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[Sommer-Ficathon] Fieber

FanFiction zur TV-Serie "Superman - die Abenteuer von Lois und Clark" (orig. "Lois and Clark - the New Adventures of Superman")

[Sommer-Ficathon] Fieber

Beitragvon Magss » Do 30. Sep 2010, 19:42

so, dann möchte ich meinen kleinen Beitrag auch noch ganz schnell auf den Weg bringen. Dass ich, wie eigentlich immer, meinen Beitrag im L&C-Universum ansiedel, liegt auf der Hand, oder? Jedenfalls habe ich das Ganze auch mal wieder in die 2. Staffel gelegt, quasi direkt nach dem Date. Ich finde den letzten Teil der 2. Staffel einfach sehr spannend. Auch wenn CK, die den Aufhänger hierfür geschrieben hat, etwas ganz anderes im Sinn hatte. Aber das habe ich zum einen erst hinterher erfahren, zum anderen spielt es ja gar keine Rolle.

Ein riesiges Dankeschön geht an KitKaos, die mir - wie immer - mit ihrem Beta-Lesen zur Seite gestanden hat. Wie immer sehr, sehr hilfreich und ungalublich kompetent. Und das, obwohl ich diesmal wirklich erst in letzter Minute fertig geworden bin. Hm... fertig? Nicht wirklich. Es wird einen weiteren Teil geben. Ich hoffe mal, in ein paar Tagen. Denn der muss erst noch geschrieben werden.

Disclaimer: Die Serie "Superman - die Abenteuer von Lois & Clark", Clark Kent, Lois Lane, Daily Planet, Metropolis, Krypton – all das gehört nicht mir und die Charaktere auch nicht, sondern denen, die die Idee hatten, Jerry Siegel, Joe Shuster oder DC-Comics, um nur einige zu nennen. Nur die Idee für diese Geschichte ist meine. Ich schreibe nur für mich, verdiene kein Geld damit. Freue mich aber trotzdem über jede Art von Kommentar - und nun viel Spaß!



Bild

Fieber


Gerade Haltung, gestraffte Schultern und Blick geradeaus. Lois stieß die aufgestauten Worte geradezu hervor: „Perry...! Ich, ich brauche einen neuen Partner...!“

Doch so sehr wie sie vor gerade einmal einer Sekunde noch herum gelaufen war, sie vor Energie kaum gewusst hatte, wo sie sich hinwenden sollte, so wusste sie in dem Moment, wo diese vernichtenden Worte endlich ihren Mund verlassen hatten, nicht mehr, ob es denn wirklich das war, was sie wollte.

„Nein! Verdammt, Lois, so geht es nicht...!“ Wenn sie gekonnt hätte, wäre sie auch noch die Wände ihres Apartments hinauf gelaufen. Sie fühlte sich wie ein Tiger in einem viel zu kleinen Käfig. Seit mehr als einer Stunde lief sie zwischen Küche und der Tür ihres Apartments immer wieder hin und her. Übte das Gespräch, das sie erst am Morgen mit Perry White würde führen können, wieder und wieder. Seit Clark sie nach Hause gebracht hatte... Seit Lois gedacht hatte, der nächste logische, unausweichliche Schritt wäre ein Kuss... Und seit sie Clark die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte...

Entfernt drang ein aufgeregtes 'Qua-qua' zu ihr. Wahrscheinlich liefen im Fernseher ihres Nachbarn Cartoons. „Und warum... warum, verdammt noch mal, hast du so eine panische Angst... davor, Lois...?“, flüsterte sie. Doch das Schloss an ihrer Tür, an welches sie sich gerade klammerte, gab keine Antwort, schwieg einfach. Sie konnte den armen Donald verstehen, sein Verhältnis zu Daisy war auch nie wirklich geklärt worden.

Wenn Clark ihr doch nur den Gefallen getan hätte, dieses Date zu einem Desaster werden zu lassen. Aber nein, wenn sie schon einmal in seine Angst vor persönlichen Gesprächen vertraute, ließ er sie doch glatt im Stich und blieb nicht nur die ganze Zeit bei ihr, nein, er brachte sie auch noch nach Hause.

Das Essen, der Wein, die Gespräche, der ganze Abend, das Date, alles war – fast – perfekt gewesen. Doch wer sich an dieser Perfektion gestört hatte, war nicht ihr Partner gewesen. Oh nein – sie! Lois Lane! Preisgekrönter Star! DIE Enthüllungsreporterin des Daily Planet, Mad Dog Lane, die es mit jedem psychopathischen Ganoven oder Kleinkriminellen aufnahm, hatte panische Angst vor...

Nein! Das sollte er nicht von ihr denken. Nein! Sie musste das klären. Jetzt. Sofort.

Entschlossen nahm sich Lois Lane ihren Mantel vom Haken, öffnete eilig ein Schloss nach dem nächsten und verließ ihr Apartment im Laufschritt.

Nur sehr entfernt bekam sie mit, dass dies einer der seltenen lauen Abende war. Fast noch warm und das Fehlen von Benzingestank und Müllgeruch ließ sie beinahe an Frühling denken. Metropolis verwöhnte seine Bewohner sonst nicht gerade mit verführerischen Gerüchen, auch nachts nicht. Aber heute schien sich die Stadt von ihrer besten Seite zeigen zu wollen. Eigentlich schade, dass es kaum jemand bemerkte.

Erst als Clarks Wohnblock in Sichtweite kam, bremste sie sich, zögerte noch einmal einen kurzen Augenblick, aber wirklich nur ganz kurz, dann lief sie schnell weiter. Sie musste Klarheit bekommen, das war sie sich selbst schuldig – und wohl auch Clark.

Doch noch bevor sie eine Spur von Gewissensbissen entwickeln konnte – es war bereits weit nach Mitternacht, aber das hatte ihren Partner in der Vergangenheit auch nie gestört – wurde ihr Blick unverhofft von einer Figur gefesselt. Direkt an der Treppe zu Clarks Wohnung. Eine Figur in rot-blau. Selbst in dem Schummerlicht konnte sie das noch gut erkennen.

Doch das Erstaunlichste an dieser Figur war weder der Ort, noch die Zeit – es war seine Haltung. Superman erweckte den Eindruck, als würde er jeden Moment zusammen brechen, ihm fehlte alles Heroische. Klein, schmal, kraftlos wirkte er. Als fehlte ihm jede Energie, selbst für diese wenigen Stufen in Clarks Wohnung. Ganz offensichtlich sein Ziel.

Dieser Anblick gab Lois einen Stich ins Herz und sie nahm ihre Beine in die Hand.

Als sie direkt neben Superman war, glaubte sie, seinen Atem zu hören, der keuchend wie ein bellender Husten ging. Er sah blass aus, ja fast kreideweiß und erst als sie ihm ihre Hand auf den Arm legte, sah er auf. Doch sein Blick war stumpf. „Lois...“, hauchte er tonlos.

Wenigstens erkannte er sie. Nach seiner Erscheinung war sie sich dessen nicht mehr sicher gewesen. „Superman, was kann ich tun?“ Aber das war nur eine rhetorische Frage, sie wusste es: Sie würde ihm helfen. Er musste von der Straße weg. In die Wärme, schnellstens. Ausruhen. Schwitzen, einen Tee trinken, heiße Milch... aber ob das helfen würde?

„Komm einfach mit, ich helfe dir.“ Beherzt hatte sie sich seinen Arm um die Schulter gelegt und drängte ihn zur Tür von Clarks Wohnung. Mit der anderen Hand stützte er sich auf das Geländer und ließ sich von ihr mitziehen. Ohne Widerrede. Ob das Vernunft war, oder er einfach keine Kraft hatte um sich zu widersetzten, darüber wollte Lois gar nicht erst nachdenken. Alleine ihn so zu sehen verursachte ihr fast körperliche Schmerzen.

Als Lois endlich die Tür erreichen konnte, klopfte sie wild dagegen. 'Clark! Sei bitte zu Hause!' Sie klopfte noch einmal, energischer. 'Wo bist du nur immer, mitten in der Nacht, wenn ich dich brauche?' Doch so sehr sie auch flehte, es blieb alles still und die Tür verschlossen.

