, dass Sie Beweise für mich hätten. Bis jetzt klingt das alles immer noch sehr fantastisch."

"Clark, ich kann es Ihnen nicht wirklich beweisen. Vampire, wenn sie erfolgreich bekämpft werden, sind nach einem Kampf weg. Man kann sie nur vernichten, indem man sie vollkommen auslöscht, ihren Körper vollständig vernichtet. Und somit lassen sie sich keinem Gerichtsmediziner mehr auf den Tisch legen. Was ich tun kann, ist Ihnen ein paar ähnlich liegende Fälle zu zeigen." In diesem Moment gab er Clark einige Unterlagen, die wohl genau solche Fälle enthielten. Clark nahm die Unterlagen entgegen. "Genau solche Fälle, wie Ihr Kollege auch schon in den Zeitungen gefunden hatte. Und allen gemeinsam ist, dass die Täter nie gefasst wurden, dass scheinbar übernatürliche Kräfte am Werk sind, denken Sie an die Alarmanlagen. Die Opfer wehren sich niemals, sie wollen gebissen werden", hier sah Clark ihn entsetzt an, "ja, ganz richtig, sie wollen gebissen werden. Es ist ein Genuss der höchsten Güte, deswegen die erhöhten Endorphin-Werte. Und keine Kampfspuren. Denken Sie nach, es passt alles zusammen."

"Mal angenommen, ich glaube Ihnen", was Clark nicht wirklich tat, "warum beißen sie nur gegengeschlechtlich und warum sind die meisten Vampire Männer?"

"Nicht nur, ich sagte bevorzugt. Das, Clark, ist jetzt eine der Kernthesen des Vampirismus. Es geht beim Vampirismus um ganz elementare Dinge, Liebe, Hingabe und Erotik", er sah wie Clark erschrocken aufsah, "ja, Sie haben ganz richtig gehört, Erotik und das ewige Leben. Und die zweite Frage ist ganz einfach zu beantworten, es gibt mehr männliche Vampire, weil die weiblichen Vampire viel erfolgreicher sind, pragmatischer, weniger Skrupel haben. Das ist wie im richtigen Leben", bei diesen Worten lächelte Thomas, "Frauen sind in Wirklichkeit das starke Geschlecht."

Clark musste an Lois denken und stimmte ihm im Stillen mit einem Lächeln zu. Doch sofort wurde er wieder ernst. "Warum soll der Biss ein Genuss sein? Das kann ich mir nicht vorstellen."

Thomas lächelte Clark mitfühlend an, so als wenn dies doch eigentlich klar sein sollte, aber Clark es nur nicht verstehen würde, weil er Vampirismus grundsätzlich ablehnte. "Sie sehen in dem Biss das Töten. Der Vampir sieht das anders, für ihn ist der Biss ein notwendiger Teil des Prozesses, der zum ewigen Leben führt - übrigens ein ganz alter Wunsch des Menschen - das ewige Leben. Aber der Moment des Beißens ist eine Art Vereinigung, und genauso wie die Vereinigung zweier Menschen mehr ist als einfach nur Sex, es ist das Verschmelzen zweier Körper, das Einswerden ihrer Seelen, pure Erotik. Es ist Geben und Nehmen und auch das ist ein Gegensatzpaar wie Leben und Tod."

"Und deswegen, so behaupten Sie, haben sich die Opfer, die wir bisher als normale Mordopfer eingeschätzt haben, nicht gewehrt - sie wollten gebissen werden?" Clark wollte Thomas nicht das Gefühl geben, er würde ihm nicht glauben. Alles was er sagte, klang sehr fantastisch, aber auch in sich schlüssig. Desweiteren fielen Clark in diesem Augenblick wieder die Worte des Gerichtsmediziners Watkins ein 'die Opfer haben erhöhte Endorphin-Werte', wenn sie zum Zeitpunkt ihres Todes von Verlangen getrieben wurden, gab auch das einen Sinn..

"Ja, genau so ist es. Sie wollten gebissen werden. Und noch etwas, Vampire sind Meister im Verführen. Sie schaffen es immer ihr Gegenüber auf einer Ebene anzusprechen, dass diese völlig den Verstand verlieren. Dieser Umstand macht es übrigens auch so schwer, jemanden zu retten, der gebissen worden ist. Wenn ein Vampir einen neuen Vampiren rekrutieren will, kämpfen Sie an zwei Fronten, gegen den Vampir und gegen das Opfer - ja, gegen das Opfer!" Thomas sah Clark nachdenklich an und ließ das Gesagte einen Moment wirken, ehe er ihn fragte: "Und, Clark, kämpfen wir beide auf der gleichen Seite?"

Clark sah verstohlen auf die Unterlagen, die Thomas ihm gegeben hatte, er hatte sie im Laufe des Gesprächs bereits durchgelesen. Thomas hatte Recht, das waren Zeitungsartikel und Protokolle von ähnlichen Fällen. Die Parallelen waren frappierend, nie gab es einen Täter, nie hatten sich die Opfer gewehrt. Er sah von den Unterlagen zu Thomas. "Ich... sehe, was ich machen kann. Ich würde sagen, wir bleiben im Gespräch." Das klang sicher so, als wäre er noch nicht ganz überzeugt, aber so war es ja auch. Es war einfach zu fantastisch - Vampire in Metropolis!

Thomas stand von seinem Stuhl auf und reichte Clark die Hand. "Melden Sie sich einfach, wenn Sie anders denken. Das Morden wird weiter gehen, die Polizei ist vollkommen überfordert. Und sie wird auch weiterhin keine verwertbaren Spuren finden."

Damit verabschiedeten sie sich voneinander und sagten sich zu, im Gespräch zu bleiben. Die Unterlagen, die Thomas ihm gegeben hatte, nahm Clark mit. Er wollte schon gerne noch die weiteren Umstände zu den Fällen recherchieren. Das würde ihm helfen, Thomas besser einzuschätzen oder vielleicht sogar zu entlarven.


Tag 4, Donnerstag 2. Mai 1996, 8:06 am

Clark fing langsam an, an die Duplizität der Ereignisse zu glauben; genau wie gestern hatte er wieder eine sehr arbeitsreiche Nacht hinter sich, auch wenn es diesmal nur ein Einsatzort gewesen war. In Uttar Pradesh, in Indien war es aufgrund eines Erdrutsches nach den langen Regenfällen der letzten Wochen zu einem verheerendem Zugunglück gekommen. Es gab so viele Tote und Verletzte...

Kaum war er aus dem Fahrstuhl heraus getreten, kam ihm Jimmy entgegen. "Morgen, Jimmy, ist Lois schon da? Ich kann sie nicht sehen."

"Morgen. Nein, tut mir leid. Ich habe sie noch nicht gesehen." Jimmy trug einen dicken Stapel Unterlagen und Papiere. Er machte auf Clark den Eindruck, als wollte er seine Meldung des Morgens loswerden, weil er mit den Papieren wedelte und sofort erzählte, was es denn heute morgen Neues gab. "Tja, was soll ich sagen? Einer unser beiden Fällen geht weiter. Wieder ein Einbruch, es ist zwar keine Computerfirma...", mit diesen Worten reichte ihm Jimmy zwei Seiten vom dem, was er auf dem Arm hatte, "hier, sieh mal, die machen Materialentwicklung. Aber die haben sich gerade irgend soetwas Neues patentieren lassen, ein... Metall-Kunststoff-Komposit", las Jimmy dieses Wort ab, "hat wohl eine irre Leitfähigkeit und soll die Geschwindigkeit von Computerplatinen beschleunigen. Ich sag ja die ganze Zeit, es geht um Geschwindigkeit."

"Ja Jimmy, und du hast sicher Recht. Hat Davis angerufen?" Jimmy schüttelte den Kopf. "Und Thomas, hat der angerufen?" Wieder schüttelte Jimmy den Kopf. "Und Lois hat sich auch nicht gemeldet?"

"Nein, aber sie wird doch bestimmt auf dem Weg hierher sein."

"Ich rufe sie an.", sagte Clark gehetzt zu Jimmy; nun konnte es ihm nicht schnell genug gehen. "Und gleich darauf rufe ich Davis an. Sollte Perry mit seiner Besprechung beginnen, stellst du den Einbruch von letzter Nacht vor. Ich komme dazu, sowie ich weiß, ob es heute Nacht auch wieder einen oder mehrere Morde gegeben hat. Auf jeden Fall recherchierst du alles zu dem Einbruch. Du machst das prima." Clark sah gerade noch, wie Jimmy immer noch nickte, aber nach Clarks Lob sah er deutlich zufriedener aus und ging zu seinem Schreibtisch. Er wählte Lois' Nummer und wartete ungeduldig. Es klingelte dreimal, viermal... neunmal, zehnmal, sie ging nicht ran. Hoffentlich hatte Jimmy Recht und sie war auf dem Weg in den Planet. Clark beschlich ein ungutes Gefühl, aber das passierte fast immer, wenn er nicht genau wusste, wo sie war. Deswegen konnte er sie trotzdem nicht jede Minute überwachen und Lois würde das natürlich auch nicht wollen.

Als nächstes wählte er Davis' Nummer. Er erreichte ihn noch in seinem Büro. Davis erzählte ihm, dass es in der letzten Nacht 'nur' einen Mordfall gegeben hatte. Eine junge Frau von Ende Zwanzig, diesmal keine Villa, eher eine einfache Wohnung in einem Apartmenthaus. Hier gab es auch keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen, trotzdem wusste die Polizei nicht, wie der Täter in die Wohnung gekommen war. Die Mitbewohnerin hatte am Morgen die Leiche entdeckt. Sonst gab es auch hier wieder die gleichen Übereinstimmungen, Stichwunde im Hals, keine Kampfspuren, kein Diebstahl.

"Davis, warum haben Sie immer noch nicht überlegt die Fälle, die vor Montag passiert sind, mit in Ihre Ermittlungen einzubeziehen? Wenn Sie sonst keine Spur haben, kann es doch nicht schaden, den Kreis zu erweitern."

"Kent! Sie sind witzig. Ich habe so schon zu wenig Leute um all die Fragen an die Nachbarn, die Kollegen, die Freunde, Familie oder Mitbewohner zu stellen. Was glauben Sie? Wir haben hier schon einen richtigen Telefon-Terror! Die Bevölkerung wird auch immer panischer. Und die Presse, der Bürgermeister, mein Chef, alle erwarten sie Ergebnisse. Aber ich kann sie schließlich nicht herbeizaubern." Jimmy deutete mit seiner Gestik an, dass Perry die Morgenbesprechung jetzt beginnen würde. Und Clark bedeutete ihm, sie sollten ohne ihn anfangen, dieses Gespräch war ihm im Moment wichtiger. "Wir von der Polizei müssen eine richtige Untersuchung führen. Da reicht es nicht, jemanden zu interviewen, der etwas gesagt hat, was sich als Schlagzeile eignet und damit ist es gut." Er atmete einmal tief durch. Clark merkte förmlich, wie der Stress auf Davis lastete. "Aber Kent, ich will nicht ungerecht sein. Sie und Lois sind ja nicht solche Schmierenschreiber."

"Druck vom Chef?", fragte Clark mitfühlend.

"Ja-ah. Außerdem gibt es noch einen weiteren riesigen Unterschied zwischen polizeilicher Ermittlung und Presse. Die Fälle vor Montag haben sich alle in den Randbezirken Metropolis' ereignet, teilweise sogar in den Vorstädten. Für die Bezirke sind jeweils andere Polizeieinheiten zuständig. Haben Sie eine Ahnung, was es bedeuten würde, diese Fälle zusammen zu ermitteln? Akten anzufordern, Genehmigungen einzuholen, Zeugen außerhalb meiner Zuständigkeit zu befragen und sich auch noch mit Kollegen zu streiten, die glauben, ich würde mich in ihre Arbeit mischen. Kent, das ist ein unglaublicher Stress! Auch wenn ich natürlich weiß, dass es um Mord geht, aber da sind eben diese Vorschriften, die einem die Arbeit schwer machen... Und man macht sich nichts als Feinde damit..."

Davis tat Clark fast leid. Er hatte schon Recht, als Reporter hatten sie es hier und da schon etwas leichter. Wenn sie, um an Beweismaterial zu kommen, eine Tür aufbrachen, riskierten sie eine Anzeige wegen Sachbeschädigung und nicht ihren Job. "Warum diese Nacht nur ein Opfer? Was meinen Sie?" Bisher waren es in jeder Nacht zwei Opfer gewesen.

"Keine Ahnung. Vielleicht haben wir das zweite Opfer nur noch nicht entdeckt." Es lag auf der Hand, dass Davis noch ein weiteres Opfer vermutete. Wie immer vereinbarten sie, im Gespräch zu bleiben. Clark legte auf.

Fast im gleichen Moment klingelte sein Telefon wieder. Und Clark dachte sofort 'Lois' und nahm den Hörer ungeduldig auf. "Kent, Daily Planet."

"Morgen, Thomas hier. Clark, auch wenn ich Sie nicht überzeugen konnte, sagen Sie mir, was die Polizei heute Morgen zu berichten hat?"

"Ja natürlich", sagte er etwas unwirsch. Er hätte jetzt lieber noch mal versucht Lois zu erreichen. Wo blieb sie nur? Warum meldete sie sich nicht? Doch Thomas konnte ganz sicher nichts für Lois' Verschwinden und so fuhr er sachlich fort: "Eine Leiche heute Nacht, eine junge Frau Ende Zwanzig, Stichwunde im Hals, kein Kampf, alles wie immer.", spulte er die Fakten herunter und nannte ihm die Adresse des Mordopfers.

"Hm... Nur eine Leiche. Das gefällt mir gar nicht. Ich fürchte, es gab auch diese Nacht zwei, nur wurde die zweite noch nicht gefunden. Stellen wir uns lieber darauf ein, dass es noch eine weitere tote Frau geben wird. Danke Clark, sollte ich noch irgendetwas herausfinden, melde ich mich noch mal. Und seien Sie vorsichtig, Sie und Ihre Freundin." Mit diesen Worten legte Thomas auf.

Clark wählte sofort noch einmal Lois' Nummer und dachte mit einem unguten Gefühl an Thomas' gutgemeinte Warnung für Lois und ihn. Er ließ es klingeln. 'Lois, geh ran! Wo bist du?' Doch sie nahm nicht ab uns so legte Clark wieder auf.

Plötzlich kam Clark ein Gedanke: Sie suchten doch jemanden, der vielleicht einen Vampir imitierte, jemand der sich mit Vampiren auskannte, jemand der vielleicht sogar von Vampiren besessen war... Thomas kannte sich mit Vampiren aus, er behauptete, dass sie existierten. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich eine vermeintliche Quelle im Laufe der Ermittlungen als Täter herausstellte. Und er gab ihm auch noch brav die Ermittlungsergebnisse der Polizei! Clark schlug sich mit der Hand leicht auf die Stirn. Warum war ihm dieser Gedanke nicht schon früher gekommen? Weil es eigentlich Lois' spezielle Fähigkeit war, so um die Ecke zu denken. Lois! Jetzt musste er erst mal herausfinden, wo sie war.

Ungeachtet der Tatsache, dass sein Chefredakteur ihn aus dem Konferenzraum böse anfunkelte, er erwartete schließlich alle Kollegen dort, nahm Clark seine Jacke und verließ das Redaktionsbüro durch das Treppenhaus. Das Treppenhaus bot immer noch die beste Möglichkeit, schnell in sein Superman-Outfit zu wechseln.

Fortsetzung folgt...
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Re: Die Nacht ist am dunkelsten... Teil 8

Beitragvon Magss » Fr 22. Jun 2012, 22:55

Teil 8


12:16 pm


Lois saß an ihrem Schreibtisch und rieb sich die Augen. Sie war so müde. Jimmy hatte sie gebeten, ihn bei der Recherche zu seinem Computer-Einbruch-Fall zu unterstützen. Was es Neues gab in der Mordserie, in der Clark und sie ermittelten, wusste sie nicht. Clark hatte nach Jimmys Aussage mit Davis sprechen wollen und war wohl kurz darauf, noch während der Morgenbesprechung gegangen, wohin, wusste Jimmy nicht. Sie könnte natürlich selber bei Davis anrufen, aber sie war viel zu müde dafür. So müde - aber wenn sie daran dachte, warum sie müde war, was es gewesen war, das sie vom Schlafen abgehalten hatte, wurde sie von einer Welle der Erregung erfasst, die sie in eine Hochstimmung versetzte, bei der sie alles vergaß. Und sie dachte mit Freude immer wieder daran, was letzte Nacht passiert war, was sie erleben durfte und was sie hoffte, nächste Nacht auch wieder zu erleben. Jedesmal, wenn sie die Augen schloss, auch wenn es nur ganz kurz war, sah sie wieder sein Gesicht, sah, wie er sie anlächelte, hörte sie seine Stimme, die sie verzaubert hatte. Lois merkte, wie sich ihre Mundwinkel wie von selber zu einem Lächeln formten.

Jimmy hatte ihr vor zwei Stunden, gleich bei ihrem Erscheinen im Planet gesagt, sie sähe blass aus. Jimmy - taktvoll, wie immer. Ihr war es ziemlich gleichgültig, wie sie aussah, sie hatte für diesen Tag nur ein Ziel: den Tag herum kriegen, sich mit irgend einer belanglosen Arbeit ablenken, damit es endlich Abend wurde. Sie war sich sicher, dass '[b]er]/b]' auch diese Nacht wieder zu ihr kommen würde. Und das war alles, was von Bedeutung war für sie.

Lois versuchte sich noch mal zur Ordnung zu rufen und sich auf die Unterlagen zu konzentrieren, die Jimmy sie gebeten hatte durchzusehen. Wenn sie doch nur einen kurzen Moment die Augen schließen konnte. Die letzten beiden Nächte verlangten ihren Tribut. Lois ließ ihre Augenlider etwas sinken, sie waren schwer wie Blei. Dunkelheit - welch ein Genuss! Die Geräuschkulisse des Redaktionsbüros verschwand... war nur noch entfernt zu hören, wie durch Watte...

"LOIS!" Ihr Kopf schoss in die Höhe. Die bedrohliche Stimme ihres Chefredakteurs holte sie in die schnöde Wirklichkeit zurück. "In mein Büro!" Erst jetzt realisierte Lois, dass sie - an ihrem Schreibtisch! - mitten im voll besetzten Büro! - eingeschlafen war!

Da würde sie sich kaum rausreden können und außerdem war sie viel zu müde für eine schlagfertige Ausrede. Sie wusste natürlich woher das kam, sie hatte die letzten zwei Nächte kaum geschlafen und eine Nacht ohne Schlaf konnte sie durchaus mal wegstecken, aber zwei...

Doch sie konnte Perry natürlich nicht den Grund sagen und er würde fragen, oh ja, da war sie sich ganz sicher. In seiner hilfsbereiten, väterlichen Art würde er sie sicher fragen, was los sei. All das ging ihr durch den Kopf auf den wenigen Metern zu seinem Büro.

Und ihr Gefühl trog sie nicht. Perry hatte sie angesehen, still auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch gezeigt und die Tür geschlossen. "Lois, was ist los?", fragte er ruhig und mit einem ernstem Gesichtsausdruck.

Doch ihr größtes Problem war, dass sie viel zu müde war, um sich ein Konzept zu überlegen, eine passende Antwort, ein Konstrukt, das ihre Lage erklären könnte, die ihren Chef überzeugen würde und dafür sorgen würde, dass er sie in Ruhe ließ. "Nichts..." Das war nun wahrlich kein Geistesblitz, soviel war ihr selbst bei ihrer Müdigkeit klar, aber mehr konnte sie ihren müden und völlig überarbeiteten Gehirnzellen nicht entlocken.

"Nichts?!" Perry sah sie ungläubig an. Hoffnungsvoll fuhr er fort. "Gab es eine Nacht-observation, von der ich nichts weiß? Irgendeine heiße Story, von der ich noch keine Ahnung habe? Eine Enthüllung so richtig nach Lois-Lane-Manier?" Mit einem freudigen Funkeln sah ihr Chefredakteur sie an.