„Da... Blumen... kasten...“ Selbst diese wenigen Worte schienen Superman fast seine letzten Kraftreserven zu kosten. Und doch dachte Lois für eine Sekunde darüber nach, dass es doch erstaunlich war, wie gut Superman sich auskannte. Nun, Clark und er waren Freunde, aber von dem Schlüssel sollte eigentlich niemand etwas wissen. Ganz davon abgesehen, dass es unverantwortlich war, in einer Großstadt wie Metropolis den Wohnungsschlüssel nur einen Meter neben die Tür zu legen. Clark hatte ihr doch schon mehrmals versprochen, dass er den Schlüssel von dort fortnehmen wollte. Aber in diesem Moment kam es Lois natürlich entgegen; mit ihrem Dietrich hätte sie wahrscheinlich zwei bis drei Minuten gebraucht. Und Superman musste sich endlich setzten, hinlegen, sich zudecken.

Superman im Auge behaltend griff sie nach dem Schlüssel und öffnete die Tür. „CLARK?!“ Nur für den Fall, dass er doch hier sein sollte. Aber nein, keine Reaktion, nicht das kleinste Geräusch. Dann wandte sie sich wieder dem Stählernen zu, der in diesem Moment so gar nichts Stählernes an sich hatte. „Komm, Superman, hier kannst du dich ausruhen.“

Er hatte sich auf das Sofa fallen lassen, als verließ ihn in dem Moment jegliche Kraft. Kaltschweißig und blass hatte er dann dort gelegen. Seine Augen geschlossen. Schweigend und apathisch. Lois hatte ihn noch niemals vorher so gesehen. Sie hatte ihm jede Decke gebracht, die sie in Clarks Wohnung gefunden hatte, ihm mit etwas Wasser die Lippen befeuchtet und seine Stirn gekühlt. So fiebrig zu sein, konnte auch für Kryptonier nicht gut sein, dachte sie sich. Aber was wusste sie schon von ihm?

Was sollte sie nur tun?

Wo blieb nur Clark?

Doch sie konnte unmöglich auf ihren Partner warten. Sie musste etwas tun, jetzt, sofort. Nur was? Jemand musste ihm helfen, jemand, der sich auskannte, ein Fachmann, ein Arzt. Aber Superman hatte gewiss keinen Hausarzt. Ob er jemals vorher krank gewesen war? Wen sollte sie anrufen?

Lois ging in Gedanken ihr Rolodex nach jeder denkbaren oder unmöglichen Person durch und fragte sich, wen sie anrufen konnte – und plötzlich wusste sie es.

Augenblicklich wählte sie die Nummer und betete für ihn und für sich selbst, dass er alleine war und dass er das Telefon hörte, falls er schon schlief, dass er wirklich zu Hause war. „Hi, Dad. Ich bin's... nein, Lois... ja, ich weiß, wie spät es ist... Ja, ich kann es dir schlecht am Telefon erklären. Aber du musst herkommen, hier zu mir... natürlich ist es wichtig. Hätte ich sonst angerufen? Bitte komme in die Clinton Street...“ Lois rollte mit den Augen und atmete einmal tief durch. „DAD! Ich habe dich noch nie um etwas gebeten... genau! Du schuldest mir was. Und deswegen wirst du mir diesen einen Gefallen auch tun... nein, Dad, sofort!“

Dann legte Lois auf und hoffte, dass sie ihre Überredungskünste ausreichend eingesetzt hatte. Nun konnte sie nichts tun, außer warten.

Es war gespenstisch, alleine mit einem apathischen Superman hier in Clarks Wohnung und sie wusste nicht, was sie tun konnte, oder wie bedrohlich dies alles wirklich war.

Hilflos schaute sie ihn an, wie er da auf der Couch lag. Es schien, als brenne in ihm ein Feuer, aber nicht das, das ihn normalerweise zu dem Menschen machte, der er war. Nein, der Mann aus Stahl verbrannte innerlich. Seine Wangen glühten fieberrot und während sein Körper in Flammen stand, war in seinen Augen jegliches Feuer erloschen.

Eine gefühlte Ewigkeit geschah nichts. Hatte sie beständig das Gefühl ihr aufgeregtes Herz schlug viel lauter als sein flacher Atem. Er schien eingeschlafen. „Superman, was ist denn bloß passiert?“, flüsterte sie in die Stille. Es war mehr ein lauter Gedanke und Ausdruck ihrer Angst als wirklich eine Frage, die eine Antwort erwartete.

Doch offenbar hatte er sie gehört und schien nicht ganz so unbeteiligt wie sie gedacht hatte. Ohne die Augen zu öffnen, bewegte er die Lippen und flüsterte: „War am Hafen...“

Lois sollte ihn unterbrechen. Es konnte nicht gut sein, dass er sich so verausgabte. Wer wusste schon, wofür er seine Kraft noch bräuchte? Andererseits konnte es auch nicht schaden, wenn sie wusste, was geschehen war. Die Neugierde siegte, sie ließ ihn gewähren.

Und so fuhr der Mann aus Stahl mit brüchiger Stimme fort: „Westhafen... Pier 127... Hab' was aufgeschnappt... Superman ausschalten... Lane und Kent... musste ich doch nachsehen... dann wurde mir schwarz... vor Augen...“

Sie legte ihm zart ihren Zeigefinger auf den Mund, machte leise: „Pssst...“ und brachte ihn so dazu, dass er schwieg. Sie hatte genug gehört. Und er musste sich endlich ausruhen. Und doch störte sie sich an der Art, wie er 'Lane und Kent' gesagt hatte. Fast so, als sei es nicht die Sorge um zwei gute Freunde, sondern als ginge es um ihn. Aber das war ein absurder Gedanke und sie vertrieb ihn rasch mit einem Kopfschütteln.

Verzweifelt sah sie ihn an, wie er einfach nur da lag. Es schien ihr, als brannte dieses Feuer inzwischen noch heißer. Die Lippen unter ihrem Finger hatten fast geglüht. Sie fragte sich mit wachsender Wut im Bauch, wo nur ihr Vater blieb und was sie tun sollte, wenn er sie alleine lassen würde. Er wäre schließlich nicht das erste Mal. Doch diesmal würde sie Sam Lane in kleine Streifen schneiden und ganz langsam rösten. Aber dies war ganz sicher nicht der Moment, mit ihrem Vater abzurechnen.

Genauso wenig wie mit ihrem Partner abzurechnen. Noch einmal befeuchtete sie dem Kranken die Lippen, während sie sich fragte, wie sehr sie denn Clark vertrauen konnte. Andererseits würde sie selbst wohl auch nicht viel besser abschneiden, wenn ihr Kollege sich fragen würde, wie sehr er ihr denn vertrauen konnte. Sie hatte ihm in Panik die Tür vor der Nase zugeschlagen. Um einem Kuss auszuweichen. Aber es war ja so viel mehr als ein Kuss.

Zärtlich und mit der größten Hingabe wischte sie dem schlafenden Helden den Fieberschweiß von der Stirn. Es war schon eine himmelschreiende Ironie, so eine lange Zeit hatte sie sich gewünscht, dem fliegenden Helden so nah zu sein, ihm so aufopfernd und liebevoll zur Seite zu stehen. Und ausgerechnet als ihr Herz realisiert hatte, dass es durchaus einen Mann in ihrem Umfeld gab, der es mit ihr aufnehmen konnte, ließ sie das Schicksal diese körperliche Nähe zu Superman spüren. Hätte sie ihm heute Abend auch die Tür vor der Nase zugeschlagen?

Doch glücklicherweise hinderte sie ein vorsichtiges Klopfen an der Tür daran, eine Antwort auf diese Frage finden zu müssen.

Lois lief schnell dorthin, öffnete und war wirklich froh, ihren Vater zu sehen. Vielleicht das erste Mal seit sehr vielen Jahren. Er schien müde, was in Anbetracht der Uhrzeit kein Wunder war. Gleichzeitig kam er ihr älter vor als das Bild, das sie in ihrem Kopf hatte. Doch sie wollte sich hier und jetzt nicht der Frage stellen, wie glücklich er denn mit seinem Leben war.

In kurzen Worten erklärte sie dem Arzt und Wissenschaftler, was sie wusste. Das war nicht viel, aber es musste reichen, um ihm bei seiner Untersuchung einen Anhaltspunkt zu geben. Auf seinen fragenden Blick hin versuchte sie sich frei zu sprechen: „Er ist ein Freund! Er tut so viel für uns!“ Dass Superman vor gar nicht so langer Zeit sehr viel mehr als nur ein Freund für sie gewesen war, behielt sie für sich. Dies war ganz sicher nicht der Moment, ihrem Vater einen Einblick in ihre Gefühlswelt zu geben. Ganz besonders, da sie den Stellenwert, den er momentan in ihrem Herzen hatte, überhaupt nicht greifen konnte. Und Clark...? Lois fühlte sich wie in der Achterbahn.

'Männer!' Wahrscheinlich sah sie dem Verursacher dieses Dilemmas gerade bei der Arbeit zu. Mit professioneller Ruhe und geschickten Fingern untersuchte ihr Vater die einstige und vielleicht größte Liebe ihres Lebens. Lois' Gedanken schweiften ab; war denn das Gefühl für Superman wirklich geklärt? War es vorbei? War sie nur deswegen so besorgt, weil er so ein guter Freund war? Und das alles in der Wohnung des Mannes, der sie am heutigen Abend mehr durcheinander gebracht als sie erwartet hatte. Sie wünschte sich weit fort.

„Lois...“, befreite sie ihr Vater aus diesem Gefühlskarussell, „ich bleibe am besten hier. Wir können nur warten. Ich tue, was ich kann. Aber du solltest dich ausruhen. Du siehst müde aus.“ Genau wie er.

Wen wunderte das? Es war zwei Uhr in der Nacht. „Okay, ich leg mich etwas hin.“ Aber Lois wusste genau, dies hier war ein Vater, mit dem sie sprach. „Aber... nicht hier. Ich geh in meine Wohnung, dort kann ich besser schlafen.“ Sie schrieb Sam Lane eine Telefonnummer auf. „Dies ist meine Pagernummer. Ruf mich sofort an, wenn sich etwas tut.“ Dann griff sie sich ihre Tasche und ihren Mantel und machte sich eilig auf den Weg.

Doch dass sie in ihre Wohnung gehen würde, war eine Lüge gewesen. Natürlich hatte sie ein anderes Ziel: Pier 127, vollkommen klar.

Fortsetzung folgt...
Die Welt ist groß genug für die Bedürfnisse aller. Aber zu klein für die Gier einzelner.
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Re: [Sommer-Ficathon] Fieber

Beitragvon Magss » Do 25. Nov 2010, 10:49

es ist vollbracht - sorry für die Verspätung, aber Real-Life kann so gnadenlos sein...
Viel Spaß




Teil 2

Mit Daumen und Zeigefinger formte Lois ein Oval und drückte es gegen ihre Zunge. Zwischen dem schrillen Pfiff und dem Quietschen der Reifen des Taxis, das daraufhin anhielt, überlegte sie noch ganz kurz, was sie dem Fahrer als Zieladresse nennen sollte. Der Planet könnte ihr mit seinen unzähligen Möglichkeiten auf diverse Datenbanken sehr hilfreich sein. Sie musste wissen, wer sich am Pier 127 in einer der Lagerhallen versteckt hatte. Und konnte nur hoffen, dass sich nicht zwanzig verschiedene Händler die Halle teilten, deren dubiose Firmen meistens nur noch schlicht Im- und Export hießen.

'Ach, das kann Jimmy machen. Wahrscheinlich sogar schneller', schob sie den Gedanken schnell beiseite. Also warf sie ihrem Taxifahrer, von dem sie nur seinen leicht kahl werdenden Hinterkopf sah, ein ungeduldiges „Westhafen. Pier... ähm, 129!“ zu.

Soweit sie sich erinnerte, waren die Pier-Anlagen im Westhafen wie Hausnummern angeordnet, Nummer 129 sollte also neben Nummer 127 liegen. Und wer auch immer sich dort zu verstecken versuchte, brauchte nicht zu früh wissen, dass Besuch drohte. Nur für den Fall, dass auch dieser Taxifahrer sich sein Einkommen mit dem Verkauf von Informationen aufbesserte.

Was sie aber nicht davon abbringen konnte, Jimmy anzurufen. Eigentlich wünschte Lois ihrem jungen Kollegen wirklich ein Privatleben – nur bitte nicht an diesem Abend. 'Bitte sei noch in der Redaktion', flehte sie still.

„Daily Planet, Olsen“, bekam sie schon nach dem zweiten Ton zu hören.

Guter Junge. Lois kam gleich zur Sache: „Ah, Jimmy. Gut, dass ich dich noch erreiche. Du musst etwas für mich herausfinden...“, ein Blick nach vorne zeigte ihr, dass sie einen guten Moment hatte, ihr Fahrer sprach gerade über Funk mit seiner Zentrale. So musste sie also ihre Tarnung nicht aufdecken. „Westhafen, Pier 127, ich nehme an, dort steht eine Lagerhalle oder auch mehrere, sowas in der Art. Sieh doch bitte mal nach, wem die gehört... und was der so für Geschäfte macht... und mit wem... und ob die Polizei ihn kennt... und ob es sonst noch irgendwas Interessantes gibt... und Gerüchte und Klatsch!“ Sie war sich sicher, dass Jimmy genau wusste, was sie damit meinte – einfach alles eben.

Er klang ein ganz klein wenig verschlafen, schien aber sofort bei der Sache zu sein. „West... hafen... Pier... 127... warte, da hab ich's schon, eine Lagerhalle, wie du gesagt hast, eingetragen auf einen gewissen Ssung Xyroh, Im- und Export...“ das wunderte Lois nun gar nicht, „und sooo wie ich das hier sehe...“, offenbar zog ihr junger Kollege die Worte so in die Länge, weil er parallel im Computer am Suchen war, „ist er nicht vorbestraft. Scheint ein ganz normaler Händler zu sein.“

Genau das glaubte Lois nicht. Alles in ihr sagte das Gegenteil, ihr Reporterinstinkt, oder einfach nur ihr Gefühl, einfach alles. Immerhin gab es in der Lagerhalle etwas, das Superman vollkommen erledigt hatte. Zufall? Genau das glaubte Lois nicht. Viel wahrscheinlicher war doch, dass Mr. Xyroh etwas am Pier 127 trieb, von dem er nicht wollte, dass er dabei beobachtet wurde, auch nicht aus der Luft. „Jimmy, such da bitte weiter. Ich brauche alles über diesen Xyroh, was ist das überhaupt für ein Name? Ach ja, und noch eins ist wichtig: Ruf mich nicht an! Ich melde mich, okay?!“ Sie wollte verhindern, dass ihr Handy im unpassendsten Moment klingelte.

„Lois... du bist doch nicht etwa am Pier 127, oder? Das ist eine verdammt finstere Gegend...“

Jimmys Sorge hatte etwas Rührendes. Aber sie war froh, dass sie diese Frage guten Gewissens und mit einer gehörigen Portion Scheinheiligkeit verneinen konnte, der Westhafen war noch nicht einmal in Sicht.

Was die Männer nur immer hatten? Jemand bedrohte Superman – da konnte sie doch nicht einfach still dasitzen, zusehen und abwarten, ob etwas passierte. Um dann die Story darüber zu schreiben. Außerdem wusste sie sich sehr gut zur Wehr zu setzen.

Während die an den dreckigen Fenstern ihres Taxis vorbei fliegende Nacht immer dunkler erschien – die gut beleuchteten Straßen hatten sie lange hinter sich gelassen – kam Lois plötzlich der Gedanke, dass sie dem Mann, dem sie auf dieser Welt am wenigsten vertraute, gerade ihren besten und wichtigsten Freund anvertraut hatte. 'Hoffentlich war das richtig.' Auf der anderen Seite, dass es dem Mann aus Stahl so schlecht ging, wusste sie nur, weil sie ihr bester und wichtigster Partner heute Abend so durcheinander gebracht und auf die Straße getrieben hatte. Lois seufzte innerlich und fragte sich, warum das Leben eigentlich so kompliziert sein musste. Sprich, ihr Leben... obwohl es eigentlich immer nur dann so kompliziert war, wenn es um Männer ging. Alles andere hatte sie bestens unter Kontrolle, ihre Ausbildung, ihre Karriere, Kontakte, ihre Informanten – alles bestens.