Doch Lois fiel nichts besseres ein als den Kopf zu schütteln.

Perrys Gesichtsausdruck wechselte zu einer enttäuschten Miene, als er weiter fragte: "Irgendetwas Neues zu dem Mordfall von letzter Nacht?"

Das war jetzt in der Tat problematisch, Jimmy hatte ihr die Unterlagen gegeben, aber sie hatte nicht hineingesehen. Kaum dass sie einen Blick darauf geworfen hatte, verschwammen die kleinen Buchstaben vor ihren Augen. "Nein, nichts Neues..."

"Und zu dem Einbruch in die Computerfirma?" Perry sah sie bei diesen Worten mit einem strengen Blick an.

Genau die Unterlagen hatte sie in der Hand gehabt, als Perry sie zu sich gerufen hatte. Und sie hatte sie auch angesehen, aber nicht wirklich verstanden, was sie gelesen hatte. "Nein, nichts Neues... Jimmy recherchiert aber auch noch etwas...", versuchte sie sich wenigstens ein klein wenig zu retten, obwohl ihr trotz ihres trägen Denkapparates klar war, dass sie ihre Lage dadurch kaum verbessern würde.

"Und... wo ist Clark?" Perrys Geduld schien an ihrer Belastungsgrenze zu sein.

"Tut mir leid, Chef, ich habe keine Ahnung." Auch wenn ihr klar war, mit dieser Antwort nicht seinen Erwartungen zu entsprechen, aber was sollte sie denn sagen? Warum musste er sie auch all diese Dinge fragen?

"Sagen Sie mal, Lois, sind Sie sicher, dass Sie nicht krank sind? Sie sehen wirklich sehr blass aus." Perry sah besorgt aus.

Und was bitte schön, sollte sie ihm auf diese Frage antworten? Ja und nein traf es am besten. Ja, sie war sich sicher, dass da etwas mit ihr passierte, sie überfallen hatte wie eine Krankheit. Und wie bei einem Virus, der sich nach und nach im ganzen Körper manifestierte, so war ihr auch klar, es gab kein Gegengift, keine Medizin und keine Heilung. Aber trotz ihrer Müdigkeit, war sie sich auch bewusst, dass sie sich noch nie zuvor besser gefühlt hatte. Das war das 'Nein'. Und sie war sich sicher, dass es noch besser werden würde, wenn 'er' heute Nacht wieder zu ihr kommen würde, wenn es endlich Abend werden würde...

Aber jetzt war es erst einmal wichtig, dass Perry aufhörte Fragen zu stellen. Wie um ihre Aussage zu unterstreichen, fuhr sie sich mit der Hand über ihre Augen. "Ich bin wirklich nur ein wenig übermüdet, habe einfach schlecht geschlafen. Das wird schon. Wenn Clark wieder da ist, kann er ja den zusammenfassenden Bericht abliefern - okay?"

"Okay, Lois. Aber... wenn Sie reden wollen... wissen Sie, dass ich immer ein Ohr für Sie habe." Natürlich musste Perry auch noch seine väterliche Seite ausspielen, dabei wollte sie doch nur ihre Ruhe haben. Aber er war bereit, sie an dieser Stelle gehen zu lassen - glücklicherweise. Also versicherte sie ihrem Chef noch einmal, dass sie nur etwas übermüdet sei und verließ sein Büro.

Doch aus ihrem Bedürfnis nach Ruhe würde vorerst nichts werden. Genau in dem Moment, in dem sie Perrys Büro verließ, betrat Clark die Redaktion und er sah sie mit einer Mischung aus Besorgnis und Ärger an. Sofort war er bei ihr. "Lois, wo hast du gesteckt? Ich suche dich seit Stunden!"

Und damit standen sie sich gegenüber. Clark - das war merkwürdig. Lois war natürlich klar, wer Clark war, ihr Verlobter, der Mann, den sie bald heiraten würde, der Mann, der sie liebte und sie...? Was fühlte sie? Sie sah Clark an und in dem Moment hatte sie das Gefühl, sie sah durch eine Kamera und sein Bild wurde wie durch den Zoom immer weiter in die Ferne gerückt. Sie musste das klären - für sich und für ihn - das war sie ihm wirklich schuldig - aber nicht jetzt. Sie war viel zu müde, um einen klaren Gedanken zu fassen.

"Ich? Hier! Ich war im Planet, die ganze Zeit schon." Sie musste ihm ja nun schließlich keine Rechenschaft ablegen über jeden ihrer Schritte.

Mitfühlend sah Clark sie an. "Liebes, geht es dir nicht gut, du bist so blass?"

Konnten sie nicht endlich alle in Ruhe lassen? Diese Fragen gingen ihr auf die Nerven. Doch leider merkte Lois jetzt, wie ihr ein wenig schwindelig wurde, diese Kreislaufschwäche begleitete sie auch schon den ganzen Vormittag. Aber bevor sie noch ins Schwanken kam und Clark sich genötigt sah, sie aufzufangen, setzte sie sich einfach auf den Stuhl, der gerade da stand. Aus einem unbestimmten Gefühl heraus wollte sie Clark jetzt nicht so nah sein.

Glücklicherweise verging der Schwindel dadurch und sie sagte zu Clark in einem möglichst bestimmten Tonfall: "Es geht mir gut - wirklich! Könntest du und alle anderen bitte auch, endlich aufhören zu fragen. Ich habe etwas schlecht geschlafen, das ist alles! Sonst geht es mir gut!" Sie stand von dem Stuhl wieder auf und ging zu ihrem Schreibtisch. Auf dem Weg dorthin merkte sie förmlich Clarks fragenden Blick in ihrem Rücken, aber sie konnte ihm jetzt nicht mehr sagen. Was hätte sie auch sagen sollen. Gerade ihm konnte sie doch nicht erklären, was ihr im Kopf herum ging, was sie beschäftigte, was sie in der letzten Nacht so Besonderes erlebt hatte - und was sie hoffte, auch heute wieder zu erleben.

Um der Tatsache, dass das Gespräch für sie zu Ende war, Nachdruck zu verleihen, nahm sie ihren Telefonhörer auf und drückte ein paar Tasten, aber nicht so, dass wirklich ein Gespräch zustande kam; sie wollte einfach nur ihre Ruhe haben. Erneut merkte sie den Schwindel, hörte das Blut in ihrem Kopf rauschen und sah Sterne. Sie schüttelte ihren Kopf, um diese Empfindung zu vertreiben. Sie nutze den Moment, um ihre Gedanken ein wenig zu sortieren. Sie musste sich darüber klar werden, was mit ihrem Gefühl passierte. Aber wie konnte sie das, sie glaubte, überhaupt nicht klar denken zu können, wie sollte sie da eine Entscheidung treffen? Gab es denn eine Entscheidung zu treffen? Das Rauschen in ihrem Kopf nahm zu. Sie musste versuchen sich zu konzentrieren. Entscheidungen konnte sie auch später noch treffen.

Und es funktionierte, der Schwindel verschwand und Clark ließ sie in Ruhe, wenigstens vorläufig, während er ihr immer wieder einen dieser besorgten Blicke zuwarf. Doch nach einer halben Stunde bat er sie und Jimmy zu ihrer internen Mittagsbesprechung in den Konferenzraum. Verdammt, dagegen konnte sie sich natürlich nicht wehren!

Aber Lois war sich bewusst, dass sie wirklich nur eines tun konnte - mitspielen - denn je mehr sie sich weigerte an dem üblichen Tagesablauf mitzuwirken, umso mehr würde Clark fragen, was los sei. Und das wollte sie um jeden Preis verhindern. Die Kollegen, Jimmy, ja sogar Perry hatte sie bis jetzt klar machen können, dass sie lediglich etwas übermüdet sei, weil sie schlecht geschlafen hatte. Was für ein Hohn, sie hatte durchaus selber in den Spiegel gesehen, sie wusste, dass sie furchtbar aussah, blass war und tiefe schwarze Ringe unter den Augen hatte. Und ihr war klar, Clark würde sich in seiner überfürsorglichen, fast schon überbehütenden Art nicht so leicht überzeugen lassen. Also konnte sie nichts weiter tun, als gerade ihm gegenüber so zu tun, als sei sie nur etwas müde, aber sonst wäre alles in Ordnung. Also würde sie pflichtbewusst so tun, als hörte sie ihm aufmerksam zu.

Als Erstes berichtete Clark von seinem Besuch bei den S.T.A.R. Labs gestern am frühen Abend mit Jimmy zusammen. Wie sie es erwartet hatten, war Baileys, der Leiter der Computerentwicklungsabteilung im Beisein von Clark und Dr. Klein durchaus bereit, ihnen alle Fragen zu den Forschungen um die Teilchenbeschleunigung zu beantworten. Diesen Teil des Berichtes richtete Clark an Lois, was natürlich klar war, Jimmy war ja schließlich dabei gewesen. Doch als nächstes begann Clark die Vorzüge dieser Technik darzulegen und das war zuviel. Lois' Gedanken schweiften ab, auf diese technischen Details konnte sie sehr gut verzichten. Um Clark das Gefühl zu geben, sie hörte ihm aufmerksam zu, gab sie, wann immer sie meinte, dass es passen würde, ein "Ah ja.", ein "So, so." oder ein "Tatsächlich?!" zum Besten. Doch ihre Gedanken wanderten zu Vadim...

Sie sah Clark aufmerksam an, doch ihr innerer Blick wanderte zu dem jungen Mann, der sie letzte Nacht besucht hatte, in ihr Apartment, in ihr Leben und in ihr Herz geflogen war. Er musste geflogen sein, anders konnte er doch nicht den Weg durch das Fenster genommen haben. Sie sah seine Augen, seine blauen Augen, die erinnerten sie an einen Blick ins blaue Meer. Und ganz besonders sein Blick, die Art wie er sie angesehen hatte, ihr scheinbar tief ins Herz gesehen hatte und sie dabei so tief berührt hatte, dieser Blick hatte sie alles vergessen lassen, was ihr bis dahin wichtig erschienen war. Das alles war so neu und doch schien es so vertraut. Selbst jetzt, da sie seinen Blick nur in der Erinnerung sah, durchfuhr sie eine wohlige Wärme. Sie vertraute diesen Augen bedingungslos und sie konnte es kaum erwarten, sich wieder darin zu verlieren. Wenn doch nur die Zeit schneller vergehen würde...

Clark schien seinen Bericht über den Besuch bei Baileys beendet zu haben, denn er schloss den einen Ordner und schlug den anderen über die Ermittlung der Mordfälle auf. Er sah sie mit einem ernsten Gesicht an und sagte zu ihr und Jimmy: "Ich war gestern Abend noch bei Thomas..."

Jimmy grinste vergnügt. "Bei diesem abgefahrenen Typen, der an Dracula glaubt...?" Er fuchtelte mit seinen Händen Richtung Clarks Gesicht. "Huhu...", einen kurzen Moment versuchte Jimmy unheimlich zu wirken, musste aber gleich darauf wieder grinsen.

Auch Clark lächelte daraufhin leicht. "Ja, genau bei dem. Und ich gebe zu, ich weiß selbst nicht recht, was ich von ihm halten soll. Er hat gestern Abend auch wieder behauptet, es könnte Vampire wirklich geben..."

Lois hatte plötzlich das Bedürfnis einzuschreiten, empört sagte sie zu Clark: "Aber du wirst ihm doch nicht etwa glauben! Du bist ein vernunftbegabter Mensch, der logisch vorgeht. Clark, Vampire - ich bitte dich!" Sie musste ihn einfach von diesem absurden Gedanken abbringen. Ihr war schließlich sehr wohl bewusst, wie gefährlich nah Thomas und ganz besonders Clark der Wahrheit dabei kommen könnten. "Das klingt doch wie ein Gruselmärchen und wie ein schlechtes noch dazu."

"Ich habe doch nicht behauptet, dass ich ihm glauben würde." Clark unterstrich seine Aussage mit seinen Händen, die er abwehrend schüttelte. Er sah Lois ganz direkt in die Augen. "Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und laut darüber nachdenken, ob er nicht zum Beispiel der psychopathische, vampirfanatische Einzeltäter sein könnte, über den wir schon mal nachgedacht haben."

Clark dachte, Thomas könnte als Täter in Frage kommen, das war ja ein fantastischer Gedanke, besser jedenfalls als die Vampiridee, viel besser sogar! "Ja! Das ist ein hervorragender Verdächtiger!" Lois merkte selber, wie enthusiastisch sie das sagte.

Jimmy schüttelte sich mit einem skeptischen Blick. "Mir kam der schon unheimlich vor, weil er sich freiwillig mit so einer Materie beschäftigt. Muss doch irgendwie durchgeknallt sein..."

Lois spürte, wie altbekannte Lebensgeister in ihr erwachten. "Wir sollten ihn überprüfen. Jimmy könntest du das übernehmen?" Er nickte daraufhin. "Gut. Finde alles über ihn heraus, was erwähnenswert ist, Vorstrafen? Was macht er eigentlich in seiner Freizeit, lebt er alleine? Hatte er nicht mal irgendetwas Diesbezügliches veröffentlicht? Hat er Freunde, Feinde? Achte besonders darauf, wo Thomas war, während diese anderen Fälle passiert waren, die du schon gefunden hattest. Wir müssen einfach alles über ihn wissen. Endlich haben wir eine Spur!" Es galt schließlich eine Mordserie aufzuklären und ein Mensch wie Thomas konnte durchaus etwas damit zu tun haben.

"Okay, mach ich.", sagte Jimmy daraufhin knapp.

"Sehr gut. Am besten du fängst sofort an." Lois' Tonfall ließ keinen Zweifel, was sie unter 'sofort' verstand und Jimmy verstand es auch genauso, er blickte noch kurz zu Clark, als wollte er sich vergewissern, dass er genauso dachte, stand einfach auf und verließ umgehend den Konferenzraum.

Das war eigentlich nicht das, was Lois beabsichtigt hatte, sie wollte nicht unnötig viel Zeit mit Clark alleine sein, schon gar nicht so ungestört im Konferenzraum. Ihr war klar, dass er sich nicht so leicht abwiegeln lassen würde wie der Rest der Mannschaft. Das Gefühl Clark gegenüber war gerade unklar. Sie sah in ihm einfach den Mann, den sie bald heiraten würde, aber wenn sie an letzte Nacht dachte, war es, als würde Clark oder ihr Gefühl für ihn aufhören zu existieren. Irgendwann würde sie das klären müssen, für sich selber klären, aber nicht jetzt. Jetzt war sie viel zu müde für eine schwere Entscheidung, die zweifelsohne anstehen würde. Und wie sie es befürchtet hatte, kam er auch gleich auf den Punkt.

"Ich bin froh, dass wir einen Moment alleine sind. Lois, was ist denn nur los mit dir?", fragte er auf seine betont fürsorgliche Art.

Lois war sich klar, jetzt musste sie überzeugend sein, sonst würde er sie nicht mehr einen Augenblick aus den Augen lassen. "Ach, Clark", begann sie betont lässig, "es ist lieb von dir, dass du fragst, aber ich bin wirklich nur müde. Ich habe einfach schlecht geschlafen. Das ist alles. Nichts von Bedeutung." Sie sah ihn mit festem Blick an und schenkte ihm ein Lächeln.

"Solltest du nicht vielleicht nach Hause gehen, um dich etwas auszuschlafen?" Clark kam bei diesen Worten auf sie zu und legte seine Arme um sie.

Sie konnte diese Umarmung natürlich nicht abwehren, ohne sein Misstrauen zu erwecken, aber sie legte ihre Hände auf seine Brust und schaffte so einen gewissen Abstand zwischen ihm und sich. Es war merkwürdig, die Abwehr seiner Umarmung passierte ganz automatisch, sie wollte ihm einfach nicht so nah sein. Sie musste sich klar werden, was sie wollte, was ihr wichtig war. Aber später. hatte Clark nicht eine Frage gestellt? Ja, natürlich, Ausschlafen. "Nein, ich denke nicht. Ich könnte jetzt mitten am Tag doch nicht schlafen. Ich geh einfach heute Abend früh schlafen und morgen bin ich wie neu - glaub mir." Damit befreite sie sich aus seiner Umarmung und ging zur Tür. "Komm, lass uns sehen, ob Thomas so eine weiße Weste hat, wie er uns vormacht..." Lois ging zu ihrem Schreibtisch, ohne darauf zu achten, ob Clark den Konferenzraum auch verließ. Aber sicher tat er das, was sollte er dort noch wollen?

Fortsetzung folgt...
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Re: Die Nacht ist am dunkelsten... Teil 9

Beitragvon Magss » Sa 23. Jun 2012, 09:54

Teil 9


7:18 pm


Die verbleibenden Stunden in der Redaktion des Daily Planet liefen für Lois sehr zäh, sie konnte sich nach wie vor kaum mehr als ein paar Minuten auf etwas konzentrieren, aber schließlich zeigte die Uhr eine Zeit an, zu der sie gehen konnte, ohne Aufsehen zu erregen. Clark und sie hatten bis dahin versucht das Leben von Thomas Bynecky zu durchleuchten, aber nichts Auffälliges gefunden. Entweder war er so harmlos wie er sich gab, oder er war sehr geschickt. Clark hatte sie nach ihrer instinktiven Meinung gefragt, aber für ihren berüchtigten Reporterinstinkt war sie einfach zu müde. Es kostete sie schon ihre ganze Aufmerksamkeit, dem zu folgen, was Clark zu ihr sagte. Und da waren immer mal wieder die gelegentlichen Kreislaufprobleme, die sie unbedingt vor Clark verbergen musste. Aber sie wollte auch verhindern, dass er der abwegigen Vampirtheorie von Thomas mehr Aufmerksamkeit schenkte als nötig und so bemühte sie sich nach Leibeskräften Clark immer in neuen Richtungen suchen zu lassen, um Thomas doch noch irgendetwas anzuhängen. Doch erfolglos.

Das enttäuschte Lois, Thomas war der perfekte Verdächtige, er hatte das Wissen, um einen Vampir-Mord vorzutäuschen und war von sich aus immer sehr darum bemüht gewesen, alle Informationen zu den Ermittlungen zu erfahren. Allein das machte ihn in ihren Augen schon verdächtig. Außerdem behauptete er nicht nur, dass es Vampire gab, er meinte auch zu wissen, wie man sie vernichten könnte. Thomas konnte also durchaus gefährlich sein und Lois hätte ihn in dieser Nacht lieber in einer Gefängniszelle gesehen.

Doch das war jetzt alles belanglos, nebensächlich, unwichtig... Sie war in ihrem Apartment und sie war endlich alleine. Clark hatte glücklicherweise noch einen Termin, er hatte ihr auch gesagt worum es sich dabei handelte, doch sie hatte nicht zugehört. Also würde sie den ganzen Abend für sich haben, würde tun können, was sie wollte, ohne sich weiter rechtfertigen zu müssen, ohne sich zu erklären. Und sie würde sich vorbereiten, sie würde sich schön machen für ihn, nur für ihn. Lois war sich einfach sicher, dass er sie auch heute wieder besuchen würde. Er würde zu ihr kommen, er würde mit ihr reden, sie ansehen, sie berühren und sicher würde er sie wieder küssen - sie konnte es kaum noch erwarten. Dieses inzwischen wohlbekannte erotisches Kribbeln begann in ihrem Bauch und breitete sich nach und nach über ihren ganzen Körper aus. Sie schloss genussvoll die Augen, strich sich sanft über ihren eigenen Arm und umschloss ihren Oberkörper mit ihren Armen, als wollte sie sich selbst umarmen. Lois leckte sich die Lippen, sie sah die fein geschwungene Linie von Vadims Lippen vor ihren Augen. Und ihre Müdigkeit war wie weggeblasen. Wie jedes Mal, wenn sie sich in einer dieser Tagträume verlor, war es viel mehr als nur ein Bild vor ihrem inneren Auge, sie fühlte seine weichen Lippen auf ihrer Haut, an ihrem Hals. Sie waren ein wenig kalt und doch so hungrig, als sei sie die Frau, die er seit Ewigkeiten gesucht hätte. Er musste einfach kommen.