Doch darüber wollte sie in diesem Moment nicht nachdenken. Ihr Taxi fuhr nun über einen Fahrbahnbelag, der kaum noch Asphalt sein konnte, es fühlte sich an wie Betonplatten, die mehr schlecht als recht aneinanderlagen. Der beste Hinweis, dass ihr Ziel, der Westhafen, nicht mehr weit sein konnte. Ein Blick aus dem Fenster brachte gar nichts, sie kannte sich hier schon bei Tageslicht kaum aus, und bei einer so spärlichen Beleuchtung konnte sie so gut wie nichts erkennen.

So rumpelte das gelbe Fahrzeug also weiter durch die tief dunkle Nacht, während Lois' Gedanken nun zu dem Mann aus Stahl wanderten. Sie fragte sich plötzlich, ob dies womöglich das Ende von Superman sein konnte.

Ein Gedanke, der ihr augenblicklich Magenschmerzen verursachte. Wer wusste schon, was Kryptonier normalerweise für ein Alter erreichten konnten? Nur weil dieser Adonis aussah, als wäre er noch keine dreißig, hieß es ganz sicher nicht, dass er ewig leben würde.

Superman verlieren?“, fragte sie sich schwermütig.

Das wäre furchtbar. Die Welt wäre ohne ihn... anders. Dieser Gedanke tat weh. Aber – nicht so grausam wie der Moment, als sie gedacht hatte, Clark wäre erschossen worden. Direkt vor ihren Augen. Für sie. Augenblicklich spürte sie wieder den Dolchstoß von damals, fast so, als hätte sie die Kugel getroffen.

Wenn es ihm nun wirklich so schlecht ging? Ob sie ihren Vater anrufen sollte? Aber nein, sie wusste es, es ging ihm... nun, nicht wirklich besser, aber auch nicht schlechter. Konnte ihn fast vor sich sehen. Auf der Stirn feine Schweißperlen. Immer noch blass. Sein Atem flach, aber schlechter ging es ihm nicht. Sie konnte es nicht erklären, wusste aber ganz sicher, dass es so war. Obwohl Lois wirklich nicht an Übersinnliches glaubte, wusste sie es einfach. Es war, als hätte sie eine ganz feste Verbindung zu ihm.

Das war ein gutes Gefühl, eines, das sie wirklich beruhigte. Und doch war es erstaunlich: Wenn sie es jemals für möglich gehalten hätte, mit jemandem so etwas zu haben, hätte sie das eher zu Clark vermutet. Sie hielt inne und fragte sich sofort, wo diese Eingebung denn nun hergekommen war. 'Oh, Clark, was machst du nur mit mir?' Lois fühlte sich wie in der Achterbahn, und jemand hatte die Bremse ausgebaut. Sie wusste einfach nicht, ob sie die Fahrt genießen oder lieber doch ganz laut um Hilfe rufen sollte.

Das Taxi kam abrupt zum Stehen und ihr schweigsamer Fahrer nannte den Preis. Dann fragte er sie noch, ob er warten sollte, doch Lois verneinte. Obwohl sie sofort beim Aussteigen eine ungute Vorahnung beschlich. Aber für das, was sie hier erwarten konnte, war ein schweigsamer Taxifahrer ganz sicher keine Hilfe.

Es war schlicht und ergreifend stockfinster hier. Keine Straßenlaterne, keine Reklametafel, kein halbleerer Kiosk, es war einfach nur tief finstere Nacht. Da halfen ihr auch die entfernten Lichter vom anderen Flussufer nichts. Ein leicht modriger Geruch von nassem Holz schlug ihr entgegen. Motoröl und der typische Gestank des Hob's River, eine Mischung aus Brackwasser, Algen und Benzin.

Das alles konnte sie nicht abhalten, sich auf den Weg zum Pier 127 zu machen, deswegen war sie schließlich hier. Auch wenn sie schon ein recht mulmiges Gefühl im Magen spürte, doch das ignorierte sie lieber schnell. Der Boden war uneben, nach ein paar Schritten glaubte sie aber unter ihren Füßen eingelassene Bahnschienen zu spüren. Hinter sich hörte sie ihr Taxi abfahren – und danach nur noch Stille, nun war sie wirklich alleine hier. Hörte nur noch ihre eigenen Fußtritte auf dem Boden. Das leichte Glucksen des Wassers. Und ganz entfernt, wie ein gleichmäßiges Atmen, die ewige Geräuschkulisse der Stadt. Aber so ganz allmählich konnten ihren Augen Konturen in der Dunkelheit ausmachen, dort ein kräftiger Metallzaun, hier eine Tür in einer Hütte. Dann das erhoffte Schild: PIER 127. Obwohl der Lack bereits jeden Glanz verloren hatte, konnte sie es gerade eben erkennen. Ihre Augen hatten sich bereits so an die Dunkelheit gewöhnt, dass sie sich nun einigermaßen orientieren konnte. Das war wirklich gut so.

„Warum kann nicht mal der Mond scheinen...?“, fragte sie sich und erschrak sofort über ihre eigene Stimme, die die Stille zerschnitt.

Die besagte Lagerhalle hatte etwas Merkwürdiges an sich, das sie nicht sofort greifen konnte. Ein einfacher Betonklotz, ein großes, aber verschlossenes Tor, keine Fenster, nur kahle, undurchdringliche Wände. Vielleicht gab es ja ein Oberlicht, doch das konnte sie nicht erkennen. Noch nicht. Drum herum standen überall mannshohe Kunststoffkisten mit Netzen darin, feine, grobe, alte verwitterte aber auch offenbar noch recht neue, dann Kisten, in denen Bojen, jede Menge Seile, dicke und dünne, genauso wie unzählige dieser Stäbe mit den kleinen Fähnchen daran, kleine Anker und lauter Dinge, die Fischer so brauchten, verstaut waren. Der Gestank von altem Fisch war hier auch wieder stärker. Und plötzlich wusste Lois, was ihr merkwürdig vorgekommen war; all diese Utensilien waren typisch für Fischer, aber eher für die kleinen. Diese Halle wiederum passte von der Größe aber eher zu einem Mega-Fischfang-Fabrik-Schiff. Entweder sie schätzte hier etwas vollkommen falsche ein, oder Mr. Xyroh versuchte seinen Im- und Export als kleine Familien-Fischerei zu tarnen. Das musste sie sich genauer ansehen. Doch dazu musste sie in die Halle.

Lois ging noch ein zweites Mal um die Halle herum und war noch einmal erstaunt, dass sie praktisch mit jeder verstrichenen Minute mehr in der Dunkelheit erkennen konnte. Als sie dann zwischen zwei von diesen Kisten etwas sah, was durchaus eine Tür sein konnte, war sie um die Anpassungsfähigkeit ihrer Augen wirklich sehr froh. Sie versuchte nicht an ihre Jacke zu denken und zwängte sich zwischen die beiden Kisten. Der Geruch, den sie nun vernahm, sagte ihr, dass sie ganz in der Nähe der Toiletten sein musste. „Nicht darauf achten! Einfach immer weiter machen...!“ ermutigte sie sich selbst. Und tatsächlich, diese Tür ließ sich mit ein wenig Gewalt öffnen. Oder wenigstens soweit aufziehen, dass sie hier hindurch schlüpfen konnte.

Die Tür klappte hinter ihr zu. Und schon sah sich Lois vor das nächsten Problem gestellt: Während sie draußen schon fast das Gefühl gehabt hatte, sich gut orientieren zu können, war es hier nun wirklich vollkommen dunkel – andererseits war der Fischgeruch nun weg. „Tja, du kannst eben nicht alles haben...“ Aber als Frau von Welt, die einfach jede Situation meisterte, hatte sie ja für solche Fälle ihre Taschenlampe dabei. „Nun, Lane, hoffentlich löst du damit keinen Alarm aus...“ und knipste sich beherzt das Licht an.

Mit angehaltenem Atem wartete Lois einen Moment, lauschte angestrengt, aber nichts passierte, keine Sirene, kein Bellen, nichts. „Puh...“

Statt der erwarteten Fischerboote, ob große oder kleine, erschienen gespenstische Berge von Pappkartons in dem dünnen Lichtkegel. Hier drinnen wirkte das alles doch wieder wie eine Lagerhalle, geordnete Stapel aus Pappe, Gänge, die sie vollkommen vergessen ließen, dass sie sich so nah am Hafen befand. Sie fragte sich, was nur in den Kisten sein mochte und leuchtete diese etwas genauer ab. Doch die meisten waren schlicht gar nicht beschriftet. Dann kam sie in eine Gasse, deren Kartons asiatische Schriftzeichen trugen. Nicht ein einziger lateinischer Buchstabe war darauf, nicht sehr förderlich im internationalen Handel. Da! Etwas, das sie lesen konnte: Piperonal...?!