Ein wenig später klopfte es an ihrer Tür. Das überraschte Lois, sie hätte ihn wieder am Fenster erwartet. Aber es war ja ganz gleich, welchen Weg er wählte und so lief sie ungeduldig zur Tür und öffnete sie ohne noch einmal durch den Spion zu sehen.

Doch dort stand nicht Vadim, der junge Besucher der letzten Nacht, der Sohn eines russischen Dichters, der Poet, der Träumer, der schönste Mann, den Lois je gesehen hatte... Vor ihrer Tür stand Clark!

Und er sah sie entsetzt an. Lois sah an sich selbst herunter und bemerkte in diesem Augenblick, was ihre Aufmachung für einen Eindruck auf ihn machen musste. Sie hatte sich ihr aufregendstes Kleid angezogen, schwarze Seide, hauteng, nur gehalten von zwei dünnen Spaghettiträgern. Es brachte ihre Figur fantastisch zur Geltung und gewährte einen freien Blick auf ihre Schultern und ihren Hals. Sie fühlte sich sehr sexy darin, sexy und sehr gut. Als Kontrast zu dem schwarzen Kleid hatte sie einen Lippenstift gewählt, der sie am meisten an Blutrot erinnerte.

"Lois!" Clark ließ seinen Blick über ihren Körper wandern und es war ihm anzusehen, dass ihm gefiel, was er sah. Lois konnte sehen, wie ihm der Atem stockte, er schluckte. Genau diese Wirkung wollte Lois herausfordern, nur eben nicht bei Clark. Doch ihm schien noch ein anderer Gedanke zu kommen, "Erwartest du jemanden?" In Clarks Blick stand mehr Entsetzen und Erstaunen, denn Eifersucht.

Lois zermarterte sich das Hirn nach einer schlüssigen Erklärung. Eine die Clark beruhigen würde und dafür sorgte, dass er schnell wieder ging. "Ich? Nein", sagte sie so gelassen, wie sie nur konnte, "wen sollte ich denn erwarten?" Sie lächelte ihn locker an und dachte und dachte fieberhaft nach.

Clark riss seine Augen noch mehr auf. "Was soll, um Himmels Willen diese Aufmachung?"

"Ach Clark... Ich habe nur schon mal etwas ausprobiert, was ich dir eigentlich erst nach unser Hochzeit zeigen wollte. Und um zu sehen, wie es wirkt, habe ich mich auch dazu geschminkt. Jetzt hast du mir meine Überraschung kaputt gemacht. Aber im Grunde ist es wie mit dem Hochzeitskleid, du darfst das noch gar nicht sehen... Und deswegen solltest du jetzt auch schleunigst wieder gehen und gefälligst vergessen, was du gesehen hast." Mit diesen Worten versuchte Lois Clark ein wenig Richtung Tür zu schieben, aber er ließ sich keinen Zentimeter bewegen und sah sie immer noch ungläubig an. "Ach komm schon, Clark. Sei ein Lieber und lass mich alleine, damit ich aus dem Kleid rauskomme und endlich ins Bett kann, um den nötigen Schlaf nachzuholen."

Clark stand immer noch wie angewurzelt direkt vor ihrer Tür. "Lois, du möchtest, dass ich gehe? Was ist denn nur los mit dir?" Da war er wieder, dieser überfürsorgliche Blick.

Warum konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen? "Mit mir? Nichts, gar nichts, was soll los sein mit mir. Ich bin einfach nur müde, wie ich dir ja auch schon den ganzen Tag gesagt habe. Und jetzt würde ich wirklich gerne schlafen gehen." Langsam wurde sie ungeduldig.

"Lois, willst du mich etwa loswerden?" Die Verzweiflung war ihm deutlich anzumerken.

Lois versuchte ihre Stimme wieder ganz ruhig und gelassen klingen zu lassen. "Ich? Was? Nein, so ein Blödsinn." Aber sie dachte 'Ja! Geh endlich!' Doch das durfte sie ihm natürlich nicht zeigen.

Plötzlich hob Clark den Blick und sah auf einen unbestimmten Punkt in der Ferne. Lois kannte diesen Blick genau und sie dankte dem Himmel. Er hörte irgendetwas und wurde gebraucht. Nun musste sie nur noch sicher stellen, dass er keine supersuperschnelle Hilfsaktion daraus machte und in zwei Minuten wieder hier stand. Sie lächelte ihn an, was ihr in Anbetracht der Tatsache, dass er gleich gehen würde, leicht fiel. Und sie sagte zu ihm: "Geh schon und pass auf dich auf." Das würde ihn beruhigen. Lois führte ihren rechten Zeigefinger an ihre Lippen und berührte damit seine Lippen.

Und ihr Plan ging auf, Clark umarmte sie nicht, küsste sie nicht und verschwand im Superman-Outfit durch das geöffnete Fenster. Endlich! Lois atmete erleichtert durch.

Sie ging zum Fenster und sah in die schwarze Nacht, aber diesmal suchte sie den Himmel nicht nach etwas rot-blauem ab, sie hielt nach etwas ganz anderem Ausschau. Sie lächelte zuversichtlich. Lois war ungeduldig, konnte es kaum erwarten und doch hatte sie das Gefühl, nichts, was sie bisher getan hatte, war so richtig wie dies hier. Und so stand sie in ihrem Apartment, an ihrem offenen Fenster, gefangen von der kribbeligen Spannung und richtete ihren suchenden Blick erwartungsvoll in die Dunkelheit...


Tag 5, Freitag 3. Mai 1996, 8:45 am

Dieser Morgen war für Lois die Hölle. Alles in ihr schrie danach, dass es nur möglichst bald wieder Abend würde, dass 'er' wieder zu ihr käme würde, dass er sie wieder verwöhnen würde, dass er ihr geben würde, was sie mehr wollte als alles andere! Aber dafür musste sie diesen Tag überstehen, musste die Stunden an sich vorbei streichen lassen. Und das, während sie sich auf der einen Seite so schlecht fühlte wie schon lange nicht mehr, müde, ausgelaugt, schwach, ständig wurde ihr schwindelig und ihr war kalt. Sie konnte sich kaum konzentrieren und ihre Augen brannten, während ihre Augenlider schwer waren wie Blei. Aber auf der anderen Seite fühlte sie, dass etwas mit ihr passierte, was sie noch nie kennen gelernt hatte, wovon sie bisher keine Vorstellung hatte, dass ein Mensch so etwas Intensives und Berauschendes fühlen konnte. Es war, als floss etwas durch ihre Adern, das sie vollkommen verzauberte. Was auch immer es war, es berauschte sie, schärfte ihren Blick für das Wichtigste überhaupt, Leidenschaft, Hingabe und Gefühle von einer nie gekannten Intensität. Dies war eine ganz neue Welt.

Aber Lois war vorsichtshalber statt mit ihrem eigenem Wagen doch lieber mit dem Taxi zum Planet gefahren. Sie war sich nicht sicher, ob sie fahrtüchtig war. Und doch war sie heute so spät angekommen, dass sie die Morgenbesprechung verpasst hatte. Also ging sie gleich zu Jimmy, denn Clark schien noch nicht da zu sein. Sie setzte sich vor Jimmys Schreibtisch, was seine Aufmerksamkeit erregte.

Er hob seinen Kopf und sah sie an. "Morgen, Lois!... Du siehst furchtbar aus... ähm... Wieder schlecht geschlafen?" Er machte noch nicht mal einen seiner überflüssigen Scherze, sondern sah sie nur entsetzt an.

"Jimmy, ich habe in der Tat schlecht geschlafen, meine Laune ist deswegen nicht die allerbeste. Können wir dieses Gespräch bitte auf das Nötigste beschränken? Sag mir einfach, was letzte Nacht passiert ist. Hattet ihr schon Morgenbesprechung? Hat der Chef kommentiert, dass ich nicht da war und Clark scheinbar auch nicht?", fragte Lois leise aber bestimmt. Sie sah sich noch mal im Büro um, ob Clark jetzt zu entdecken war, aber er schien wirklich nicht da zu sein. "Wo ist er überhaupt?"

"Clark? Keine Ahnung." Jimmy schien beschlossen zu haben, sich auf die Fakten zu konzentrieren und gab Lois einen sehr sachlichen Bericht. "Der Chef, naja, hat gefragt, wo ihr seid, mehr nicht. Und ja, wir hatten Morgenbesprechung. Ich habe berichtet von unseren beiden Fällen, keinen Einbruch in eine Firma, die irgendetwas mit Computern zu tun hat heute Nacht. Aber ich habe mir da etwas überlegt", sagte er mit leuchtenden Augen, "ich habe eine Vorstellung, in welche Firma sie als nächstes einbrechen werden... könnten. Es gibt da eine Firma, Com Tech, die Prozessoren als Mikromaschinen auf molekularer Ebene konstruieren, genau das Richtige für unsere Geschwindigkeits-Freaks. Da könnte man ihnen doch eine Falle stellen. Ich dachte, ich bespreche das mal mit Clark. Und euer Fall - Davis hat heute schon ganz früh angerufen, es gab eine Leiche letzte Nacht, aber wieder nur eine. Das ist alles, was ich dir so auf die Schnelle sagen kann."

"Okay, danke Jimmy." Lois stand von dem Stuhl vor Jimmys Schreibtisch sehr langsam auf; sie wusste inzwischen, wenn sie zu schnell hoch kam, sackte ihr das Blut aus dem Kopf und sie war drauf und dran ihr Bewusstsein zu verlieren. Dieser Schwindel war lästig.

Sie ging zu ihrem Schreibtisch und fuhr erst einmal ihren Computer hoch. Sie hatte Jimmy nur all diese Fragen gestellt, weil sie wusste, dass alle das von ihr erwarten würden, dass sie an ihrem Fall dran war, dass sie informiert war, dass sie immer eine heiße Spur hatte, die sie verfolgte. Pah, Spuren, was interessierten sie Spuren! Was interessierte sie der Artikel über diese Mordfälle, die immer weiter zu gehen schienen und noch kein Täter in Sicht. Oder noch schlimmer, was interessierten sie diese langweiligen Computer-Einbrüche! Aber sie musste so tun, als wenn, ganz besonders wenn sie ihre Ruhe haben wollte. Und genau das war es, was sie wollte, ihre Ruhe haben. Ihre Ruhe haben und den Tag herum kriegen!

Und das würde sie auch heute wieder schaffen. Sie war inzwischen recht geschickt darin, auf ihre Tastatur zu hämmern und einfach einen wilden Buchstabensalat zu produzieren, um den Eindruck zu erwecken, sie würde irgendetwas schreiben. Dabei ließ sie ihren Gedanken freien Lauf, schwelgte in Erinnerungen an die letzten Abende, spürte seine Hand auf ihrer Haut, hörte, wie er ihr seine Liebkosungen zuhauchte und genoss seine Lippen auf ihrem Hals. Die Intensität dieses Kusses war so überwältigend. Sie träumte zwischen Erinnerung und Erwartung auf den nächsten Abend.

Lois schreckte hoch, jemand legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie drehte sich um, es war Perry, der sie besorgt ansah.

Streng sagte er zu ihr: "Lois, ich habe jetzt eine Sitzung beim Aufsichtsrat. Wenn ich wieder komme, reden wir beide. So geht es nicht weiter." Wie um die Ernsthaftigkeit seine Worte zu unterstreichen, sah er sie noch einen kurzen Moment an und ging in Richtung Fahrstuhl.

Aufsichtsratssitzung. Wenn Lois Glück hatte, bedeutete das drei Stunden Ruhe, wenn sie Pech hatte, nur eine. Bis dahin sollte sie versuchen den Planet zu verlassen, einen Termin außerhalb vorzutäuschen. Ein ernstes und eindringliches Gespräch mit Perry, der ihr mit seiner väterlichen und hilfsbereiten Strenge auf den Zahn fühlen wollte, würde sie jetzt nicht durchstehen.

Lois atmete beruhigt aus, weil sie Perry erst einmal entkommen war, aber ihr war klar, dass sicher gleich das nächste Problem auf sie zu kommen würde: Clark.

Nach wie vor war er ihr größtes Problem. Das war ihr trotz ihrer Müdigkeit bewusst. Ihre ganze Wirklichkeit, alles was ihr wichtig war, hatte sich in den letzten drei Tagen verändert und Clark merkte das natürlich. Auch Lois selber war sich dessen bewusst, aber sie wollte sich in diesem Moment nicht mit der Frage nach dem Warum oder irgendwelchen Folgen auseinander setzen. Alle bemerkten diese Veränderungen an ihr und ganz besonders Clark, gerade weil er ihr so nahe stand. Und wie nah stand sie ihm... noch? Lois war sich nicht sicher, ob sie diese Frage stellen wollte, beantworten wollte, aber es könnte sehr gut sein, dass Clark ihr irgendwann diese Frage stellen würde und was sollte sie ihm daraufhin sagen? Es war ja nicht so, dass sie ihn nicht mehr... liebte. Bis vor ein paar Tagen war diese Liebe das Größte in ihrem Leben gewesen, aber inzwischen war so viel passiert und es gab so viel Wichtigeres. Das musste doch auch Clark verstehen. Es gab einfach wichtigere Dinge, wie der heutige Abend, das Wiedersehen mit ihrem nächtlichen Besucher und natürlich, dass ihr niemand in die Quere kam.

Aber da sie sowieso vorhatte den Planet für eine Zeit zu verlassen, um Perry aus dem Weg zu gehen, konnte sie das ja auch jetzt gleich tun und so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem sie auch Clark aus dem Weg ging. Sie könnte etwas Essen gehen, ein Steak vielleicht, ja ein schön blutiges Steak. Lois wunderte sich kurz über ihre eigenen, ungewöhnlichen Gelüste, aber genau danach stand ihr jetzt der Sinn. Und sie beschloss, dass es endlich an der Zeit war, weniger zu denken und zu hinterfragen und mehr zu leben und zu genießen.


10:25 am

Während Clark das Planet-Gebäude betrat, ließ er die vergangene Nacht vor seinem inneren Auge Revue passieren. Dass er dabei wieder mal die meiste Zeit außerhalb der USA verbracht hatte, war nicht das eigentliche Problem für seine schlechte Laune. Es war vielmehr die Tatsache, dass er nach dem gestrigen Besuch bei Lois das Gefühl hatte, sie hatte ihn möglichst schnell los werden wollen. Sicher, sie war müde, das hatte sie den ganzen Tag über immer wieder gesagt. Und das hatte man ihr auch angesehen. Aber warum hatte sie sich so in Schale geworfen? Ob es da etwas gab, worüber er sich Sorgen machen musste? Oh verflixt, wenn er diesen Gedanken bis zum Ende dachte, würde er Lois unterstellen, dass sie sich für jemand anderen so angezogen hatte! Denn die Geschichte, dass sie ihn mit diesem Kleid nach der Hochzeit überraschen wollte, kam ihm merkwürdig vor. Dafür war ihre Reaktion ein wenig merkwürdig, erst versuchte sie so betont locker zu erscheinen und gleich darauf wollte sie ihn zur Tür drängen, sie versuchte ihn loszuwerden, das war so offensichtlich, aber war es nur, weil sie müde war? Dieser Gedanke hinterließ ein unangenehmes Gefühl im Magen.

So in seine Gedanken versunken betrat er das Redaktionsbüro des Daily Planet und lief gleich nachdem sich die Fahrstuhltüren geöffnet hatten Lois in die Arme, die den Planet scheinbar gerade verlassen wollte, denn sie hatte ihren Mantel an und ihre Tasche dabei.
Aber es war nicht einmal ihr erschrockener Gesichtsausdruck, der Clark so sehr schockte, es war vielmehr die Tatsache, dass Lois heute noch viel schlechter aussah als gestern. Sie war noch blasser, hatte blaue Lippen, blutunterlaufene Augen und dunkle Ringe darunter. Und die Hand, mit der sie gerade den Fahrstuhl holen wollte, zitterte.

"Lois!", rief Clark erschrocken aus, "Was ist bloß los mit dir? Du siehst schrecklich aus!" Kaum hatten diese Worte seinen Mund verlassen, wurde er sich bewusst, dass das nun wirklich keine nette Begrüßung war, aber er war viel zu schockiert und viel zu besorgt, um noch diplomatisch zu sein.

Bei ihrer Antwort hatte Clark den Eindruck, als versuchte sie möglichst ruhig und gelassen zu klingen, während sie leise und mit dünner Stimme meinte. "Es sieht schlimmer aus als es ist. Glaub mir, es geht mir gar nicht so schlecht..."

Clark riss nun langsam der Geduldsfaden und er fuhr sie an: "Ach komm schon, Lois, jetzt erzähl mir nicht schon wieder, dass du nur schlecht geschlafen hast!" Und ihm wurde bewusst, dass er krank vor Sorge war. Sie konnte ihren eigenen Zustand wahrscheinlich inzwischen gar nicht mehr richtig einschätzen. "Ich bringe dich zu einem Arzt. So geht es doch nicht weiter!", versuchte er so bestimmt wie möglich zu sagen.

Lois sah an Clark vorbei. Sie antwortete ihm immer noch mit dieser dünnen und leisen Stimme, aber sehr schnippisch: "Ich brauche keinen Arzt. Und nebenbei kann ich das immer noch am besten selbst einschätzen." Clark war entsetzt, sie wollte mit ihm streiten! Aber mit diesen Worten geriet Lois ins Schwanken, es sah so aus, als würde sie zu einer Seite umkippen. Und Clark kam sie in diesem Moment sogar noch etwas blasser vor, was eigentlich kaum noch möglich sein sollte. Er fing sie auf. Seine Gedanken überschlugen sich, Panik, Sorge, Entsetzen, Mitgefühl und die Frage, was er nur tun sollte. Nach ein paar Sekunden wurde ihr Blick aber wieder klarer, sie schien sich zu fangen.

Clark hielt Lois im Arm, die jetzt wieder deutlich spürbar auf ihren eigenen Füßen stand. Seine Atmung beruhigte sich wieder. Sie sah ihn erschrocken an. Dass inzwischen fast alle Kollegen des Redaktionsbüros ihrem Wortgefecht zusahen, störte Clark wenig, seine einzige Sorge galt Lois. Was war hier bloß los? Seit wann hatte Lois Kreislaufprobleme? Litt sie vielleicht unter Blutarmut? Blutarmut? Blut-Armut? Plötzlich drehten sich seine Gedanken im Kreis. Blut! Blutarmut! Alle Opfer hatten wenig Blut im Körper! Vampire saugten ihren Opfern das Blut aus, um zu überleben! Nein! Das konnte nicht sein! Das war zu abwegig! Zu unglaublich! Unmöglich! Aber war es nicht genau das, was Thomas schon seit Tagen immer wieder behauptet hatte? Vampire...?

Jetzt hatte Clark das Gefühl, als würde ihm schwindelig werden. Er musste das klären. Auf der Stelle!

Er schob Lois kurzerhand in den Konferenzraum, was sie vergleichsweise einfach mit sich machen ließ, und dieser war zum Glück auch gerade frei. Als nächstes rief er in bestimmtem Ton Jimmy zu sich. Er forderte ihn auf die Tür zu schließen. Lois ließ dies alles glücklicherweise ohne jeden Widerstand geschehen. Vielleicht hatte sie einfach nicht mehr die Kraft sich zu wehren. Was nur noch Besorgnis erregender war.

"Jimmy, ich muss ganz kurz etwas erledigen. Etwas, das wirklich sehr wichtig ist. Und ich möchte, dass du hier bleibst, hier bei Lois und auf sie aufpasst." Er sah seinen jungen Kollegen mit strengem Blick an. "Ich kann dir im Augenblick nicht mehr sagen, aber es ist lebensnotwendig, dass du sie nicht aus den Augen lässt. Ich verlass mich auf dich."

Jimmy schien zu spüren, dass es Clark wirklich wichtig war, er nickte nur und stellte keine Fragen. Genau das schätzte Clark an Jimmy, im entscheidenden Moment tat er genau das, was nötig war. Wobei Clark auch klar war, dass es keine leichte Aufgabe war, die er Jimmy damit übertrug, Mad Dog Lane gegen ihren Willen festzuhalten. Aber Mad Dog Lane hatte Clark schon seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen.

Er ließ seinen Blick zu Lois wandern. Wie ein Häufchen Elend hing sie mehr auf ihrem Stuhl, als dass sie aufrecht saß, sie ließ dies alles einfach nur geschehen. Ihr fehlte jede Kraft, nie hatte sie so verletzlich gewirkt wie in diesem Augenblick. Ihr Anblick schmerzte ihn sehr, aber für seine Gefühle war jetzt keine Zeit.

Clark lief zum Treppenhaus und verließ das Planet-Gebäude nur Sekunden später, aber nicht in der Kleidung, mit der Clark heute Morgen zur Arbeit erschienen war.


Fortsetzung folgt...
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Re: Die Nacht ist am dunkelsten... Teil 10

Beitragvon Magss » So 24. Jun 2012, 09:03

Teil 10


Auf dem Flug zur Universität hoffte Clark, dass er Thomas antreffen würde, dass er nicht in einer Vorlesung war, nicht im Gespräch mit Studenten oder Kollegen, dass er irgendwo auf dem Unigelände war. Er hatte jetzt wirklich keine Zeit mehr zu verlieren.

Schon als er auf das Unigelände zuflog, suchte er nach Thomas' Büro und war erleichtert ihn dort sitzen zu sehen, allein und scheinbar konzentriert auf Papiere, die vor ihm auf seinem Schreibtisch lagen. Er flog in einen unbeobachteten Bereich eines dunklen Hofes und rotierte in seine Straßenkleidung, er rannte so schnell, wie es für einen Menschen, der es eilig hatte, gerade noch normal war, in das Stockwerk, in dem Thomas sein Büro hatte. Er klopfte an seine Tür, trat aber gleich ein, ohne Thomas' Aufforderung abzuwarten.

Überraschung und Freude spiegelten sich in Thomas' Gesicht wieder. "Clark, guten Morgen. Was für eine Ü..."

Doch Clark ließ ihn nicht ausreden, jetzt war keine Zeit für freundliche Begrüßungsfloskeln. "Thomas, nur eine kurze Frage..." Er stockte, hm, Frage schon, aber wie sollte er das jetzt formulieren, ohne sich lächerlich zu machen? "Wenn... wenn jemand tatsächlich von einem... Vampir gebissen wurde, aber nicht tot ist... wie kann ich das feststellen? Was gibt es für Anzeichen?" Clark kam sich vollkommen albern vor, aber auch verzweifelt. Bisher hatte sich alles in ihm gesträubt, Thomas und seinen fantastischen Geschichten Glauben zu schenken. Aber jetzt... jetzt war alles anders, jetzt ging es um Lois. Und was bedeutete es da schon, sich lächerlich zu machen?

Thomas sah Clark ernst an. "Ich sehe, Sie fangen langsam an, mir zu glauben. Gut so. Aber nun zu Ihrer Frage, Sie scheinen es eilig zu haben. Ich hoffe nur, es geht nicht um Lois. Ich meine nur, weil Sie auch diesmal wieder alleine hier sind..." Clarks Blick musste ihm im Bruchteil einer Sekunde alles erzählt haben, all seine Ängste, seine Sorgen. Thomas Augen weiteten sich vor Schrecken. Clark sah in Thomas Gesicht echte Anteilnahme und Besorgnis. "Oh! Das tut mir sehr leid. Gut, zur Sache: wenn ein Vampir gebissen hat, gibt es neben den unspezifischen körperlichen Symptomen - Blässe, Schwäche, gelegentliche Schwindelanfälle, meist auch Änderungen im Verhalten, vertrauten Personen gegenüber - nur ein Zeichen, das absolute Sicherheit gibt: Die Bissstelle. Oft am Hals, an der Hauptschlagader, zwei kleine Löcher, von den zwei Zähnen. Kann theoretisch natürlich überall am Körper sein, aber an der Ader am Hals geht es wohl am einfachsten." Thomas zögerte einen Moment, bevor er weitersprach. Dafür, dass Clark in ihm zwischenzeitlich schon einen Verdächtigen gesehen hatte, zeigte er sich jetzt ausgesprochen besorgt und betrübt, Lois als ein mögliches Opfer zu sehen. "Suchen Sie die Bisslöcher... und wenn Sie sie tatsächlich gefunden haben, melden Sie sich noch mal bei mir. Gehen Sie, schnell!" Fast kam es Clark so vor als flehte Thomas ihn an.

Auf dem Rückflug in den Planet überstürzten sich die Gedanken in Clarks Kopf, er hörte Thomas' Worte - meist auch Änderungen im Verhalten, vertrauten Personen gegenüber - blass - schwach - Schwindelanfälle - und ihre Vorliebe für Rollkragenpullover, die ihren Hals versteckten, die letzten Tage - konnte das alles ein Zufall sein? Oder suchte er nur verzweifelt eine andere Erklärung für Lois' Abweisung ihm gegenüber?

Selten war er so froh über seine besonderen Fähigkeiten wie in diesem Moment, die es ihm ermöglichten, dies alles in wenigen Minuten zu erledigen. Ohne noch nach links oder rechts zu sehen, durchschritt er das Redaktionsbüro und ging gleich zu Jimmy und Lois, die tatsächlich immer noch im Konferenzraum saßen.

"Jimmy, würdest du uns bitte alleine lassen?" Clark hatte jetzt keine Ruhe mehr auf Jimmys Reaktion zu achten, irgendwann würde er es ihm erklären, würde auch wieder netter und rücksichtsvoller zu ihm sein, aber in diesem Augenblick ließ ihn die Sorge um Lois Jimmys Belange einfach ignorieren.

Jimmy ging anstandslos. Doch Clark kam sich plötzlich wieder völlig lächerlich vor. Wollte er wirklich 'untersuchen', ob Lois Bissstellen am Hals hatte? Das, was ihm vor wenigen Minuten noch so klar und schlüssig erschienen war, kam ihm nun so abwegig vor. Er hatte sogar vor nicht allzu langer Zeit in Thomas einen möglichen Verdächtigen gesehen! Und nun wollte er auf Empfehlung dieses Mannes, den er zwischenzeitlich schon als möglichen Mörder gesehen hatte, Lois unter einem Vorwand nach einem Biss absuchen. Das alles war so absurd. Aber was hatte er denn schon zu verlieren, wenn er doch versuchen würde nachzusehen? Er würde nichts finden, hätte endlich Ruhe, könnte Lois endlich zu einem Arzt bringen und alles wäre gut.

Er war sich sicher, dass er nichts finden würde.

Aber damit er auch wirklich beruhigt war, sollte er wenigstens einen kurzen Blick auf ihren Hals werfen.

Nur, wie sollte er das machen, sie unternahm in den letzten Tagen doch alles, um ihn auf Abstand zu halten, ganz allgemein, aber ganz besonders auch körperlich? 'Merkwürdiges Verhalten vertrauten Personen gegenüber' fielen ihm die Worte von Thomas wieder ein...

Clark ging auf Lois zu, die auf einem Stuhl Platz genommen hatte und ihn erwartungsvoll ansah. Sie sah so zerbrechlich aus, blass und übermüdet. Und selbst sich im Sitzen aufrecht zu halten schien sie eine Kraft zu kosten, die sie gar nicht mehr hatte. Ihren Zustand nur zu sehen, bereitete ihm körperliche Schmerzen. Er breitete seine Arme aus, um sie zu umarmen.

Doch wie so oft in den letzten Tagen wollte sie ihm ausweichen und stand hastig von dem Stuhl auf. Aber das schnelle Aufstehen schien ihr nicht gut zu bekommen. Sie schwankte, als würde sie ihr Kreislauf im Stich lassen. Genau das Gleiche war ihr ja noch vor wenigen Minuten vor dem Fahrstuhl passiert, bevor Clark zu Thomas geflogen war. Natürlich hielt er sie fest und sie wehrte sich nicht dagegen. Instinktiv sah er dabei auf ihren Hals. Clark kam sich schäbig vor dabei, sie ohne ihr Einverständnis einfach so abzusuchen, aber er musste das tun, musste Klarheit bekommen. Zwar verdeckte sie ihren Hals auch heute unter einem Rollkragenpullover, aber mit Hilfe seines Röntgenblicks war es für ihn kein Problem. Doch er sah nichts Außergewöhnliches. Das ließ Clark erleichtert aufatmen. Er dankte dem Himmel, er hatte sich all das nur eingebildet.

Lois schien wieder zu Kräften zu kommen, er spürte, wie sie versuchte sich aus seiner Umarmung zu drehen. Doch damit drehte sie ihm die andere Seite ihres Halses so zu, dass er deutlich Bisslöcher sehen konnte! Vier kleine Löcher! Denen gleich, die sie an der Leiche von Mr. Ocean gesehen hatten. Zwei, die schon ein wenig abgeheilt aussahen und zwei weitere, die noch frisch aussahen! Das bedeutete tatsächlich, Lois war von einem Vampir gebissen worden! Und das wirklich schon zweimal!

Entsetzt entließ er sie aus seiner Umarmung. All das passierte ohne ein Wort. Und auch jetzt konnte Clark nichts weiter tun, als sie fassungslos anzustarren. Sein Herz schlug wild.

Clark stockte der Atem. Vampire! In Metropolis! Clark lief es kalt den Rücken herunter. Und Lois war gebissen worden! Aber es war kein tödlicher Biss gewesen. Clark versuchte zu schlucken, aber sein Hals war ganz trocken. Und jemand - ein Untoter - wollte Lois auch zu einem Vampir machen. Seine Lois. Clark hatte das Gefühl als stürzte ihn die Panik in ein schwarzes Loch. Sie war dabei zu sterben, auch zu einer Untoten zu werden. 'Der Vampir entscheidet im Augenblick des Beißens, ob er tötet' - das waren Thomas' Worte gewesen. Thomas... er musste noch einmal zu Thomas. Sofort!

Lois war indessen zur Tür des Konferenzraumes gegangen und verließ diesen langsam und mit vorsichtigen Schritten, ohne sich noch einmal umzudrehen. Clark fühlte sich, als würde ihm jemand das Herz aus der Brust reißen und es gierigen Geiern zum Fraß vorwerfen. Er wollte schreien, aber hier ging es nicht um seinen Schmerz und auch nicht um ihr eigenartiges Verhalten ihm gegenüber. Er musste Lois helfen!

Während Lois sich inzwischen an ihren Schreibtisch gesetzt hatte und vorgab zu telefonieren - sie hielt, wie so oft die letzten Tage, den Hörer ans Ohr, aber Clark hörte, dass es kein Freizeichen gab - währenddessen ging er noch einmal zu Jimmy.

In Situationen wie dieser wusste Clark, dass er sich auf Jimmy vollkommen verlassen konnte. Eindringlich, aber so leise, dass Lois ihn nicht hören konnte, sagte er zu ihm: "Ich habe jetzt keine Zeit für Erklärungen. Aber ich muss dich noch einmal um das Gleiche bitten, wie vorhin: Pass auf Lois auf! Lass sie nicht aus den Augen! Lass sie nicht alleine! Sollte sie gehen wollen, dann folge ihr! Du kannst mich auf meinem Handy erreichen. Jimmy, ich verlasse mich auf dich, auf keinen Fall darfst du sie aus den Augen verlieren. Bis gleich." Clark wartete noch Jimmys zustimmendes Nicken ab und ging sofort darauf - wieder zu Thomas - so schnell es nur ging.

Es war gut, in solchen Momenten einen Freund wie Jimmy zu haben. Aber er hatte Clark schon recht erschrocken angesehen. Doch wenn er wüsste, was sich hier vor seinen Augen tatsächlich abspielte, hätte er sicher noch erschrockener geschaut.


1:08 pm

Thomas saß glücklicherweise immer noch alleine in seinem Büro. Nachdem Clark seine Tür aufgerissen hatte, diesmal sogar ohne anzuklopfen, sagte er zu Clark: "Oh, das ging aber wirklich schnell. Aber dass Sie so schnell wieder hier sind, heißt, Sie haben etwas gefunden..." Clark nickte und schloss die Tür hinter sich. "Lois...?" Wieder nickte Clark stumm. "Zwei kleine Bisslöcher am Hals?" Doch diesmal schüttelte Clark mit dem Kopf und zeigte Thomas vier Finger seiner rechten Hand. "Vier!? Oh nein, das heißt, sie wurde schon zweimal gebissen." Thomas sprang von seinem Stuhl auf. "Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren! Sie darf auf gar keinen Fall noch einmal gebissen werden. Die meisten Menschen können nach drei Bissen nicht mehr gerettet werden. Wir müssen ihn erledigen - heute Nacht - sonst ist Ihre Freundin verloren."

Dieses Ultimatum verstärkte nur Clarks Angst. Und auch wenn ihm klar war, dass es ihn nicht beruhigen würde, er musste das fragen: "Was... passiert nach einem dritten Biss?" Seine Stimme zitterte.

Thomas setzte sich wieder auf seinen Schreibtischstuhl und rückte an seinen Schreibtisch. Er sah Clark ernst an, schien zu überlegen, wie offen er zu ihm sein konnte. Er sagte: "Nach dem dritten Biss ist die Transformation zum Vampir fast vollzogen. Das größte Problem ist, Lois davon abzubringen, dass sie sich dem Vampir, der sie bereits zweimal gebissen hat, oder auch irgendeinem anderen, darbietet. Wenn sie einen beißt und sein Blut trinkt, hat sie die Grenze überschritten und gehört zu den Untoten, wäre selbst ein Vampir. Und dann... dann kann man nur noch ihre Seele retten, indem man sie tötet. Aber sie ist verloren - für immer." Jedes einzelne Wort, das Thomas sagte, hämmerte in Clarks Kopf. Das durfte nicht passieren! Jetzt war es Clark, dem schwindelig wurde. Thomas schob ihm den zweiten Stuhl hin.

"Sollte ich sie nicht lieber in ein Krankenhaus bringen? Die können ihr doch sicher helfen?" Clark versuchte nun auch nicht mehr, seine Verzweiflung zu verbergen.

Thomas lachte vorsichtig und sagte sehr freundlich zu Clark. "Ein Krankenhaus? Und was wollen Sie denen sagen?" Er fuhr sich durch die Haare. "Sie wurde von einem Vampir gebissen? Ich sage Ihnen, was passiert, sie würden Lois auf die geschlossene Abteilung der Psychiatrie stecken, was noch nicht mal das Allerschlimmste wäre, weil sie dort nicht raus könnte. Aber das größte Problem ist Lois selber, sie würde alles unternehmen, um zu fliehen und ihren Vampir zu suchen. Und sie würde rauskommen, glauben Sie mir. Ich habe schon zerschlagene Sicherheitstüren, niedergeschlagene Pfleger gesehen, verursacht von kleinen, zierlichen Frauen, die ihren Vampir wieder treffen wollten. Dieses Verlangen verleiht ihnen ungeahnte Kräfte. Und die Menschen in diesen Krankenhäusern können sich nicht angemessen darauf einstellen, weil sie ja keine Ahnung haben, womit sie es zu tun haben. Sie würden es behandeln wie eine 'normale' psychische Störung, wenn Sie den Begriff erlauben."

Clarks Stimme war nur noch ein Krächzen. "Was müssen wir also tun?"

Thomas stützte seinen Kopf in die Hand, die auf einem Stapel Bücher ruhte. "Erst einmal ist es gut zu wissen, dass wir jetzt zusammen arbeiten. Wir müssen als erstes den Vampir vernichten, der Lois gebissen hat, ich bin mir ziemlich sicher, ich weiß, wer es ist, doch dazu gleich. Als nächstes müssen wir die anderen Vampire aus der Gruppe vernichten, es sind noch drei. Wir haben hier in Metropolis eine Gruppe von vier Vampiren, drei Männer und eine Frau. Und Lois muss davon geheilt werden. Der Vampir entscheidet im Augenblick des Bisses, ob er tötet, durch die Art wie er es macht und wie viel Blut er dabei saugt. Aber mit jedem Biss ist es wie eine Infektion, oder eine Vergiftung, gegen die es aber kein Gegenmittel gibt. Der Übergang von der Welt der Lebenden in die Welt der Untoten ist ein Prozess. Der Vampir gibt und nimmt; er nimmt das Blut und gibt dieses Verlangen, er nimmt das Leben und gibt die Unsterblichkeit. Das Problem ist nun aber, wenn jemand einmal gebissen wurde, ist er oder sie von einem unstillbaren Verlangen erfüllt, einem, das mit menschlichem Ermessen nicht nachzuvollziehen ist."

"Wie tötet man einen Vampir? Ist er nicht schon tot?" Clarks Stimme war fast nur noch ein Flüstern.

"Ja und nein. Ich verwende ja gerne den Begriff des 'Untoten'. Das beschreibt es, wie ich finde, noch am besten." Es war Thomas anzumerken, dass er jetzt in einem Metier war, in dem er sich auskannte, in dem er sicher war. Er wirkte als würde er eine Vorlesung halten. Während er weitersprach, stand er auf und zog hier und da ein paar Bücher aus dem Regalen und legte sie neben Clark auf den Tisch. "Es ist schade, dass Sie mir erst jetzt trauen, Sie hätten die ganze Zeit über schon ein paar interessante Dinge lesen können. Egal, ich werde Ihnen alles erzählen. Man kann einen Vampiren nur auf eine Art wirklich und endgültig töten. Pfählung und Verbrennung. Sie rammen dem Vampiren einen Holzpfahl ins Herz, das lähmt ihn. Daraufhin verbrennen Sie ihn. Stinkt furchtbar, ist aber die einzig wirksame Methode. Und er ist vernichtet." Während es Clark allein bei der Vorstellung schon schüttelte, erzählte Thomas dies alles sehr ruhig und gelassen.

Aber es gab noch mehr Fragen, die Clark unter den Nägeln brannten. "Wie kann Lois geheilt werden?"

Thomas rieb sich das Kinn. "Nun, die Vampire dingfest zu machen, ist nicht das größte Problem. Ich bin mir inzwischen sicher, wo sie zu finden sind. Ich war ja schließlich nach Ihren ersten Hinweisen nicht untätig. Ich glaube, ich weiß wo sie sich tagsüber aufhalten. Sie zu erledigen, sollte möglich sein. Wobei, wenn Sie mir helfen, wird es einfacher... Aber Lois, das ist wirklich problematisch. Ich sagte ja schon mal, wenn jemand erst einmal gebissen wurde, ist es nicht einfach. Lois wird von sich aus alles tun, um wieder gebissen zu werden. Sie ist infiziert, wenn Sie so wollen. Und lassen Sie sich nicht von ihrem wahrscheinlich schlechten Allgemeinzustand täuschen. Wenn es darauf ankommt, kann sie unglaubliche Kräfte mobilisieren."

"Die Kraft ist nicht das Problem. Ich bin recht kräftig.", versicherte ihm Clark hastig.

"Das sehe ich, Clark, ich wollte Sie nur warnen. Aber erst mal muss ich Ihnen ein paar Fragen stellen. Sie und Lois sind doch ein Paar, oder?"

Clark nickte. "Wir wollen bald heiraten."

Nun schien Thomas etwas verlegen zu sein, er fuhr sich wieder durch die Haare. "Clark... Glauben Sie mir, ich würde Sie das nicht fragen, wenn es nicht wichtig wäre. Es ist wirklich keine persönliche Neugierde... Halten Sie und Lois es sehr traditionell? Ich meine... wie sage ich das am besten? Sparen Sie sich das Körperliche für nach der Eheschließung auf?" Er sah Clark mit großen Augen an.