„Verdammt, was war das doch gleich noch?“ schimpfte sie mit sich selbst. Diese Substanz kam ihr entfernt bekannt vor, nur was... „Chemikalie? Ein Medikament, das noch nicht zugelassen ist? Nein, nein, nein! Was war das doch gleich...?“ murmelte sie in der Hoffnung, dass das ihren Geist stimulieren würde. „Ein Farbstoff vielleicht...? Moment – bunt... bunte Pillen – Ecstasy. JA!“

Piperonal war der Grundstoff für die Herstellung von Ecstasy. Das war es – Drogen! Selbst der Besitz des Rohstoffs war bereits illegal. Aber das hier waren Tonnen!

So also baute sich Mr. Xyroh seinen Reichtum auf. Nun hatte Lois Blut geleckt, sie wollte unbedingt wissen, was in den anderen Kartons war. Wieder in dem Gang angelangt, wo sie die Kartons ohne Beschriftung gesehen hatte, wollte sie einen dieser Kartons von seinem Lagerplatz ziehen. Vielleicht hatte er an der Seite, die sie nicht einsehen konnte, einen Hinweis. Ihre kleine Fenix-Taschenlampe mit den Zähnen haltend zog sie dann einen der obersten Kartons vor und leuchtete erst die eine Seite ab, nichts, dann die andere Seite. Und ja, hier stand in großen Lettern: NaHCO3. Das war Natriumnhydrogencarbonat. „So ein Mist! Backpulver, das ist Backpulver! Der Freund der Hausfrau. Aber... da war doch was... verdammt Lois, warum hast du in Chemie nicht so gut aufgepasst...? Warte, warte, warte... Wird Natriumhydrogencarbonat nicht bei der Herstellung von Crack benötigt? Aber ja!“, rief sie mit einem triumphierendem Lächeln. Und wusste damit auch sofort, warum ihr die Erinnerung an den Chemieunterricht hier gar nicht geholfen hätte. Sie hatten bestimmt nicht beigebracht bekommen, Crack herzustellen. Aber auch das hier waren bestimmt an die hundert Kartons. Drogenproduktion in großen Stil also. Inspector Henderson würde begeistert sein. Nur schade, dass sie keine Kamera dabei hatte.

„Aber wo rühren sie das Zeug zusammen?“

Lois ging den Gang bis zum Ende, die Taschenlampe dabei immer auf den Boden gerichtet. Dann den Quergang entlang. Wenn sie nicht die Orientierung verloren hatte, sollte sie nun parallel zum Flussufer gehen. Und hier am Ende angelangt entdeckte sie einen abgetrennten Raum. Sie drückte die Klinke hinunter – abgeschlossen. Aber dieses Schloss würde sie nur einen kurzen Moment kosten, wie sie mit einem kurzen Blick feststellte – ein einfaches Buntbartschloss.

In der Tat, sie benötigte nicht einmal zwei Minuten. „Lois, du wirst immer besser!“ Und, tada! betrat sie den versteckten Raum. Es war schade, dass sie kein Licht anmachen konnte, das traute sie sich einfach nicht, es war dann doch zu gefährlich und im Schein der Taschenlampe konnte sie vieles erahnen – nur leider überhaupt nicht einschätzen. Da waren mehrere Metallbottiche, so etwa einen Meter hoch, die alle mit Schläuchen verbunden waren. Es gab einen Wasserzulauf und einen -ablauf. Elektrik dazwischen, Lampen, Schalter und etwas, das eine Zentrifuge sein könnte. Nun, dies war ein Labor, keine Frage.

Auf der anderen Seite stand ein Schrank, wohl ein Kühlschrank mit einer sehr auffälligen Beschriftung in großen, fetten Buchstaben: PROJEKT K.

„Welche Droge mochte das sein? K? Welche Droge beginnt mit 'K'? Hm... Kokain... aber warum Projekt K?“, sinnierte sie. Das machte alles noch keinen Sinn. Lois hätte zu gerne gewusst, was Projekt 'K' sein sollte, was sich in diesem Kühlschrank befand und was sie hier noch entdecken würde, aber im Augenblick traute sie sich aus unerklärlichen Gründen nicht, diesen Kühlschrank zu öffnen.

Sie ließ ihren Blick weiter umherschweifen. Am anderen Ende dieses Labors stand ein kleiner Schreibtisch, der sehr voll geladen war mit allerlei Papieren, Ablagekörben und Ordnern, aber einen vergleichsweise aufgeräumten Eindruck machte. Wieder die Taschenlampe mit den Zähnen haltend sah Lois die Schubladen und Ablagekörbe durch. Mit den Papieren und Notizen in asiatischen Schriftzeichen konnte sie nichts anfangen, aber es gab auch welche, die in Englisch beschrieben waren. Doch selbst wenn das nur ein Teil der Papiere war, wurde ihr sehr schnell klar, dass bald eine Lieferung erwartet wurde, die Acetanhydrin beinhaltete. „HA!“ Dieses wurde benötigt um Heroin herzustellen. Lois schüttelte den Kopf. „Die kochen in ihrer Küche hier ja wirklich jeden Stoff zusammen...“ Fehlte ja eigentlich nur noch Kokain.

Lois musste kurz an den George-Berger-Fall denken, damals hatte sie wirklich Angst gehabt, aber auch unglaublich viel über das Zusammenbrauen der gängigsten Drogen gelernt. Und sie hatte damals schon gewusst, dass sie das alles noch einmal würde gebrauchen können.

Wieder wanderte ihr Blick ehrfürchtig zu dem Kühlschrank. Trotzdem machte die Beschriftung in ihren Augen immer noch keinen Sinn, Kokain musste schließlich nicht neu erfunden werden.

„Was ist Projekt 'K'?“ Noch immer flößte ihr dieser Kühlschrank Respekt ein, aber die Waagschale bewegte sich nun zunehmend in Richtung ihrer Neugierde.

Aus einem Regal nahm sich Lois ein Paar Einweghandschuhe und streifte sie über. Sie holte einmal tief Luft, hielt sie dann an und öffnete vorsichtig die Tür von 'Projekt K'. Und...? Augenblicklich war der kleine Raum in ein grünliches Licht getaucht – Kryptonit!

„Verdammter Mist!“ stieß sie hervor. „So macht das natürlich alles Sinn!“ Supermans Schwäche. Projekt 'K'! Mr. Xyrohs Interesse, dass gerade Superman ihn nicht beobachten sollte. In der Größenordnung, wie hier Drogen hergestellt wurden.

Das grünliche Licht kam von einem Stein, der kaum zwei Zentimeter groß war. Daneben stand ein Ständer mit mehreren verstöpselten Reagenzgläsern darin, die alle eine undefinierbare Masse enthielten, deren Form Lois an einen explodierten Kaugummi erinnerte. Auch von den Kaugummis ging ein schwach grünliches Licht aus. Lois hielt einen Moment inne und überlegte, was sie nun machen sollte. Sie wollte Superman helfen, ihn schützen, das war klar, aber wie? Plötzlich wurde sie sich ihres Herzklopfens bewusst. Auch hatte sie die letzten Minuten kaum noch richtig durchgeatmet, so angespannt war sie. Was wusste sie denn, wie gefährlich dieses Zeug für sie war?

Es war ja nicht das erste Mal, dass sie mit Kryptonit in Berührung kam – und bisher hatte es ihr niemals geschadet. Aber dieses hier war offenbar verändert, manipuliert worden. Andächtig ließ sie ihre Finger über den leuchtenden Stein gleiten. Er fühlte sich kalt und trocken an. „Kryptonit...“ flüsterte sie. Auf seine Art schön und faszinierend, aber so gefährlich für den fliegenden Helden. Wie es ihm wohl ging? Jetzt, in diesem Augenblick. Ob sie ihren Vater anrufen sollte?