Clark dachte, er traute seinen Ohren nicht, Thomas wollte wissen, ob er und Lois jemals miteinander geschlafen hatten oder nicht? Das ging wohl jetzt etwas zu weit. Entsetzt entfuhr es ihm, "Was hat das bitte mit dieser Geschichte zu tun?"

"Clark. Ich verfolge wirklich kein persönliches Interesse. Wir sind doch beide Erwachsene, vernünftige Menschen."

"Nei-ein, wir wollten uns das für nach der Ehe aufsparen." In diesem Moment hatte Clark das Gefühl, Lois verraten zu haben.

"Ehrlich gesagt, hatte ich das schon vermutet. Das erklärt, warum sie so gefährdet ist, warum sie bereits gebissen wurde." Thomas sagte das und wirkte dabei etwas betreten.

Clark hatte keine Ahnung, worauf Thomas hinaus wollte. "Es tut mir leid, das verstehe ich nicht."

Thomas legte Clark noch ein Buch hin 'Vampire heute - Nur wer ihre Geheimnisse kennt, kann sie erfolgreich bekämpfen' von Thomas Jordan. "Es ist ein Pseudonym, Jordan ist der Mädchenname meiner Mutter... Nun aber zu Lois und warum sie so gefährdet ist, war... Es wäre leichter, wenn Lois nicht verliebt wäre, oder wenn Sie beide Ihre Ehe bereits vollzogen hätten, aber in dieser Phase ist sie sehr anfällig für diesen Zauber. Vampire sind unglaubliche Verführer. In dieser speziellen Situation, sie ist verliebt, möchte bald heiraten und sie ist sicher sehr gespannt, was da auf sie zukommen wird, an der besonderem Verlockung, den der körperliche Aspekt einer Beziehung ausmachen kann... In dieser Situation von Spannung, Erwartung, Erregung, da trifft sie auf einen echten Vampir. Und ein Vampir ist der Inbegriff von Verführung und Erotik. Der Biss eines Vampirs, die Vereinigung mit ihm muss ein erotisches Erlebnis sein, von dem Normalsterbliche keine Vorstellung haben. Und Lois wird alles tun, um gegen Sie und mich zu arbeiten. Das, Clark, das ist unser Feind."

"Sie wollen damit andeuten, dass Lois diesen Vampir, der sie gebissen hat, anziehender findet als mich?"

"Lois' Verhalten in den letzten Tagen ist doch sicher anders als Sie es gewohnt sind." Clark nickte. "Sie ist sicher abweisender als sonst." Auch das bestätigte Clark mit einem Nicken. "Wahrscheinlich leidet sie unter Müdigkeit, Schwäche und Kreislaufproblemen..." Wieder konnte Clark nichts anderes tun als nicken. "Aber das ist nicht die Lois, die Sie kennen, sie ist nicht sie selber. Ihr ganzes Bestreben ist nur noch, wieder gebissen zu werden und selber zu beißen. Sie wird an nichts anderes mehr denken. Auf sie können wir in dieser Situation überhaupt nicht zählen."

Langsam sollte Thomas mal dazu übergehen ihm gute Nachrichten in Aussicht zu stellen, sonst würde Clark noch den Verstand verlieren! Er fragte Thomas ungeduldig: "Mal angenommen, wir besiegen die Vampire, alle vier. Wie kann ich Lois retten? Mit Kruzifix und Knoblauch?"

"Nein, das wird nicht reichen." Er schüttelte seinen Kopf. "Knoblauch ist mehr so eine Bauernweisheit, es ist wie mit den Mücken, es kommen vielleicht ein paar weniger, aber wirklich helfen tut es nicht. Und das Kruzifix... früher ist es noch einfacher gewesen; alle Menschen, sogar die Vampire, waren noch einfacher zu beeindrucken, die ewige Schlacht zwischen Gut und Böse war hauptsächlich religiös ausgeführt worden. Aber heute ist das Leben komplizierter, wenn selbst die Religion nicht mal mehr eine unumstößliche Wahrheit bieten kann. Das Kruzifix ist das klassische Werkzeug gegen Vampire in der Literatur. Nun, ganz so einfach ist es heute nicht mehr. Selbst Vampire, die Kirchen toll finden, soll es geben. Es gibt natürlich auch heute noch altmodische Vampire, bei denen das funktioniert, aber verlassen würde ich mich nicht darauf. Die Gut-Böse-Schlacht wird heute nicht mehr so einfach ausgefochten. Fragen Sie Ihren Freund Superman, der wird Ihnen eine Lied davon singen..."

"Wem sagen Sie das? Aber wie kann man jemanden heilen, der bereits von einem Vampir gebissen wurde? Was muss ich tun?" Clark wurde immer verzweifelter, alles was Thomas ihm bisher erzählt hatte, machte ihn nur noch nervöser. Es musste einfach eine Möglichkeit geben, Lois zu retten. Ohne sie wäre auch sein Leben zu Ende.

Thomas fuhr ernst fort. "Der Vampir, der Lois gebissen hat, hat sie verführt, umgarnt, hat ihr geschmeichelt, sie verehrt. Mit seinen Möglichkeiten - und die sind immens - hat er ihr Herz gewonnen. Und Sie, Clark, müssen es zurückerobern. Und die Gut-Böse-Schlacht in der modernen Welt, auch der gegen einen modernen Vampir kann noch auf einer anderen Ebene geführt werden. Sie muss die eigentliche Liebe, die zu Ihnen, Clark, wieder entdecken, wieder in ihr Herz lassen. Erst danach hat sie vielleicht die Kraft, sich dem Verlangen nach dem Vampir zu widersetzen. Da aber Lois' Bewusstsein nur noch aus Begehren besteht, wird das nicht einfach. Sie müssen erreichen, dass sie das Begehren nach diesem Vampir aufgibt und ihre Liebe zu Ihnen wieder entdeckt." Thomas sah ihn mit leuchtenden Augen an, er wollte ihm wohl Mut machen. "Das wird nicht einfach. Sie müssen der weltbeste Eroberer und Verführer sein, den die Welt je gesehen hat. Sie müssen um sie werben als hinge die Welt davon ab. Aber Lois wird Ihnen nicht zuhören, sie wird Sie bekämpfen, verachten womöglich, Sie beleidigen, beschimpfen, keine Ahnung. Aber Sie dürfen sich nicht entmutigen lassen. Wenn sie Ihnen zuhört, sich auf Sie einlässt, Sie wieder in ihr Herz lässt, erst dann haben Sie es geschafft. Wie weit Sie dabei gehen werden, müssen Sie in der Situation entscheiden. Wenn Lois Ihre Liebe wieder erkennt, haben Sie gewonnen. Das ist der Schlacht Gut gegen Böse - Sie gegen ihn."

Lois umwerben, verführen, umgarnen und das auch noch in einer Situation, in der sie selber das gar nicht wollen würde. Clark fragte sich, ob er das mit seinem Erfahrungshorizont, der ja eher bei Null lag, überhaupt schaffen konnte. Wie sollte er das hin bekommen? Verdammt - warum hatten sie nur gewartet? Und bei Thomas' Worten 'wie weit Sie dabei gehen werden...' wurde Clark etwas schwindelig.


Fortsetzung folgt...
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Re: Die Nacht ist am dunkelsten... Teil 11

Beitragvon Magss » Mo 25. Jun 2012, 17:52

Teil 11

Thomas war von seinem Stuhl aufgestanden und auf Clark zugetreten, er legte ihm seine Hand auf die Schulter und lächelte ihn zuversichtlich an. "Keine Sorge, Sie schaffen das. Unterschätzen Sie nicht die Macht der Liebe." Schöne Worte, aber Clark zweifelte nicht an seiner Liebe, sondern an der von Lois und daran, ob er es schaffen würde, sie wieder zu ihm zurück zu bringen. Was, wenn es ihm nicht gelingen würde? Aber diese Frage durfte er sich nicht stellen, es musste ihm einfach gelingen!

Aber da war noch eine Frage, die Clark interessierte: "Thomas, sagten Sie nicht, dass Sie die Vampire kennen, die hier in Metropolis sind?"

"Ja." Thomas rieb sich das Kinn. "Ich kenne diese Gruppe, ich habe sie bereits vor knapp drei Jahren in Spanien bekämpft. Damals waren es zwölf, acht habe ich ausgeschaltet, vier haben sich davon geschlichen. Ihr Anführer ist ein Graf Vadim Strombolinsky, sein Vater war ein bedeutender Dichter des Barock. Als Vadim starb, war er vierundzwanzig, das war 1712. Ich kenne ihn - und Lois ist leider genau nach seinem Geschmack." Thomas sah wirklich bekümmert aus, während er das sagte. "Aber Clark, das ist eine Geschichte für eine andere Zeit. Der Kampf beginnt heute, wenn die Dunkelheit hereinbricht. Ich würde Ihnen gerne noch etwas mitgeben, aber das müsste ich erst holen. Warten Sie hier ein paar Minuten auf mich?"

Clark nickte, Thomas verließ das Büro und ließ ihn alleine dort. Das gab Clark die Möglichkeit, von der er die ganze Zeit gehofft hatte, dass sie eintreten würde: Ein paar Minuten alleine in Thomas' Büro. Er könnte nun all die Bücher durchlesen, die ihn interessierten. Zuerst die, die Thomas ihm hingelegt hatte, es waren sieben. Aber er ging auch noch die Regale entlang und nahm hier und dort ein Buch heraus und blätterte es in Supergeschwindigkeit durch. Nach etwa vier oder fünf Minuten hatte er an die fünfundzwanzig Bücher 'durchgelesen'. Einige Romane, wie Stokers 'Dracula', Le Fanus Sammlung 'In a glas darkly', Stephan Kings 'Salem's Lot' und natürlich Anne Rice's 'Interview with the Vampire' und 'The Vampir Lestat'. Clark war überrascht. Nach Aussage von Thomas' eigenem Buch sollten gerade in diesen Romanen mehr Realität beschrieben sein als Fiktionales, aber auch etliche Fachbücher, Aufsätze, Groschenromane und sogar Comics las er in der kurzen Zeit durch. Clark schwirrte etwas der Kopf, aber im Großen und Ganzen deckten sich die Aussagen in den Büchern untereinander und mit dem, was Thomas ihm erzählt hatte. Es gab eine Menge Menschen, die behaupteten, es gäbe Vampire - heute - unter uns...! Das alles war immer noch so unglaublich.

Kurz darauf kam Thomas zu Clark zurück und überreichte ihm stumm einen angespitzten Holzpflock. Clark sah ihn schockiert an. Dieses archaische Werkzeug war nicht gerade dazu angetan Clark zu beruhigen. Aber ruhig zu werden, war auch nicht gerade die Devise des Augenblicks.

Thomas sagte ihm: "Dieser Vadim hat in der Zeit nach seinem Tod wohl an die hundert Menschen getötet. Vergessen Sie das nicht! Und lassen Sie Lois auf keinen Fall aus den Augen!" Aber das verstand sich für Clark von selbst.


7:16 pm

Clark tat an diesem Nachmittag etwas, das er noch nie zuvor gemacht hatte, er ignorierte einen Hilferuf. Soweit er das dem Polizeibericht entnehmen konnte, handelte es sich dabei aber auch 'nur' um einen Autounfall, bei dem es lediglich ein paar Leichtverletzte gab. Glücklicherweise war es das einzige Mal, dass Superman gebraucht wurde. Denn um nichts in der Welt war er bereit, den Planet zu verlassen und von Lois' Seite zu weichen.

Obwohl sie es ihm wirklich mit jeder Stunde schwerer machte. Sie versuchte wirklich alles, um ihn zu vertreiben. Bat ihn zu gehen, forderte ihn ärgerlich auf zu gehen, beleidigte ihn, fauchte ihn an, schmollte, versuchte ihn zu überreden, dass er sie wirklich alleine lassen könnte. Sie bat ihn alle fünf Minuten ihr irgendetwas zu holen, etwas zum Essen oder zum Trinken, Kugelschreiber, Papier, Bleistifte, Joghurt, Schokoeis... Doch was immer es auch war, Clark ging nicht selber. Er schickte Jimmy, Carol, David, Bob und selbst Perry ließ sich als Bote einspannen und brachte Lois Double Fudge Crunch Bars.

Clark hatte Perry zuvor erklärt, dass er Lois auf keinen Fall aus den Augen lassen konnte, dass sich alles aufklären würde, dass er sich um Lois kümmern würde und dass ihm alle bitte vertrauen sollten. Und Clark dankte dem Himmel, dass sein Chef nicht weiter nachfragte, sondern ihm tatsächlich einfach vertraute. Perry war der beste, und Clark würde ihm das auch sagen, wenn er die Ruhe dazu hatte.

Gegen kurz vor sechs hatte Thomas noch einmal angerufen und Clark mitgeteilt, dass er das Tagesversteck der Vampirgruppe wirklich gefunden hatte. Er würde alles tun, was in seiner Macht stand, um ihm den Rücken freizuhalten, aber er könnte natürlich nichts versprechen. Wenn alle Vampire gleichzeitig erwachen würden, hatte er kaum die Chance sie alle zu erledigen. Clark sollte besser darauf vorbereitet sein, dass Vadim noch heute bei Lois auftauchen würde.

Gleich darauf brachte Clark Lois in ihr Apartment und auch auf dem Weg dorthin versuchte sie ständig, Clark loszuwerden. Inzwischen bemühte sie sich noch nicht mal mehr, es diplomatisch anzustellen.

"Clark, hast du etwa wirklich vor, mich bis vor meine Haustür zu begleiten? Glaubst du nicht, dass ich den Weg auch alleine finden würde?" Lois machte sich wirklich keine Mühe mehr, ihren Unwillen zu verbergen.

"Lois, ich werde dich nicht bis vor deine Haustür begleiten, ich werde dich bis in dein Apartment begleiten." Clark sagte dies sehr ruhig und gelassen. Es musste sich immer wieder klar machen, dass Lois nicht sie selber war. Und solange er sich das vor Augen hielt, gelang es ihm sehr gut, die Kontenance zu bewahren.

Lois hingegen war gerade mal wieder dabei die ihre zu verlieren. Clark hatte ihr seinen Arm angeboten und sie hatte ihn nicht annehmen wollen, aber sie wurde immer wieder von diesem Schwindel befallen. Clark merkte deutlich, dass sie sich sehr widerwillig bei ihm einhakte. Und scheinbar ärgerte sie sich darüber noch mehr, denn sie schimpfte dabei wie ein Rohrspatz. "IN MEIN APARTMENT?! DAS fehlt mir gerade noch! Ist dir eigentlich klar, dass ich dringend schlafen muss und das kann ich schließlich nicht, wenn du nicht gehst! Und deswegen wirst du, verdammt noch mal, mein Apartment verlassen, sobald wir dort angekommen sind! Du wirst gehen, verstehst du? Weil, das ist nämlich mein Apartment und nur ich habe zu bestimmen, wer sich dort aufhalten darf..." Und so ging es immer weiter und weiter.

Clark versuchte einfach seine Ohren innerlich zu verschließen. Das gelang ihm lange nicht so gut, wie er sich das gewünscht hätte. Es war leichter über Metropolis zu fliegen und sein Supergehör gegen die tausende von Stadtbewohner abzuschotten, als der Frau die er liebte zuzuhören und ihre Beleidigungen und Abweisungen zu ertragen.

Endlich kamen sie in Lois' Apartment an, während sie immer weiter auf ihn eingeredet hatte und das nach wie vor in einem sehr abweisenden Tonfall. Clark hatte durchaus bemerkt, dass die Passanten, die sie gesehen hatten, sie belächelt hatten. Ein kurzes Stück ihres Weges gingen zwei junge Frauen hinter ihnen, die Lois' Tirade, er solle sie gefälligst in Ruhe lassen, mit einem Kichern bedachten. Und eine ältere Dame, die an einer Ampel neben ihnen stand schüttelte ihren Kopf und sah Clark mitleidig an. Aber das war ihm egal, diese Menschen kannten weder ihn noch Lois, sie wussten doch nicht, dass er alles ertragen würde, was Lois ihm an den Kopf werfen würde und sie wussten natürlich auch nicht, dass Lois nicht sie selber war.

Nachdem sie beide Lois' Apartment betreten hatten, setzte sie sich auf ihr Sofa. Für Clark war es leider sehr offensichtlich, dass die letzten Stunden sehr an ihren Kräften gezehrt hatten. Zusammengesunken saß sie dort und versuchte sich wohl für die nächste Attacke zu sammeln. Ihr Anblick verursachte ihm körperliche Schmerzen, aber er durfte jetzt nicht nachgeben.

Clark war wirklich nicht klar, welche Kraftreserven sie immer wieder aktivieren konnte, aber sie konnte es. Was auch immer da durch ihre Blutbahnen floss, was auch immer sie 'infiziert' hatte, es gab ihr auch eine unglaubliche Kraft. "Okay, Clark. Wir sind in meinem Apartment", sagte sie zu ihm mit scharfer Stimme, "du hast überwacht, dass ich auch wirklich hierher gegangen bin. Jetzt kannst du mich doch jetzt endlich alleine lassen!"

Clark hatte inzwischen auch auf dem Sofa Platz genommen, was sie mit einem bösen Blick quittierte. "Lois, vergiss es. Ich bleibe. Ich will dich jetzt, in deinem Zustand einfach nicht alleine lassen." Wie schon seit Stunden, sagte er das betont ruhig und emotionslos.

Lois hingegen hatte scheinbar wieder die Kraft gesammelt zum Streiten. "Mein Zustand?! Was für ein Zustand? Ich bin müde, das ist alles. Und ich würde jetzt wirklich gerne alleine sein!" Sie schleuderte ihm diese Worte wütend entgegen. Und auf sein Kopfschütteln schnaubte sie böse.

Doch als nächsten Schritt schien sie ihre Taktik zu ändern. Clark konnte geradezu sehen, wie sie fieberhaft versuchte ihn jetzt mit einem Alternativprogramm zum Gehen zu bewegen. Lois rückte etwas näher zu ihm, sah ihn an und lächelte ihr süßestes Lächeln. Sie sagte zu ihm mit einer Kleinmädchenstimme: "Clarky... weißt du, was ich jetzt wirklich brauche?" Clarky?! Noch nie hatte Lois ihn so genannt! Clark war schockiert, dass sie sich wirklich für nichts zu schade war. Es hätte nur noch gefehlt, dass sie mit den Augen geklimpert hätte. Aber er ging auf ihr Spiel ein und schüttelte seinen Kopf. "Ich möchte jetzt ein Eis, du weißt, wie gut mir das immer tut...", sagte sie immer noch mit dieser albernen Kleinmädchenstimme.

Clark stand auf und ging zu ihrem Tiefkühler. "Schoko, Stracciatella oder Joghurt-Mango?", fragte er sie ganz ruhig. Er wartete auf ihre Antwort.

"Nein, ich möchte... Walnuss-Splitter und... Kirsch-Sahne!" Und mit ihrem reizendsten Lächeln sah sie ihn an.

"Lois, du kannst alles haben, was der Lieferservice bringt, ich rufe sofort an... Sonst noch etwas dazu, Krokant, Schoko-Splits, Marascino-Kirschen, Likör, frische Erdbeeren oder Physalis? Ich bestell dir alles, was du möchtest." Clark ging schon zum Telefon.

"NEIN!" Das war natürlich nicht ihr Plan gewesen und so hatte auch jetzt wieder die kratzborstige, zickige Lois die Oberhand. Sie drehte sich so auf dem Sofa, dass sie ihm den Rücken zukehrte. Und Clark blieb einfach dort stehen, wo er war und sah sie mitfühlend an. Er wollte ihr so gerne mal eine Verschnaufpause geben. Clark fühlte sich wie in 'Der Widerspenstigen Zähmung', nur dass dies hier kein Lustspiel war.

Ihre Versuche, ihn wütend, beleidigend oder auch liebreizend dazu zu bewegen, ihr Apartment zu verlassen, wechselten sich noch ein paarmal ab, aber die Phasen zwischen den verschiedenen Stimmungen wurden länger, als wenn sie immer mehr Zeit brauchte um wieder zu Kräften zu kommen für eine neue Attacke, oder immer länger brauchte, um sich eine neue Taktik auszudenken. Clark ließ alles das ruhig und gelassen über sich ergehen. Nur ganz selten schaffte sie es wirklich, ihn mit einer Bemerkung wirklich zu treffen. "Dir ist klar, dass du mit deinem Verhalten jedes Gefühl, das ich mal für dich hatte, kaputt machst?", war so eine Bemerkung, die ihn besonders traf, weil sie von ihrem Gefühl für ihn in der Vergangenheit sprach, oder auch "Ich werde mein Ziel erreichen, weil es mir einfach wichtiger ist als alles andere.", das war, als würde sie Clark gegenüber zugeben, dass sie ihn betrügen würde. Aber meist ließ er sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen und wenn doch, ließ er sich das nicht anmerken.


9:38 pm

Seit einiger Zeit war es zwischen Lois und Clark recht ruhig geworden. Sie saß noch immer auf dem Sofa und schien zumindest für den Augenblick resigniert zu haben. Plötzlich gingen Clark einige der Bücher durch den Kopf, die er im Büro von Thomas gelesen hatte, in denen die Rede davon war, dass Vampire über viele übernatürliche Kräfte verfügten. Sie konnten fliegen, vielleicht hatten sie etwas vom Ortungssystem der Fledermäuse. Könnte es nicht sein, dass dieser Vadim Lois' Apartment schon eine ganze Weile beobachtete und nur deshalb nicht auftauchte, weil er sah, dass Clark dort war? Wenn dem so war, würde Vadim solange nicht auftauchen, solange Clark dort blieb. Eine verlockende Lösung, aber nur für diese eine Nacht. In der nächsten Nacht würde er wieder versuchen, Lois in ihrem Apartment aufzusuchen. Oder was wäre, wenn Superman wirklich ernsthaft gebraucht wurde? Und Lois ihrerseits würde auch wieder alles versuchen, um sich diesem Vadim an den Hals zu werfen, ihm oder irgendeinem anderen Vampir. Und Clark wollte ihn doch vernichten - endgültig. Und dafür musste Vadim hier auftauchen. Und dafür musste Clark das Feld räumen. Und - konnte er das tun? Konnte er Lois alleine lassen, sie als Lockvogel einsetzen, um Vadim eine Falle zu stellen? Konnte er das wirklich riskieren? Bei dieser Frage wurde Clark ganz schwindelig. Aber was hatte er denn für eine Alternative? Wenn er blieb, würde Vadim nicht kommen und alles war umsonst.

Diese Frage wog er noch mal mit allem ab, was er wusste und mit der Tatsache, dass Lois gerade eine Atempause machte, aber wie lange würde das andauern. Sicher würde sie bald wieder zu einem Angriff gegen ihn ausholen. Also, sollte er handeln? Jetzt? Lois alleine lassen? Er hatte Thomas versprochen, genau das nicht zu tun. Von der Verantwortung Lois gegenüber ganz zu schweigen. Es war seine Aufgabe Lois zu beschützen und zu retten. Und jetzt überlegte er, sie als Lockvogel einzusetzen, war das nicht sehr verantwortungslos? Aber was sollte er sonst tun? Diese Frage lastete so schwer auf ihm, dass sie ihn zu erdrücken schien.

Aber in diesem Moment fragte sich Clark, wie lange er dies alles Lois und ihm selbst noch zumuten konnte. Er konnte es beenden. "Lois." Sie hob ihren Kopf und sah ihn aus müden und traurigen Augen an. "Ich werde jetzt gehen." Damit ging er einen Schritt auf sie zu.

Und als wenn Lois schon den ganzen Nachmittag auf diesen einen Satz gewartet hätte, strahlte sie ihn jetzt an. Es war ein kraftloses Strahlen mit einem zaghaften Lächeln, aber es war ein Strahlen. Und dieses Strahlen, das nicht für ihn war, tat weh, aber er sagte sich: 'Sie ist nicht sie selber. Sie weiß nicht, was sie tut.'

Kaum dass sie ihre Tür hinter ihm geschlossen hatte, stürmte er durch das Treppenhaus zur Feuerleiter nach draußen. Er suchte sich an dem Haus gegenüber von Lois' Fenster einen Mauervorsprung, hinter dem er sich verstecken konnte und dabei alles im Blick hatte. Das alles passierte genau in dem Moment, in dem sie das Fenster öffnete. Zu sehen, wie Lois ihr Fenster für ihren nächtlichen Besucher aufmachte, kaum dass er ihr Apartment verlassen hatte, schmerzte schon sehr. 'Sie ist nicht sie selber. Sie weiß nicht, was sie tut.' Das sagte sich Clark dabei immer wieder, um sich selbst zu beruhigen, aber es half immer weniger. Und er musste sich beruhigen, denn er war inzwischen sehr nervös und sehr verzweifelt.

Er brauchte auch nicht lange zu warten. Nur wenige Minuten, nachdem Clark in seinem unsichtbaren Versteck Stellung bezogen hatte, sah er einen jungen Mann auf Lois' Fenstersims stehen, ohne dass er dessen Anflug gesehen hätte. 'Verdammt - der Kerl ist schnell.' Clarks Puls begann zu rasen.

Diese Schnelligkeit war wirklich sehr erstaunlich! Clark merkte, wie er nach Luft schnappte. Und noch etwas war sehr erstaunlich, Lois hatte sich in diesen wenigen Minuten umgezogen. Sie trug jetzt ein rotes, schulterfreies Kleid und sah darin einfach fantastisch aus. Abgesehen von ihrem müden Gesichtsausdruck, der nun aber auch lange nicht mehr so müde erschien. Clark ballte unwillkürlich seine Fäuste. Aber sie offerierte sich wie auf einem Präsentierteller, das tat einfach nur weh. Am liebsten wäre er sofort losgestürmt und hätte diesen Kerl zermalmt. 'Sie ist nicht sie selber. Sie weiß nicht, was sie tut', versuchte Clark sich wieder und wieder zu beruhigen.

Nun bekam Clark es aber mit der Angst zu tun, er traute sich kaum noch zu atmen. War es richtig gewesen, sie alleine zu lassen? Würde er es rechtzeitig schaffen, an den Vampir zu kommen? Er musste es einfach schaffen.

Am liebsten wäre er sofort losgestürmt, aber er wollte verstehen, was hier passierte, was dieses Wesen mit Lois machte, wie er es schaffte, sie so in seinen Bann zu ziehen. Und so wartete er noch einen kurzen Augenblick. Ihm war klar, wenn er sich zum Angriff entschloss, brauchte er kaum eine Tausendstel Sekunde, denn er hatte nicht vor, mit diesem Wesen, diesem Vadim, besonders rücksichtsvoll umzugehen. Auf der anderen Seite hatte er gar kein Interesse daran, dass Lois sah, wer ihren Gast aus ihrem Apartment zerren würde und je schneller er dabei fliegen würde, umso weniger würde sie ihn erkennen können.

Vadim sprang vom Fenstersims ins Zimmer und das, was Lois ihm schenkte, war ein wirklich strahlendes Lächeln. 'Sie ist nicht sie selber. Sie weiß nicht, was sie tut'. Lois war aufgeregt, das konnte Clark deutlich erkennen, da war so ein Funkeln in ihren Augen, das er bei ihr durchaus schon gesehen hatte. Nie hätte Clark gedacht, dass sie so einen Blick mal einem Anderen schenken würde. Sie standen sich beide gegenüber und sahen sich auf eine Art und Weise an - auf der einen Seite vertraut und auf der anderen Seite so erwartungsvoll. 'Sie ist nicht sie selber. Sie weiß nicht, was sie tut'. Clark wurde fast wahnsinnig. Er hatte erwartet, dass Vadim mit ihr sprechen, ihr Komplimente machen würde. Aber seine Anziehung musste eher mentaler Natur sein. Lois streckte nun ihre Arme nach ihm aus, als wollte sie ihn berühren; er trug sein Hemd offen - nur noch wenige Zentimeter und sie würde seine Haut berühren. 'Sie ist nicht sie selber. Sie weiß nicht, was sie tut'.


Fortsetzung folgt...
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Re: Die Nacht ist am dunkelsten... Teil 12

Beitragvon Magss » Di 26. Jun 2012, 18:04

Teil 12

Das war zu viel. Dieser Anblick, ihre Hände, die scheinbar nichts mehr wollten, als ihm nah zu sein, war wie ein Stich ins Herz. Clark würde es nicht ertragen, zuzusehen, wie sie ihn berührte, oder wie er sie berühren würde. Er traf seine Entscheidung. Jetzt! Er würde jetzt eingreifen! Augenblicklich!

Sein Flug von dem gegenüberliegenden Haus erschien ihm selber wie in Zeitlupe, viel zu langsam, er wollte schneller sein, viel schneller, obwohl er sehr wohl ein Gefühl dafür hatte, wie schnell er sich in Wirklichkeit bewegte, ging es ihm nicht schnell genug. Kurz bevor er bei Vadim und Lois angelangt war, hatte er den Eindruck, als würde Vadim auf etwas reagieren, würde sich nach Clark umsehen, so als hätte er etwas gehört, gesehen, oder einfach nur gespürt, dass von dem immer noch offen stehenden Fenster durchaus eine Gefahr drohte. Er begann sich nach Clark umzudrehen, auch das sah Clark wie in Zeitlupe, gemessen an seiner eigenen Geschwindigkeit. Aber der Vampir hatte keine Chance. Er machte gerade mal nur den Ansatz sich umzudrehen, da packte Clark ihn bereits. Er griff ihm vom Rücken her unter die Arme, so konnte Vadim sich praktisch nicht wehren und Clark nicht verletzen. Er riss ihn hoch, riss ihn von seinen Füßen und zog ihn aus dem Fenster. Sofort flog er mit ihm hoch, sehr hoch und sehr schnell. Er wollte Vadim keine Chance lassen, zu Sinnen zu kommen. Clark spürte den kalten Wind im Gesicht. Er flog schneller. Er flog höher. Braucht ein Vampir Sauerstoff? Wie schnell konnte er fliegen? Sollte er noch höher fliegen? Einige Hundert Meter über der Stadt verlangsamte er seinen Flug.

Der Vampir strampelte aufgeregt, versuchte sich seinem festen Griff zu entwinden, versuchte Clark zu greifen, schlug ihm seine Hände ins Gesicht - er hatte Krallen! Aber all das konnte Clark nichts anhaben. Er hielt den Vampir fest und sicher. Nun kam aber der schwierigste Teil, er würde ihn töten müssen. Den Holzpflock, den Thomas ihm gegeben hatte, hatte er dabei. Es war kein Problem, ihn unter dem Cape unter seinem Gürtel zu verbergen. Jetzt zog er ihn hervor. Der Vampir stieß einen zischenden Laut aus, schlug noch mal hektisch um sich und nutzte die Tatsache, von Clark nur noch mit einem Arm gehalten zu werden und entwand sich blitzartig seinem Griff.

Sofort flog der Vampir ein ganzes Stück von Clark weg, um augenblicklich die Richtung zu wechseln und zum Boden zurückzufliegen. Clark folgte ihm so schnell er konnte. Verdammt, er war schnell! Er hatte bereits einen gehörigen Vorsprung. Aber Clark war schneller, auch wenn er dabei wirklich einiges an Kraft aufwenden musste, so holte er ihn ein, bevor er den Boden erreicht hatte. Der Vampir drehte sich, damit Clark ihn nicht noch einmal vom Rücken her packen konnte, doch Clark folgte seiner Drehung und packte ihn wieder genau dort, am Rücken und zog ihn erneut in die Höhe. Der Vampir quittierte das wieder mit zischenden Lauten und hochfrequenten Schreien. Es klang wie eine Mischung aus Schlange und Fledermaus. Aber diesmal flog Clark mit ihm bis in die Stratosphäre, sicher war sicher. Hier oben war es so kalt, das sollte die Bewegungen und Reaktionen des Vampirs einschränken. Und es funktionierte, der Vampir agierte nun viel langsamer. Das verschaffte Clark einen zusätzlichen Vorteil. Er hielt den Vampiren immer noch fest, indem er seinem linken Arm vom Rücken her um seinen Brustkorb geschlungen hatte, nur diesmal fester. Er bemerkte sehr wohl, dass dieser Vampir über außergewöhnliche Kräfte verfügte, als Normalsterblicher hätte er sicher seine Not mit ihm gehabt, aber den Kräften Supermans war er natürlich nicht gewachsen. Mit seiner rechten Hand griff er nach hinten und umschloss jetzt wieder den Holzpflock fester und zog ihn von seinem Gürtel weg. Clark würde ihm den in die Brust rammen, ins Herz, mit aller Kraft, er würde es tun, ganz bestimmt, jetzt gleich... Clark kämpfte mit seinen eigenen Skrupeln, er hatte noch niemals jemanden vorsätzlich getötet...

Er hörte Thomas' Worte in seinem Kopf, 'Ein Vampir existiert mehr, als dass er lebt'.

'Dieser Vadim hat in der Zeit nach seinem Tod wohl an die hundert Menschen getötet.'

'Lois... wenn sie einen beißt und sein Blut trinkt, hat sie die Grenze überschritten und gehört zu den Untoten, wäre selbst ein Vampir. Und dann... dann kann man nur noch ihre Seele retten, indem man sie tötet. Aber sie ist verloren - für immer.'


Lois - Clark sah ihr Gesicht, ihr Lächeln, ihre rehbraunen Augen, er tat dies für Lois, nur für sie. Wenn er sie verlieren würde, war er selber verloren. Clark schloss kurz seine Augen. Konnte er das wirklich tun, konnte er diesen Vampiren töten? Auch er war ein Wesen. Gab es wirklich keinen anderen Weg? Und vor seinem inneren Auge sah er, wie Lois und der Vampir sich gegenüber gestanden hatten, wie sie ihn berühren wollte, wie sehr sie ihm bereits verfallen war, geradezu süchtig nach ihm war. Mit diesem Schmerz stieß er zu. All sein Schmerz und seine Eifersucht und seine Wut und seine Angst flossen in die Hand, die den tödlich lähmenden Holzpflock in die Brust des Vampirs rammte.

Ein kurzer Widerstand, das Geräusch von brechenden Knochen. Der Vampir schrie auf. Es war ein hoher, schriller Schrei. Clark schrie ebenfalls auf. Ob verdient oder nicht, den sterbenden Körper im Arm zu halten, ging ihm sehr nah. Ein Zucken ging durch den Körper des Vampirs, ein letzter, röchelnder Laut entrang seiner Kehlen und nur Sekunden später hing er schlaff in seinem Arm. Es war vorbei. Und es war alles still.

Clark fühlte sich elend. Aber er hatte es getan. Und es war gut so.

Langsam verlor er an Höhe, Stück für Stück kam er dem Boden näher, flog wieder in die Realität, mit einem gelähmten Vampir im Arm.

Dass er dabei automatisch das Haus angesteuert hatte, in dem Lois' Apartment lag, wurde ihm erst bewusst, als er auf Höhe des Daches war. Er konnte doch mit dem gepfählten Vampir nicht bei ihr auftauchen. Nur wohin jetzt mit ihm? Erst einmal vielleicht auf das Dach von Lois' Haus.

Das Haus hatte ein Flachdach, aus dem nur ein viereckiger Kasten für den Fahrstuhl heraus ragte. Zum Rand hin gab es eine Balustrade. Er wusste aber von einem früheren Besuch, dass der viereckige Kasten nicht nur Platz für den Fahrstuhl bot, dahinter war eine Art Abstellraum - ungenutzt. Auf den Dächern der Stadt kannte sich Clark ja recht gut aus. Kaum hatte er den Vampir auf dem Flachdach abgelegt, sank er neben ihm zusammen. Im tiefsten Grunde seines Herzens wusste er, dass er das Richtige getan hatte, aber in diesem Moment hatte er nicht die Kraft, auf seinem Beinen zu stehen. Eine Träne rann ihm über die Wange. Nie hatte er seine Kräfte einsetzten wollen, um jemanden zu töten.

Aber dieser Vampir war doch schon tot...

Als Clark den Blick wieder hob, holte ihn die Wirklichkeit ein, er saß auf dem Dach des Hauses, in dem Lois ihr Apartment hatte, mit einem gepfählten Vampir neben sich. Er fühlte sich kalt an, ob er als Untoter, als er noch 'lebte', jemals wärmer gewesen war? Thomas würde das wissen - Thomas, er musste Thomas sprechen! Um an sein Handy heran zu kommen, rotierte er in seine Straßenkleidung und rief Thomas an - es klingelte - doch das Klingeln von Thomas' Handy hörte er auf diesem Dach! Aus diesem Abstellraum hinter dem Fahrstuhl! Sollte er hier oben sein?

Clark lief auf die Tür zu und öffnete sie. Da stand Thomas, mit dem klingelnden Handy in der Hand. "Thomas, was machen Sie hier?" Er sah ausgesprochen derangiert aus, seine Haare standen in alle Richtungen ab, der Ärmel seines Jacketts war gerissen und von seinem Hemd fehlten die oberen Knöpfe.

"Clark!", Thomas sah ihn, noch mit seinem Handy in der Hand einen kurzen Moment mit offenem Mund an. "Ich... ich bin dabei das Tageslager der Vampire auszuräumen.", aber er fing sich schnell wieder und fuhr selbstsicher fort: "Es ist hier auf diesem Dach, hinter diesem Fahrstuhl, stellen Sie sich das vor! Sehen Sie, da ist so eine kleine ungenutzte Kammer. Perfekt, hier oben kommt wohl niemals jemand her." Thomas öffnete die Tür der Kammer, damit Clark hineinsehen konnte. Clarks Blick fiel in diesen Raum, er maß nur wenige Meter und es gab kein Licht, aber Clark konnte sehen, dass an den Wänden einige verstaubte Regale standen, vielleicht hatte hier mal jemand, ein Hausmeister?, sein Werkzeug gelagert. Und es gab kein Fenster, dieser Raum würde auch tagsüber sicher vollkommen dunkel sein. Aber inzwischen war dieser kleine Raum sicher seit Jahren ungenutzt. Der Staub und die Spinnweben waren ein sicheres Zeichen dafür. "Aber Clark, was um alles in der Welt machen Sie hier oben auf diesem Dach?"

"Es ist das Haus, in dem Lois ihr Apartment hat."

"Ach! Das erklärt natürlich, warum der eine Vampir auf Lois gekommen ist. Er wird sie schon eine ganze Weile beobachtet haben. Aber...", er zögerte, bevor er weitersprach, "schlechte Nachrichten, ich habe nur drei erwischt... ", dabei machte er ein zerknirschtes Gesicht. "Wir haben unsere Aufgabe noch nicht erfüllt."

"Kommen Sie, ich zeige Ihnen etwas." Clark führte ihn in dem Bereich des Dachs, in dem er den Vampir abgelegt hatte.

Thomas kniete sich augenblicklich neben den unbeweglichen Vampir und tastete ihn fachmännisch ab. "Saubere Arbeit, Clark." Er stand auf und sah Clark mit einem strahlendem Lächeln an. "Wir haben es geschafft - Glückwunsch!" Thomas reichte ihm die Hand, die Clark auch gerne annahm. "Aber Sie haben noch eine Aufgabe vor sich. Gehen Sie zu Lois. Ich kümmere mich um den letzten Schritt."

Clark schüttelte noch einmal Thomas' Hand und verabschiedete sich dann. Genau das war es, was er wollte, so schnell wie möglich zu Lois. Clark war sehr froh, dass Thomas seine noch anstehende Aufgabe einfach nur als 'letzten Schritt' bezeichnet hatte. Er wollte sich nicht wirklich vorstellen, was diese Worte bedeuteten.