Lois hielt inne, horchte in sich hinein, als könnte sie eine Antwort erwarten. Und tatsächlich bekam sie die tröstenden Worte. Aus ihrem Inneren. Obwohl es weniger Worte waren, es fühlte sich für einen Augenblick an, als könnte sie spüren, wie es ihm ging. Als kämen die Worte, die keine waren, aus seinem Inneren. Lois schloss ihre Augen, sie wollte diesen Moment nicht verlieren. Dabei war er so intensiv wie sie lange schon nichts mehr empfunden hatte. Fühlte ihn mit jeder Faser. Sie war bei ihm, in ihm, oder – er in ihr. Jedenfalls wusste sie, dass es ihm immer noch nicht gut ging, aber eben auch nicht schlechter. Immer noch dieses Fieber, Kälte, Schwäche. Jede Bewegung schmerzte. Einfach nur still daliegen, das half, das war das Beste. Liegen und schlafen. Schlafen, nur schlafen...

Mit einem Kopfschütteln landete Lois wieder im Hier und Jetzt. Löste sich ganz bewusst von dieser äußerst intensiven Begegnung der besonderen Art. Und doch wusste sie, dass dies keine Einbildung gewesen war. Sie wusste es einfach, ohne eine bessere Erklärung dafür zu haben. Nur wunderte sie sich noch einmal, dass sie solch eine tiefe Verbindung zu Superman aufbauen konnte, während sie immer noch nicht wusste, wie sie Clark einschätzen sollte oder wo er im Moment war. Sie sollte sich vielleicht einfach auf diesen Fall konzentrieren. Der getarnte Fischer – natürlich würde sie nur zu gerne diesen Mr. Xyroh hochgehen lassen, dazu müsste sie am besten...

Schritte!

Lois hörte Schritte. Taschenlampe aus! Langsame Schritte. Nicht atmen! Vorsichtige Schritte. An die Wand drücken! Tastende Schritte. Ganz flach! Einen Fuß vor den anderen. Unsichtbar werden! Leise Schritte. Nicht mehr da sein wollen!

Ihre Finger umfassten fest die Aluminiumhülle ihrer Fenix-Taschenlampe. Fest. Sehr fest. Sie würde zuschlagen. Sich wehren. 'Oh ja! Komm nur!' versuchte sie sich selber Mut zuzusprechen. Sie wusste um ihre Chancen, kein Mensch ahnte, wo sie war, alleine, unbewaffnet. Und wer auch immer hier herum schlich, kannte sich sicher sehr viel besser aus, war stärker. Die Schritte kamen eindeutig näher. Gleich war es soweit. Lois' Herz schlug so heftig, dass sie Angst hatte, alleine das laute Pochen könnte sie verraten. Jetzt! Die Klinke wurde nieder gedrückt. Die Tür geöffnet. Es blieb dunkel. Noch ein Stück weiter. Ein Kopf – Lois ließ ihren Arm mit aller Kraft nieder sausen, schlug zu, konzentrierte all ihre Kraft nur auf diesen einen Punkt.

Der Aufprall verursachte ein dumpfes Geräusch. Jemand stöhnte herzerweichend. Ja, sie hatte gut getroffen. Er sackte zusammen, rutschte an dem Holz der Tür hinunter, blieb genau in der geöffneten Tür liegen. Dann – Stille.

Lois wartete noch ein paar Sekunden, ob keine weiteren Schritte folgten, kein Wachhund, kein Nachfragen eines Kollegen. Nein, es blieb still. Gespenstisch still. Erst dann knipste sie ihre Taschenlampe wieder an. Die Jacke, die Haare – oh nein! „JIMMY! Jimmy!“ Sie beugte sich hinunter zu ihm. „Jimmy! Sag doch was! Es tut mir leid, so leid...“ rief sie panisch.

Was machte ihr Kollege hier? Sie hatte ihn zusammen geschlagen. Vorsichtig klopfte sie an seine Wangen. Was hatte er sich dabei gedacht? Bewusstlos geschlagen. Geradezu zärtlich klatschte sie ihn ins Gesicht. Warum hatte er sie nicht vorgewarnt? Lois hielt inne. „Verdammt, Lane! Er hat genau das gemacht, was du ihm gesagt hast – er hat nicht angerufen.“

Ein Krächzen, als käme es aus den tiefsten Tiefen der Erde: „Lois...“ Ihr junger Kollege sah sie an, wobei sie sich im dünnen Schein der Taschenlampe nicht wirklich sicher war, ob seine beiden Augen in dieselbe Richtung sahen.

Aber dem Himmel sei Dank – er lebte! „Jimmy, hörst du mich?“ Und er erkannte sie. „Sag doch etwas.“

„Ich dachte... es ist nicht gut...“ er versuchte sich aufzurichten – vergeblich. „... wenn du hier alleine... rumschnüffelst...“ Lois packte ihn an den Schultern und half ihm in eine halbsitzende Position. „Ohhh, mein Kopf... womit hast du bloß zugeschlagen?“

Lois zeigte ihm die Taschenlampe. Augenblicklich hatte sie ein unglaublich schlechtes Gewissen. Der Aluminium-Schaft war zwar kurz, aber gezielt eingesetzt – und das hatte sie gerade getan – eine durchaus gemeine Waffe. Woher sollte sie denn auch wissen, dass Jimmy heute Nacht den Helden spielen wollte?

„Oh Mann – für die Beule schuldest du mir aber was.“ Ja, da hatte er wohl Recht. Er befühlte eine Stelle seines Kopfes und verzog noch einmal das Gesicht. Es tat ihr bereits vom Hinsehen weh.

Aber wem nützte es, Jimmy noch lange zu bedauern? „Sag mal, hast du eigentlich deine Kamera dabei?“

Das, was Jimmy ihr daraufhin zeigte, konnte fast als Lächeln gewertet werden. „Natürlich.“

Guter Junge.

Nachdem er sich vollends aufgerichtet hatte, erzählte Jimmy ihr dann, was er alles heraus gefunden hatte. Mr. Ssung Xyroh war ein einfacher Händler für Geschenkartikel, meistens aus Fernost, bezahlte seine Steuern, war unauffällig. Offenbar zu unauffällig. Ein Anruf bei Inspector Henderson - „Ich hab natürlich gesagt, ich ruf in deinem Auftrag an...“, gestand er schuldbewusst – hatte Jimmy bestätigt, dass die Polizei Mr. Xyroh sehr genau beobachtete. Immer wieder, aber noch hatte sie nichts gegen ihn in der Hand. Für das, was er offenbar mit seinem doch eher mäßigen Handelsbetrieb erwirtschaftete, führte er ein recht teuer-luxuriöses Leben. War sein Haus eine Spur zu groß und seine Begleiterinnen etwas zu zahlreich und eine Spur zu anspruchsvoll.

Inzwischen hatte sich ihr junger Kollege so weit aufgerappelt, dass er sogar wieder lässig im Türrahmen lehnte. Befühlte sich aber hin und wieder seinen Kopf. Lois hoffte einfach, er machte das nur, um etwas zu dramatisieren.

„Gute Arbeit, Jimmy! Und Henderson hat Recht. Geschenkartikel... Pah! Drogen. Es geht um Drogen – und zwar im großen Stil. Wir werden Henderson gleich anrufen – hat er Dienst heute Nacht?“ Ihr Gegenüber nickte. Das war gut. Henderson war genau der Richtige für diesen Fall. Sie arbeitete gerne mit ihm zusammen. Er war der Presse, beziehungsweise dem Planet gegenüber pragmatisch entgegenkommend. Es hatte sich aber in der Vergangenheit auch für ihn immer ausgezahlt gehabt. „Diese 'Lagerhalle' wird eine Goldgrube für ihn sein.“

„Aber er wird hier ohne konkreten Verdacht und damit ohne Durchsuchungsbefehl nicht rein kommen... dürfen...“

Lois lächelte entspannt. „Oh doch... du machst Fotos. Wirst sie ihm noch heute Nacht zuspielen und im Gegenzug sind wir bei der Verhaftung dabei. Machen alle Interviews und so weiter...“ Dass diese Fotos illegal gemacht wurden, war somit nicht das Problem Hendersons, sondern der Rechtsabteilung des Planets. Das war nun wiederum der Polizei egal. Und bei dem Artikel, den sie sich davon versprach, würde es auch Perry schlucken.