Er wollte jetzt nur noch so schnell wie möglich zu Lois.


10:39 pm

Lois lief nervös im Zimmer auf und ab. Sie war wirklich am verzweifeln. In dem Moment, in dem sie geglaubt hatte, dass sie 'ihn' doch nicht mehr sehen würde, weil Clark sich so vehement geweigert hatte, sie alleine zu lassen, in dem Moment, in dem sie geglaubt hatte, dass alles verloren gewesen war, in dem Moment hatte Clark ganz überraschend gesagt, dass er gehen wollte. Und kurz darauf war 'er' auf ihrem Fenstersims erschienen - endlich.

Er war noch schöner als am Abend zuvor und er hatte sie angelächelt. Und dieses Lächeln hatte ihr Herz mehr erwärmt als alles andere, was sie bis zu diesem Augenblick erlebt hatte. Seine tiefe Stimme, seine zarten Hände und seine wundervollen Augen... Noch nie zuvor hatte sie sich so sehr als attraktive Frau gefühlt wie in seiner Gegenwart.

Doch urplötzlich - Lois konnte es immer noch nicht glauben - sie hatte ihn gerade berühren wollen - war er plötzlich verschwunden gewesen! Von einem Moment zum nächsten war er nicht mehr da gewesen! Sie hatte nur für einen Wimpernschlag ihre Augen geschlossen - und er war nicht mehr da gewesen! Nur einen Luftzug hatte sie gespürt, das war alles.

Er war weg.

Fassungslos sah Lois sich um.

Was konnte sie tun?

Er war gegangen. Hatte sie irgendetwas falsch gemacht? Tief in ihrem Inneren hatte sie das Gefühl, dass er auch nicht mehr zurückkommen würde. Und es war ihre Schuld. Eine unendliche Traurigkeit erfasste sie. Also wozu noch weiter hier am offenen Fenster stehen und frieren? Ihr war, als wenn der ganze Ablauf des Tages darauf hingedeutet hatte, dass es schief gehen musste.

Aber Lois war viel zu aufgeregt. Und so lief sie, nervös wie ein Tiger im Käfig, aufgeregt hin und her. Auf und ab und hin und her und wieder von Neuem. Hatte sie etwas falsch gemacht? Sie hatte sich seines Gefühls so sicher geglaubt. Hatte sie sich so getäuscht in ihm? Oder in ihrer Wahrnehmung? Aber er wollte sie doch auch, das hatte sie gespürt, ganz deutlich. Jedenfalls hatte sie das immer geglaubt.

Lois verknetete ihre Hände ineinander. Was sollte sie denn jetzt machen? Sie konnte jetzt nicht schlafen, dafür war sie viel zu aufgeregt. Ungeduldig ging sie in ihre Küche. Aber essen konnte sie doch jetzt auch nichts.

Da hörte sie plötzlich wieder dieses Geräusch an ihrem Fenster, wie wenn jemand, der fliegen konnte, landete. Hastig drehte sie sich um und sah gespannt zum Fenster, dem Ort ihrer Hoffnung... doch da stand nicht Vadim - es war Clark!

Wie eine Furie stürme sie auf ihn zu und trommelte ihm sofort mit den Fäusten auf die rot-gelbe Brust. "Neeiinn!"

Clark sah sie entsetzt an und stoppte ihre trommelnden Fäuste, indem er ihre Handgelenke festhielt. "Lois! Lois! Hör mir zu!", rief er entsetzt.

Zuhören - Pah! Was glaubte er denn? Dass sie froh war, ihn zu sehen, dass sie ihn erwartet hatte? Oh nein, ganz sicher nicht! Sie erwartete jemand anderen, aber Clarks Anwesenheit war ihr dabei im Weg. Sie schleuderte ihm wütend ihre Worte entgegen, er sollte gehen, er sollte sie gefälligst alleine lassen, aber er hörte ihr scheinbar gar nicht zu. Und immer noch hielt er mit festem Griff ihre Handgelenke fest, sie konnte sich nicht wehren, konnte sich nicht befreien. Was fiel ihm ein? Was erlaubte er sich?

Doch plötzlich - ein Gedanke... Er ließ ihr keine Wahl. Da gab es noch eine Waffe, die sie hatte. Eine neue Waffe, eine, von der sie bis jetzt noch nichts gewusst hatte, die sie noch nie eingesetzt hatte. Aber jetzt war der Moment dafür gekommen - ihre Zähne. Ohne noch weiter nachzudenken, neigte sie blitzartig ihren Kopf in Richtung seines Halses und biss zu.

Seine Haut war fest, undurchdringlich und so biss sie immer fester zu. Er rief entsetzt ihren Namen, schluchzte, flehte sie verzweifelt an aufzuhören, doch das kümmerte sie nicht. Aber so sehr sie sich auch bemühte, seine Haut gab nicht nach. Immer weiter versuchte sie es, konzentrierte all ihre Kraft auf diesen Punkt - doch vergeblich. Kraftlos, resigniert und ohne Hoffnung ließ Lois von ihm ab. Jetzt gab es nichts mehr was sie tun konnte. Sie sackte in sich zusammen.

Da war noch einmal ein Funken Hoffnung gewesen und wieder war es Clark, der alles zerstörte, warum konnte er sie nicht endlich in Ruhe lassen? Clark sagte etwas zu ihr, er redete und redete, doch sie wollte nicht zuhören, sie konnte sich jetzt nicht anhören, was er von ihr wollte. Er sollte einfach nur noch gehen! Lois spürte, wie sie jetzt endgültig von ihren Kräften verlassen wurde. Dieser Tag war so lang gewesen! Tränen liefen ihr über das Gesicht. Aber die ganze Zeit hatte sie die Hoffnung aufrecht gehalten. Sie hatte sich bereit gehalten für diesen Abend, bereit gehalten für Vadim - doch Vadim würde nicht mehr kommen - nie mehr, das wusste sie.

Aber es gab doch sicher noch mehr wie ihn, hatte Thomas nicht gesagt, es gäbe viel mehr von ihnen? Aber wie sollte sie die anderen finden? Niemand würde ihr helfen. Nicht einmal Clark würde das für sie tun. Clark - er redete immer noch auf sie ein, aber sie hörte nicht zu. Er hielt immer noch ihre Handgelenke umschlossen, aber in diesem Augenblick hatte sie einfach keine Kraft, sich zu befreien.

Lois merkte gerade noch, wie sie sich nicht mehr auf ihren Beinen halten konnte. Clark fing sie auf. Und er redete immer weiter, doch sie hörte ihm nicht zu. Konnte er nicht nur mal für einen kurzen Moment schweigen? Sie musste sich nur einen Moment ausruhen, verschnaufen und sie hätte wieder genug Kraft, um sich aufzurichten und sich auf die Suche zu machen. Dazu musste sie nur Clark loswerden - wieder mal. Aber sie hatte es schon einmal geschafft, es würde ihr auch wieder gelingen. Wenn er doch nur endlich aufhören würde zu reden. Lois ließ sich fallen, in Clarks Arme, aber es war ihr egal, an welchem Ort sie neue Kräfte sammelte. Nur einen Moment ausruhen, sich anlehnen, die Augen schließen...

Lois kam wieder zu sich, hatte sie geschlafen? Es war, als würde sie aus einem schwarzen Nichts wieder ins Licht kommen. Sie spürte Clarks Arme, die er um ihren Oberkörper geschlungen hatte, er hielt immer noch ihre Handgelenke fest. Ihr Gesicht an seinem, seine Wange war nass. Clark saß auf dem Boden und sie saß auf seinem Schoß, gehalten von ihm und immer noch redete er. Seine Augen hatte er geschlossen. Doch jetzt sprach er leise und ruhig, seine Stimme hatte etwas Beruhigendes, kam aber von weit entfernt. Stück für Stück drang die Wirklichkeit immer weiter in ihr Bewusstsein, aber war es die Wirklichkeit? Lois hoffte es, es fühlte sich gut an, gehalten von Clarks Armen, seine Stimme direkt an ihrem Ohr. Und jetzt drangen auch einzelne Worte von dem, was er sagte, wie durch einen Schleier zu ihr hindurch. "...Liebe..." und "...verlieren...", kümmerte es sie, wessen Liebe er verloren hatte? "...liebe..." und "...vertrauen...", Vertrauen! Was für ein großes Wort - wovon sprach er da? "...Liebe..." und "...Einsamkeit...", Nein, nicht Einsamkeit, sie wollte niemals mehr einsam sein. Einsamkeit war das Schlimmste. "Lois... ich... liebe... dich...", sprach er von ihr? Meinte er sie? Lois konnte nicht denken. Die Worte, jeder Gedanke bewegte sich unendlich langsam. Was war nur passiert? Warum saßen sie hier auf dem Boden?

Immer wieder sagte er die gleichen Worte: "Ich liebe dich... ich liebe dich... ich liebe dich..." Clark meinte sie, er sprach von ihr, davon, dass er sie liebte. Aber natürlich liebte er sie, das wusste sie doch und sie liebte ihn. Aber so sicher, wie sich Lois war, dass dieses Gefühl ganz real war, so hatte sie auch das Gefühl, das schon eine ganze Weile nicht mehr gefühlt zu haben. "Clark", ihre Stimme war ein Krächzten, klang wie eingerostet, "was ist denn nur passiert?"

Abrupt hielt er inne, stoppte seine Litanei, öffnete seine Augen und sah sie erstaunt an. "Lois?!" Da war Überraschung in seinem Blick, aber auch Freude, wenn auch nur vorsichtig.

"Wie lange habe ich geschlafen?" Lois' Gedanken bewegten sich noch immer in einer unendlichen Langsamkeit.

Clark ließ ihre Handgelenke los und ließ seine Hände vorsichtig über ihre Arme gleiten. "Fast zwei Stunden." Er lächelte, aber er sah auch erschöpft aus.

Aber sicher war er nicht halb so erschöpft, wie sie sich fühlte. Lois genoss seine Zärtlichkeit, seine warmen Hände auf ihrer Haut. "Warum sitzen wir hier unten? Was ist denn bloß passiert?"

Clark richtete sich ein wenig auf und streckte sich, hatten sie etwa die ganzen zwei Stunden so gesessen? "Was ist das Letzte, an das du dich erinnerst?"


Fortsetzung folgt...
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Re: Die Nacht ist am dunkelsten... Teil 13

Beitragvon Magss » Mi 27. Jun 2012, 18:50

Teil 13

Lois Blick war ein wenig unsicher. "Oh-oh. Diese Frage deutet irgendwie an, dass das Letzte schon eine Weile her sein könnte. Aber okay, was ist passiert, bevor wir beide uns hier in meinem Apartment auf den Boden gesetzt haben? Hm, du hast mich nach Hause gebracht, nachdem wir bei diesem Thomas gewesen waren, du weißt, dieser Vampir-Typ. Und was bitte soll diese Sorgenfalte auf deiner Stirn bedeuten?"

"Lois, das war am Dienstag Abend - heute ist Freitag, inzwischen schon Samstag." Clark sah sie mitleidig an. "Das heißt dann, ich muss es dir jetzt erzählen?" Bei diesen Worten sah er so aus, als täte er sich selber leid.

Lois nickte. "Ich fürchte, ja, aber bitte eine Kurzfassung, ich bin schrecklich müde. Ich habe das Gefühl, als hätte ich tagelang nicht geschlafen."

Clark strich ihr sanft die Haare aus der Stirn. "Wenn es stimmt, was ich vermute, hast du seit Tagen nicht geschlafen. Aber das ist nur dein kleinstes Problem..."

Und Clark erzählte ihr eine fantastische Geschichte, wie sich ihre Mord-Ermittlungs-Story nach und nach in eine Story mit echten Vampiren entwickelt hätte und dass sie, Lois Lane, von einem Vampir gebissen wurde, dass sie sich immer weiter von Clark abgewandt hätte und heute Abend sei eben dieser Vampir wieder erschienen, um sie erneut zu beißen. Doch damit wäre sie auch zu einem Vampir geworden und so hätte er das eben verhindern müssen...

"Clark! hast du dir zugehört? Vampire? In Metropolis?" Lois sah ihn entsetzt und fast etwas belustigt an.

Doch Clarks Miene blieb ganz ernst. Er stand auf und zog sie auch nach oben. "Komm, ich zeig dir etwas." Er führte sie zu ihrem Spiegel. Lois stand vor dem Spiegel und Clark stand hinter ihr. Er drehte sie ein wenig zur Seite und zeigte auf ihren Hals. Und dort konnte sie deutlich Bissstellen sehen, Zwei, um genau zu sein. Peinlich berührt fuhr sich Lois mit der Hand über die Stelle an ihrem Hals. Clark hatte Recht.

Und als wenn diese Erkenntnis eine Schleuse geöffnet hätte, fielen ihr jetzt zu der Geschichte, die ihr Clark gerade erzählt hatte, die Bilder ein. Alles, was er gesagt hatte, war wahr. Jedes einzelne Wort. Alles was er erzählt hatte, war genauso passiert. Bis zu diesem Augenblick hatte sie gedacht, diese merkwürdigen Bilder wären ein Traum gewesen, zugegeben, eher ein Albtraum und ein sehr realistischer noch dazu, aber jetzt wusste sie, es war alles so passiert. Und was noch viel schlimmer war, da gab es noch einiges, was Clark ihr nicht erzählt hatte, was er nicht wissen konnte, weil es sich nur in ihrem Kopf abgespielt hatte. Und diese Dinge waren fast das Schlimmste - diese Visionen, dieses Begehren nach einem fremden Mann, nach einem Toten! Und nach dem Tod selbst! Lois schüttelte sich, wie um diese Erinnerung zu verscheuchen. Aber dafür reichte ein Schütteln nicht aus. Sie konnte sich kaum selbst im Spiegel betrachten.

Zaghaft drehte sie sich zu ihm um. "Clark, ich hätte dich fast verloren." Mit einer tief empfundenen Trauer sah sie ihn an, "und ich hätte mich selbst fast verloren. Wie konnte das nur passieren?"

Clark, der scheinbar einfach nur glücklich war, dass dieses Drama ein Ende gefunden hatte, zog sie an sich und nahm sie fest in den Arm. "Erst mal ist jetzt nur wichtig, dass es vorbei ist. Laut Thomas gibt es dafür eine ganz einfache Erklärung. Du warst einfach... nun ja, wie sag ich das jetzt? Du warst einfach so gespannt, was dich erwarten würde, wenn wir verheiratet sind, dass du einfach den Kopf verloren hast. "

Auch wenn Lois eben gerade beim Blick in den Spiegel beschlossen hatte, Clark auf keinen Fall mitzuteilen was sich bei dieser Geschichte in ihrem Kopf abgespielt hatte, aber 'gespannt' war so maßlos untertrieben, dass sie das nicht so stehen lassen konnte. "Ich weiß, wovon du sprichst, aber 'gespannt' trifft es nicht so ganz... Er muss sich irgendwie in meinen Kopf geschlichen und mich manipuliert haben. Ich habe Dinge gesehen, von deren Existenz ich bis dahin nichts wusste! Ich weiß gar nicht, warum ich mich dagegen nicht wehren konnte." Langsam wurde Lois etwas panisch. Jetzt hatte sie doch schon so viel über dieses Visionen angedeutet, wie sie ihm niemals mitteilen wollte. Außerdem wurde ihr selbst immer klarer, wie sehr Vadim sie tatsächlich unter Kontrolle gehabt hatte. "Eigentlich sollte man doch meinen, dass es niemals jemandem möglich sein sollte, sich zwischen uns zu stellen. Clark! Warum habe ich nicht geschafft, das zu verhindern?" Zögernd hob sie ihren Blick und sah ihm in die Augen.

Doch Clark sah sie weder enttäuscht, noch entsetzt oder abschätzend an. Er lächelte verständnisvoll. "Laut Thomas sind Vampire Meister im Verführen, mit irdischen Maßstäben nicht zu messen. Ich denke, du hattest keine Chance. Es hat nichts mit dir oder mit mir zu tun." Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Warte mal, mir fällt gerade eine Stelle ein, aus einem der Bücher, die ich gelesen habe in Thomas Büro... 'Der Ruf war süß und betörend, er hüllte mich ein, liebkoste mich, schob mich, es war unmöglich, absolut unmöglich, sich ihm zu widersetzen. Bald klang er wie Musik, bald wie ein Lied, bald wie ein Flüstern - und in jeder Form war er vollendet, ein Abbild meiner eigenen Seele.' Und dann an einer anderen Stelle: 'Mit einem Mal ging mir mit aller Klarheit auf, warum Opfer von Vampiren diesen ihren Hals mit einem Lächeln auf den Lippen hinhalten. Wenn der Ruf erklingt, sind sie glücklich. Ihr ganzes Leben lang haben sie sich auf diesen süßen Augenblick zubewegt, und ihr Leben ist im Vergleich zu ihm leer und grau - wie die Welt im Zwielicht. Der Ruf ist eine Art Geschenk. Eine Befreiung'."

Ja, das beschrieb ihren 'Zustand' recht treffend, wie sie sich schweren Herzens eingestehen musste.

Lois schmiegte sich in seine Arme und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust als könnte sie dem Erlebten damit entfliehen. Sie wollte das alles hinter sich lassen. Genussvoll schloss sie die Augen und gab sich für einen Augenblick einfach nur diesem Gefühl hin, die Zärtlichkeit zwischen ihnen, die so normal schien, dieses Gefühl von Vertrauen, das sich einfach nur gut anfühlte. "Was für ein Glück für mich, dass mein Retter auch nicht ganz irdisch ist..." Doch durch die geschlossenen Augen wurde sich Lois plötzlich wieder ihrer Müdigkeit bewusst. Schlagartig hatte sie das Gefühl, sie könnte im Stehen einschlafen. "Clark, ganz gleich, was es ist, oder womit es zu tun hat... Ich will jetzt einfach nur noch schlafen." Er nickte. "Aber..."

"Ja?" Clark sah sie gespannt an.

"Ich... ich möchte jetzt auf keinen Fall... alleine bleiben. Nicht heute Nacht, nicht nach diesen Ereignissen. Bleibst du bei mir?"

Clark lächelte verständnisvoll und strich ihr sanft über die Wange. "Ich bin froh, dass du mich darum bittest. Ich würde dich jetzt nur sehr ungern alleine lassen. Ich schlafe einfach hier auf dem Sofa."

Lois traute sich nicht, Clark ins Gesicht zu sehen. "Würdest du, wenn ich dich... darum bitte", nervös ließ sie ihren Blick durch Zimmer wandern, "statt auf dem Sofa... auch bei mir schlafen?" Erst nachdem sie die Worte, die ihr so auf der Seele brannten, ausgesprochen hatte, traute sie sich, ihm direkt in die Augen zu sehen. "Ich brauch jetzt einfach eine Schulter, um mich daran anzulehnen."

Und Clark lächelte immer noch. "Lois, alles, was du willst."


Tag 6, Samstag 4. Mai 1996, 10:17 am

Selbst durch die geschlossenen Augenlider konnte Lois sehen, dass es bereits taghell war. Sie erwachte langsam und schwerfällig aus einem bösen Traum, unheimliche Bilder von fliegenden Personen oder vogelartigen Wesen, die ständig um sie herum flogen. Sie selbst hatte scheinbar ihre ganze Persönlichkeit verloren und wusste nicht, wo sie hin gehörte. Lois fühlte sich in ihrem Traum kalt und leer und irgendwie so wenig lebendig an. Was für ein Albtraum?

Doch auch wenn sie diesem Traum entfliehen wollte, hatte sie noch nicht die Kraft aufzustehen und so wollte sie die Augen noch nicht öffnen. Da bemerkte sie plötzlich etwas Ungewöhnliches - sie spürte den Atem einer weiteren Person in ihrem Nacken, gleichmäßig und ruhig atmete jemand neben ihr ein und aus.

Vorsichtig öffnete sie erst ein Auge und dann das andere und drehte langsam den Kopf nach hinten - es war Clark! Er lag in ihrem Bett! Er hatte sich an ihren Rücken geschmiegt, einen Arm um sie gelegt und schien ruhig und entspannt und mit einem Lächeln auf den Lippen zu schlafen. Und er schien nichts an zu haben! Sein Oberkörper war nackt. Oh nein! Sie hatten doch wohl nicht womöglich... Lois konnte sich an nichts erinnern! Das war fast schlimmer als wenn sie ihn mit falschem Namen angesprochen hätte. Was war bloß passiert? Es ärgerte Lois maßlos, dass sie sich nicht besser erinnern konnte. Vielleicht war es gut und sie wusste es nicht. Vielleicht war es schlecht und sie wusste es nicht. Das Eine war so schlimm wie das Andere.

Abrupt setzte sich Lois auf, was dazu führte, dass auch Clark jetzt wach wurde.

Mit einem leicht zerknautschten Gesicht, aber doch sichtlich entspannt, lächelte er sie an. "Lois. Guten Morgen! Wie geht es dir?"

"Gut.", stieß sie hastig hervor. Aber sie konnte doch nicht gute Miene zum bösen Spiel machen. "Clark, was bitte machst du hier?"

Er rieb sich verschlafen die Augen. "Du hast mich gebeten zu bleiben, du wolltest nach gestern Abend nicht alleine schlafen..."

"Clark, das habe ich auch geträumt, aber sag mir nicht, dass alles Andere, was ich noch geträumt habe, auch wahr ist! Dieser Traum in dem ich dich gebeten habe, bei mir zu bleiben, weil ich gerade von dir erfahren habe, dass ich von einem Vampir gebissen wurde, dass ich dabei war, selber zu einem Vampir zu werden, dass ich dabei war zu sterben... dass ich dabei war, dich zu verlieren... Sag mir, dass das nur ein Albtraum war, ein sehr böser, ein sehr realistischer und einer, den ich nie wieder träumen möchte..." Lois flehte ihn an und doch wusste sie die Antwort selber. Mit jedem Wort, das sie gesagt hatte, fiel ihr der gestrige Abend wieder ein. Das war kein Albtraum, das war die Wirklichkeit gewesen!

Clark lächelte immer noch, während er jetzt aufstand und in ihre Küche ging. Dabei stellte sie erleichtert fest, dass er ja noch seine Boxershorts trug. "Lois, ich mach dir erst einmal Frühstück, so kannst du doch überhaupt nicht denken.", rief er aus der Küche. Er setzte Kaffee auf. "Und ich fürchte, wenn ich dir wieder erzählen muss", er stellte alle möglichen Sachen auf ein Tablett, "was du nicht mehr weißt, oder was du vielleicht verdrängt hast - nun ja, dafür brauchst du erst mal Kaffee. Bleib liegen. Ich mach das schon." Immer noch mit diesem strahlenden Lächeln brachte er ihr das Tablett ans Bett. "Der Kaffee braucht noch etwas."

Lois konnte während der ganzen Zeit ihren Blick nicht von ihm abwenden, von ihm und seinem Oberkörper... Sie genoss seine Aufmerksamkeit und mit einem Lächeln sagte sie: "Oh Clark, dafür, dass ich heute Morgen in deinen Armen erwacht bin, du mir das Frühstück machst, Kaffee ans Bett - das war es fast wert."

Clark atmete einmal tief durch und schüttelte den Kopf. "Nein, Lois. Ganz sicher nicht. Das war es nicht wert. Ich wäre fast gestorben vor Angst um dich. Ich möchte soetwas nie wieder erleben. Und das mit dem Kaffee ans Bett hättest du auch anders haben können."

Lois sah ihn verschmitzt an. "Du würdest mir in Zukunft das Frühstück ans Bett bringen?"

Doch Clark bekam keine Zeit mehr für eine Antwort. Es klopfte an Lois' Apartmenttür. Beide sahen sich fragend an, wer das wohl sein konnte. Clark zog sich auf dem Weg zur Tür noch ein T-Shirt an, setzte seine Brille auf und Lois hörte, wie er die Tür öffnete. Während Lois sich gerade über das Müsli hermachen wollte, sie hatte einen Bärenhunger, erkannte sie die Stimme von Thomas Bynecky. Schnell warf sie sich ihren Bademantel über, schnappte sich ihre Müslischüssel und ging zu den beiden.

"Lois!", Thomas sah ausgesprochen abgespannt und müde aus und seine Kleidung war völlig derangiert, aber sein Gesichtsausdruck drückte eine tiefe Zufriedenheit aus. "Ich bin so froh, dass es Ihnen gut geht... wieder gut geht. Sie sind noch ein wenig blass um die Nase, aber das geht schnell vorbei. Danken Sie Clark. Dafür dass er keine Erfahrung in diesem Geschäft hat, hat er den Vampir sehr fachmännisch niedergestreckt." Thomas war auf Lois zugetreten. Sie wollte ihm zur Begrüßung die Hand geben, doch Thomas lehnte ab und zeigte auf seine völlig verrußten Hände.

Lois löffelte ihr Müsli. "Ich weiß sehr wohl, wem ich zu danken habe - keine Sorge. Aber wahrscheinlich war es doch nicht nur der eine... den Clark...?" Sie sah Thomas ernst an.

"Es waren vier." In diesem Moment bekam Thomas einen ganz ruhigen, sachlichen Tonfall. "Drei habe ich erledigt und den vierten - Vadim..." Mit Nennung dieses Namens beschlich Lois ein sehr unangenehmes Gefühl, ein kaltes Schaudern lief ihr über den Rücken. Den 'Vampir' konnte sie fast noch ertragen, nachvollziehen, auch vor sich selbst. Aber 'Vadim' gab den Ereignissen der letzten Tage, auch der Tatsache, dass sie sich von Clark abgewandt hatte, eine sehr persönliche Note, eine zu persönliche Note. Sie würde ganz sicher noch eine Weile brauchen, das alles zu verarbeiten, zu verstehen und sich selbst zu verzeihen.

Doch Thomas fuhr fort: "Vadim war ihr Anführer. Und ehrlich Lois, machen Sie sich nicht zu viele Gedanken, Sie hatten keine Chance. Es hat nichts damit zu tun, wie sehr Sie Clark lieben, was Sie ja offensichtlich tun...", bei diesen Worten ließ er seinen Blick vielsagend zwischen den beiden hin und her wandern. "Vampire sprechen im Menschen eine Seite an... und sie sind wahre Meister darin..." Lois spürte, wie sie rot wurde und sie wünsche, dass Thomas dieses Thema nicht weiter vertiefen würde. Sie hatte gar kein Bedürfnis mit ihm, einem Fremden, über die Tatsache zu sprechen, dass sie erotische Bedürfnisse und Fantasien hatte, die sie für diese ganze Geschichte so empfänglich gemacht hatten. Wie von selbst versuchten ihre Hände ihren Bademantel noch höher zu schließen. Sie wollte nur noch möglichst schnell das Thema wechseln.

Während Clark mit Kaffee für sie alle aus der Küche kam, beeilte sie sich, das Wort an sich zu reißen, bevor Thomas im Plauderton noch mehr zu diesem heiklen Thema zum Besten gab. "Ich habe da noch so ein paar Fragen an Sie..."

Thomas lächelte sie erwartungsvoll an, während er seinen Kaffee umrührte. "Ja gerne, was möchten Sie denn wissen?"

"Sie und Ihre Vorfahren haben schon seit Urzeiten mit Vampiren zu tun, gegen sie gekämpft - das hätten Sie uns bei unserem Besuch ruhig sagen können."

Beide Männer saßen ruhig da und hielten sich an ihren Kaffeebechern fest. Clark sah sie sehr gespannt an, während Thomas selbstzufrieden lächelte. "Ja, das hätte ich tun können. Aber Sie hätten mir beide an jenem Abend nicht geglaubt. Doch wie haben Sie herausgefunden, wer ich bin?"

Lois lehnte sich zufrieden zurück. "Der Name natürlich. Wahrscheinlich haben Ihre Vorfahren, als sie nach Amerika kamen, den Namen 'Van Helsing' - 'Von Halse' ins englische übertragen - By-Neck-y."

Thomas nickte und grinste. "Lois, alle Achtung. Sie werden Ihrem Ruf gerecht. Ich hätte mir denken können, dass Sie darüber stolpern. Was wollen Sie noch wissen?"

Lois merkte förmlich, wie ihre Lebensgeister erwachten und das war ganz sicher nicht nur dem Kaffee zuzuschreiben, da war sie sich ganz sicher. "Okay, als wir begonnen haben zu recherchieren, da hatten wir noch einen Überfall im Centennial Park. Eine Frau wurde überfallen und der Angreifer verschwand völlig überraschend in dem Moment, wo er ihr den Schal weggenommen hatte, in dem Moment also, wo er ihren Hals sah. Vielleicht trug sie ein Kruzifix um den Hals... Und ihr Angreifer konnte diesen Anblick nicht ertragen."

"Sie meinen, das wäre auch ein Angriff eines Vampirs gewesen? Denkbar wäre das. Manche Vampire reagieren entsprechend auf so ein starkes Symbol wie das Kruzifix, besonders am Hals... Warum ist das so wichtig, der Frau scheint doch nichts passiert zu sein?"

Lois bekam diesen triumphierenden Gesichtsausdruck. "Ich wusste es." Sie sah Clark an. "Der Überfall im Park und die Morde - die beiden Fälle gehörten zusammen."

Clark lachte. "Oh ja Lois, du hast es gewusst. Ich werde niemals wieder dein Gefühl anzweifeln. Deinen Reporterinstinkt."

"Gut so. Aber jetzt zu der wichtigsten Frage..." Clarks Vertrauen ehrte sie, aber diese Frage stellte sie wieder an Thomas. "Was von alledem können wir schreiben? Und können wir mit Ihrer Unterstützung rechnen?"

Thomas rührte gedankenversunken in seinem Kaffee, ehe er mit gesenktem Blick antwortete: "Nein. Ich werde meinen Namen nicht zur Verfügung stellen, zu viele schlechte Erfahrungen damit in der Vergangenheit." Er hob seinen Blick und sah Lois ernst und fast etwas betrübt an. "Was Sie davon schreiben können? Letztlich müssen Sie beide das alleine entscheiden. Ich kann Ihnen nur einen Rat geben. Wird man Ihnen glauben? Die Vampire sind glücklicherweise vernichtet, es gibt also keinen einzigen Beweis. Mit einer Ausnahme, die noch nicht ganz verheilten kleinen Löcher an Ihrem Hals. Aber Lois, wollen Sie wirklich vor der Welt eingestehen, was mit Ihnen passiert ist in den letzten Tagen? Fragen Sie sich, ob die Menschen dafür reif sind, ob sie es verstehen werden. Sie gehören nicht zu der Sorte Reporter, die nur auf eine Titelstory aus sind, Sie suchen die Wahrheit. Sie haben die Wahrheit gesehen und bei diesem Fall sicher weit mehr davon als Ihnen lieb war. Aber meinen Sie, dass die Massen diese Wahrheit verstehen werden?"

Lois sah Thomas entsetzt an. "Wir sollen nichts schreiben - gar nichts?" Sie traute ihren Ohren nicht. Da hatte sie ihren Einsatz bei dieser Geschichte fast mit dem Leben bezahlt und der Lohn dafür sollte eine vollkommene Null-Runde sein? Keine Story, keine Sensation, kein Preis? Aber Thomas hatte natürlich Recht, sie hatten keinen Beweis. Und es war nicht ihre Art, ohne Beweise etwas zu veröffentlichen.

Clark sagte daraufhin: "Ich weiß auch nicht, wie überzeugend es uns gelingen würde, die Vernichtung Vadims als 'Notwehr' zu erklären." Betreten sah er Lois an.

Lois' Stimme gehorchte ihr fast nicht, als sie daraufhin entgegnete: "Eine Woche Angst und Schrecken - und keine Story." Das war so niederschmetternd.


12:45 pm

Jimmy war etwas nervös, als er aus dem Fahrstuhl im fünften Stock trat. Er hatte drei Blätter Papier bei sich, drei Blätter weißes Papier, aber natürlich nicht unbeschrieben. Diese Blätter waren beschrieben! Es war 'seine' Story, die auf diesen Blättern geschrieben stand. Seine Story über den Einbruch in die Computerfirmen. Und er musste mit jemandem darüber reden, sonst drehte er noch durch. Perry war nicht in der Redaktion am Wochenende, Clark war schon seit gestern nicht auffindbar. Seine letzte Hoffnung war nun Lois. Ob es ihr besser ging inzwischen? Ob er nicht doch vielleicht hätte anrufen sollen? Lois hatte am Freitag nicht besonders viel Aufmerksamkeit für die Computerstory übrig gehabt. Ob sie ihm überhaupt zuhören würde? Aber er musste mit jemandem reden!

Jimmy hob die Hand, um an der Tür des Apartment 501 zu klopfen und hielt noch einmal inne. Was, wenn sie nicht da war? Nun, das wäre nicht so schlimm, in dem Fall würde niemand sein Klopfen hören. Was, wenn sie da wäre? Lois war seine Freundin, sie würde ihm nicht den Kopf abreißen, sie doch nicht. Jimmy schloss die Augen. Sie würde in der Luft zerreißen, was er geschrieben hatte.

Er klopfte. Sicher war sie gar nicht da. Doch gleich darauf hörte Jimmy auch schon, wie sich hinter der Tür jemand bewegte. Was für ein Glück, sie war da.

Die Tür öffnete sich und vor ihm stand Clark; das war nicht wirklich verwunderlich. Nur sein Aufzug ließ Jimmy etwas stocken. Clark trug nur ein Paar Boxershorts und ein T-Shirt, aber das trug er links herum, so als hätte er es sich in aller Eile über geworfen, ohne noch einen Blick darauf zu werfen. Hoffentlich hatte er Clark nicht gestört. Und plötzlich tauchte Lois im Türrahmen auf, sie trug nur einen Bademantel. Jimmy ließ seinen Blick von Lois zu Clark wandern und wieder zurück - oh nein! Er hatte sie gestört - unterbrochen. Das war so offensichtlich. Sie würden ihn beide in der Luft zerreißen.

"Hi Jimmy, komm doch rein." Clark wirkte auf Jimmy vollkommen locker.

Jimmy trat in Lois' Apartment. "Hi Clark. Lois. Hey, du siehst viel besser aus heute."

Lois lächelte. "Ja, es geht mir auch sehr viel besser heute. Was gibt es, was können wir für dich tun?" Sie machte auf Jimmy einen ausgeruhten und entspannten Eindruck und er war wirklich froh, dass sie nicht sauer waren, weil er hier so einfach hereinplatzte.

"Ich... ich habe hier meine Story...", dabei zog er die beschriebenen Blätter aus der Innentasche seiner Jacke, "ich habe sie ganz alleine geschrieben, es war niemand da. Ihr wart nicht da und sonst auch niemand, den ich fragen konnte oder wollte. Aber bevor ich sie Perry auf den Tisch lege, wäre es mir sehr recht, wenn einer von euch sie noch mal ansieht..."

Clark nahm ihm die Blätter ab und setzte sich aufs Sofa. "Ja natürlich, lass sehen." Lois setzte sich neben ihn und las auch. Jimmy stand einfach nur da und wusste nicht wohin mit seinen Händen. Diese paar Minuten, die Jimmy viel länger erschienen, herrschte eine gespannte und konzentrierte Stille.

Nachdem Clark geendet hatte, gab er die Blätter Lois in die Hand. "Es waren also drei Informatik-Studenten, die sich die Zutaten für einen Super-Computer zusammen geklaut haben. Und der eine ist ein Sohn von Jacky Jack, dem Genius der Einbruchsszene. Kein Wunder, dass sie die Alarmanlagen so gut umgehen konnten. Jacky Jack war zu seiner Zeit unschlagbar."

Auch Lois hatte inzwischen alles durchgelesen. "Und der andere war ein Sohn eines Vorstandsvorsitzenden der S.T.A.R. Labs und wusste somit bestens über deren geheime Projekte Bescheid. Aber wie bist du darauf gekommen, ihnen zusammen mit Henderson genau bei dieser Firma Com Tech eine Falle zustellen?"

Jimmy wunderte sich noch kurz, dass gerade Lois ihm diese Frage stellte. Er hatte ihr das in der Redaktion erzählt! Aber das war, als sie wirklich nicht gut drauf war. Nun merkte er, wie er immer entspannter wurde, scheinbar war er von 'in der Luft zerrissen werden' ein ganzes Stück weg. "Es lag auf der Hand, es ging ja die ganze Zeit um Geschwindigkeit. Und Com Tech, eine Firma, die Prozessoren als Mikromaschinen auf molekularer Ebene konstruieren, war da irgendwie der nächste logische Schritt. Es war auch gar nicht schwer Henderson zu überreden. Allerdings habe ich dazu behauptet, ich hätte das mit euch abgesprochen..." Dieses Geständnis tat Jimmy fast weh, aber er musste ihnen einfach die Wahrheit erzählen.

Doch Clark antwortete ihm amüsiert. "Kein Problem. Wenn ich da gewesen wäre und deine Informationen gehabt hätte, hätte ich Henderson genau das Gleiche geraten. Ich steh hinter dir. Super Fall, super recherchiert, super gelöst und super Artikel."

Lois stimmte in Clarks Lobgesang ein. "Seh' ich genauso. Dein Artikel ist wirklich klasse. Er ist packend und spannend, sachlich, aber auch sehr persönlich. Sag Perry, wir haben ihn beide abgesegnet und er streicht nicht ein einziges Wort." Sie lächelte Jimmy aufmunternd an und gab ihm die Blätter zurück.

Jimmy nahm sie ihr ab und fühlte, wie er Stück für Stück wuchs, 'packend'... 'spannend'... 'wirklich klasse'. Diese Worte gingen ihm runter wie Butter. "Danke, aber ich hatte die besten Lehrer. Was ist mit eurem Fall, was ist mit der mysteriösen Mordserie?"

Lois und Clark sahen sich an, als müssten sie sich abstimmen und hätte Jimmy es nicht besser gewusst, hätte er behauptet zwischen ihnen flogen Gedanken hin und her. So sah es jedenfalls aus und als nächstes antwortete Lois trocken: "Die Mordserie ist beendet. Aber es gibt keinen Täter. Und deswegen gibt es auch keine Story."

"Oh, das tut mir leid. Eine Woche Arbeit und keine Story?", fragte Jimmy betreten.

"Ja, so ist das manchmal. Man kann nicht immer eine preisverdächtige Story abliefern." Auch dies sagte Lois vollkommen gelassen.

Jimmy erstaunte das. Er hätte sich bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorstellen können, dass gerade Lois Lane, Mad Dog Lane, so gelassen reagieren würde, wenn sie eine Story nicht schreiben konnte. Ob sie nicht doch noch krank war? Wenn Jimmy es nicht besser wüsste, würde er behaupten, dass sie sich verändert hatte in den letzten Tagen. Natürlich hatte sie sich verändert; ganz besonders seit Clark und sie ein Paar waren, war aus der ehrgeizigen, besessenen, über Leichen gehenden Workaholic-Frau jemand geworden, die sehr viel sympathischer war. Jemand, die mal Fünfe gerade sein lassen konnte. Jemand, die auch mal das Leben genießen konnte. Das trieb Jimmy ein Lächeln ins Gesicht. Aber noch mehr schmunzeln musste er, als er die beiden verließ und durch die geschlossenen Tür gerade noch hören konnte, wie Lois zu Clark sagte: "Also, wo waren wir gerade...?"

Clarks "Genau hier..." ging in Lois' Lachen unter. Ja, sie schienen zu genießen...


ENDE
Die Welt ist groß genug für die Bedürfnisse aller. Aber zu klein für die Gier einzelner.
Gandhi
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Magss

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