Sie verbrauchten zwei Filme und drei Sätze Batterien für den Blitz. Fotografierten jede Kiste, jede Beschriftung, das Labor, die schriftlichen Belege, Namen, Daten, einfach alles. Mr. Xyrohs Leute schienen sich hier sehr sicher zu fühlen. Die letzten Bilder schossen sie von außen, damit sehr deutlich bewiesen werden konnte, dass diese Lagerhalle nicht irgendwo stand, sondern genau hier, am Pier 127. Lois wusste, wie Beweise unanfechtbar gemacht wurden. Aber sie lenkte Jimmys Aufmerksamkeit dabei bewusst von 'Projekt K' weg. In einem unbeobachteten Moment öffnete sie noch einmal die Tür des Kühlschranks und entnahm sowohl den leuchtenden Stein, als auch die Reagenzgläser. Beides passte gerade eben so in ihre Handtasche. Noch wusste sie nicht, was sie damit machen sollte, aber sie wollte nicht, dass das Kryptonit in der Ermittlungs-Maschine, die hier bald über den Pier laufen würde, eine Rolle spielte. Sie wollte einfach nicht offenbaren, wie angreifbar Superman war.

Erst vom Taxi aus und nachdem sie den dunklen und nasskalten Westhafen ein gutes Stück hinter sich gelassen hatten, traute sich Lois Henderson anzurufen. Wie sie es erwartet hatte, reagierte der Inspektor erst einmal skeptisch: „Miss Lane, Sie sollten sich aus der Geschichte lieber heraus halten. Die Polizei Metropolis' ist da dran und ich möchte das, was wir bisher aufgebaut haben, nicht durch eine unbedachte Aktion einer übereifrigen Reporterin gefährden.“ Er hatte nichts, das war ihr sofort klar. Sie kannte ihn inzwischen ganz gut und mochte dieses Katz-und-Maus-Spiel mit ihm. Mit einem äußerst zufriedenen Lächeln kündigte sie Jimmy an. Ließ noch die eine oder andere Chemikalien-Bezeichnung fallen. Jimmy sollte die Fotos gleich dort entwickeln, damit Henderson den notwendigen Durchsuchungsbefehl ohne jede Verzögerung erwirken konnte. Ihr war es wichtig, möglichst wenig Zeit verstreichen zu lassen. Denn der erste Mensch, der am Morgen die Lagerhalle am Pier 127 betreten würde, würde sicher das Fehlen von 'Projekt K' bemerken. Als sie aber Henderson ihren Köder präsentierte, ihm ankündigte, was die Bilder von Jimmy darstellen würden, begann er Blut zu lecken: „Wenn diese Fotos wirklich halten, was Sie mir gerade versprechen... dann läuft der Deal.“

Sie hatte ihm noch gar keinen Deal vorgeschlagen. Aber Henderson war klar, was sie wollte, was sie immer wollte: Alle relevanten Informationen lange vor jeder Pressekonferenz, Interviews mit den Beteiligten, Begleitung der Durchsuchung, Verhaftung und Fotos von allen Aktionen. Und das alles, bevor ein anderer Reporter davon auch nur den leisesten Wind bekam. Exklusivrechte für den Planet, das war es, worauf es ankam im schnellen Pressegeschäft.

Gleich nachdem Jimmy am Polizeipräsidium ausgestiegen war, warf Lois einen sehr respektvollen Blick in ihre Tasche und nannte dem Fahrer den nächsten Stopp: „Und nun zu den S.T.A.R. Labs.“

Ihr Fahrer war ein molliger Glatzkopf ohne Hals, dafür drehte er sich aber erstaunlich weit zu ihr herum. „Meinen Sie wirklich, da ist jetzt noch jemand?“

„Das lassen Sie einfach meine Sorge sein.“ Daraufhin fuhr er los. Bernhard Klein hatte einmal behauptet, an zweihundert Tagen im Jahr würde er auch dort schlafen, weil es sich einfach nicht lohnen würde, nur für eine Mütze voll Schlaf in seine Wohnung zu fahren. Sie betete still, dass dies eine von diesen Nächten war. Arbeit, nichts als Arbeit. In ihren Augen ein armseliges Leben, sie fragte sich aber auch gleich, ob ihr eigenes denn soviel besser war. Obwohl – wenn sie ehrlich war, es war sonniger geworden, seit sie Freunde hatte – Superman war ganz sicher der bemerkenswerteste Mann, den sie sich überhaupt vorstellen konnte und Clark...? Er war sicher der netteste, dem sie jemals die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte. Und der sympathischste, der sie jemals angelogen hatte. 'Verdammte Kerle...'

Vielleicht sollte sie einfach bei ihrer Schwärmerei für diesen Gott in einem Cape bleiben, der doch so unerreichbar war, das war weitaus ungefährlicher. 'Wie mag es ihm gehen? Jetzt? In diesem Moment?', schoss es ihr gleich durch den Kopf und ließ sie nicht mehr los. Ob sie doch ihren Vater anrufen sollte? Mit dieser Frage wurde es leise um sie herum. Ein Bild wie eine Erinnerung schlich sich vor ihre Augen, ließ das Taxi samt Fahrer verschwinden. Superman – immer noch liegend, auf der Couch, wo sie ihn zurück gelassen hatte. Der blaue Anzug, das 'S' auf seiner Brust. Das Atmen nun aber nicht mehr ganz so schwer. Seine Augen halb geöffnet, der Blick immer noch glasig, flüsterte er mit dünner Stimme: „Durst...“ Und sie spürte die Trockenheit seiner Kehle, konnte die Zunge kaum bewegen. Das Gefühl war furchtbar – aber so nah. Doch er sprach wieder. War wieder soweit bei Kräften, wieder soweit da. Auch wenn noch jeder heroische Glanz fehlte, das war der Weg der Genesung. Und wie schon unten am Pier hatte sie auch diesmal nicht den Hauch eines Zweifels. Dieses Mit-Empfinden war keine Einbildung oder gar ein bloßes Wunschdenken, sondern es passierte genau in diesem Moment. Sie war wirklich bei ihm. Meilenweit entfernt – und doch hautnah. Und sie wusste, dass es so war. Einfach nur durch die Tatsache, dass sie an ihn dachte. Sich auf ihn einließ. Lois bekam eine Gänsehaut bis zu den Zehen hinunter.

Der Nachtwächter der S.T.A.R Labs schaute Lois an, als zweifelte er an ihrem Verstand. „WAS? Dr. Klein wecken?! Unmöglich!“ Das Glück war auf jeden Fall schon einmal soweit auf ihrer Seite, dass heute eine dieser Nächte war, in denen Bernhard Klein hier anzutreffen war. Aber nun drohte sie an diesem unfähigen, unterbelichteten und wahrscheinlich unterbezahlten Uniformierten zu scheitern.

Sie würde Klein auch selber wecken, obwohl sie ein Bild von ihm, ungemütlich in einem Regal, zwischen lauter Reagenzgläsern und Erlenmeyerkolben schlafend, nicht aus ihrem Kopf bekam. Aber sicher würde sie dieser Unmensch gar nicht erst in den siebten Stock lassen. „Hören Sie, es ist wirklich wichtig! Rufen Sie ihn an und sagen ihm meinen Namen!“ Presse oder Planet wollte sie fürs erste aus dem Spiel lassen, das war nicht immer ein Sesam-öffne-dich. Langsam begann Lois ihre eigene Müdigkeit zu spüren, was schnell zu Ungeduld führen konnte – und das durfte nicht passieren. Sie musste geschickt sein, das Kryptonit loswerden. Jetzt sofort.

Mit zusammen gezogenen Brauen und sehr skeptischem Blick tat der Mann dann aber doch, worum sie ihn so unnachgiebig gebeten hatte. Sein Glück. Er hatte keine Ahnung, was für eine Furie Lois zu wecken vermochte, wenn sie schlecht gelaunt und müde ihren Willen nicht bekam. Nachdem er mit seinem Gesprächspartner nur ein paar Worte gewechselt hatte, sagte er widerstrebend zu ihr: „Okay. Wissen Sie, wo sein Büro ist?“

Na also! Schon fast am Fahrstuhl, rief sie ihm über die Schulter: „Kein Problem, ich kenne mich aus“ zu.

Die müde Version von Bernhard Klein war einfach nur ein Abklatsch seiner Selbst. Wortkarg, träge, aber auch fast ohne eigenen Willen gestaltete sich die Übergabe ihrer gefährlichen Fracht sehr unproblematisch. Er stellte ihr nur zwei Fragen und die auch noch etwa zwei Minuten zeitversetzt auf ihre Äußerung hin. Der Wissenschaftler hielt sie also nicht weiter auf, auf ihrem Weg durch die nächtliche Stadt.

So dass sie bereits kurz darauf wieder dort war, wo sie ihr Odyssee begonnen hatte. Das Schließen von Clarks Wohnungstür schien ihr bereits Ewigkeiten her zu sein und doch waren gerade einmal drei Stunden vergangen. Während sie ganz leicht an die Tür klopfte, fragte sich Lois, ob ihr Partner wohl inzwischen aufgetaucht war.

Aber es war Sam Lane, der ihr öffnete. Krawatte und die obersten Hemdknöpfe trug er offen. Er sah müde aus. „Lois“ und doch schenkte ihr Vater ihr ein Lächeln, „es geht ihm besser.“

„Ich weiß.“ Sie berührte ihren Vater kurz am Arm und ging an ihm vorbei. „Hat Clark sich gemeldet?“ Sie hoffte inständig, dass er ihr keine Frage zu ihrem Standpunkt zwischen diesen beiden Männern stellte.

Sam Lane schien genau zu wissen, wie weit er gehen durfte, er kommentierte nichts und schüttelte zu ihrer Frage nur kurz den Kopf.

Lois bemerkte, wie sich zu dem vollkommen unverständlichen Fernbleiben ihres Kollegen etwas in ihr rührte. Etwas zwischen einem Monster und einem Vulkan. „Geh ruhig nach nach Hause, Dad. Ich bleibe hier. Und – danke!“

Für einen kurzen Moment sah der Vater seine Tochter an, dann atmete er einmal tief durch, nahm sein Jackett und sagte auf dem Weg zur Tür: „Ruf an, wenn etwas ist...“

Es war erstaunlich, alles mögliche hatte sie von ihm erwartet, Misstrauen, Hinterfragen oder auch Vorhaltungen. So wie Eltern das nun mal taten. Obwohl ja gerade er dafür jedes Recht bereits vor Jahrzehnten verwirkt hatte. Sollte das hier eben gerade bedeuten, dass er sie endlich akzeptierte?

Doch die Frage verblasste sofort, als sie Superman sah. Hilflos schaute sie ihn an, wie er da auf der Couch lag. Es schien, als brenne in ihm ein Feuer, aber nicht das, das ihn normalerweise zu dem Menschen machte, der er war. Nein, der Mann aus Stahl verbrannte innerlich. Seine Wangen glühten fieberrot und während sein Körper in Flammen stand, war in seinen Augen jegliches Feuer erloschen. Er war Immer noch so apathisch und blass. Genau wie sie ihn zurück gelassen hatte. Obwohl er vor ein paar Stunden vielleicht doch noch etwas blasser gewesen war. Fiebriger, hilfloser.

Ganz leicht bewegte er seine Lippen, hielt seine Augen aber weiter geschlossen. Er schien dadurch fast etwas entrückt, in seiner eigenen Welt zu sein. Lois fragte sich, ob Superman wohl träumte. Grundsätzlich, nicht gerade in diesem Moment. Und wenn ja, wovon träumte jemand wie er?

Doch dann erinnerte sie sich an das Gefühl der trockenen Zunge und meinte, dass er auch einfach nur Durst haben könnte. Auf dem Tisch stand immer noch ein Becher mit Tee und so griff sie vorsichtig in seinen Nacken um seinen Kopf zu stützen und führte den Becher an seine Lippen. Er fühlte sich anders an als sonst, kälter, schwächer. Den Mann aus Stahl so hilflos zu sehen, dieses Gefühl mit Händen greifen zu können, versetzte ihr immer wieder einen Stich, aber es tat gut, dass sie etwas tun konnte. Er hatte ihr wirklich schon sehr oft und aus wirklich prekären Situationen geholfen und es war gut, ihm nun etwas zurück geben zu können. Ihm eine Freundin sein konnte. Genau in diesem Moment musste sie an den eigentlichen Bewohner dieser Räume denken. „Clark, du Schuft! Wo steckst du bloß?“ Diese Frage war plötzlich relevant. Wut keimte in ihr auf. Sie würde seinen Pager anrufen, damit sie ihm möglichst bald ihre Meinung von Angesicht zu Angesicht entgegen schleudern konnte. 'Der wird sich wundern...'

Es würde sicher einen Augenblick dauern, bis der Pagerruf durchkam, aber schon mit dem Absetzten der Nummer fühlte sie sich in Erwartung des Gesprächs mit ihrem Partner besser. „Clark Kent! Warte, bis ich dich kriege! Immer lässt du mich alles alleine machen. Bist nicht da, wenn ich dich brauche.“ Sie lief ein paar Schritte umher, redete sich in Rage, aber das war gut so. So würde sie in der richtigen Stimmung sein, wenn er zurückrief. „Weißt du eigentlich, wie viele Lane und Kent-Artikel ich alleine geschrieben habe?“

„Lois... es tut mir leid...“ Erschrocken drehte sie sich um. Hilfe, seine Stimme klang wie nach einer durchzechten Nacht. Aber sein Aufwachen beruhigte sie. „Ich weiß... dass ich dich viel zu oft... im Stich lasse...“ Im Stich?! Wann hatte sie Superman je im Stich gelassen? Schnell hatte sie sich ihm wieder zugewandt. Ob das noch das Fieber-Delierium war?

Wie von selbst hatte sich ihre Hand auf sein 'S' gelegt. Streichelte es nun sanft. Eigentlich hatte sie ihn schon die ganze Zeit berühren wollen. Doch nun hatte ihre Hand es einfach getan. „Hey, ganz ruhig. Alles wird gut“, versuchte sie ihn zu beruhigen.

Auch wenn sein Blick noch etwas glasig war, sah er sie nun an. „Doch. Selbst den Mikrobiologen-Artikel musstest du schreiben – und das war doch mein Thema... aber ich war nicht fertig bis Redaktionsschluss... dieser Vu... Video...“ Er sah ihr direkt in die Augen. Sein Blick nun ganz klar. Auch seine Stimme zeugte eher von einer gewissen Klarheit seines Verstandes.

Aber das war falsch! Das musste, das konnte nur falsch sein! Was hatte Superman mit dem Mikrobiologen-Kongress zu tun? Dort hatte es doch gar keinen Superman-Einsatz gegeben...? Er fieberte noch.

Lois versuchte zu sich zu konzentrieren, zu erfassen, was hier gerade passierte, als ein Geräusch die kurze Stille zerriss. Ein Piepen. Zweimal kurz. Ein Pager – Clarks Pager! Ganz eindeutig, sie kannte das Geräusch. Doch das Piepsen kam direkt aus dem Cape!

Warum?

Doch viel schlimmer als alle Konsequenzen, die das bedeuten könnten, war sein Blick. Ein Blick, der ihr die Luft zum Atmen nahm. Er sah kurz sie an und dann glitt sein Blick an sich selbst hinunter. An dem 'S' schien er hängen zu bleiben – und dann: Ertappt. Schuld. Entsetzen. Angst. Es sah aus, als duckte er sich vor ihr. Aber warum sollte Superman...?

Doch dann, mit einem Mal, wie ein Vorhang, der zur Seite gezogen wurde, war dieser Gedanke, der sich aufdrängte, plötzlich ganz klar... die Brille, sein ständiges Verschwinden, diese Augen, seine Stimme... Warum hatte sie niemals genauer hingeschaut?

Welch eine Ironie, jetzt, wo Clark endlich hier war, konnte sie ihn doch nicht umbringen. Was hatte sie Clark von Superman vorgeschwärmt? Was hatte sie nur getrieben, Superman zu erzählen, sie würde ihn auch ohne seine Kräfte lieben? Was hatte sie um Clark getrauert nach Dillingers Schuss? Wie sehr hatte sie ihm vertraut...?

Tausend Gedanken flogen ihr gleichzeitig durch den Kopf. Und tausend Fragen, was sie nun mit ihm machen sollte...

ENDE


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